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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. § 76. Gesellschaft. 437<br />

das Leben aller eingesetzt/) so wurde er ins Moor versenkt und unter<br />

geflochtenem Reisig gepfählt oder lebendig begraben. 2) Diese beiden ganz<br />

verschiedenen Hinrichtungsarten ») der Germanen erschienen dem Tacitus<br />

als sinnreiche Belege für die Symbolik ihrer Rechtsgebräuche: Verbrechen<br />

gegen die Gemeinschaft mußten vor aller Augen endgültig gesühnt werden;<br />

Ehrlosigkeit und Schandbarkeit mußten nicht bloß ausgestoßen, sondern<br />

dem Anblick entzogen werden.^) Verbrechen gegen die Götter oder den<br />

Gottesdienst wurden in diesem letzteren Sinn durch Friedlosigkeit bestraft<br />

und der Schuldige aus dem friedlichen Heim der Menschen in die Wildnis<br />

verstoßen, wo er als „Wolf" umherirrte und einem schauerlichen Ende ent-<br />

gegenging. &)<br />

Noch größere Staatsverbände als die ciuitates sind die Bundesgenossenschaften,<br />

die zu politischen oder wirtschaftlichen Zwecken gegründetworden<br />

sind (S.397f.). Sie bestehen aus mehreren Landsgemeinden. 6)<br />

Über ihre Organisation ist Genaueres nicht bekannt; man wird aber vermuten<br />

dürfen, daß die Grundsätze der Freiheit und der Genossenschaft<br />

auch bei diesen komplizierteren Gebilden gewahrt worden sind. Namentlich<br />

in der Völkerwanderung haben solche große und freie Genossenschaften<br />

eine führende Rolle gespielt.^)<br />

§ 76. Gesellschaft. Innerhalb der größeren oder kleineren Staatengebilde<br />

zerfiel die Bevölkerung Deutschlands in einzelne, klar voneinander<br />

gesonderte Standes- und Gesellschaftsgruppen. Die Hauptform des<br />

natürlichen Verbandes ist innerhalb der Landsgemeinde das auf Bluts-<br />

verwandtschaft beruhende Geschlecht (Sippe), innerhalb des Dorfes die Kluft,<br />

innerhalb der Kluft die patriarchalisch organisierte EinzelfamiHe (S.428f.).<br />

Der Sippen-, Kluft- und Familienkreis wurde jedoch nicht bloß durch<br />

die politischen Organisationen der Dorfschaft, 8) Hundertschaft und Landsgemeinde,<br />

sondern auch durch ständische Gliederung sowie durch gesellschaftliche<br />

Vereine gleichaltriger Gesellen ergänzt.^)<br />

Wie aus den Nachrichten des Caesar und des Tacitus hervorgeht, gabelte<br />

sich im alten Deutschland die öffentliche Gewalt bei den einzelnen Völker-<br />

*) Solche Verbrechen wurden unter dem das durchgebildetere Königtum auf größere<br />

Vorwurf y^arg" zusammengefaßt (mhd. ahd. politische Reife schließen läßt, mit diesen<br />

arc, ags. earh, anord. argr, ragr nichts- Organisationen wegweisend vorangegangen;<br />

würdig); der .Arge" ist allemal dem Tod bei den Westgermanen fand die neue poli-<br />

'<br />

;<br />

|<br />

verfallen, d. h. „feig" ; darum konnte »feig"<br />

die Bedeutung seines Korrelats .arg' annehmen.<br />

j<br />

;<br />

*) Zu dem Ritus vgl. Livius 1, 51;<br />

hierher gehören die in Norddeutschland ent-<br />

deckten Moorleichen (Brunner F, 245 f.).<br />

^) Das Todesurteil wurde in jedem Falle<br />

von dem Priester vollstreckt (Germ. c. 7).<br />

*) Germ. c. 12.<br />

*) warg Beitr. 18, 166. 175; vgl. got.<br />

gawargian xaxaxQivEiv, wargipa xazdxgi/na,<br />

Brunner 1», 234 f. (Wolfshaupt).<br />

^) Lugiorum nomen in pliires ciuitates<br />

diffusum . . . Suionum ciuitates Germ. c. 43.<br />

44; Brunner P, 158 f. (bundesstaatliches Verhältnis).<br />

Es sieht fast so aus, als seien die<br />

Nord- bezw. Ostgermanen, bei denen auch<br />

tische Idee namentlich unter den Chauchen<br />

Verwirklichung (S. 408).<br />

')<br />

^)<br />

J.<br />

Gierke, Genossenschaftsrecht 1, 46 ff.<br />

Nachbarschaft und Sippe bezeichnete<br />

Grimm als das natürliche Band unter freien<br />

Männern RA. 2*. 6.<br />

9) got. tewa {fvarjizuh in seinai tewai<br />

ExaOTog SV tü> idicp Tay/uari 1 Kor. 15, 23),<br />

langobard. zäwa (Vereinigung), ags. teoh<br />

(Vereinigung, Generation), mhd. zeche (Gesellschaft);<br />

O. Schade, Jünglingsweihen,<br />

Weim. Jahrb. 1857. W. Wackernagel, Die<br />

Lebensalter. Ein Beitrag zur vergleichenden<br />

Sitten- und Rechtsgeschichte. Basel 1862<br />

(vgl. Zeitschr. d. Ver. f. Volksk. 15, 399. 17,<br />

16). H. SCHURTZ, Altersklassen und Männerbünde,<br />

Berlin 1902.

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