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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. B. Kulturverhältnisse. §75. Dorf-, Hundertschaft, Landsgemeinde. 435<br />

tischen Versammlungen der Landsgemeinde die Volksgenossen sich nach<br />

Sippen und Geschlechtern gruppiert haben. 1) Die freien genossenschaftlichen<br />

Ordnungen heischten von jedermann gleiche Pflichten, gewährten<br />

aber auch jedem gesippten Wehrmann gleiche Rechte, wie sie der Ungebundenheit<br />

des Soldatenlebens entsprachen. 2)<br />

Als übergeordnete Autorität erkannten Landsgemeinde und Heeresversammlung<br />

nur die Repräsentanten ihrer Götter, die Priester an. Kraft<br />

Gesetz waren die Priester der ciuitas^) Beamte der Landsgemeinde und<br />

zur Ahndung von Vergehen gegen die bestehenden Ordnungen, und mögen<br />

es auch nur Formfehler gewesen sein, befugt.*) Unbedingter Gehorsam<br />

gegen die Götter ließ die Wehrmänner die Termine ihrer Versammlungen<br />

von göttlichem Orakel abhängig machen, im glückverheißenden Augenblick<br />

die Verhandlungen durch ihren Priester eröffnen, Lust gebieten und Unlust<br />

verwehren. ö) Den Priestern, die die Verhandlungen leiteten, war das Recht<br />

gewährt, gegen jeden, der den [)ingfrieden brach, mit Strafen vorzugehen.<br />

Regelmäßig, in bestimmten, nach Nächten gezählten Fristen und an<br />

rituell festgelegten Terminen fand bei hellichtem Tage die Verhandlung vor<br />

der Landsgemeinde statt. 6) War sie erst einmal zum ungebotenen '^) {)ing<br />

versammelt») — aus der Nähe oder Ferne bei der Tagfahrt sich verspätende<br />

Nachzügler nötigten durch ihre nachlässige Unart mit der Tagesordnung<br />

erst zwei bis drei Tage später zu beginnen, als geplant war 9) — , so stellten<br />

die freien Männer des Landes sich in voller Wehr (nach Geschlechtern ge-<br />

ordnet?) ringförmigio) zusammen. Nach ihrem Willen^ 1) wurde mit der Verhandlung<br />

begonnen. Der König oder die andern Adelshäupter trugen vor,<br />

was an die Landsgemeinde gebracht werden mußte. * 2) So sehr auch adeliger<br />

Stolz und Beredsamkeit, Weisheit des Alters und Kriegsruhm den Redner<br />

*) familiae et propinquitates Germ. c. 7.<br />

'') libertas uitae {nullo officio aut disciplina<br />

assuefacti) Caesar 4, 1 ; eine Ausnahme<br />

bildeten die Chatten (S. 414f.) und<br />

die Ostgermanen S. 401. Germanos non<br />

iuberi, non regi, sed cuncta ex libidine<br />

agere Histor. 4, 76, vgl. Ann. 13, 54.<br />

') sacerdos ciuitatis Germ. c. 10. Ätßr^g<br />

rtov Xarziov tFoevg Strabo 7, 1,4; Vgl. W.<br />

Scherer, Kl. Schriften 1,513.<br />

*) sacerdotes quibus tum et coercendi<br />

ius est Germ. c. 11. ceterum neque animaduertere<br />

neque uincire ne uerberare quidem<br />

nisi sacerdotibus permissum non<br />

poenam et ducis iussu sed uelut<br />

quasi in<br />

deo imperante<br />

quem adesse bellantibus credunt c. 7.<br />

^) Silentium per sacerdotes imperatur<br />

Germ. c. 1 1 ; über die Formel „Lust" (Gehör)<br />

und „Unlust" vgl. J. Grimm, RA. \\ 76 f.<br />

Zeitschr. f. d. Altert. 9, 127. Müllenhoff,<br />

DA. 5, 5. 86. Brunner l^ 198.<br />

*) certis diebus cum aut incohatur luna<br />

aut impletur . . . sie constituunt, sie condicunt<br />

Germ. c. 11. Im Lande Hadeln wurde<br />

in jedem Monat auf den vollen Mond Gericht<br />

gehalten, J.Grimm, RA. 2*, 447; der dies constitutus<br />

und condictus ist anord. eindagi,<br />

ags. ända^a, and. endago, dazu anord.<br />

eindaga, ags. ända^ian (einen Termin festsetzen);<br />

die Zusammensetzung mit ein bezeichnet<br />

den Tag als bekannt und ein für<br />

allemal bestimmt.<br />

^) Ein .gebotenes" (außerordentliches)<br />

ping war vorgesehen si quid fortuitum et<br />

subitum incidit Germ. c. 11. — Von ihrem<br />

Recht, an derVolksversammlungteilzunehmen,<br />

haben nicht alle Berechtigten Gebrauch gemacht;<br />

sie waren nicht verpflichtet zu er-<br />

scheinen (Mitteil. d. österr. Instituts f. Gesch.<br />

Forsch. Erg.Bd. 2, 339).<br />

*) goi. gamdtjan{ovvavTijaai); anord.mö^;<br />

ags. '^emöt {^umena -^emöt; engl, moot, meeiing),<br />

and. möt, nl. gemoet.<br />

*) ex libertate uitium . . . langsam<br />

kamen<br />

sie heran und es währte oft drei Tage, bis<br />

sie beisammen waren (Germ. c. 11); dazu die<br />

interessante gallische Parallele Caesar 5, 56.<br />

*") ags. and. ahd.Ar/«jg^ (kreisförmig geordnete<br />

Versammlung) ;^mg und /zrm^bilden eine<br />

feste Formel, J. Grimm, RA. 2*, 353 f. Daher<br />

kommt ital. aringo, aringare, französ. haranguer.<br />

^') ut turbae placuit Germ. c. 11.<br />

'2) got. mapl {mapljan, mapleins), anord.<br />

mdl, ags. mcepel (mapolian), and. ahd. mahal<br />

{mahalen) Vortrag (reden), Versammlung.<br />

28*<br />

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