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Deutsche Altertumskunde

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432 II. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

Flurzwang und Weidegang, Holz- und Wassernutzung; die Beamten haben<br />

auch Strafgewalt über die Genossen und sind berufen, Streitigkeiten unter<br />

ihnen zu schlichten. i) Aber nur die wichtigeren Fälle werden vor die<br />

Dorfschaftsversammlung gebracht, Kleinigkeiten bleiben dem Vorstand über-<br />

lassen. »)<br />

Die nächsthöhere Instanz über der Gemeinde eines Dorfes ist die<br />

Hundertschaft eines Gaues. Sie war das öffentliche Gericht; ihr lag<br />

die Rechtspflege ob,^) hatte jedoch in das Fehderecht der Geschlechter<br />

nicht einzugreifen,*) hatte sich auch nicht mit den der Landsgemeinde vorbehaltenen<br />

todeswürdigen Verbrechen 0) zu befassen, sondern nur mit den<br />

weniger schweren Gerichtssachen, ß) als da sind Schuldverhältnisse, Dieb-<br />

stahl, Körperverletzung, 7) Brandstiftung. Die Bußen, die die Hundertschaft<br />

auferlegte, konnten oder mußten in „Vieh" (das ist „Geld" S. 464) erlegt<br />

werden; das Quantum war tarifmäßig wie bei dem Kompositionssystem der<br />

Geschlechter nach der Schwere des DeHkts abgestuft, s) Die Verletzten — oder<br />

wenn sie gestorben waren, ihre nächsten Verwandten — wurden für den<br />

ihnen widerfahrenen Schaden entlohnt, dadurch daß ihr Vermögensverlust<br />

oder ihre verminderte Arbeitsfähigkeit durch Nutztiere oder Arbeitstiere,<br />

die ihnen von Gerichts wegen aus dem Besitzstand des Schuldigen zugesprochen<br />

wurden, ausgeglichen worden ist: Schadenersatz ist der erste<br />

und nächste Zweck der Strafe. 9) Außerdem ging eine Brüche^«) an die<br />

Obrigkeit, weil durch ein im Lande vorgefallenes Vergehen auch der gemeine<br />

Friede verletzt worden war und der Friedenszustand wiederhergestellt<br />

werden mußte; in dieser Hinsicht bekam die vom Hundertschaftsgericht<br />

geforderte Sühne den Charakter der öffentlichen Strafe.ii)<br />

Das Gericht, das den Friedensbruch in den Dörfern eines altgermanischen<br />

Gaues wiedergutzumachen und an der Gerichtsstätte des Gaues über den<br />

Schadenersatz zu befinden hatte, bestand aus einem Gerichtsvorsteher {iudex)<br />

und hundert Beisitzern. 1*) Diese richterlichen Personen wurden in allgemeiner<br />

') Caesar 6, 23 {controuersias minuunt),<br />

vgl. Bethmann-Hollweg, Germanen S.44f.<br />

*) Germ. c. 11 muß hier sinngemäße Anwendung<br />

finden, vgl. Bethmann-Hollweg<br />

S. 27 ff.<br />

*) Dies scheint festzustehen, wenn wir<br />

uns auch im übrigen betreffs der Organisation<br />

der Hundertschaftsbezirke {paei) im<br />

ungewissen befinden, vgl. Baumstark, StaatsaltertUmer<br />

S. 330 ff.<br />

*) Germ. c. 21; kam ein Totschlag unter<br />

Landslcuten vor, so ging dies als ein Fall<br />

der Blutrache nur die Geschlechter an.<br />

*) Nur die Landsgemeinde konnte ein<br />

Todesurteil fflllcn (Germ. c. 12); vgl. Gierkhs<br />

Untersuchungen 90, 68.<br />

*) leulora delicto c. 12; vgl. got. dulgs,<br />

Zeltschr. f. d. Altert. 52, 96 (Buße für eine<br />

Verwundung, genauer .das Pfand, das<br />

preisgegeben werden muß, wenn die Verpflichtung<br />

nicht erfüllt wird').<br />

») Iflcr galt die Talion (Florus 2, 30, 36;<br />

vgl. HiKZHL, Philologus, Supplem. XI, 424).<br />

*) pro modo poena(rum) : equorum<br />

pe-<br />

corumqiie niimero conuicti mulctantiir Germ,<br />

c. 12; ein Tarif ist c. 21 (certo numero) bezeugt<br />

und altvolkstümlich; im übrigen vgl.<br />

Germ. c. 5.<br />

») Der alte Ausdruck .Buße" steht im<br />

Ablaut zu bass (besser) und bedeutet »Besserung,<br />

Nutzen, Ersatz"; got. Ao^a 07W.0C,<br />

anord. ags. bot, afries. böte, and. böta, ahd.<br />

buoz{zä); vgl. got. botjan, f;abotJan, anord.<br />

böta, ags. bitan, afries. b^ta, and. bötian,<br />

ahd. buozan (etwas wieder gut machen).<br />

'") mnd. nnd. bröke (Geldstrafe für ein<br />

Vergehen, die an die Obrigkeit fallt); über<br />

diln. lahslit und über den friiius (Fricdens-<br />

geld) der Volksrcchte vgl. Brunner 1^230 f.<br />

") go{.fraweitdiKt],fraweitan ty

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