Deutsche Altertumskunde

2. Die Römer in Deutschland. § 55. Arminius. 345
zu begeistern, das wir in den grandiosen Schilderungen des Tacitus mit-
erleben, i)
Die Machtmittel, die dem Arminius zur Verfügung standen, waren nicht
unerheblich. Viele Edelleute der Cherusken (und mehrerer unter ihrer Oberhoheit
stehender Kantone),^) der Sugambren,^) Bructeren^) und der Marsen^)
haben ihre Gefolgschaften mit denen des Arminius verbrüdert.
Die Übermacht des Varus^') war aber durch einen Handstreich nicht
niederzuschlagen. Die Bestände der Legionen mußten erst verzettelt werden,
um den Aufständischen die Überlegenheit über einzelne Bruchteile zu sichern.
Die Anhänger des Arminius begannen daher einer nach dem andern in
ihren Kantonen mit der Revolte.^) Am entschlossensten waren die Marsen
und die Bructeren. Auf diese an der Peripherie des Aufstandsgebiets
wohnenden Völker wurde die Hauptmacht des Varus durch Meldung ernster
Unruhen abgelenkt.«) Der Gouverneur ließ das Lager an der Weser abbrechen
und rückte zu jenen entfernter wohnenden Völkerschaften ab. 9)
Die cheruskischen Verschwörer, die im römischen Heer dienten, erwirkten
für sich den Auftrag, die Landwehr aufzubieten und mit ihr dem Gros des
Statthalters zu folgen. Zur Beaufsichtigung wurde eine römische Begleit-
mannschaft zurückgelassen.
Das Aufgebot der Cherusken erschien am vorgeschriebenen Sammelplatz,
um schleunigst den Legionen des Varus zu folgen. Als Arminius
unerschrocken das Kommando übernahm, '") war sein erster Befehl, die
römische Begleitmannschaft niederzuhauen, im Aufstandsgebiet die erklärten
Römerfreunde zu verhaften^') und dem P. Quinctilius Varus in den Rücken
zu fallen.
Der Statthalter marschierte im befriedeten, aber noch nicht durch Fahrstraßen
aufgeschlossenen Land ohne Sicherung, mit schwerfälligem Troß
und war in seiner Schlagfertigkeit namentlich durch Pionierarbeiten (Brücken-
schlagen, Verbreiterung der Waldwege) ernstlich behindert. 1
2)
Dazu stellte
sich stürmisches und regnerisches Wetter ein. In dem unübersichtlichen
Waldgebirge waren die Marschkolonnen nicht länger zusammenzuhalten.
Aber der verblendete Gouverneur ließ isich aus seiner Vertrauensseligkeit
*) Dazu kommt einerseits der schwülstige
Bericlit des Velleius und des Florus, andererseits
die nüchterne Erzählung des Dio Cassius
von dem Schicksal des Varus; A. Deppe, Des
Dio Cassius Bericht über die Varusschlacht vergHchen
mit den übrigen Geschichtsquellen,
tetmold 1880. Neue Jahrb. 23 (1909), 326 f.
Über die Quellen vgl. Schrader, Miszellen zur
Varusschlacht S. 6 ff. Winkelsesser p. 42 f.
bellum Varianuni CIL. XIII, 2, 602, dazu
Nr. 8648.
'-') Strabo 7, 1,4; Chaswarier, Amsiwarier,
Angriwarier? vgl. HÜLSENBECK S. 18 f. 36 f.
Cherusci sociique eorunt Tacitus, Ann. 2, 45.
S. 23 f.
«) Strabo 7, , 1 4. Dio 55, 6, vgl. Hülsenbeck
^) Tacitus, Ann. 1,60; es kommen selbstverständlich
nur die Klein-Bructeren in Be-
tracht.
6) Tacitus, Ann. 2,25. Dio60,8(?); vgl.
Westd. Zeitschr. 6, 250 f. Mommsen, Schriften
4, 208 f.
^) Seine Soldaten waren nicht ungeschulte
Rekruten, sondern alterprobteVeteranen(Röm.germ.
Korrespondenzbi. 1910, 30).
Zum Folgenden vgl. Sadee 2, 102 ff.
8) Dio 56, 19, vgl. Tacitus, Ann. 1, 68.
») Er wird Richtung auf die Marsen genommen
und die Truppen von Rehme an der
Weser in der Richtung auf die Lippe geführt
haben.
^**) rebellio Cherusca Tacitus, Ann. 13,55.
'1) Velleius 2, 119: castigatis quibusdam.
gravipoena quia Romanis et armis et animis
usi fuissent (vgl. z. B. Segestes Ann. 1, 58.
B o i o c a 1 u s : vinctus rebellione Cherusca
iussu Arminii Tacitus, Ann. 13, 55).
1^) Dio 56, 20.