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Deutsche Altertumskunde

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452 II. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

Gemeinde mit den Jungvermählten aus derselben Schüssel essen und aus<br />

demselben Becher trinken, nachdem sie zuvor alle (zu gleichen Teilen) zu<br />

dem Festmahl beigesteuert haben, i) treten sie in Speisegemeinschaft mit dem<br />

neuen Gemeindegenossen und erklären ihn damit für aufgenommen; indem<br />

die Gemeindemitglieder nach der Reihe auf dem öffentlichen Tanzplatz der<br />

Gemeinde mit der jungen Frau tanzen, gestehen sie auch ihr alle gebührenden<br />

Gemeinderechte zu.«)<br />

Durch die Hochzeitsfeier wird nicht bloß ein neues selbständiges Hauswesen<br />

in einer Ortsgemeinde begründet, sondern zugleich der junge Ehemann<br />

in die Dorfschaft eingeführt. Damit ist er Mitglied sowohl der poli-<br />

tischen, als auch der wirtschaftlichen Gemeinde geworden, die sich in<br />

dem Ortsverband der verheirateten, selbständig ihre Haushaltungen leitenden<br />

Männer darstellt (S. 431). Diesem Verband der erfahrenen Männer 3) — er<br />

ist die am Orte maßgebende „Gesellschaft"^) — steht die politische Leitung<br />

aller öffentlichen „ Gemeinde "angelegenheiten zu, er waltet und wacht über<br />

den geregelten Gang des Wirtschaftslebens und gewährt den Männern als<br />

Gegengewicht zum Familienleben im Männerhaus^) die Freuden kameradschaftlicher<br />

Unterhaltung, oder stellt sie wenigstens in den „Zwiespalt zwischen<br />

Stammtisch- und Familienleben". «) Die wehrfähige Mannschaft mußte der<br />

soldatischen Gewöhnung halber auch in Friedenszeiten unter sich zusammen-<br />

halten und durfte darum von den Untauglichen und den Weibern sich absondern,<br />

um ihnen die Sorge für Haus und Hof zu überlassen. Der gestandene<br />

Mann gönnte sich reichliche Erholung außerhalb des Hauses im munteren<br />

Kreis der Zechgenossen, ^) deren Temperament in dem Widerwillen gegen<br />

die Schlappheit und in der Vorliebe für affektvolle Geselligkeit zum Ausdruck<br />

kam. Gemeinsame Trinkgelage der verheirateten Männer waren an der<br />

») Vgl. z. B. Hochzeitsbuch S. 137 (die<br />

ledigen Leute sind ausgeschlossen); E. H.<br />

Meyer. Bad. Volksleben S. 251. 266. Der<br />

volkstümliche Ausdruck für ein derartiges<br />

aus den Beiträgen der einzelnen Teilnehmer<br />

aufgebrachtes Festessen ist .Gelage" oder<br />

.Gilde"; vgl. anord. gildi eda hvirfingsdrykkjur<br />

— samdrykkjur - - samnadar 01 —<br />

samburdar 0l (NgL 1, 6) Pappenheim, Ein<br />

altnorweg. Schutzgildestatut (1888) S. 19; wie<br />

bei sonstigen Gildefeiern hat das jüngste<br />

Mitglied (in diesem Fall der junge Ehemann)<br />

die ganze Dorfgitdc zu bedienen<br />

(z. B. KOCK-SoHNREY, Fcstc Und Spiele<br />

S. 230. Hochzeitsbuch S. 152. 158. 182.<br />

223 u, ö.).<br />

•) Der Tanz fand noch in der Gegenwart<br />

vereinzelt auf dem //(S.431) oder batiernbrink,<br />

oder bei der Dorflinde, oder auf einem Grabhügel<br />

statt, wo die Gemeinde sich zu ihren<br />

Beratungen zu versammeln pflegte ; vgl. KOck-<br />

SOHNRRY, Spiele und Feste S. lOf. Andhee,<br />

Braunschw. Volksk.» S. 310. Hochzcitsbuch<br />

S. 186 f. 223. Liederbuch der Clara lliltzlcrin<br />

S.262 u.a.<br />

*) Ihre Lebenserfahrung trug Ihnen das<br />

Epitheton wtsl ein, während iitnc und tump<br />

(S. 442) verschwistert blieben.<br />

*) Sie heißt „Männerwelt" :weralt („Generation<br />

der erwachsenen Männer"); ferner<br />

ahd. and. gumiski [gumskepi Hei. 4478) als<br />

Korrelat zu ahd. hiwiski (familia),<br />

*) Germ. c. 22—24; Namen<br />

kindiski.<br />

für das<br />

„Männerhaus" sind Herberge (ahd. heriberga<br />

= Wehrmännerhaus), Halle, üildehalle („sie<br />

wird wohl nicht erst von den Gilden für<br />

ihre Zwecke errichtet worden sein; wahrscheinlich<br />

ist es vielmehr, daß sie schon<br />

vor Entstehung der Gilden den regelmäßigen<br />

Gelagen diente" Pappenheim, Schutzgildestatut<br />

S. 25); vgl. anord. oldrhüs', ferner Gemeinhaus,<br />

Krug (nd. krog, nl. kroegh) DWb.<br />

s. V.<br />

«) SCHURTZ, Alterklassen S. 21 f. (die<br />

geselligen Triebe sind vom Familienleben<br />

unabhängig und fordern eine selbständige<br />

Organisation der von gleichen Interessen<br />

geleiteten Personen).<br />

') dclegnta domiis et penatium et agroriim<br />

cnra feminis senibusque . . . dediti<br />

somno ciboqiie . . . ad negotia nee minus<br />

sorpc ad conuiuia procednnt . . . dirni riortemque<br />

continuare potando nulli probniin<br />

Germ. c. 15. 22.

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