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Deutsche Altertumskunde

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3. Germania. A. Die Völkerschaften. § 60. Die Stammlande. 399<br />

In der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts muß demnach<br />

die Einteilung der Germanen in Istaaeones, Ingiiaeones und Irminones<br />

veraltet sein.i) Es kntipften sich aber an diese Brudernamen die<br />

ältesten geschichtlichen Erinnerungen der Nation, denn man wird hinter ihnen<br />

nicht deutsche Götternamen, sondern Völkernamen zu suchen haben, die<br />

als Hauptmotive einer späteren, sagenhaft-dichterisch geformten Ethnogonie<br />

gedient haben. 2)<br />

Wenn die römische Überlieferung uns nicht in die Irre führt, 3) muß<br />

der Verband der im Westen des Landes sitzenden Stämme *Istiiaians,<br />

der an der Nord- und Ostseeküste angesessenen Stämme *Ingiiaians und<br />

der südlich davon in Mitteldeutschland wohnenden Stämme *Irminans geheißen<br />

haben. Seitdem diese alten Völkerschaftsnamen sagenhaft geworden<br />

sind, kündigen sich Neubildungen an, die nicht aus legendären, sondern<br />

aus politischen oder wirtschaftlichen Quellen abzuleiten sind. Im Nordosten<br />

sind die Bundesgenossenschaften der Lugier und Wandilier, im Norden<br />

die der Angeln und Sachsen, im Nordwesten die der Chauchen und der<br />

Friesen hervorgetreten; Mitteldeutschland zerfällt in die Verbände der Ermunduren<br />

und der Chatten, die sich von ihrem Muttervolk vollständig ab-<br />

gelöst und mit den Chauchen in das Landgebiet der Cherusken geteilt<br />

haben.'') Nicht immer sind wir in der Lage, die Kantone festzustellen, aus<br />

denen diese neuen Volksgenossenschaften gebildet worden sind, und nicht<br />

selten mag der alte Name einer Landsgemeinde in dem der Genossenschaft<br />

aufgegangen sein;^) denn der Regel nach dauern zwar innerhalb der Eid-<br />

genossenschaften die einzelnen Völkerschaftsnamen fort, doch war der<br />

Untergang der schwächeren Gemeinden unvermeidlich geworden.")<br />

Vgl.S.Qff. Chr.K.Barth, Teutschlands Urgeschichte, 2.Aufl., Erlangen 1840—46. K.Zeuss,<br />

Die <strong>Deutsche</strong>n und die Nachbarstämme, München 1837. J. Grimm, Geschichte der deutschen<br />

Sprache, Leipzig 1848. P. A.MUNCH, Det norske folks historie, Christ. 1852 -^ Die nordischgermanischen<br />

Völker, Lübeck 1853. E. v. Peucker, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten,<br />

Berlin 1860—93. H. Böttger, Wohnsitze der <strong>Deutsche</strong>n, Stuttgart 1877. A. Baumstark,<br />

Ausführliche Erläuterung des besonderen völkerschaftlichen Teiles der Germania des Tacitus,<br />

Leipzig 1880. Th. Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, Berlin 1885. K. Müllenhoff,<br />

DA.IV: Germania des Tacitus, Berlin 1900; vgl. die von Kieper gezeichneten Karten, namentlich<br />

') Unser frühester Beleg stammt wahr- ') Unter allen Umständen ist es unscheinlich<br />

aus dem Zeitalter des Pytheas zulässig, ,im Hinblick auf die späteren Ver-<br />

(S. 226, vgl. Detlefsen, Entdeckung des hältnisse" (Pauls Grundr. 3^, 811) eine Deu-<br />

german. Nordens S. 9, dagegen Hermes 46,<br />

309). Auf literarischem Wege haben sich<br />

korrumpierte Formen noch in die sog. fränkische<br />

Völkertafel gerettet (Müllenhoff,<br />

Germania antiqua S. 163. Mon. Germ. Auct.<br />

antiq. 13, 1, 159 f.).<br />

') Vgl. K. Zeuss, Die <strong>Deutsche</strong>n S. 70 ff.<br />

80 ff. Rieger, Zeitschr. f. d. Altert. 9, 178.<br />

Müllenhoff, Allgem. Zeitschr. f. Gesch. 8<br />

(1847), 209. Zeitschr. f. d. Altert. 23, 1 - DA.<br />

4, 519. 587. Gegen Müllenhoff: KossiNNA,<br />

Idg. Forsch. 7, 298. Bremer, Pauls Grundr.<br />

3^ 812. Löwe, Ethnische und sprachliche<br />

Gliederung der Germanen S. 46. G. Schütte,<br />

Oldsagn om Godtjod S. 143.182. L.Schmidt,<br />

Allgem. Gesch. d. germ. Völker S. 49 f. - Aus<br />

aUer Überlieferung sind nur die Völkernamen,<br />

nicht deren heroisierte Eponyme bekannt.<br />

tung zu unternehmen, denn durch die Völkerwanderung<br />

sind ganz neue Gruppenbildungen<br />

entstanden und für sprachliche Zusammenhänge<br />

ist nicht so sehr die Blutsverwandtschaft<br />

als der Verkehr und der politische<br />

Verband von Bedeutung.<br />

*) In der Nähe der Reichsgrenze scheinen<br />

die Römer vorerst noch die Entstehung kräftigerer<br />

Volksgenossenschaften verhindert zu<br />

haben; am Limes kennen wir nur Einzelkantone.<br />

Anders wurde es erst seit der sog.<br />

„Völkerwanderung".<br />

») MÜLLENHOFF, DA. 4, 547 f.; vgl.<br />

^vt]ßoi AayyoßaQÖoi, 2:Jvtjßoi AyyeiXoi, 2.'vt]ßoi<br />

^sfivm'eg', Aovyot oi Ofiavoi, Aovyoi oi AiSovvoi,<br />

Aovyoi Ol Bovooi Ptolemaios II, 11.<br />

^) tracti ruina Cheruscorum et Fosi<br />

Germ. c. 36.

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