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Deutsche Altertumskunde

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190 I. Prähistorische Zeit. B. Die Germanen.<br />

Außerhalb Pomerellens und Hinterpommerns mit dem südlich<br />

angrenzenden Saum von Posen und Schlesien findet man diese anthropomorphen<br />

Standbilder der Toten nicht wieder. i) Daß der schöpferische<br />

Gedanke, der sie erzeugte, den übrigen Germanen nicht ganz fremd war,<br />

zeigt nicht bloß der Wortschatz und die typische Form der älteren germanischen<br />

Tongefäße, sondern auch der Volksbrauch in andern Landes-<br />

teilen. 2) In Neinstedt (am Harz) ist in einer Steinkiste eine Gesichtsurne<br />

gefunden worden; sie enthielt gebranntes Gebein, mißt mit dem Deckel<br />

37 Zentimeter in der Höhe, unterscheidet sich aber von den nordostdeutschen<br />

Exemplaren dadurch, daß nicht bloß Mund und Augen, sondern auch Nase<br />

und Ohren durch eingeritzte Striche (nicht plastisch) wiedergegeben wurden. 3)<br />

Da nun diese Tonstatuetten in Skandinavien keinerlei Anknüpfungspunkte<br />

haben, können sie nicht wohl einer aus Skandinavien zugewanderten nord-<br />

ostdeutschen Kolonialbevölkerung zugeschrieben werden, sondern dürften<br />

den von der Elbe her über die Oder sich ausdehnenden Suebi zuzuweisen<br />

sein. Denn produktiv ist diese volkstümliche Idee bloß in jenen Germanenkolonien<br />

jenseits der Oder geworden, wo die Lust, Neues zu gewinnen und<br />

zu schaffen, reger war als im Mutterland und wo die Bevölkerung doch<br />

wieder das Neue nach heimatlichen Anschauungen zu gestalten begann.<br />

Seitdem W.Mannhardt und R. Virchow auf diese höchst wertvollen Überbleibsel<br />

altgermanischer („swebischer"?) Kunstübung aufmerksam gemacht<br />

haben, 4) ist ihre Zahl auf etwa hundert angewachsen. Das zugrundliegende<br />

typische (Villanova-) Hallstattgefäß ist groß und schlank (vasenförmig), mit<br />

verhältnismäßig langem Hals, kurzer Schulter und tiefsitzendem Bauch<br />

(Taf. 15, 5), zeigt die charakteristischen horizontalen Kannelüren und hängenden<br />

Bogen des Lausitzer Typus (S. 186 f.) und trägt zwei Henkelösen,<br />

enthält die verbrannten Gebeine und ist an der mäßig weiten Halsöffnung mit<br />

einer umgestürzten irdenen Schale zugedeckt.") An der Weichsel ist aus<br />

') östlich der Weichsel kommen sie<br />

überhaupt nicht vor; doch beachte Korrespondenzbl.<br />

f. Anthropol. 1899, 52. In Pommern<br />

gehören die westlichsten Fundorte dem<br />

Kreis Regenswalde an (Schriften d. Ver. f.<br />

Gesch. d. Neumarit 5, 50 f.). Reiche Sammlungen<br />

besitzen die Museen in Danzig und<br />

Stettin, sowie das Museum für Völkerkunde<br />

zu BerHn.<br />

*) In der Provinz Sachsen trifft man auch<br />

die Kombination von Gesichtsurne und Hausurne<br />

(Anm.4; S. 192) und sogar vereinzelt die<br />

reine Gesichtsurne (Jahrcsschr. 10, 102); in<br />

Holstein ist die Sitte beobachtet worden, den<br />

Graburnen einen Bronzering um das HalsstUck<br />

zu legen, sie also mit dem Halsschmuck<br />

der Lebenden zu verzieren (Mes-<br />

TORF, Urncnfrlcdhöfc S. 94. Undset, Eisen<br />

S. 306 Anm.). — Der alte Name der Geslchtxurnc<br />

scheint in got. manlcika, anord.<br />

mannllkan, ags, monUca, ahd. manalihho<br />

bewahrt zu sein, dies Wort bedeutet .Menschenbild"<br />

; zur Sache vgl. S.95 (ncolithlsch)<br />

und aus dem Wortschatz nhd. bottich, mhd.<br />

botech, ahd. botahha (< butica) : ahd. botah,<br />

ags. bodi^ (engl, body) Körper.<br />

») Zeitschr. d. Harzver. 40, 241. — Primitiver<br />

ist eine , Gesichts "urne der Nieder-<br />

lausitz (Niederlausitzer Mitteil. 2, 395).<br />

*) Undset, Auftreten des Eisens (Re-<br />

gister) S. 123 ff. Verhandl. 1870, 56. 73; vgl.<br />

1877, 451. 1885, 566. Arch. f. Anthropol. 15,<br />

209. Korrespondenzbl. f. Anthropol. 1899, 49 ff.<br />

Berendt, Die pomerellischen Ciesichtsurncn,<br />

Königsberg 1872. 1878. LlSSAUER, Prähistor.<br />

Denkmäler S. 61. 1 17. Conwentz, Das we.stprcußische<br />

Provinzialmuseum Taf. 54 ff. (zahlreiche<br />

Abbildungen). Naciir. über d. Altertumsf.<br />

1891, 79. 1904, 51 ff. Schlesiens Vor-<br />

zeit 6, 430 ff. 440 ff. 453. Zeitsclir. d. histor.<br />

Gesclisch. f. Posen 1, 361. 4, 382. 453. 5, 205.<br />

Zeitschr. d. I larzvcr. 29, 266 ff. (Kombination<br />

mit Hausuriic), vgl. 31, 259 f. (Taf. II, 17).<br />

Reinecke, Korrcspondenzbl. f. Anthropol.<br />

1904, 13 ff. 39. Schlemm S. 173ff. (Literaturangaben).<br />

") Vgl. z. B. Undset Taf. 1, 1. 2. 9,18.<br />

14,20.21. DieSciiaic konnte aucli als Stöpsel<br />

oder Deckel geformt werden (Schlemm<br />

S. 361 ff.).

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