29.06.2013 Aufrufe

Deutsche Altertumskunde

Deutsche Altertumskunde

Deutsche Altertumskunde

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 77. Altersklassen. 449<br />

fTugend" bildeten erst zusammen den Verband der wehrfähigen Krieger<br />

[hariman).^)<br />

Mit dreißig Jahren — verhältnismäßig sehr spät für einen Römer 2) —<br />

begann das Mannesalter, in dem der erwachsene Mann sich zu verheiraten<br />

pflegte; 3) zu voller Reife und Beherrschung seiner geistigen Kräfte gelangte<br />

der „gestandene" Mann nach volkstümlicher Auffassung mit dem<br />

Schwabenalter von vierzig Jahren; diese Periode der seniores = heriron<br />

(Herren) erstreckte sich bis zum sechzigsten Lebensjahr, mit dem das<br />

Greisenalter begann.^)<br />

In die Mannschaft {uiri) wurde der junge Mann aufgenommen aus<br />

Anlaß seiner Hochzeitsfeier, durch die er einen eigenen Hausstand begründete,<br />

0) während er bisher als dienendes Ghed („Knecht") einem andern<br />

Hauswesen angehört hatte. Die Hochzeitsfeier ist das Korrelat der Burschenweihe<br />

(S. 444). Um heiraten zu können, war ein gewisser Wohlstand er-<br />

forderlich, da die junge Frau ihren Angehörigen abgekauft werden mußte ;6)<br />

der ledige Bursche mußte also zusehen, wie er Vermögen und eigenen<br />

Besitz zusammenbringe; gelang es ihm nicht oder hatte er kein Verlangen<br />

danach, so blieb er „Hagestolz ".7) Wollte er aber der Sitte gemäß eine Ehe<br />

eingehen und aus der Burschenschaft in die Gemeinschaft der verheirateten<br />

Männer übertreten, so bedurfte es wie bei der Wehrhaftmachung einer<br />

Waffenausrüstung, die ebenfalls symbolisch-sakrale Bedeutung hatte, aber der<br />

Männertracht entsprechend durch Zugabe des Schwertes reicher und voll-<br />

ständiger zu sein pflegte, als sie der Jungbursch bekam. «)<br />

Der Formalismus der Eheschließung war also nicht bloß ein Rechtsgeschäft,<br />

9) sondern hatte zugleich religiöse und soziale Bedeutung. Nach<br />

*) (die Burschen) ad matres, (die Verlieirateten)<br />

ad coniuges uulnera ferunt<br />

Germ. c. 7.<br />

*) sera iuuenum iienus Germ. c. 20.<br />

longissima apud eos pueritia est Mela 3, 3.<br />

qui diutissime impuberes permanserunt.<br />

maximam inter suos ferunt laudem. hoc<br />

all staturam, all uires neruosque confirmari<br />

putant. intra annum uicesimum feminae<br />

notitiam habuisse in turpissimis habent<br />

rebus Caesar 6, 21.<br />

3) Wackernagel, Lebensalters. 63; aus<br />

diesem Vermählungstermin ist auch schon<br />

die Berechnung nach Generationen zu 30<br />

Jahren abgeleitet worden.<br />

*) Wackernagel, Lebensalter S. 65 f.;<br />

senes Germ. c. 15.<br />

^) suam quisque domum spatio circumdat<br />

Germ. c. 16. — Nur bei den Chatten<br />

kam es als auffällige Erscheinung vor, daß<br />

auch ähere Männer das ungebundene Soldatenleben<br />

fortsetzten, die Burschentracht<br />

beibehiehen, sich wie in ihrer Jugend bei<br />

einem Kriegsherrn ins Brot gaben, eigenen<br />

Herd nicht gründeten und damit sich außerhalb<br />

der Gemeindegenossenschaft hielten<br />

S. 448 {hie placet habitus . . . nulli domus<br />

aut ager . . . Germ. c. 31). — Über die<br />

Polygamie des Adels vgl. o. 8.440 Anm. 9.<br />

Handbuch des deutschen Unterrichts. Bd. V, Teil<br />

445. HOOPS, Reallex. 1, 146 f. 174. 214 ff.<br />

*) Germ. c. 18; vgl. Wittum S. 61. 450<br />

Anm. 7.<br />

') mhd. hagestolz < hagestalt, ahd.<br />

hagustalt (unverheirateter, in Lohndienst<br />

caelebs, mercenarius); and.<br />

stehender Mann :<br />

hagustald (= thegan Hei. 2548); zgs.hcey<br />

steald, ha^usteald (iuvenis, caelebs, mansionarius);<br />

afranz. hestaudeau; das Wort bedeutet<br />

in etymologischem Sinn so viel als<br />

»Hagbesitzer" {goX. gastaldan, ags.stealdan<br />

besitzen) und dieser spöttische Ausdruck ist<br />

etwa gleichwertig mit .Habenichts'.<br />

8) Vgl. mit Germ. c. 13 scuto frameaque<br />

iuuenem ornant : c. 18 (boues et frenatum<br />

equum et) scutum cum framea gladioque<br />

. . . arcana sacra. Wie es noch neuerer<br />

Volksbrauch ist, kleidete die Braut bezw. der<br />

Brautvater den Bräutigam ein (Zeitschr. f. d.<br />

Phil. 42, 143 f.): ipsa armorum aliquid uiro<br />

äffert Germ. c.l8; es ist das „Heergewäte", das<br />

der Waffenrecht genießende Bräutigam erst<br />

der Braut übergibt, um es danach von ihr<br />

als Anerkennung seiner vormundschaftlichen<br />

Gewalt zurückzuempfangen {„per arma' :<br />

R. SOHM, Altd. Reichs- und Gerichtsverfassung<br />

S. 551 ; vgl. R. Schröder, Ehel. Güterrecht<br />

1,39 f.).<br />

9) E. Hermann, Zur Geschichte des<br />

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!