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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 76. Gesellschaft. 439<br />

getroffen. Die Gemeinfreien und die Adeligen erfreuen sich innerhalb der<br />

ihnen übergeordneten und sie beide umfassenden Gemeinschaft einer und<br />

derselben Freiheit. Gemeinfreie und Adelige sind auch innerhalb ihrer<br />

Sippen^) gleichen Rechts und kraft ihrer Freiheit zur Mitwirkung bei der<br />

Gemeinde- und Staatsverwaltung berufen. Adelig waren auch nicht so sehr<br />

die einzelnen Personen als die Sippen, ») und wir verstehen unter Adels-<br />

sippen oder -kluften diejenigen, die eine kriegerische und politische Vergangenheit<br />

hatten und deshalb ein höheres Ansehen genossen (S.435f.). Das<br />

auszeichnende Rangmerkmal*) des Adels war sein legendarisch-genealogischer<br />

Charakter, den das ganze Volk anerkannte. 0) „Adel" ist also nicht eigentlich<br />

ein Stand, sondern eine bevorzugte, angeborene Eigenschaft der Gemein-<br />

freien ;6) innerhalb der Gesellschaft ist nun aber einmal der Adel zum Standesmerkmal<br />

geworden und insofern darf man bei der Behauptung verharren,<br />

im deutschen Altertum habe es zwei Stände gegeben.<br />

In ihrer Gesamtheit bildeten die freien und die adeligen Sippen das,<br />

was man eine „Landsgemeinde" oder ein „Volk" zu nennen pflegt.^) Dessen<br />

wehrfähige Mannschaft*) ist nach Rang und Stand verschieden gewertet. **) Die<br />

beiden Stände erscheinen aber insofern politisch gleichberechtigt, als sie die<br />

Führer des Volkes zu stellen haben. Der Nobilität'") gehören die Könige, d. h.<br />

die geborenen Führer des im Frieden sich selbst regierenden Volkes an,<br />

aus der Mannschaft werden im Kriegsfall die Heerführer erkoren und dabei<br />

wird nicht Rücksicht auf ein Adelsprädikat genommen (S. 438).ii) Auch der<br />

Heerdienst selbst läßt die Standesunterschiede nicht zur Geltung kommen,<br />

denn er ist genossenschaftlich und ein Vorrecht aller freigeborenen Männer. i»)<br />

verschaffen, wie Verarmung ihn zu nehmen*<br />

Brunner 1'^ 139; principes ^ got. reiks<br />

(Rom. 13, 3).<br />

') got freihals, anord. frj'als, ags. freols,<br />

afries. frihals, ahd. fnhalsi; das Wort bezeichnete<br />

von Haus aus wohl diejenigen,<br />

die nicht den Kettenring der Knechtschaft<br />

um den Hals, sondern den Hals frei trugen<br />

(Germ. c. 31); zur Sache vgl. auch Loebell,<br />

Gregor von Tours S. 502 ff.<br />

^) Danach, daß sie gesippt sind, heißen<br />

Gemeinfreie wie Adelige: edelinge, ahd.<br />

adaling, edilinc (Geschlechtsgenosse), and.<br />

afries. ethelinc, ags. cebelini Brunner 1^,<br />

135 f.<br />

^) nobilitas Germ. c. 7.<br />

*) dignitas: anord. ags. and. //r (S. 261).<br />

*) insignis nobilitas aiit magna patrum<br />

merita Germ. c. 13. Classicus nobilitate<br />

opibusqiie ante alios: regium Uli genas et<br />

pace belloqiie clara origo Histor. 4, 55, vgl.<br />

Brunner 1*, 139.<br />

") nobilissimi popularium Histor. 4, 12;<br />

geborene principes Germ. c. 13 („der Geburt<br />

nach" Müllenhoff, DA. 4, 192); das Wort<br />

„Adel" (got. athal-, anord. apal, ags. cepelu,<br />

and. aäali, ahd. adal, edili) bedeutet ,Geschlechtsvorzug"<br />

(Müllenhoff 193) vgl.<br />

Gierke, Genossenschaftsrecht 1,37.<br />

') got. piuda (S. 397); anord. Ijopr, ags.<br />

leod, afries. liod, and. liud, ahd. Hut Volk,<br />

Gemeinde (vgl. got. samalaups, juggalaups) ;<br />

dazu anord. lyper, ags. leode, and. liudi, ahd.<br />

liuti die .erwachsenen" Mitglieder einer Gemeinde,<br />

Leute (vgl.z. B. burgund. leudes die<br />

Masse der freien Bevölkerung, Brunner<br />

P, 345).<br />

*) anord. hglpr, halr, ags. hcelep, hoele,<br />

and. helith, m\\d. helid Held; go\. wair, anord.<br />

verr, ags. afries. and. ahd. wer : ags. weorod,<br />

and. ahd. werod.<br />

*) ags. leodscipe, and. liudscipi, ahd.<br />

liutskaf ist der Oberbegriff für and. gumskipi<br />

+ erlskipi.<br />

1°) stirps regia Ann. 11, 16; vgl. Histor.<br />

4, 13.<br />

") Durch persönliche Eigenschaften<br />

scheinen sich der Nobilität angehörende<br />

Männer wie Ariowist, Marbod (Velleius 2,<br />

108. Germ. c. 42), Arminius (Ann. 11, 16),<br />

Civilis (Histor. 4, 13) zu Führern aufgeschwungen<br />

zu haben (vgl. Caesar 6, 23.<br />

Histor. 4, 15: Brinno); als gewählte Heerführer<br />

waren aber auch sie an ihr Genossenrecht<br />

gebunden.<br />

12) Das Volk in Waffen heißt „Heer" : got.<br />

harjis, anord. herr, ags. here, and. heri, heriskepi,<br />

ahd. heri, heriskaf, vgl. ahd. herignözscaf;<br />

die Unterabteilungen heißen anord. folk,<br />

fylking, ags. and. ahd. folc (ahd. folkon :

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