Deutsche Altertumskunde

3. Das Zeitalter der Leichenverbrennung. § 25. Wanderungen. 169
alte Zustand der Dinge sich ändert und zwischen Oder und Weichsel
germanisches Leben sich bemerkbar macht, wird man vornehmlich mit einer
Ausdehnungsbewegung der Kontinentalgermanen von der Elbe und von
der Oder her zu rechnen haben.
Zwischen Oder und Weichsel läßt sich aus den Grabfunden eine reine,
ältere Bronzezeit schwer erkennen, i)
Das nördliche Schlesien präsentiert sich als ein von Menschen nicht
bewohnter Ödlandstreifen, eine Bronzezeit ist erst in Mittelschlesien und
fast nur auf der linken Oderseite nachweisbar. Hier und im südlichen Teil
Oberschlesiens findet man Skelettgräber, wie sie in Norddeutschland völlig
unbekannt sind. Aber im nördlichen Teil der Provinz (Gegend von Glogau)
treten gegen Ende unserer Bronzezeit Brandgräber zutage, die uns be-
obachten lassen, wie hier die Volkszahl in einem zuvor nicht besiedelten
Landstrich anwächst. 2) Nach den Beigaben zu urteilen, unter denen z. B.
Waffen fast gänzlich fehlen, gehören die ältesten dieser Brandgräber der
jüngeren germanischen Bronzezeit an, in der das Inventar nur noch aus Kleinwerk
besteht.^) Gleichartig den nordschlesischen sind aber auch die westpreußischen
Brandgräber, die im westlichen Teil dieser Provinz, in Posen,
Hinterpommern und in der Neumark angetroffen werden. Zu diesem er-
weiterten Germanien gehört fortan aber auch die Niederlausitz,*) denn in
der jüngeren Bronzezeit macht sich hier eine germanische Bevölkerung
bemerkbar,^) die nach dem Charakter ihrer Industrie von Brandenburg herstammen
könnte, aber durch ihre schöpferischen Leistungen auf keramischem
Gebiet alles überflügelt hat, was das Mutterland bis dahin hervorbrachte.
Durch einen ganz eigenartigen Formenkreis wird die Kultur der Germanen
gegen die ihrer südlichen Nachbarn abgegrenzt.*^)
kehr zwischen Südschweden und Ostdeutsch- j
land beobachtet (Arch. f. Anthropol. 26, 488; j
schles. Gesellsch. f. Volksk. 17 (1907), 1 ff.
Schlesiens Vorzeit N. F. 2, 14. 4, 42 f. O. Mervgi.
Nord. Forfidsminder 1, 79 f. S. Müller, tins, Wegweiser S. 47f. 51 ff.; Erstlinge nor-
Nord. Bronzezeit S. 50. 71);
nordischen Erzeugnissen,
Depotfunde mit
die einen Handischen
Imports aus der Steinzeit
dansmühl o. S. 98.
ergab Jor-
delsverkehr Skandinaviens mit dem Weichsel- *) Eine Steinzeit und äUere Bronzezeit
land andeuten, verzeichnet Conwentz, Das
westpreußische ProvinzialmuseumTaf. 49. 52;
scheint hier zu fehlen; man spricht von einer
»Lücke", die um so auffälliger ist, als das
dazu KossiNNA, Zeitschr. f. Ethnolog. 1902,
206. 1905, 386. 387. Idg. Forsch. 7, 276. Die
benachbarte Brandenburg (vgl. die Übersichtstafeln
bei Henne am Rhyn, Kultur-
Erstlinge der die Weichselmündung besiedeln- geschichte 1-, 12ff. nebst Tafeln. Arch. d.
den Ostgermanen waren vielleicht die spätem
Lugü. — Östlich der Weichsel beginnt eine
Brandenburgia 10 Taf. 20—21) eine vollentwickelte
Bronzezeit aufweist (Undset, Eisen
ganz andere Welt (Zeitschr. f. Ethnolog. 1902, S. 188. Niederlausitzer Mitteil. 1890, 165.
214. S. Müller, Urgeschichte S. 141. 164).
') Undset, Eisen S. 331. Kossinna,
555. Arch. f. Anthropol.
f. Ethnolog. 1902, 208).
25, 286. Zeitschr.
Von der Nieder-
Zeitschr. f. Ethnolog. 1902, 206. 214. Über lausitz hat man mit Recht gesagt: «Setzt
ostbaltische Bronzezeit vgl. A.LissAUER, Alter- unsere Vorgeschichte sogleich mit einer
tümer der Bronzezeit in der Provinz Westpreußen
und den angrenzenden Gebieten,
schon sehr entwickehen Technik und einem
hochentwickelten Formensinn ein, so ist dies
Danzig 1891; Verhandl. 1891,300.313.314. ,
R. Dorr, Die jüngste Bronzezeit im Kreise
Elbing. Progr. Elbing 1902.
^) Vgl. Korrespondenzbl. d. Gesamtver,
ein
deutlicher Beweis dafür, daß unsere Landschaff
verhältnismäßig spät erst besiedelt
1911, 183 f.
histor. Zeitschr. 1, 364 f.
••) Aus ganz Schlesien kennt man nur «) AhV. 5, 361.
vier Bronzeschwerter; H. Seger, Mitteil. d.
ist" (Niederlausitzer Mitteil. 2, 103).
5) Niederlausitzer Mitteil. 1885, 407. Prä