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Deutsche Altertumskunde

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136 I. Prähistorische Zeit. B. Die Germanen.<br />

wurde die Leichenverbrennung im Norden in den Dienst der bestimmenden<br />

Zweckidee gestellt. Der Zweck, der mit den ungewöhnlichen und an-<br />

gestrengten Bemühungen einer ganzen Grabgemeinde erreicht werden sollte, i)<br />

war der, den Toten in ein unterirdisches Bereich zu verbannen, ihn auf<br />

Nimmerwiederkehr von den Lebenden abzusondern und diese von der Furcht<br />

vor dem Wiedergänger zu erlösen. Darum wurde der Leichnam einstmals<br />

unter einer schweren Steinlast versenkt. Nun erreichte man dasselbe auf eine<br />

einfachere und gründlichere Weise, indem man das im Ausland geübte Verfahren<br />

befolgte, die Toten mit ihrem Hab und Gut den reinigenden Flammen<br />

übergab und was die Flamme verschonte in einer Graburne sammelte.-)<br />

In Süd- und Mitteleuropa ist die Leichenverbrennung und die Grab-<br />

urne weit älteren Datums als in Nordeuropa. Ganz allmählich löste sich<br />

hier seit etwa 1000 v. Chr. Geb. der Volksglaube vom überlieferten Brauche<br />

los und seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. ist auch bei den Germanen die<br />

Leichenverbrennung allgemeine Volkssitte geworden. 3) Die ältesten Brandgräber<br />

sind in der Nord- und Ostseezone diejenigen, die noch ebenso<br />

eingerichtet wurden wie die Grabstätten der Ahnen: mannslange Steinoder<br />

Baumsärge hat man im Hügel untergebracht, obwohl sie viel zu<br />

geräumig sind für das Häuflein Knochensplitter, das ihnen anvertraut wurde.*)<br />

Mit der Zeit hat man denn auch den Grabraum beschränkt und schließHch<br />

an den ganz fremdartigen Gebrauch sich gewöhnt, alles, was das Feuer<br />

hinterließ, in eine Urne^) zu sammeln und unter der grünen Rasendecke<br />

eines nicht mehr mit Steinmassen beladenen Erdhügels beizusetzen.*^) Doch<br />

572. Korrespondenzbl.d.Gesamtver.1908,317.<br />

Prähistor. Zeitschr. 3, 1 ff. Korrespondenzbl.<br />

f. Anlhropol. 1911, 149. Vereinzelt ist ein<br />

spätneolithisches Brandgräberfeld, bezw. ein<br />

Brandgräberfeld der älteren Bronzezeit auch<br />

in Norddeutschland (Kreis Stendal; Kreis<br />

Greiffenhagen) angetroffen worden (Prähistor.<br />

Zeitschr. 2, 341 ff. Mannus 3, 146.).<br />

') Nach Beowulf v. 3160 brauchte eine<br />

ganze Grabgemeinde zehn Tage zur Vollendung<br />

des Werkes.<br />

*) J. Grimm, Über das Verbrennen der<br />

Uichen (1849) Kl. Sehr. 2, 21 1 ff. Weinhold,<br />

Die heidnische Totenbestattung in Deutschland.<br />

Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1858.<br />

1859. Olshausen, Vcrhandl. 1892, 141 ff,<br />

Beltz, Vorgesch. Altert. S. 264 ff. Antikv.<br />

Tidskrift f. Sverige 18, 6. 10. 19. Daß das<br />

Grab ein wohlausgestattctes Wohnhaus des<br />

Toten sei, wurde jetzt zum Aberglauben.<br />

Durch die Verbrennung der Leiche ist die<br />

.Seele* radikal vom Körper getrennt, sie<br />

lebt Jet2t nicht mehr beim Körper im Grabe,<br />

sondern nach der moderneren Vorstellung im<br />

.Jenseits' fort; der Tote gilt nicht mehr als<br />

entschlafen, sondern als .verschieden" nach<br />

einer fernen Welt der Seelen; darum werden<br />

jetzt der Beigaben, die mit den spärlichen<br />

körperlichen Resten vergraben werden, immer<br />

weniger. — Daß die Sitte der Leichenverbrennung<br />

vom Auslände her unter den Germanen<br />

sich verbreitete, daß insbesondere griechischer<br />

Einfluß im Spiele war, erhebt die direkt oder<br />

indirekt übernommene Graburne über jeden<br />

Zweifel (E. Meyer, Gesch. d. Altertums V, 2,<br />

745 f.).<br />

ä) Dem Vermuten nach ist der Leichenbrand<br />

nicht direkt aus Griechenland, sondern<br />

aus Norditalien zu den Germanen gekommen<br />

(Müller, Urgeschichte S. 139).<br />

*) Vgl. z. B. Mecklenburg. Jahrb. 67, 95.<br />

96. 141. 153. Balt. Stud. 39, 81 ff. Dieser altmodische<br />

Brauch — der beste Beleg einer<br />

kontinuierlichen Entwicklung — läßt sich bis<br />

zur Odergrenze verfolgen (ZiNCK 3, 35 ff.).<br />

Wiederholt sind Funde besprochen, aus denen<br />

man schloß, daß anfänglich nur einzelne<br />

Glieder des Leichnams verbrannt, andere Teile<br />

beerdigt wurden (Verhandl. 1892, 163). In<br />

mecklenburgischen Grabiuigeln wollte man<br />

erkennen, daß der männliche Leichnam be-<br />

erdigt, der weibliche verbrannt worden sei<br />

(Jahrb. 67, 98); vgl. nocli Jahresschr. 8, 148 ff.<br />

') Die älteste Bezeichnung der Graburne<br />

scheint in got. atirahi erhalten zu sein<br />

und von lat. itrcetts abzustammen; über die<br />

Gestalt der Graburnen vgl. z. B. Splieth,<br />

Inventar Taf. 13.<br />

") Interessant sind archaische Holzkisten<br />

oder Körbe (Splieth S. 67; vgl. für Braunschweig:<br />

Globus 87 (1905), 126. 127); der neue<br />

Brauch ist anscheinend zufrülist im Gebiet<br />

der B e r n s t e i n f u n d c , auf den nordfriesischen<br />

Inseln beiegbar (Splii:tii S. 58).

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