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Deutsche Altertumskunde

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308 II- Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.<br />

ihren Bewohnern bei Hochwasser Schutz zu gewähren. Dies konnte mit<br />

einigermaßen dauerndem Erfolg nicht geschehen, solang die Baukunst auf<br />

der Stufe der Dachhütte verharrte. Erst das Ständerhaus mit seinem festen<br />

Holzgerüst vermochte den anprallenden Wogen standzuhalten und den<br />

Bewohnern im zweiten Stockwerk (Dachgeschoß) eine Zuflucht zu bieten,<br />

wenn die Brandung die Außenwände des Erdgeschosses eingerissen hatte.<br />

Ihrem Ständerhaus hatten es die Halligleute der Nordsee zu verdanken,<br />

wenn sie noch in den neueren Jahrhunderten manche Sturmflut überstanden<br />

haben. Dabei ist eine konstruktive Eigentümlichkeit hervorzuheben. Auf den<br />

nordfriesischen Inseln stehen die Ständer der alten Häuser nicht senkrecht,<br />

sondern sind schräg in den Boden eingesenkt, wie J. Caesar verfuhr, um<br />

seine Brückenpfosten gegen den Wasserschwall widerstandsfähiger zu machen, i)<br />

Auf der Geest hat sich die ältere unterirdische Hausanlage ungebrochen<br />

erhalten. Nur war unausbleiblich, daß die Wohngrube wie das<br />

Dachhaus allmählich deklassiert wurde; tatsächlich hat sie denn auch in<br />

späteren Zeiten bloß noch als Vorratskammer (Keller) gedient. Wohngruben<br />

der Latenezeit sind z. B. bei Gießen aufgedeckt und genauer untersucht<br />

worden. In einer Tiefe von 2 Metern unter Bodenniveau fand man als Estrich<br />

eine 2 Meter lange und ebenso breite sorgfältig gestrichene, durch Feuer<br />

gehärtete Lehmbodenschicht; aufwärts erweiterte sich die Grube trichterförmig<br />

bis zu ihrem obern Durchschnitt von 3,5 Meter; zahlreiche Scherben<br />

von Vorratsgefäßen und Knochen von Pferde- und Rindfleischstücken ver-<br />

rieten die Zweckbestimmung der Grube.-)<br />

Auch die Dachhütte ist keineswegs verschwunden — hat sie sich doch<br />

bis auf die Gegenwart erhalten (S. 161) — , ist vielmehr unfreien Leuten und<br />

dem Vieh als Unterkunft überiassen worden. 8) Im Sprachschatz spiegelt sich<br />

dieser Vorgang darin wieder, daß der „Koben" (Schaf- oder Schweinekoben)<br />

durch das stattliche „Haus" in seiner Bedeutung herabgesetzt wurde. Der<br />

Besitz eines Vollhauses mit eigenem Feuer und Rauch wurde das Symbol<br />

des vollfreien Mannes.<br />

Häusergruppen hatten sich zu Dorfsiedelungen zusammengeschlossen;*)<br />

sie werden meist da angesetzt werden dürfen, wo Hausreste<br />

gefunden worden sind.*^)<br />

\<br />

') Man möchte fast sagen, in der Wasser- *) Die altertümliche Zelthütte verblieb den<br />

bautechnik kehre das Ständerwerk unseres Köhlern und Feldhütern (Zeitschr. d. Harzver.<br />

Hauses wieder: tigna . . . interuallo pedum 21, 219 f. 29, 277). Hier ist an die Nachricht<br />

duorum inter se itingebat . . , insuper bipeda- des Tacitus zu erinnern, daß die unzivilisierten<br />

Ubus trabibus immissis quantum eorum tig- Nachbarn der Germanen in aliqito ramoriim<br />

norum iunctura dislabat . . . immissa in \<br />

flumen . . . non sublicae modo directe ad<br />

perpendiculum. sed prone ac fastigate, ut<br />

secundum naluram fluminis prociimberent . .<br />

.<br />

nexu<br />

wohnen, während die Germanen domos<br />

figunt (Ständerhaus) Germ. c. 46.<br />

*) In solchem Verband hieß das „Haus"<br />

gemeingermanisch *bopla > anord. bdl<br />

[hybyli), ags. botl, bald (dazu byUian, engl.<br />

i<br />

tanta erat operis firmiliido atque ea rerttm<br />

natura ut quo maior uis aquae se incita- to build), afries. bold, and. bodal (Ikitr. 30,<br />

\<br />

uisset, hoc artius illigata tenerentur: haec 67); das Kollcktivum ist ein verbreitetes<br />

directa materie iniecta contexebantur ac \ Wort für »Dorf (ags. :iebyt/ii, nd. biiticl,<br />

longurils cratibusque consternebantur bell. fries. byll, dän. ball)', es könnte aber aucli<br />

£811.4,17.<br />

|<br />

nach den Haustellen der einzelnen Häuser<br />

I<br />

•) Mittcil. d. obcrhcss. Geichlchtsver. als -stedt bezeichnet werden, wofür seiir<br />

1902,99*f.(mitHclzanlaKe?). 1908, 100. sub- I<br />

alte<br />

Ortsnamen Norddeutschlands vorliegen<br />

terrannel specus als receptacula frugibus (atiord. stabir, and. stcdi, aiid. stcti Stätte).<br />

Oerm.c.l6(«/MncZcH»chr.f.d,Allcrl.7, 128). ») In Buch (bei Ik-riin; vgl. S.;5()7) sind

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