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Deutsche Altertumskunde

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434 IL Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

Schaft, an der das hundarisping allwöchentlich gehalten wurde; auch bei<br />

den Angelsachsen lag nur ein kurzer Zeitraum zwischen den Gerichts-<br />

sitzungen des hiindred-gemöt, und so leuchtet ein, daß im Hundertschafts-<br />

gericht sich fast die gesamte ordentliche Rechtspflege abspielen mußte. i)<br />

Pagus hat einen weiteren Bereich als uicus, aber einen engeren als<br />

ciuitas,^) und so ist denn die oberste Instanz die Landsgemeinde. Das<br />

ist die Versammlung aller über die Hundertschaften und die Dörfer zer-<br />

streut wohnenden freien und gesippten, wehrhaften und wirtschaftlich selb-<br />

ständigen Volksgenossen.^) Sie ist der Mittelpunkt der Verfassung.'*) Ihre<br />

Geschäfte führt der princeps ciuitatis, der auch rex genannt wird;°) ihm<br />

steht ein Ratskollegium zur Seite, das, wie der rex dem Adel angehörte,<br />

so durch die Geschlechtshäupter des Adels (Prinzipats) gebildet worden zu<br />

sein scheint.fi) Von grundlegender Bedeutung ist die Aussage Caesars, daß<br />

den germanischen Staaten in Friedenszeiten eine eigentliche, d. h. selb-<br />

ständiger Entschließungen und Befehle fähige Regierungsbehörde und Re-<br />

gierungsgewalt gefehlt habe.') Sobald aber Krieg ausbrach, erwählte sich<br />

die Landsgemeinde nicht aus der Reihe der Vornehmsten, sondern aus der<br />

Reihe der Tüchtigsten ihren Befehlshaber und Herzog. 8) Im Grunde ist<br />

aber auch die Landsgemeinde überhaupt nichts anderes als eine militärische<br />

Institution: die obligatorische Heeresversammlung der Wehrmänner. 9) Ihre<br />

Organisation beruhte nicht bloß bei den beratenden Häuptern, sondern auch<br />

bei der stimmberechtigten Menge einseitig auf den Interessen der Ge-<br />

schlechter: die vornehmsten Geschlechter hatten herkömmhcherweise die<br />

Führung und es werden wie bei der Heeresordnung, so auch in den poli-<br />

•) popularia iudicia Savigny-Zeitschr.<br />

28, 387 f., vgl. aschwed. hundari (Gerichtsbezirk<br />

und Gerichtsgemeinde), dazu hundarisping<br />

Savigny-Zeitschr. 28, 346 ff. ags.<br />

hundred : centuriatus (Gericiitsbezirit), hundred-3ernöt<br />

Gcrichtsversammlung; ilir Vorsteher<br />

heißt hundredes ealdor Savigny-Zeit-<br />

schr. 28, 382 ff. 395 {regio = hundred S. 41 1).<br />

Ein Synonymon von hundred ist vielleicht<br />

ags. bold-^tcpl (.Dörfermenge") = prouincia<br />

bezw. Verwaltungsdistrikt eines ealdorman<br />

(Liebermann, Herrigs Archiv 123. 400). In<br />

Deutschlaud Ist huntari nur bei den Alemannen<br />

bezeugt; an der Mosel hunria, hunne,<br />

huntschaft, hontschap G\ehke, Untersuch.90,<br />

53 ff. — Ob hund -= 100 oder 120 läßt sich<br />

nicht ausmachen; vgl. Kluge, Pauls Grundr.^<br />

2, 255 f.<br />

*) MOllenhoff, da. 4, 177 {gol piuda<br />

etc. oben S, 397).<br />

) Baumstark. Staatsaltcritimcr S. 350<br />

(Quellenstcllcn). 352. 354 ff. Brunner 1»,<br />

175 ff. {concilium ciuitatis). Zur Vcrglcichung<br />

l>t das isländische allping geeignet (Maurer,<br />

Vorlesungen über anorcT Rcchtsgesch. 4,<br />

325 ff.). Das heimische Wort für concilium<br />

ist anord. ags. ping, afries, and. thlng, ahd.<br />

mhd. ding ( : nhd. dingen); dazu steht in<br />

grammatischem Wechsel cot. peihs {xntniii,<br />

Termin): vgl. and. dagathing, ahd. tagadinc,<br />

mhd. teldinc ( : nhd. verteidigen).<br />

•*) Brunner 1«, 178; vgl. Westd. Zeitschr.<br />

4, 241 ff. Mitteil. d. Instituts f. österr. Gesch.-<br />

Forsch. Erg.Bd. 1, 7 ff. u.a. Schon die Verkümmerung<br />

des Versammlungsrechts bedeutete<br />

das Ende der Freiheit (Dio 72, 1.<br />

Histor. 4, 64) ; vgl. Sueui . . . more suo con-<br />

cilio habito Caesar 4, 19.<br />

*) rex uel princeps ciuitatis Genn. c. 10.<br />

11; vgl. Ann. 11, 16. Über das Königtum vgl.<br />

oben S. 260; unten S. 438.<br />

*) senatus der Ubier Caesar 4, 1 1 (prin-<br />

cipes); vgl. die gallische Parallele 6, 11.<br />

Baumstark, Tacitus 1,480. reges ex nobilitate<br />

sumunt Germ. c. 7. Der Adel war und<br />

blieb die Obrigkeit J. Grimm, RechtsaltertUmer<br />

1\379 {principes: Caesar 6, 23. Velleius<br />

2, 118. Ann. 1, 55. 2, 7.88. 11, \6 principes<br />

Chattorum; primores Ann. 2, 9. 62.<br />

Histor. 4, 14).<br />

in pace nullus est communis magistratus<br />

6, 23; es ist also im Sinn römischer<br />

Verwaltung zu verstellen, wenn bei den<br />

Hatawern der princeps ciuitatis heißt: summus<br />

magistratus ciuitatis liatauorum CIL.<br />

XIII, 2 Nr. 8771. Magistratus ciuitatis gibt<br />

es bei den Germanen nur im Krieg; in<br />

Friedenszeiten hatten nur die Dörfer ihren<br />

magistratUS (S. 431).<br />

*) duces ex uirtutc sumunt Germ. c. 7.<br />

") considunt armatiGcrm.c.] I.Verbot des<br />

Waffentragens galt als Schande (Histor. 4, 64).

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