Nietzsche, Friedrich - Di...
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Irrthümern.<br />
38.<br />
<strong>Di</strong>e Explosiven. − Erwägt man, wie explosionsbedürftig die Kraft junger Männer daliegt,<br />
so wundert man sich nicht, sie so unfein und so wenig wählerisch sich für diese oder jene<br />
Sache entscheiden zu sehen: Das, was sie reizt, ist der Anblick des Eifers, der um eine<br />
Sache ist, und gleichsam der Anblick der brennenden Lunte, − nicht die Sache selber. <strong>Di</strong>e<br />
feineren Verführer verstehen sich desshalb darauf, ihnen die Explosion in Aussicht zu<br />
stellen und von der Begründung ihrer Sache abzusehen: mit Gründen gewinnt man diese<br />
Pulverfässer nicht!<br />
39.<br />
Veränderter Geschmack. − <strong>Di</strong>e Veränderung des allgemeinen Geschmackes ist wichtiger,<br />
als die der Meinungen; Meinungen mit allen Beweisen, Widerlegungen und der ganzen<br />
intellectuellen Maskerade sind nur Symptome des veränderten Geschmacks und ganz<br />
gewiss gerade Das nicht, wofür man sie noch so häufig anspricht, dessen Ursachen. Wie<br />
verändert sich der allgemeine Geschmack? Dadurch, dass Einzelne, Mächtige,<br />
Einflussreiche ohne Schamgefühl ihr hoc est ridiculum, hoc est absurdum, also das Urtheil<br />
ihres Geschmacks und Ekels, aussprechen und tyrannisch durchsetzen.− − sie legen damit<br />
Vielen einen Zwang auf, aus dem allmählich eine Gewöhnung noch Mehrerer und zuletzt<br />
ein Bedürfniss Aller wird. Dass diese Einzelnen aber anders empfinden und "schmecken",<br />
das hat gewöhnlich seinen Grund in einer Absonderlichkeit ihrer Lebensweise, Ernährung,<br />
Verdauung, vielleicht in einem Mehr oder Weniger der anorganischen Salze in ihrem Blute<br />
und Gehirn, kurz in der Physis: sie haben aber den Muth, sich zu ihrer Physis zu bekennen<br />
und deren Forderungen noch in ihren feinsten Tönen Gehör zu schenken: ihre ästhetischen<br />
und moralischen Urtheile sind solche "feinste Töne" der Physis.<br />
40.<br />
<strong>Nietzsche</strong><br />
Vom Mangel der vornehmen Form. − Soldaten und Führer haben immer noch ein viel<br />
höheres Verhalten zu einander, als Arbeiter und Arbeitgeber. Einstweilen wenigstens steht<br />
alle militärisch begründete Cultur noch hoch über aller sogenannten industriellen Cultur:<br />
letztere in ihrer jetzigen Gestalt ist überhaupt die gemeinste Daseinsform, die es bisher<br />
gegeben hat. Hier wirkt einfach das Gesetz der Noth: man will leben und muss sich<br />
verkaufen, aber man verachtet Den, der diese Noth ausnützt und sich den Arbeiter kauft. Es<br />
ist seltsam, dass die Unterwerfung unter mächtige, furchterregende, ja schreckliche<br />
Personen, unter Tyrannen und Heerführer, bei Weitem nicht so peinlich empfunden wird,<br />
als diese Unterwerfung unter unbekannte und uninteressante Personen, wie es alle Grössen<br />
der Industrie sind: in dem Arbeitgeber sieht der Arbeiter gewöhnlich nur einen listigen,<br />
aussaugenden, auf alle Noth speculirenden Hund von Menschen, dessen Name, Gestalt,<br />
Sitte und Ruf ihm ganz gleichgültig sind. Den Fabricanten und Gross−Unternehmern des<br />
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