Deutsche Altertumskunde

226 II. Historischer Zeitraum. A. Westgermanen und Ostgermanen.
Hier aber, in der Nordsee, hat Pytiieas eine etwa 1100 Kilometer
breite Bucht mit Namen Metuonis^) bestimmt; die anwohnende deutsche
Völkerschaft hat sich ihm als Ingwionen^) zu erkennen gegeben; eine
Tagesfahrt von ihnen entfernt traf er eine Insel Abalus (die Timaios mit
der Basileia der Ostsee verwechselte) ») und ließ sich sagen, daß die Bewohner
dieses Eilandes den im Frühjahr von der Flut angeschwemmten
Bernstein — das fossile Harz untergegangener Nadelhölzer — statt des Kienspans
als Licht brennen oder an ihre nächsten Nachbarn, die Teutoni, ver-
handeln. Die Theutonen werden von Pytheas als die eigentlichen Bernstein-
händler gekennzeichnet.*)
Das Reiseziel des Pytheas lag nördlich der Eibmündung. Hier ist
demnach die Bucht Meiuonis,^) hier ist also auch die alte Heimat der
Chimbern und Theutonen zu suchen. Diese Völker haben später, so viel
von ihnen noch übrig war, von der Westküste Schleswigs und Jütlands
nur noch die Nordspitze innegehabt; Pytheas wird sie noch ungefähr da
getroffen haben, wo der Name der nordfriesischen Insel Amrum die ehemaligen
Sitze der mit Chimbern und Theutonen verbündeten Ambronen zu
erkennen gibt.«)
Mit der Zeit haben die Römer von dem Archipel der Nordsee dreiundzwanzig
Inseln kennen gelernt, die dem Küstensaum vorgelegt waren,
von denen aber viele in den Stürmen des Meeres untergegangen sind.
im übrigen Hergt S. 40. mare Cronium
bezeichnet die Nordsee in ihren nördlichen
Regionen: a Tyle unius diei navigatione
mare concretum a nonnullis Cronium appellatur
Plinius, nat. bist. 4, 104. Berger, Erdkunde
S. 350 f.
') MOllenhoff. da. 12, 509; das Wort
ist von Detlefsen S. 9 ff. irrigerweise auf
den in der Graswirtschaft der deutsclien
Nordseektiste noch heutzutage üblichen
Ausdruck medeland bezogen und als »Marschland"
gedeutet worden; nach Pytheas ist es
eine Meeresbucht.
*) Vgl. Anm.4; 4, 99 rechnet Plinius die
Cimbriund Teutonizu den Inguaeonen (S.250)
«ens fnguaeonum estprima in Germania 4, 96.
»ETLEFSEN, Zeitschr. f. schlesw.-holst. Gesch.
15, 325 f. Hermes 32, 192 (beachte 46, 309).
Entdeckung S. 7 f. A. Riese, Das rheinische
Germanien S. 494. Die älteren Konjekturen
.Teutonen*, .Gutonen* oder »Suionen"
(MOllF-K, Ptolemäus 1, 423) sind dadurch
hinfällig geworden. MUCH, Stammeskundc*
S, 64 konjizicrtc Aguiones — Auiones.
*)Ahalus(AnmA) eine Insel des Westens
nach Diodor 5, 23 — ist wohl, wenn man
der in keltischer Sage beliebten Insel Avalon
gedenkt, derselben Herkunft wie morimarusa
(S.225) und vielleicht mit Helgoland oder
einer anderen der nordfriesischen Inseln zu
Identifizieren (Hl'.HOT S.34. Detij'.FSEN S. 12).
Die heutige Nordice-HalUg Habet, könnte
mit Abalus ebenso verbunden worden, wie
der Name .Halligen* mit 'AXonmi Ptolemaios
:
i genti
2,11,16.
*) (electrum) . . . credidit Pytheas In-
guionibus (guionibus cod. B) Germaniae
accoli aestuarium oceani Metiionidis
nomine spatio stadiorum sex milium: ab
hoc diei nauigatione abesse insulam Abalum;
illo per ver fiuctibus adiiehi et esse
concreti maris purgamentum; incolas pro
ligno ad ignem uti eo proximisque Teutonis
uendere. huic et Timaeus credidit, sed insulam
Basiliam uocauit. Philemon negauit
flammam ab electro r