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Nietzsche, Friedrich - Di...

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werden. Giebt es noch ein Vergnügen an Gesellschaft und an Künsten, so ist es ein<br />

Vergnügen, wie es müde−gearbeitete Sclaven sich zurecht machen. Oh über diese<br />

Genügsamkeit der "Freude" bei unsern Gebildeten und Ungebildeten! Oh über diese<br />

zunehmende Verdächtigung aller Freude! <strong>Di</strong>e Arbeit bekommt immer mehr alles gute<br />

Gewissen auf ihre Seite: der Hang zur Freude nennt sich bereits "Bedürfniss der Erholung"<br />

und fängt an, sich vor sich selber zu schämen. "Man ist es seiner Gesundheit schuldig" − so<br />

redet man, wenn man auf einer Landpartie ertappt wird. Ja, es könnte bald so weit<br />

kommen, dass man einem Hange zur vita contemplativa (das heisst zum Spazierengehen<br />

mit Gedanken und Freunden) nicht ohne Selbstverachtung und schlechtes Gewissen<br />

nachgäbe. − Nun! Ehedem war es umgekehrt: die Arbeit hatte das schlechte Gewissen auf<br />

sich. Ein Mensch von guter Abkunft verbarg seine Arbeit, wenn die Noth ihn zum Arbeiten<br />

zwang. Der Sclave arbeitete unter dem Druck des Gefühls, dass er etwas Verächtliches<br />

thue: − das "Thun" selber war etwas Verächtliches. "<strong>Di</strong>e Vornehmheit und die Ehre sind<br />

allein bei otium und bellum": so klang die Stimme des antiken Vorurtheils!<br />

330.<br />

Beifall. − Der Denker bedarf des Beifalls und des Händeklatschens nicht, vorausgesetzt,<br />

dass er seines eigenen Händeklatschens sicher ist: diess aber kann er nicht entbehren. Giebt<br />

es Menschen, welche auch dessen und überhaupt jeder Gattung von Beifall entrathen<br />

könnten? Ich zweifle: und selbst in Betreff der Weisesten sagt Tacitus, der kein<br />

Verleumder der Weisen ist, quando etiam sapientibus gloriae cupido novissima exuitur −<br />

das heisst bei ihm: niemals.<br />

331.<br />

Lieber taub, als betäubt. − Ehemals wollte man sich einen Ruf machen: das genügt jetzt<br />

nicht mehr, da der Markt zu gross geworden ist, − es muss ein Geschrei sein. <strong>Di</strong>e Folge ist,<br />

dass auch gute Kehlen sich überschreien, und die besten Waaren von heiseren Stimmen<br />

ausgeboten werden; ohne Marktschreierei und Heiserkeit giebt es jetzt kein Genie mehr. −<br />

Das ist nun freilich ein böses Zeitalter für den Denker: er muss lernen, zwischen zwei<br />

Lärmen noch seine Stille zu finden, und sich so lange taub stellen, bis er es ist. So lange er<br />

diess noch nicht gelernt hat, ist er freilich in Gefahr, vor Ungeduld und Kopfschmerzen zu<br />

Grunde zu gehen.<br />

332.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

<strong>Di</strong>e böse Stunde. − Es hat wohl für jeden Philosophen eine böse Stunde gegeben, wo er<br />

dachte: was liegt an mir, wenn man mir nicht auch meine schlechten Argumente glaubt! −<br />

Und dann flog irgend ein schadenfrohes Vögelchen an ihm vorüber und zwitscherte: Was<br />

liegt an dir? Was liegt an dir?"<br />

330. 136

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