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Nietzsche, Friedrich - Di...

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Gewitterwolke des zürnenden Jehovah hieng. Hier allein wurde das seltene plötzliche<br />

Hindurchleuchten eines einzelnen Sonnenstrahls durch die grauenhafte allgemeine und<br />

andauernde Tag−Nacht wie ein Wunder der "Liebe" empfunden, als der Strahl der<br />

unverdientesten "Gnade". Hier allein konnte Christus seinen Regenbogen und seine<br />

Himmelsleiter träumen, auf der Gott zu den Menschen hinabstieg; überall sonst galt das<br />

helle Wetter und die Sonne zu sehr als Regel und Alltäglichkeit.<br />

138.<br />

Der Irrthum Christi. − Der Stifter des Christenthums meinte, an Nichts litten die Menschen<br />

so sehr, als an ihren Sünden: − es war sein Irrthum, der Irrthum Dessen, der sich ohne<br />

Sünde fühlte, dem es hierin an Erfahrung gebrach! So füllte sich seine Seele mit jenem<br />

wundervollen phantastischen Erbarmen, das einer Noth galt, welche selbst bei seinem<br />

Volke, dem Erfinder der Sünde, selten eine grosse Noth war! − Aber die Christen haben es<br />

verstanden, ihrem Meister nachträglich Recht zu schaffen und seinen Irrthum zur<br />

"Wahrheit" zu heiligen.<br />

139.<br />

Farbe der Leidenschaften. − Solche Naturen, wie die des Apostel Paulus, haben für die<br />

Leidenschaften einen bösen Blick; sie lernen von ihnen nur das Schmutzige, Entstellende<br />

und Herzbrechende kennen, − ihr idealer Drang geht daher auf Vernichtung der<br />

Leidenschaften aus: im Göttlichen sehen sie die völlige Reinheit davon. Ganz anders, als<br />

Paulus und die Juden, haben die Griechen ihren idealen Drang gerade auf die<br />

Leidenschaften gewendet und diese geliebt, gehoben, vergoldet und vergöttlicht; offenbar<br />

fühlten sie sich in der Leidenschaft nicht nur glücklicher, sondern auch reiner und<br />

göttlicher, als sonst. − Und nun die Christen? Wollten sie hierin zu Juden werden? Sind sie<br />

es vielleicht geworden?<br />

140.<br />

Zu jüdisch. − Wenn Gott ein Gegenstand der Liebe werden wollte, so hätte er sich zuerst<br />

des Richtens und der Gerechtigkeit begeben müssen: − ein Richter, und selbst ein gnädiger<br />

Richter, ist kein Gegenstand der Liebe. Der Stifter des Christenthums empfand hierin nicht<br />

fein genug, − als Jude.<br />

141.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Zu orientalisch. − Wie? Ein Gott, der die Menschen liebt, vorausgesetzt, dass sie an ihn<br />

glauben, und der fürchterliche Blicke und Drohungen gegen Den schleudert, der nicht an<br />

diese Liebe glaubt! Wie? eine verclausulirte Liebe als die Empfindung eines allmächtigen<br />

Gottes! Eine Liebe, die nicht einmal über das Gefühl der Ehre und der gereizten Rachsucht<br />

Herr geworden ist! Wie orientalisch ist das Alles! "Wenn ich dich liebe, was geht's dich<br />

138. 91

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