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Messung von ultrafeinen (Nano-) Partikeln am Arbeitsplatz

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<strong>Messung</strong> <strong>von</strong> <strong>ultrafeinen</strong> (<strong>Nano</strong>-) <strong>Partikeln</strong> <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong><br />

Alexander Graff<br />

ÖSBS, Leoben, Österreich<br />

Einleitung und Historie<br />

Mitte der 1990-er Jahre stieg einerseits das Interesse an <strong>ultrafeinen</strong> Aerosolen in der Umwelt und in Folge dessen<br />

<strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong>, andererseits wurde im Bereich der Forschung und Industrie die Messtechnik auf einen Stand<br />

gebracht, mit dem Anwender recht einfach und rasch <strong>Nano</strong>partikel erfassen und beurteilen können. Vorerst<br />

befassten sich die Wissenschaftler mit Dieselmotoremissionen (DME), welche <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong> – vor allem<br />

Untertage – ein bedeutendes gesundheitsschädliches - kazerogenes - Potential aufweisen.<br />

Im selben Zeitraum (1994 - 2000) wurde durch die SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, CH),<br />

AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, A) sowie ÖSBS (Österreichische Staub-(Silikose-)<br />

Bekämpfungsstelle, A), TBG (Tiefbau-Genossenschaft, D) und BUWAL (Bundes<strong>am</strong>t für Umwelt, Wald und<br />

Landschaft, CH) das Projekt VERT (Verminderung der Emissionen <strong>von</strong> Real-Dieselmotoren im Tunnelbau)<br />

durchgeführt. Ziel war es im Hinblick auf die großen Tunnelbauvorhaben (Gotthard, Lötschberg und Brenner)<br />

die Dieselmotor- und Partikelemissionen, denen die Arbeitnehmer ausgesetzt sind, zu minimieren. In<br />

umfangreichen Studien und Feldversuchen sowie bei unzähligen <strong>Messung</strong>en in den Schweizer Laboratorien<br />

(ETH Zürich, EMPA, etc.) versuchte man, die emittierten <strong>ultrafeinen</strong> Aerosolteilchen zu charakterisieren und zu<br />

spezifizieren. Seit d<strong>am</strong>als stehen der Messtechnik einige Systeme zur Verfügung, welche sich zum Teil zu<br />

internationalen Standards weiterentwickelt haben.<br />

In den letzten Jahren hat sich die Aufmerks<strong>am</strong>keit und das Interesse auch auf die künstlich hergestellten<br />

<strong>ultrafeinen</strong> Partikel gerichtet (Stichwort: man-made-particles). Da weder arbeitsmedizinische Erfahrungen im<br />

Umgang mit solchen Materialien vorliegen, noch die eigentlichen Prozeßpar<strong>am</strong>eter in der sogenannten<br />

<strong>Nano</strong>technologie eindeutig feststehen, ist aus Sicht des Arbeitsschutzes Vorsicht geboten, um in Zukunft nicht in<br />

ähnlicher Weise wie bei Asbest Schiffbruch zu erleiden.<br />

Definitionen und Eigenschaften<br />

Partikelbeladene Gase sind Mehrphasengemische oder Aerosole. Das Gas ist dabei die kontinuierliche Phase, in<br />

welcher die Partikel dispergiert verteilt sind. Je nach Durchmesser (bzw. Größe) und Aggregatzustand spricht<br />

man <strong>von</strong> Stäuben, Rauchen und Nebel.<br />

• Staub ist eine disperse Verteilung fester Stoffe in Luft<br />

• Rauch ist eine disperse Verteilung feinster fester Stoffe in Luft<br />

• Nebel ist eine disperse Verteilung flüssiger Stoffe in Luft<br />

Voraussetzung ist, dass die Partikel so klein sind, dass sie durch das umgebende Gas – insbesondere Luft – in<br />

Schwebe gehalten werden. Die geometrische Definition ist bei <strong>Partikeln</strong> dieser Art nicht sinnvoll; man<br />

unterscheidet zwei Definitionen, je nachdem, wie sich die <strong>Partikeln</strong> im Gas physikalische verhalten:<br />

• Aerodyn<strong>am</strong>ische Äquivalent-Durchmesser dae<br />

Teilchen gehorchen dem Stokeschen Gesetz (500 nm < dae < 63 µm). Dies entspricht grob den<br />

klassischen Definitionen <strong>von</strong> einatembaren (E) und alveolengängigen Staub (A) (siehe Abb. 1) bzw.<br />

PM 10, PM 2,5 und PM 1,0 im Bereich der Umwelt-Immission-Messtechnik (PM … Particulate<br />

Matter).<br />

• Diffusions-Äquivalent-Durchmesser ddiff<br />

Teilchen werden durch die Brown’sche Molekularbewegung in Schwebe gehalten. In diesem Fall<br />

befindet man sich im Bereich der <strong>ultrafeinen</strong> Aerosolteilchen.<br />

Der Übergang <strong>von</strong> der Sedimentation zur Diffusion findet bei einer Teilchengröße <strong>von</strong> ca. 500 nm statt. In<br />

diesem Bereich weist auch die menschliche Lunge ein Minimum in der Depositionswahrscheinlichkeit auf.


Abb. 1: Arbeitsmedizinisch-toxikologisch relevante Anteile des Aerosols (Quelle DFG)<br />

1 µm = 0.001 mm<br />

1 nm = 0.001µm<br />

Größenverteilung [µm]<br />

E A<br />

1000 100 10<br />

1<br />

0.1 0.01 0.001<br />

Regentropfen<br />

Pollen<br />

Haar<br />

Bakterien Viren<br />

Quarzstaub<br />

Holzstaub<br />

Schweißrauch<br />

Abb. 2: Größenverteilungen in µm (1 µm = 10 -6 m)<br />

Zigarettenrauch<br />

Dieselruß<br />

Rauche<br />

Moleküle<br />

Ultrafeine Aerosol-Teilchen<br />

Im Jahr 1999 veröffentliche die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) zum ersten Mal in ihrer jährlich<br />

erscheinenden MAK- und BAT-Werte-Liste (Maximale <strong>Arbeitsplatz</strong>konzentrationen und Biologische<br />

Arbeitsstofftoleranzwerte) eine umfassende Definition ultrafeiner Aerosolteilchen, bei deren Entstehung die<br />

ÖSBS in Zus<strong>am</strong>menarbeit mit deutschen und schweizerischen Institutionen (BGIA ...<br />

Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit D; IGF … Institut für Gefahrstoffforschung, D; SUVA)<br />

mitwirkte. Auch die internationale Messkonvention aus dem Jahr 2007 (siehe Gefahrstoffe - Reinhaltung der<br />

Luft 67 (2007) Nr. 6 Seite 243) wurde unter Mitarbeit der Österreichischen Staub-(Silikose-) Bekämpfungsstelle<br />

in Leoben verfasst.<br />

Definition DFG:<br />

Für die Charakterisierung des Gefährdungspotentials der <strong>ultrafeinen</strong> Partikel (Diffusions-Äquivalentdurchmesser<br />

< 100 nm (=10 -7 m)) unter Einbeziehung ihrer Aggregate und Agglomerate sind drei Tatsachen <strong>von</strong> Bedeutung:


• Die Partikel entstehen im Wesentlichen bei Verbrennungsprozessen und Gasphasenreaktionen.<br />

• Die Depositionsmechanismen im Atemtrakt hängen <strong>von</strong> der Brown’schen Molekularbewegung ab.<br />

• Die Wirkung der Partikel im Atemtrakt steigt weniger massenproportional als mit der<br />

Partikeloberfläche oder der Anzahlkonzentration.<br />

Im dritten Punkt der Definition wird ein grundlegend anderes und weitreichendes Beurteilungskriterium an- und<br />

eingeführt. In diesen Größenordnungsbereichen ist nicht mehr die Masse – in mg/m³ wie zum Beispiel in der<br />

einatembaren Staubfraktion (E) – sondern die Teilchenanzahl (N/cm 3 ) bzw. deren Verteilungsdichte die<br />

entscheidende Einflussgröße.<br />

Sind zum Beispiel 80 % der ges<strong>am</strong>ten Teilchenzahl einer Partikelgrößenverteilung kleiner als 100 nm, so<br />

entsprechen diese weniger als 1 % der ges<strong>am</strong>ten Teilchenmasse.<br />

Nachfolgend werden noch einige Eigenschaften ultrafeiner Aerosol-Teilchen angeführt.<br />

• Bei einem Durchmesser <strong>von</strong> 500 nm erfolgt der Übergang <strong>von</strong> der Sedimentations- zur<br />

Diffusionsabscheidung.<br />

• Durch Sintern entstehen Aggregate und durch Zus<strong>am</strong>menlagern Agglomerate. In beiden Fällen kann der<br />

Durchmesser über 500 nm ansteigen (siehe Abb. 3).<br />

• Agglomerierte Teilchen können im Atemtrakt wieder zerfallen.<br />

• Agglomerate/Aggregate haben eine große spezifische Oberfläche ("aktive Oberfläche"), an der adsortiv<br />

andere Substanzen gebunden werden können.<br />

• Verbrennungspartikel ändern ihre Eigenschaften erst nach sehr langer Zeit – z.B. durch<br />

Sonneneinstrahlung<br />

• Bei DME (Russ) wird die größte Teilchenkonzentration zwischen 50 und 90 nm erreicht.<br />

• Russpartikel sind weitgehend hydrophob. Somit dienen sie nicht als Kondensationskeime, weder in Luft<br />

noch in der gesättigten Atmosphäre der Atemwege.<br />

• Die Depositionswahrscheinlichkeit im Atemtrakt ist bei Teilchen <strong>von</strong> 500 nm Größe ein Minimum.<br />

• Das Maximum der Deposition ist auf Grund der hohen Beweglichkeit bei Teilchendurchmessern <strong>von</strong> 20<br />

bis 50 nm gegeben.<br />

Abb. 3: Dieselrusspartikel (Agglomerate bzw. Aggregate) im Transmissionselektronenmikroskop (Quelle: ETH-<br />

Conference on Combustion Generated <strong>Nano</strong>particles)<br />

Ultrafeine Aerosolteilchen an Arbeitsplätzen<br />

Als Quellen ultrafeiner Partikel im Bereich der Arbeitswelt gelten:<br />

• Diffuse Quellen (Verkehr, Industrie, Brände, etc.)


• Abgas <strong>von</strong> Verbrennungsprozessen<br />

• Partikelförmige Dieselmotoremissionen (DME)<br />

• Technische Ruße<br />

• Laserrauche<br />

• Schweißrauche<br />

• Metallrauche<br />

• Polymerrauche<br />

• Amorphe Kieselsäure<br />

• <strong>Nano</strong>technologie<br />

Bei solchen Prozessen entstehen Primärteilchen mit Durchmessern <strong>von</strong> wenigen <strong>Nano</strong>metern. Durch<br />

Zus<strong>am</strong>menlagerung und Versintern können sowohl bei der Entstehung als auch in weiterer Folge durch<br />

Koagulation größere Teichen gebildet werden (siehe Abb. 4).<br />

Abb 4: Das atmosphärische Aerosol (Quelle: Sichere Arbeit 1/1998)<br />

Im Nachfolgenden werden kurz einige Ergebnisse aus verschiedenen Projekten, welche in der ÖSBS<br />

durchgeführt wurden, dargestellt (siehe hierzu Vortrag).<br />

Vorab soll aber noch das Meßsystem kurz vorgestellt werden. Es handelt sich hierbei um ein SMPS (Scanning<br />

Mobility Particle Sizer; siehe hierzu ÖSBS-Stand sowie Abb. 5) der <strong>am</strong>erikanischen Firma TSI Inc., welches auf<br />

Grund der Größe des Messbereichs mit den unten angeführten Geräteeinstellungen betrieben wurde:<br />

• Impaktor: 0,0457 cm<br />

• Volumenstrom der Sheath-Air: 3,0 l/min<br />

• Ansaugrate des Aerosols: 0,3 l/min<br />

• Charge Correction<br />

• Upscanzeit: 120 s<br />

• Downscanzeit: 30 s<br />

• Messbereich: (14 – 673) nm<br />

• Software-Version 3.2 bzw. AIM 5.3


Abb. 5: Das SMPS (Scanning Mobility Particle Sizer) der ÖSBS<br />

Partikelkonz. / cm -3<br />

1.0E+06<br />

1.0E+05<br />

1.0E+04<br />

1.0E+03<br />

1.0E+02<br />

Schuttern, Spritzbeton<br />

Schuttern, Spritzbeton, Vortrieb<br />

Fahrbetrieb<br />

10 100 1000<br />

dm / nm<br />

Abb. 6: Partikelanzahlverteilungen im Tunnelvortrieb bei verschiedenen Arbeitsvorgängen. Die Fahrzeuge sind<br />

mit DFP (Dieselpartikelfilter) ausgerüstet.


11:45<br />

14:14<br />

16:52<br />

19:21<br />

21:51<br />

Abb. 7: 24-Stunden-Profil während der Betonarbeiten (Schalungen) in einem Tunnelbauvorhaben.<br />

Partikelkonz. / N cm -3<br />

1,4E+07<br />

1,2E+07<br />

1,0E+07<br />

8,0E+06<br />

6 ,0E+06<br />

4 ,0E+06<br />

2 ,0E+06<br />

Zeit<br />

0,0E+00<br />

08:03<br />

08:28 08:53<br />

Abb. 8: Partikelanzahlverteilungen in einer Raumschießanlage der Exekutive<br />

09:18<br />

1:00<br />

09:43<br />

Zeit<br />

3:30<br />

10:08<br />

10:3 3<br />

6:00<br />

10:58<br />

8:51<br />

11:21<br />

14.6<br />

30.0<br />

61.5<br />

2000000-2500000<br />

1500000-2000000<br />

1000000-1500000<br />

500000-1000000<br />

0-500000<br />

126.3<br />

259.5<br />

d / nm<br />

532.8<br />

12000000-14000000<br />

10000000-12000000<br />

8000000-10000000<br />

6000000-8000000<br />

4000000-6000000<br />

2000000-4000000<br />

0-2000000<br />

2.5E+06<br />

2.0E+06<br />

1.5E+06<br />

1.0E+06<br />

5.0E+05<br />

0.0E+00<br />

181,1259,5371,8532,8<br />

126,3<br />

88,2<br />

61,5<br />

42,9<br />

30,0<br />

11:23 20,9<br />

14,6 d / nm<br />

Partikelkonz. / N cm -3


Partikelkonz. / N cm -3<br />

1.0E+08<br />

1.0E+07<br />

1.0E+06<br />

1.0E+05<br />

1.0E+04<br />

1.0E+03<br />

Vergleich der Konzentration <strong>von</strong> <strong>ultrafeinen</strong> Teilchen im Zigarettenrauch und <strong>am</strong> <strong>Arbeitsplatz</strong><br />

1.0E+02<br />

10 100 1000<br />

Abb. 9: Partikelanzahlverteilung bei der Herstellung und Abfüllung <strong>von</strong> Metallpulver (< 320 nm Durchmesser,<br />

blaue Linie) im Vergleich zu Zigarettenrauch (rote Linie)<br />

Partikelkonz. / N cm -3<br />

1.E+05<br />

1.E+04<br />

1.E+03<br />

1.E+02<br />

d / nm<br />

Printing Room,<br />

5 Farblaserdrucker<br />

Zigarettenrauch<br />

<strong>Arbeitsplatz</strong>konzentration<br />

1.E+01<br />

10 100 1000<br />

d / nm<br />

Abb. 10: Partikelanzahlverteilung in einem Printing-Room (≈ urbanen Verhältnissen)


Literatur:<br />

1. Mayer, A (2000): VERT Abschussbericht., TTM-Bericht W01/01/2000.<br />

2. DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft (jährlich): MAK- und BAT-Werte-Liste.<br />

3. Seinfeld, John H. (1998): Atmospheric Chemistry and Physics: From Air Pollution to Climate Change.<br />

4. Graff, A.; Manhart, I; Mlekuz, Th.; Pils, P.; Schuster A. (2004): Ultrafeine Aerosole im Tunnelbau – Messergebnisse und<br />

medizinische Auswirkungen mit Schwerpunkt Betonausbau. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, 64 (2004) Nr. 1/2, Seite 41<br />

- 47<br />

webtipps:<br />

www.oesbs.at<br />

www.suva.ch<br />

www.dguv.de/bgia/de/index.jsp<br />

www.tsi.com<br />

www.akpf.org

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