Deutsche Altertumskunde

2. Die Römer in Deutschland. § 51. Landes- und Volkskunde. 317
Das römische Militär ist über den Rhein gerückt und hat das deutsche
Land bis zur Elbe rekognosziert. In Rom gefiel man sich bereits in dem
Wahn, nicht der Rhein sondern die Elbe bilde die Reichsgrenze; sie zu
überschreiten soll der Kaiser seinen Offizieren nicht gestattet haben. i) In
den Jahren 12 v. Chr. bis 9 n. Chr. Geb. bestand offiziell eine römische
Provinz Germanien, die das Land vom Rhein bis zur Elbe umfaßte. 2)
Drusus hatte im Jahr 12 v. Chr. Geb. die Wesermündung erreicht und
für Rom die stromaufwärts gelegenen deutschen Gaue in Besitz genommen.
Als Tiberius im Jahr 8 das Kommando übernahm, zeigte er die römischen
Fahnen auch zwischen Weser und Elbe und willig schmiegte sich eine Partie
fügsamer Römerfreunde an den General und an den Gouverneur der neuen
Provinz. Da kam im Jahr 9 mit der Niederlage des Varus der unvermeidliche
Rückschlag. Als Tiberius 10— 12 n. Chr. wieder in Deutschland auftrat,
mußte er sich darauf beschränken, einen rechtsrheinischen Grenzbezirk abzustecken,
der den römischen Legionen verblieb, als nach den Expeditionen
des Germanicus im Jahr 16 ihre endgültige Defensivstellung am Rhein
angeordnet worden war. Das Gelände zwischen Rhein und Elbe zu behaupten,
überstieg die Kräfte des Reichs. Wir stehen hier an einem Wendepunkt
der Völkergeschichte. „Ein Märchen, aber ein altes, berichtet, daß
dem ersten Eroberer Germaniens, dem Drusus, auf seinem letzten Feldzug
an der Elbe eine gewaltige Frauengestalt germanischer Art erschienen sei
und ihm in seiner Sprache das Wort zugerufen habe: „Zurück!" Es ist
nicht gesprochen worden, aber es hat sich erfüllt. "3)
Die Heldengestalt des Arminius und die Katastrophe des Varus prägten
sich tief im Gedächtnis des römischen Volkes ein und gaben Veranlassung,
sich noch gründlicher mit diesen Barbaren des Nordens zu befassen. Sie
waren jetzt häufig in den Straßen Roms zu sehen (Taf. 28).^) Die Leibwache
des Kaisers Augustus ward aus blonden Germanen gebildet. Im
Sitzungssaale des Senats wurde man Zeuge von dem Eingreifen der Germanen
in die Weltpolitik.s) An Stelle der verlorenen Geschichtsbücher des Livius«)
gibt Strabos geographisches Werk im 7. Buch das beste Bild von dem Er-
trag der neueren wissenschaftlichen und politisch-militärischen Aufklärung.^)
Die Elbe i^'AXßig) fließt fast in der gleichen Richtung wie der Rhein
in den Ozean und zwischen beiden münden noch andere schiffbare Flüsse
wie die Weser, Ems, Lippe, Saale.«) Durch das Bett der Elbe wird Ger-
^) Germania/n qua includit oceanus ad und Ethnographie Germaniens geschrieben.
ostium Albis pacaui Res gestae diiii Augusti Mancher der späteren Autoren hat aus ihm
5, 11. 12 (ed. MoMMSEN p. 102). Germanos geschöpft, vermag uns aber über den großen
ultra Albim fluuium summouit Sueton, Verlust nicht zu trösten; hoffentlich beschenkt
Augustus c. 21. Strabo7, 1,4. uns bald Aegypten mit dem Originalwerk
'^) Velleius 2, 97. MGAuct. antiq. XI, 135, des Livius oder mit den libri belli Ger-
746. CIL. XIII, 2, 215. |
') Mommsen, Römische Geschichte 5, 53 f. 1
manici
bellorum
des Aufidius Bassus oder gar mit den
Germanicorttm libri XX des älteren
1
*) K.Schumacher, Verzeichnis der Ab- Plinius!
güsse und wichtigeren Photographien mit ') Strabo ist 19 n. Chr. verstorben und
Germanendarstellungen. Mainz 1910(Kataloge schöpfte noch aus Poseidonios und den älteren
des röm.-germ. Central-Museums Nr. 1).
'•>) Gardthausen 1, 2, 640. 2, 2, 346.
Griechen (Beitr. 20, 284 ff.).
») Blaovqyis, 'Afiäoca, Aovjiia, l'dka Strabo
^) Er hatte die Feldzüge des Drusus als 7, 1, 3.
Zeitgenosse geschildert und eine Geographie |