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Deutsche Altertumskunde

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356 II. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

§ 56. <strong>Deutsche</strong> Verluste. Wie die römische Flotte und Armee in<br />

das Herz von Deutschland, so ist römisches Wesen in den deutschen<br />

Volkskörper eingedrungen. Die römischen Legionen sind nach dem Freiheitskampf<br />

des Arminius nicht wiedergekehrt, aber ein Ferment römischen Kultureinflusses<br />

ist während der Friedensjahre i) wirksam geworden.<br />

Mit immer größerer Bestimmtheit scheinen sich die führenden Männer<br />

dieses bildungsgeschichtlichen Vorgangs bewußt geworden zu sein. Aber<br />

seit der unsterblichen Tat des Arminius konnte die alte germanische Volks-<br />

art nicht mehr ruiniert werden. Von sicherem Standort aus näherten sich<br />

die Nationalpatrioten den Römerfreunden und wünschten fortan auch ihrer-<br />

seits des kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwungs teilhaftig zu werden,<br />

dessen die römischen Provinzen sich erfreuten. Rom scheint den deutschen<br />

Binnenvölkern diesen Aufschwung nur halb gegönnt zu haben, hat ihn<br />

jedenfalls durch schwer zu passierende Grenzschranken in demselben Zeitalter<br />

niedergehalten, in dem die Reize seines fast unerreichbar gewordenen<br />

Luxus die deutschen Völker zu leidenschaftlicher Begehrlichkeit erregten.<br />

Von dieser schweren Krisis, die Deutschland erschütterte, kennen wir<br />

nur einzelne Symptome.<br />

In Norddeutschland verfügte Rom an der Wasserkante vom Rhein bis<br />

zur Elbe über zuverlässige Alliierte (Batawer, Cananefaten, Friesen, Chauchen,<br />

Langobarden). In Süddeutschland waren die Ermunduren in ein nahes<br />

Freundschaftsverhältnis zu den Römern getreten und besorgten die Markomannen<br />

die Geschäfte Roms in einem schweren Konflikt mit den Cherusken.<br />

Nach dem Tod des Arminius war von diesem Kanton nichts mehr zu hoffen.<br />

Die Bevölkerung geriet vollständig in den Bann der Römerfreunde, und als<br />

30 Jahre seit dem Rückzug der Germanicus verflossen waren, erbaten sie<br />

sich sogar von dem römischen Kaiser ihren Regenten. Aus der alten Dynastie<br />

war nur noch der in seiner Geburtsstadt Rom lebende Italicus, ein Sohn<br />

des Flavus und einer chattischen Mutter, übrig. Er war ein stattlicher<br />

Mann und als römischer Offizier mit dem Waffen- und Pferdesport vertrnut.<br />

Der Kaiser Claudius stattete ihn mit einem höfischen Gefolge und mit<br />

Geldmitteln aus und gab ihm das Geleite mit dem Wort, er sei der erste<br />

römische Bürger, dem es beschieden sei, in Deutschland zu regieren.-)<br />

Mit Jubel wurde der Fürst im Cheruskenland empfangen. Seine großstädtischen<br />

Manieren gefielen der Menge, weckten aber noch einmal den<br />

Argwohn der Nationalpatrioten, die gegen den wachsenden Einfluß aus-<br />

ländischer Mode sich zu wehren begannen. Ihr Anhang schien sich sogar<br />

zu vergrößern. Es kam zu Tumulten, die schließlich in Bürgerkrieg ausarteten.<br />

Die Freunde des Italicus gewannen die Partie. Aber als der König<br />

sich jetzt zum hochmütigen Herren über das Volk aufwarf, wurde er ver-<br />

trieben. Den Römern befreundete Langobarden haben ihn wieder in seine<br />

Rechte eingesetzt und durch Glück und Unglück Unheil über das Land<br />

gebracht,») bis unter dem fortschreitenden Romanisierungsprozeß die nationale<br />

Schwungkraft erlahmte.*) Während der Regierung Domitians hat man sich<br />

M otlum Qerm. c. 37.<br />

>) Vgl. die Hinxetzunt; des Swebenkönigs<br />

VannIiis7S.334).<br />

») Tacitiis, Ann. 11. Hi. 17.<br />

*) Genn. c.'Mv, die Clicruskcn scheinen<br />

vollständig degeneriert zu sein.

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