Deutsche Altertumskunde

2. Die Römer in Deutschland. § 58. Römische Verwaltung und der Limes. 367
Sprüche der deutschen Stämme. Denn bei aller Anerkennung der von der
römischen Reichsgrenze über Germanien ausstrahlenden Kultureinflüsse ist
und bleibt das eigentümliche, daß die Germanen jener Zeit bei erwachendem
Selbstbewußtsein zäh ihre Eigenart behaupteten. Die fremden Güter nahmen
sie als Zierformen ihres Daseins auf, ohne sich durch gallischen und
römischen Luxus zur Wesensänderung verführen zu lassen. Ihre Gesittung
verbürgte ihnen eine robuste Gesundheit und Anpassungsfähigkeit, die die
Herzöge im Zeitalter der deutschen Befreiungskriege auszeichnete und bei
aller Sympathie für das brave deutsche Volk die Römer von der Denkart
eines Tacitus mit ernsten patriotischen Sorgen erfüllte.
MOMMSEN, Römische Geschichte 5, 116 ff. Der batawische Krieg: Bonn. Jahrb.
104, 60 ff.; vgl. 107, 164 ff. Kilo 7, 457 f.; Beiheft 6. 28. v. Domaszewski, Geschichte der
römischen Kaiser 2, 86 ff. 114 ff.
§ 58. Römische Verwaltung und der Limes. Das letzte Drittel des
1. Jahrh. wurde für das rechtsrheinische Germanien von verhängnisvoller
Bedeutung.
Der Aufstand des Ciuilis endete im Jahr 70 mit der Wiederherstellung
der römischen Herrschaft. Unter Vespasian beginnt sogar eine Erweiterung
ihrer Grenzen. Es dringen die Römer in Südwestdeutschland
am obern Neckar vor und der Chattenkrieg Domitians bringt ihnen das
rechtsrheinische Taunusgebiet und die Wetterau ein. Nur eine vorübergehende
Störung verursacht die Erhebung des Antonius Saturninus(88— 89). i)
Das organisatorische Geschick des Kaisers Trajan fügte kurz danach den
römischen Besitz am Main und am Neckar in das System der römischen
Provinzialverwaltung.
Der Kaiser Claudius hatte die römischen Besatzungen vom rechten
Rheinufer zurückgezogen (S. 360) und am linken Rheinufer dauernde Ein-
richtungen getroffen, 2) die auch der Bataweraufstand nicht umzustürzen vermochte.
Köln hat schon im Jahr 50 römisches Stadtrecht empfangen und
ist die Hauptstadt des römischen Germanien geblieben; der Augustusaltar
war der symbolische Ausdruck für die an diesem Ort zentralisierte römische
Staatsverwaltung. Die militärischen Hauptquartiere befanden sich bei Nimwegen
{Moalömagus), auf dem Fürstenberg bei Xanten (Castra veterä), bei
Neuß {Nouaesium) und bei Bonn {Bonnä)\ rheinaufwärts beruhte das Reichsverteidigungssystem
auf Mogontiacum (Mainz), Argentorate (Straßburg) und
Vindonissa (Windisch). 3) Durch Vespasians Erfolge konnten die großen
Garnisonen erheblich gemindert werden; in den oberrheinischen Quartieren
hatte man nur noch zwei Legionen und ebensoviel in den niederrheinischen
Garnisonen.'*)
Seit der Niederlage des Varus wurden die rheinischen Legionsbezirke
1) bellum germanicum Mommsen, Schriften
4, 450 ff. Saturninus, der Befehlshaber
der obergermanischen Legionen, hatte sich
gegen Domitian empört und mit den Chatten
konspiriert ORL.11,31,68, vgl.Westd.Zeitschr.
12, 218.
^) Das linksrheinische Ufer hieß castra
legionum Germaniae (S. 337); Caligula war
in castris im uicus Ambitaruius bei Con-
fluentes (Koblenz) apud hibernas legiones
geboren (Westd. Zeitschr. 19, 56).
3) Über Vindonissa vgl. Mommsen, Schrif-
ten 4, 450 f.
*) Domitian erließ das allgemeine Verbot,
zwei Legionen in demselben Standlager zu vereinigen
{geminari legionum castra prohibuit
Sueton, Domitian 7).