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Deutsche Altertumskunde

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116 I. Prähistorische Zeit. B. Die Germanen.<br />

Volkstum ist mit seinem Hauptmerkmal, seiner Sprache, immer erst das<br />

Resultat eines komplizierten geschichtlichen Prozesses, den wir bei den<br />

Germanen aus der Urgeschichte ihrer Sprache zu rekonstruieren vermögen.<br />

Die Sprache, wie sie J. Grimm zuerst als ein historisches Wesen aufgefaßt<br />

hat, Hefert uns jedenfalls die ausschlaggebende Urkunde über das Alter<br />

eines selbständigen germanischen Volkstums: Germanen gibt es — zum<br />

Unterschied von den Urgermanen — , seitdem es eine germanische Sprache<br />

gibt, und ein völkisches Sonderleben der Germanen ist eben durch die<br />

Absonderung urgermanischer Sprache von dem idg. Typus durch die sog.<br />

Akzent- und Lautverschiebung (d. h. Veränderung der Lautgebärden und<br />

der Artikulationsbasis) begründet worden.<br />

Grundstürzende Veränderungen einer Sprache sind nach unserer Erfahrung<br />

u. a. auch durch Sprachmischung bedingt. i) Wie verschieden ist doch<br />

das gemeingermanische Lautsystem vom indogermanischen! Diese Ver-<br />

schiedenheit muß aus durchgreifender Umwandlung der angestammten idg.<br />

Art zu erklären sein.<br />

Aus einem idg. Dialekt der Centumgruppe ist eine von allen andern<br />

idg. Sprachen (vom Urkeltischen, Uritalischen und Urgriechischen) stark abweichende<br />

neue Sprache in Nordeuropa allmählich entstanden. Sie ist durch<br />

ausgeprägte Sprachformen gesichert^) und insofern nicht mehr der Ausdruck<br />

indogermanischer oder urgermanischer, sondern germanischer Nationalität.<br />

Jene abnormen Verschiebungen, die die Lautgebärden der Indogermanen<br />

im nördlichen Europa betroffen haben, können hypothetisch aus der Indogermanisierung<br />

dieser Landstriche abgeleitet werden. Ist nämlich die Sprache<br />

eines idg. Herrenvolks im Lauf der neolithischen Periode auf die Urbevölkerung<br />

übergegangen, 3) so entstand in ihrem Mund, der das Indogermanische<br />

mit anderem Akzent sprach, eine Abart idg. Sprache, eine<br />

veränderte Artikulationsbasis, ein anderes System von Lautgebärden. Ver-<br />

breitete sich diese örtliche Sprechweise auch unter dem Herrenvolke, seitdem<br />

in einem Kolonisierungsprozeß beide sprachliche Gruppen zu einem<br />

Volk zu verschmelzen begannen, so war zu einem neuen Volkstum mit<br />

eigenem Sprachcharakter der Grund gelegt.'*) Wenn wir nach dem Ur-<br />

') Vgl. ZsfdA. 45, 101 ; Wundt,<br />

Völker- Germanen wird also nicht viel anders zu<br />

Psychologie I; Feist, Beitr. 36, 307 ff. Die beurteilen sein als die Entstehung der euro-<br />

Ansiedelung wandernder Germanen in fremdsprachigem<br />

Gebiet hat die sog. zweite Lautpäischen<br />

Kultursprachen überhaupt: das Eng-<br />

lische z. B. unterscheidet sich vom niederverschiebung<br />

hervorgerufen, hat zu jener sächsischen Plattdeutsch durch charaktesprachlichen<br />

Neuschöpfung der Germanen der ristische Lautsverschiebungen ungefähr so,<br />

Völkerwanderungszeit Anlaß gegeben, die wie das Germanische vom Indogermanischen,<br />

wir Althochdeutsch nennen. Die historische Es ist in seinem Grundstock niedersächsisch,<br />

Analogie begünstigt die wohl zuerst von<br />

Penka vertretene Annahme, daß auf ähnliche<br />

aber die Artikulationsbasis verschob sich im<br />

Munde der keltischen Bewohner Großbritan-<br />

WcIscJcnesprachlicheNeuschöpfung zustande<br />

gekommen sei, die wir .Germanisch' nennen,<br />

i niens, unter denen Sachsen als ihr Herren an-<br />

sässig geworden waren. Auch die roma-<br />

*) W.Streitbkro, Urgermanische Gram- i<br />

matik, Heidelberg 1896.<br />

nischen<br />

Sprachen sind wohl nicht anders<br />

entstanden; sind sie doch im Grunde Vulgär-<br />

j<br />

•) Da» numerische Verhältnis könnte lateln im Mund von Barbaren, die die Sprache<br />

»Ich etwa aus dem Verhältnis der Kurzschädel ihrer lateinischen Herren mit fremdem Akzent<br />

zu den Langschfldcln (S. 64; dazu Aarbwger zu sprechen lernten und diese lateinische<br />

1911, 81 ff.) ergeben. Abart zu allgemeiner Anerkennung brachten;<br />

*) Die Fintstehung der Muttersprache aller vgl. Wundt, Völkerpsychologie 1,609 ff.

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