Deutsche Altertumskunde

316 II- Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen,
sorgte für ausreichenden Proviant, mußte aber wiederum unverrichteter Sache
aus Deutschland abziehen, weil die Sweben (Chatten) sich auf ihrer Ödgrenze
in Sicherheit gebracht hatten. i) Der tatkräftige Mann hat die Rheinbrücke
wieder abbrechen lassen, aber die Muße des Generals kam dem
Forscher zustatten. Die befreundeten Ubier leisteten ihm wertvollen Kundschafterdienst,
2) und so erhellte Caesar durch die ersten ausgiebigeren Nach-
richten den dunkeln rechtsrheinischen Erdteil. 3)
Der griechischen Literatur, insbesondere dem Poseidonios, haben Caesars
Memoiren mehreres zu verdanken; aber die Landesbeschreibung hat durch
Einzelbeobachtungen an Anschaulichkeit gewonnen; den Hauptfortschritt
bildete die persönliche Bekanntschaft mit den deutschen Volksstämmen und
der geistreiche Versuch, die Eigenart der Germanen auf der Folie der
Gallier darzustellen, sowie eine aus dem Gemeinschaftsleben zum Bewußt-
sein ihrer Individualität erwachende deutsche Persönlichkeit in der Laufbahn
des Ariowist zu verfolgen (S. 239 ff.).
Es ist fortan dem Gelehrten der römische Offizier (z. B. Velleius Paterculus)
als Ethnograph und Topograph zur Seite getreten und hat von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt sich mehrende Auskunft über das unbekannte
Land beschafft, das auf die Römer eine starke Anziehungskraft ausübte.
Wenn auf der Weltkarte des Agrippa Deutschland als ein neu entdeckter
ErdteiH) aller Welt zur Anschauung gebracht werden konnte, so haben die
römischen Truppen die hauptsächlichste Vorarbeit geleistet, die Agrippa,
der selbst am Rhein beschäftigt gewesen ist, durch seine Beobachtungen
ergänzte.^) Eine Flottenexpedition des Augustus, die kühnen Feldzüge der
kaiserlichen Prinzen Drusus und Tiberius, die als römische Generale mit
ihrer Mannschaft tief ins unerforschte Binnenland vorgedrungen sind, lieferten
eindrucksvolle Einzelbilder, vor denen die der Nordsee gewidmeten Notizen
der Gelehrten und der Dichter stark verblassen. 6) Wir wissen jetzt genauer
Bescheid über die Germanen, durfte Strabo um die Zeit von Chr. Geb. sagen.'')
Was Pytheas über die nordischen Meere erkundet hatte, ist im Jahr 5
n. Chr. Geb. durch die vom Kaiser Augustus veranlaßte Forschungsreise
bestätigt und ergänzt worden. Schiffe der römischen Marine sind bis zur
Nordspitze von Jütland vorgedrungen und haben hier Volksteile der Chimbern
(Himbersyssel) angetroffen, die gleich ihren Nachbarn, dem Augustus
huldigten*) und ein hochheiliges Opfergerät übersandten.«)
») Caesar 6, 9. 10. 29. Manilius, Astronomicon 4, 692. 715. 794; vgl.
«) Caesar 6, 10. Detlefsen, Entdeckung S. 42ff.
«) Caesar 6, 1 1 ff. 21 ; oben S. 255.
) orbis novus Consolatlo ad Üulam
')
*)
Strabo 1, 2, 1.
classis mea per oceaniim ab ostio
314; modo Germanus Romanis cognitus Rheni ad solis orientis regioncm nsqiie ad
orbis 391 ; vgl. v. 17. 271. 31 1 ff. (Pauly, Real- fines Cimbrontm nauiganit quo neqtie terra
!
'
enzyklopfldie 4*. 933).
•) Über die Weltkarte des Agrippa und
neque
mari /Hamanns ante id tempus adit,
Cimbrique et Charydes et Semnones et eiiisdie
bei
«le erläuternden Kommentare (riclitig ist
Plolcmaios die Küste lioliands und
dem tractiis alii üermanornm popnli per
legatos amicitiam meam et popnli Romani
Deutschlands bis zur Hlbmtlndung entworfen) petierunt Res gestac diui Aii^riisti 5, 14. 15
vgl. S. 230. (cd. Mommsi-n p. 105); cfr. Velleius 2, 106.
•) Cornelius Nepos, de septentrlonall Pllnius, nat. Iiist. 2, 167. Müi.i.i:niiofi-, DA.
drcultu(nacliPllnlu8,nat.hlst.2, 170), Tacitus, 2», 285. BiiROi:«, Erdkunde'^ S. 584. Di-T-
Oerm.c.34. Horatlus, Carm. 4,5,26. Ep. 1,67. lefskn, Entdeckung S. 47 f.. Kilo 9, 446.
Albinouanus Pcdo bei Scneca, Suas. 1, 15. ") Strabo 7, 2, 1.