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Nietzsche, Friedrich - Di...

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Grade: wer könnte für sie des Oels und der Milde genug haben." − Was Oel! Was Milde!<br />

rief ein Anderer aus der Menge; "Man muss die Weiber besser erziehen! − Man muss die<br />

Männer besser erziehen," sagte der weise Mann und winkte dem Jünglinge, dass er ihm<br />

folge. − Der Jüngling aber folgte ihm nicht.<br />

69.<br />

Fähigkeit zur Rache. − Dass Einer sich nicht vertheidigen kann und folglich auch nicht<br />

will, gereicht ihm in unsern Augen noch nicht zur Schande: aber wir schätzen Den gering,<br />

der zur Rache weder das Vermögen noch den guten Willen hat, − gleichgültig ob Mann<br />

oder Weib. Würde uns ein Weib festhalten (oder wie man sagt "fesseln") können, dem wir<br />

nicht zutrauten, dass es unter Umständen den Dolch (irgend eine Art von Dolch) gegen uns<br />

gut zu handhaben wüsste? Oder gegen sich: was in einem bestimmten Falle die<br />

empfindlichere Rache wäre (die chinesische Rache).<br />

70.<br />

<strong>Di</strong>e Herrinnen der Herren. − Eine tiefe mächtige Altstimme, wie man sie bisweilen im<br />

Theater hört, zieht uns plötzlich den Vorhang vor Möglichkeiten auf, an die wir für<br />

gewöhnlich nicht glauben: wir glauben mit Einem Male daran, dass es irgendwo in der<br />

Welt Frauen mit hohen, heldenhaften, königlichen Seelen geben könne, fähig und bereit zu<br />

grandiosen Entgegnungen, Entschliessungen und Aufopferungen, fähig und bereit zur<br />

Herrschaft über Männer, weil in ihnen das Beste vom Manne, über das Geschlecht hinaus,<br />

zum leibhaften Ideale geworden ist. Zwar sollen solche Stimmen nach der Absicht des<br />

Theaters gerade nicht diesen Begriff vom Weibe geben: gewöhnlich sollen sie den idealen<br />

männlichen Liebhaber, zum Beispiel einen Romeo, darstellen; aber nach meiner Erfahrung<br />

zu urtheilen, verrechnet sich dabei das Theater und der Musiker, der von einer solchen<br />

Stimme solche Wirkungen erwartet, ganz regelmässig. Man glaubt nicht an diese<br />

Liebhaber: diese Stimmen enthalten immer noch eine Farbe des Mütterlichen und<br />

Hausfrauenhaften, und gerade dann am meisten, wenn Liebe in ihrem Klange ist.<br />

71.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Von der weiblichen Keuschheit. − Es ist etwas ganz Erstaunliches und Ungeheures in der<br />

Erziehung der vornehmen Frauen, ja vielleicht giebt es nichts Paradoxeres. Alle Welt ist<br />

darüber einverstanden, sie in eroticis so unwissend wie möglich zu erziehen und ihnen eine<br />

tiefe Scham vor dergleichen und die äusserste Ungeduld und Flucht beim Andeuten dieser<br />

<strong>Di</strong>nge in die Seele zu geben. Alle "Ehre" des Weibes steht im Grunde nur hier auf dem<br />

Spiele: was verziehe man ihnen sonst nicht! Aber hierin sollen sie unwissend bis in's Herz<br />

hinein bleiben: − sie sollen weder Augen, noch Ohren, noch Worte, noch Gedanken für<br />

diess ihr "Böses" haben: ja das Wissen ist hier schon das Böse. Und nun! Wie mit einem<br />

grausigen Blitzschlage in die Wirklichkeit und das Wissen geschleudert werden, mit der<br />

Ehe − und zwar durch Den, welchen sie am meisten lieben und hochhalten: Liebe und<br />

69. 55

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