Deutsche Altertumskunde

3. Das Zeitalter der Leichenverbrennung. § 26. Ausländische Eisenindustrie. 171
In den neuerworbenen Marken Mitteldeutschlands und Ostdeutschlands
regte sich, wie schon die Lausitzer Keramik vermuten läßt, neuartiges
germanisches Leben. Den wichtigsten Beleg liefert die Tatsache, daß hier
die Germanen!) zufrühst einen neuen Kulturfaktor kennen lernten, der für
ihre Zukunft von unermeßlicher Bedeutung werden sollte: das Eisen.
Was wir die jüngere Bronzezeit des Nordens, des Mutterlandes der
Germanen, nennen, das ist für die Germanen Mitteldeutschlands frühe Eisen-
zeit. Wählt also der Betrachter seinen Standtpunkt nicht, wie wir bisher
getan haben, auf der Seite des Mutterlandes, sondern auf dem Boden der
Kolonien, so gehören die ersten großzügigen Völkerwanderungen der Germanen
nicht mehr der Bronzezeit, sondern der frühsten Eisenzeit an und man
kann sagen, daß während des Übergangs von der Bronze zum Eisen eine
Ausbreitungsbewegung der Germanen sich zu erkennen gibt, die bei dem
wesentlich vergrößerten Siedelungsgebiet, das die Nation jetzt befaßt, naturnotwendig
eine Differenzierung des Volkes und seines Volkstums
mit sich brachte.
In der Landesnatur i^t die auch verkehrsgeschichtlich zutag tretende
Unterscheidung der westlich und östlich von der Elbe sitzenden Volksteile
begründet; Unterschiede der Volkstracht z. B. zwischen Hannover und
Mecklenburg sind wiederholt beobachtet worden. 2) Auf Grund der Funde
gewinnen namentlich Dänemarks Inseln, Schweden und Norwegen eine
immer ausgeprägtere Sonderstellung. 3) Selbst auf dem Kontinent wurde
jetzt durch die Kolonisationsbewegung eine von dem alteingesessenen (nord-
deutschen) Volksschlag abweichende (mitteldeutsche) Art ins Leben gerufen.
Aus der Sprachgeschichte wissen wir, daß der gemeingermanische Typus
auf dem Kontinent sich allmählich in selbständige Sprachgruppen aufgelöst
und die skandinavische Gruppe abgestoßen hat. Ebenso ist wahrscheinlich
im Lauf der jüngeren Bronzezeit das germanische Gesamtvolk, nach den
Ausdrucksformen seiner materiellen Kultur betrachtet, in einzelne Volksgruppen
zerfallen. Wir sind aber nicht befugt, den fortschreitenden Wandel
der Dinge bloß auf die Faktoren des äußerlichen Lebens zu beziehen; daß in
der ersten Epoche germanischer Wanderungen zu den Symptomen eines kraftvoll
zu seiner Individualisierung aufstrebenden Volkstums auch Veränderungen
seiner geistigen Verfassung gezählt werden müssen, ergibt sich aus dem sprechenden
Merkmal der neuen Zeit, aus der Leichenverbrennung (S. 175ff.).
Vgl. die Karte von Kossinna, Deutsche Erde 1912, 132; vgl. Mannus 4, 271. 335.
§ 26. Ausländische Eisenindustrie (Villanova und Hallstatt). Die
Ausbreitungsbewegung der Germanen bedeutete für das rüstig seine Kopf-
zahl vermehrende Volk nicht bloß eine Vergrößerung seines Wirtschaftsraumes
und eine sprachliche Differenzierung seiner ethnischen Bestandteile,
sondern namentlich auch eine Bereicherung seines Haushaltes und eine
Erweiterung seines Horizonts.
1906, 125.
^) Manche Ware, die von Süden nach
^) S. Müller, Nord. Bronzezeit S. 47 ff. Norden eingeführt wurde, ist nicht einmal
\
bis Dänemark vorgedrungen (S. Müller,
S. 55. 64. 123, vgl. S. 128 f.).
1900,206. ;
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') Es scheinen die 5u^*/ des Tacitus zu
sein (Germ. c. 38).
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50 ff. 64. AhV. 5, 215. Zeitschr. f. Ethnolog.
1902, 189. Korrespondenzbl. f. Anthropol.
a.a.O.