Deutsche Altertumskunde

230 n. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.
den Chimbemzügen in einer unruhigen Bewegung, die bis nach dem hohen
Norden hin sich bemerkbar macht. Hier setzte vielleicht schon Poseidonios
eine große Insel mit Namen Scatinauia^) an: über ihre Ausdehnung war
Genaueres noch nicht zu erfahren, besiedelt war sie von einem in fünfhundert
Gaue gegliederten Volksstamm der Hillevionen und ist von einem
gewaltigen Gebirgszug {mons Saevö)'^) durchzogen. Die skandinavische
Küste springt in das große Binnenmeer der Ostsee {sinas Codanus)^) vor,
das gen Westen durch die Nordspitze der cimbrischen Halbinsel begrenzt
wird. Diese führt den Namen Tastris und ragt mit dem promunturium
Cimbrorum weit ins Meer hinaus.*)
Poseidonios war vielleicht auch der erste, der Genaueres über das
östliche Germanien erkundet hat. Wenigstens könnten die hochaltertüm-
lich anmutenden und im ersten nachchristlichen Jahrhundert obsolet gewordenen
Nachrichten, die Tacitus über die nordostdeutsche Ausbreitung
der Sweben, die der Ostsee den Namen mare Suebicum eintrug, im Zeitalter
des Poseidonios verständlich erscheinen.^) Die Ostgrenze der Germanen
(gegen die „Sarmaten") ist erst durch Agrippa der Weichsel entlang gezogen
worden. 8) Auf der großen, im Jahr 7 v. Chr. öffentlich aufgestellten Welt-
karte des Agrippa") erstreckte sich Gallien vom Rhein bis zu den Pyrenäen, «)
Germanien von der Weichsel bis zur Scheide.
Übersicht über die antiiten Quellen: Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme
1, 3 ff. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde» S. 232 ff. —
H. Berger, Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen, 2. Aufl., Leipzig
1903. M. W. DuNCKER, Origines germanicae, Berolini 1840. L. Hoff, Die Kenntnis Germaniens
im Altertum, Progr. Coesfeld 1890. D. Detlefsen, Die Entdeckung des germanischen
Nordens im Altertum, Berlin 1904 (= Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und
Geographie, herausgegeben von W. Sieglin, Heft 8. Nachtrag, Berlin 1909). Ders., Zur
Kenntnis der Alten von der Nordsee, Hermes 32 (1897), 191 ff. E. Sadee, Römer und Germanen,
Berlin 1911.
Pytheas: Adelung, Älteste Geschichte der Deutschen S. 50 ff. W. Bessell, Über
Pytheas von Massilia, Göttingen 1858. A.Schmidt, Zu Pytheas von Massilia, Progr. Landau
1876. MCllenhoff. DA.l»,2.Buch; vgl.GurscHMiD, Kl. Sehr. 4, 132 ff. Christ, Geschichte
der griechischen Literatur, 3. Aufl. S. 560 f. Berger, Erdkunde der Griechen« S. 332 ff.
G. Hergt, Die Nordlandsfahrt des Pytheas, Diss. Halle 1893. Fr. Matthias, Über Pytheas
') Scandinavia beruht nur auf schlechter ,
Lesart bei Plinius (MOllenhoff, DA.2*,359). ,
*) Wgl. anord. Seva/Ji^U? \
») Beilr. 17. 207.
*; F'linlus, nat. bist. 4, 96. 97. Die {ffjilleuiones
sind wohl dieselben wie die von
Ihnen abgewanderten AlX«vntot, Strabo 7, 1,3.
D» Ti.FFsi N. Entdeckung S. 32. 36 f. Knifioixii
MCLLENHOFF, DA. 2', 287; Sca-
)A. 2». 357 ff. Zcllschr. f. d. Altert.
>'•, \/)\i. Philologische Studien (Festgabe
fiir Sicvcrs) S. 2 ff.
'•) Tacitus, Germ. c. 38. 41 {secrefiora
ittnn bei Sirabo 7^ 1,3.
•) Agrippa totum cum Irartum ab Histro
ad oceanum bis ad decies centenum milium
passuum In longiltidinfm. quatuor milihus
minus CCCC in latitudincm, ad Jlumcn
Vistlam a desertis Sarmaliae prodidit. Scyihartim
nomen usquequaque transiit in Sarmatas
atqtu Oermanos. nee aUia prisca
illa diiravit appellatio quam qui extremi
gentium harum, ignoti prope ceteris mortalibus,
degunt PVimus, nathist. 4, S\. Det-
LEFSEN, Erdkarte Agrippas S.34ff. Sarmatiae,
Scythiae, Tauricae omnisque a Borysthene
amne tractus longiUido DCCCCLXXX. latitudo
DCCXVI a M. Agrippa tradita est
Pllnius 4, 91. habitari ad Vistlam nsque
fluvium a Sarmatis 4, 97; vgl. Mela 3, 33.
MOllenhoff, da. 2«, 3.
') Plinlus, nat. bist. 3, 17.46 cfr. 6, 139;
Strabo 2,5, 17: x">'>"yü"'r"'"^ .^im!-. Schanz,
Römische Litteraturgeschichte IP, 1, 285 fL
MOi.LENiioFF, DA. 3, 212 fL Detlefsen,
Ursprung, Einrichtung und Bedeutung der
Erdkarte Agrippas. Berlin 1906 ( Quellen
und Forsch, z. alten Gesell und Gcogr.,Heftl3).
") Plinius, nat. hist 4, 98. 105. DET-
LEFSEN, Erdkarte S. 39 fL ; über die Scheide
als Grenze vgl. Sieglin Quellen und Forschungen
II, HOL