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Deutsche Altertumskunde

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VIII<br />

Vorwort.<br />

Werin ich trotzdem das Wagnis auf mich nahm, so geschah es nicht<br />

bloß deswegen, weil ich ein Vorwerk für die Religionsgeschichte nötig hatte<br />

und weil ich auf sprachgeschichtlichem und literarhistorischem, verfassungsund<br />

wirtschaftsgeschichtlichem sowie namentlich auch auf dem sogenannten<br />

prähistorischen Felde vieles schon getan fand, sondern auch noch aus<br />

einem andern Grunde, über den ich mich auf den ersten Seiten meiner<br />

„Einleitung" andeutend verbreitet habe.<br />

Die schwerste Sorge, die das wissenschaftliche Dasein des deutschen<br />

Philologen belastet, ist die Isolierung tüchtigster Studienarbeit; der eine will<br />

nichts weiter sein als Grammatiker, der andere ist nur Literarhistoriker,<br />

der dritte neuerdings auch Prähistoriker. Mit dem deutschen Unterricht<br />

wird es so lange nicht besser werden, als wir Germanisten nicht zu einem<br />

System unserer Wissenschaft als einer Altertumswissenschaft gelangen, in<br />

dem wie in der klassischen Philologie Volkskunde und Landeskunde,<br />

Sprache und Verskunst, Dichtung und Religion, Kunst und Handwerk,<br />

Wirtschaft und Geselligkeit einem höheren Ganzen als dienende Glieder<br />

untergeordnet und zueinander in lebendige Beziehung gesetzt werden.<br />

Unbefriedigend ist der Anblick eines denkenden Kopfes, der vergeblich sich<br />

bemüht, mit dem hauszuhalten, was er an deutscher Grammatik und<br />

deutscher Literaturgeschichte aufgenommen hat, solang er nicht versteht,<br />

auch nur wenigstens Sprache und Literatur als unzertrennbare Ausdrucks-<br />

formen einer und derselben Nation sich zu eigen zu machen. Früher fanden<br />

sich wenigstens Grammatik und Literaturgeschichte in der Textkritik zu-<br />

sammen. Aber seit jener Zerspaltung deutscher Philologie mußte die Text-<br />

kritik namentlich bei unsern mittelhochdeutschen Autoren einem Auflösungs-<br />

prozeß verfallen. Die Textkritik wird erst wieder zu dem ihr gebührenden<br />

Ansehen gelangen, wenn grammatisches und literarhistorisches Studium sich<br />

vereinigen und wenn wir uns für die auf geschichtlicher Erfahrung begründete<br />

wechselseitige Erhellung der Einzelfächer einsetzen, nicht bloß um<br />

der Textkritik und Texterklärung willen, sondern auch um der deutschen<br />

Philologie die ihr auf dem Schauplatz der neueren deutschen Bildung zu-<br />

stehende Rolle zu sichern.<br />

Dem Philologen erschließt sich die Bildungsgeschichte Deutschlands<br />

in dem System seiner Wissenschaft. Philologie ist aber Altertumswissen-<br />

schaft, wobei freilich der Ausdruck „Altertum" keinesfalls auf die Vor-<br />

zeit eingeschränkt werden darf, sondern mit dem Worte „Vergangenheit"<br />

synonym bleiben muß. Wir haben aus der Dialektforschung und aus der<br />

Volkskunde gelernt, auch die Gegenwart, d. h. die jüngste Vergangenheit,<br />

grammatisch oder literarhistorisch zu bearbeiten, aber philologisch wird<br />

diese Arbeit erst, wenn sie für deutsche Sprache und Literatur ein inneres<br />

Band und wenn sie zugleich für ihre Eigenschaften, selbst für die der<br />

hohen dichterischen Kunst, den Anschluß an das volkstümliche deutsche<br />

Wesen gefunden hat.

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