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Deutsche Altertumskunde

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IL Germania, B. Kulturverhältnisse. § 77. Altersklassen. 451<br />

Heimführung, Aufnahme der Braut in die Kluft ihres Mannes^ und durch<br />

die Begründung eines neuen selbständigen Hausstandes ihren Abschluß:<br />

indem die junge Frau [brütY) in das Haus des Mannes gelangte, 3) wurde<br />

die eine Ehe kennzeichnende Hausgemeinschaft*) hergestellt.<br />

Die häusliche Gemeinschaft der Einzelfamilie^) bildet innerhalb der Dorfsippe<br />

oder Kluft einen engeren Rechtsbereich, der auf herrschaftlicher<br />

Grundlage ruht;^) an ihrer Spitze steht der Hausherr;^) die Hausangehörigen<br />

(hiwon) sind Weib,>*) Kinder und Gesinde, sie stehen in der Gewalt des Ehemannes,<br />

der nach solcher Eigenschaft karl-kerl heißt. 9) Seine Stellung<br />

äußert sich als Herrschaft und Schutzverhältnis, wofür der alte Sprachgebrauch<br />

den Terminus mant bewahrt, ^o) Die Auflösung einer durch die Ehe<br />

begründeten Hausgemeinschaft konnte der Ehemann bei Verschulden der<br />

Frau kraft seiner Strafgewalt mit Hilfe seiner Kluftgenossen herbeiführen. ^i)<br />

Von entscheidender Bedeutung war der Eintritt des jungen Ehemannes in<br />

den Verband der Dorf schaff, der verheirateten Männer der Ortsgemeinde.<br />

Diesem Zweck diente die Veranstaltung des Hochzeitsmahles und Hochzeits-<br />

tanzes, zu dem nach deutscher Sitte alle selbständigen Dorfbewohner ein-<br />

geladen werden. Ihr Erscheinen und ihre Teilnahme bedeuteten die öffent-<br />

liche Anerkennung derEheschließungi-) und indem die älteren Mitglieder der<br />

') Nach dieser Adoption heißt die junge<br />

Frau „Braut- (Zeitschr. f. d. Phil. 42, 129 ff.).<br />

Das Ausscheiden aus ihrer Altersklasse der<br />

ledigen Leute wird durch Tanz und Gesang<br />

{bräüeich, ags. brydläc) gefeiert (Polterabend).<br />

^) Namentlich ist die Veränderung in<br />

der Volkstracht zu betonen: das junge<br />

Mädchen bekommt als junge Frau das<br />

Schleiertuch (S. 426) der verheirateten Frauen<br />

(anord. brüpar Un) und es werden ihr die<br />

Haare aufgebunden (vgl. ags. bundenheorde,<br />

heordswäpe Nachr. d. Gott. Gesellsch. d.<br />

Wissensch. 1909, 36 f.). Nachdem sie unter<br />

die , Haube" gebracht, gebührt ihr die Anrede<br />

als „Frau", d. i. Herrin (anord. freyja,<br />

and. früa, ahd. frouwa).<br />

^) Die Altersgenossen des Mannes begleiten<br />

beritten und bewaffnet den Hochzeitszug;<br />

die Mitglieder dieser Fahrtgenossenschaft<br />

(comitatus : ags. dryhf) heißen ags.<br />

dryht'3uma, ahd. truhtigomo, truhtinc, and.<br />

druhting, langobard. trocting.<br />

*) Als „Aussteuer" bringt die junge Frau<br />

fahrende Habe aus elterlichem Besitz mit<br />

(langobard. faderfio, ags. fwdrenfeoh : quod<br />

de parentibus adduxit; burgund. mahalgareda<br />

: ornamenta matrimonalia) die sog.<br />

Gerade nach nd. Sprachgebrauch = hd.<br />

gerät (d. h. das Hausgerät, das zur persönlichen<br />

Ausstattung der Ehefrau gehört<br />

und ihr Sonderbesitz bleibt; sie hat darüber<br />

die Schlüsselgewalt); vgl. den Ausdruck<br />

„Heirat".<br />

*) ahd. hiwiski S. 397.<br />

^) GiERKE, Genossenschaftsrecht 1, 90.<br />

Brunner, Rechtsgesch. 1-, 91.<br />

') go\. heiwafrauja, brupfaps S. 397. 61<br />

Anm. 4.<br />

*) Der reiche Adelige konnte sich mehrere<br />

Frauen halten (Germ. c. 18) S. 449 Anm. 5.<br />

^) ags. ceorl {ceorlian heiraten), nd. kerl:<br />

anord. ahd. mhd. karl.<br />

'") muni entspricht der hausherrlichen<br />

manus des römischen Rechts und gehört<br />

wahrscheinlich auch etymologisch damit zusammen<br />

(Brunner 1*, 93 Anm. 6).<br />

1') Germ.c.l9 (S.429): im Beisein der Verwandten<br />

stößt er die Ehebrecherin, der das<br />

Haar beschnitten und der Leib schamlos<br />

entblößt ist, aus dem Hause und treibt sie<br />

durch das Dorf (der Hauptbeleg ist wohl<br />

mhd. veime, mnd. veme [ : lat. poena] = von<br />

einem Männerbund [Feme] geübte Gerichtsbarkeit<br />

SCHURTZ, Altersklassen S. 347 fL);<br />

vgl. den nordfries. Brauch bei Heimreich,<br />

Nordfries. Chronik 1, 51 L: annoch auf Föhr<br />

dieser hochzeitliche Gebrauch wird gehalten<br />

(so auch auf den Halligen zum Teil üblich<br />

ist), daß wenn der Bräutigam seine Braut in<br />

sein Haus führen will, er seinen Degen von<br />

der Seite nimmt, selbigen über der Thür aufsticht<br />

und nachdem er ihr zuvor zugetrunken,<br />

sie also unter solchem bloßen Degen muß<br />

in sein Haus gehen. Mit welchem Gebrauch<br />

die Braut ist erinnert worden, daß sie ihrem<br />

Ehemanne den ehelichen Bund getreulich<br />

solle halten, und da sie denselben gebrochen,<br />

hat der Mann Macht gehabt, sie als eine<br />

Ehebrecherin mit demselben Schwerdt (so<br />

daher aechtswird oder ein Eheschwerdt ist<br />

geheißen worden) zu tödten.<br />

'^) Im Mittelalter gebrauchte man darum<br />

hierfür den Ausdruck publicae nuptiae;<br />

vgl. R. Schröder, Lehrbuch d. d. Rechtsgesch.<br />

5. Aufl. S. 489.<br />

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