Deutsche Altertumskunde

1. Gallier und Germanen. § 33. Belgien. 213
Belgae genannten Kelten (von Germanen bedrängt?) vom rechten Rheinufer
auf das linke über und geben den Germanen ihre rechtsrheinische Heimat
preis. 1) Hier am Ostrand belgischen Gebiets sind denn auch Mischungen
mit germanischen Einwanderern erfolgt. Der Kern der Beigen saß im
Westen {Belgiam) ^) und ist zu nicht unbeträchtlichen Teilen auf die Nachbar-
küste Britanniens hinübergewandert. 3) Der Hauptsache nach umfaßt aber
der Name Belgae die ihrer Zusammengehörigkeit sich bewußte Gesamtheit
von keltischen Einzelvölkern zwischen Rhein und Seine.*) In politischem
und ethnologischem Sinn gehörten zur Belgica die Texuandri (zwischen
Rhein und Scheide, später Toxandrif); rechtsrheinisch saßen an der Nordsee-
küste die Menapii und linksrheinisch die Morini, landeinwärts schlössen
sich die Atrebates (Arras) und Ambiani (Amiens) an. Zwischen Scheide,
Sambre und Dyle saßen die Neruii, zwischen Dyle und Rhein die Eburones
(südlich von den Texuandri); dieser große, in Unterabteilungen gegliederte
Stamm reichte südwärts bis zu den Ardennen. An deren westlichen Ausläufern
berührten sich die Eburonen mit den Remi (Reims), deren Landgebiet
bis zu den Catalauni (Chalons) an der Marne sich erstreckte. Die
Remer hatten als Ostnachbarn die Treveri (Trier) und die Mediomatrici
(Metz), denen sich in den Vogesen die Leiici (Toul) anreihten.
Jede dieser Völkerschaften gruppierte sich um einen Vorort, und es ist
eine Eigentümlichkeit der belgischen (wie auch der gallischen) Terri-
torien, daß der Vorort seinen topographischen Individualnamen einbüßte,
ihn mit dem Stammesnamen vertauschte und diesen seit alter Zeit bis auf
die Gegenwart behielt.") In Deutschland gibt es etwas Ähnliches nicht.
Das belgische Land war zum größten Teil von Fennen (Veen, Wäldern
und Sümpfen) bedeckt und darum die Viehzucht besonders rentabel; Schweine
und Schafe weideten auf diesem Boden und lieferten die leckeren Schinken
oder die feine Wolle für die einheimischen Tuchwebereien. Der Ackerbau
mußte dahinter zurückbleiben, war aber durchaus nicht unentwickelt; seine
Erträgnisse sind den Legionen des Julius Caesar oft genug zustatten gekommen.
«)
Was den Zuschnitt des Lebens betrifft, so sah es in Belgien verhältnismäßig
primitiv und rückständig aus. Selbst die römische Verwaltung
hat den belgischen Volksstämmen eine in allen ihren Gliedern gleichmäßige
Kultur noch nicht zu vermitteln vermocht.^) Man verglich darum
») Engl, histor. Review 33, 636 ff. ; .ein
Teil der Germanen hatte das ganze Keltenland
am Rhein in Besitz genommen und
veranlaßt, daß man es Germanien . . . nannte"
Dio Cassius 53, 12.
2) MUCH, Beitr. 17, 159 f.
^) Caesar 5, 12.
Parisii hieß (Ammianus Marcellinus 17, 2, 4
u. a.), wären folgende Beispiele zu nennen:
Nemetocenna > Atrebates (Arras); Samarobriva
> Antbiani [kmxtns); Caesaromagus
> Bellovaci (Beauvais) ; Noviodunum > Suessiones
(Soissons); Augustomagus > Silvanectes
{StnWs); Durocortorum > Remi(Re\ms);
Atuatuca > Tungri (Tongern) ; Divodurum >
Mediomatrici (Metz); Andemantunnum >
"*) Caesar 2, 3; fünfzehn Völkerschaften
werden genannt Strabo 4, 4, 3. Vgl. Plinius,
nat.hist.4, 105ff.; ferner H.Morf, Zur sprach- Z.m^o«e5(Langres). O. Hirschfeld, Sitzungslichen
Gliederung Frankreichs. Abhandl. d. ber. d. Berliner Akad. 1907, 194 ff. (ciuitas >
Berliner Akad. 1911 (mit vier Karten). franz. cite).
'
6) Außer Paris, dem Vorort der zu Gallien «) Plinius 8, 20. Westd. Zeitschr. 2, 22.
gehörenden Parisii, der früher Lutetia
(Caesar 6, 3. 7, 57), seit dem vierten Jahrh.
Forsch, zur d. Landes- und Volksk. 14, 374 ff.
•) /^r/ heißen die A^^rw« Caesar 2, 4. 15;