Nietzsche, Friedrich - Di...
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grossen Schmerzes gerade den entgegengesetzten Commandoruf hören, und welche nie<br />
stolzer, kriegerischer und glücklicher dreinschauen, als wenn der Sturm heraufzieht; ja, der<br />
Schmerz selber giebt ihnen ihre grössten Augenblicke! Das sind die heroischen Menschen,<br />
die grossen Schmerzbringer der Menschheit: jene Wenigen oder Seltenen, die eben die<br />
selbe Apologie nöthig haben, wie der Schmerz überhaupt, − und wahrlich! man soll sie<br />
ihnen nicht versagen! Es sind arterhaltende, artfördernde Kräfte ersten Ranges: und wäre es<br />
auch nur dadurch, dass sie der Behaglichkeit widerstreben und vor dieser Art Glück ihren<br />
Ekel nicht verbergen.<br />
319.<br />
Als Interpreten unserer Erlebnisse. − Eine Art von Redlichkeit ist allen Religionsstiftern<br />
und Ihresgleichen fremd gewesen: − sie haben nie sich aus ihren Erlebnissen eine<br />
Gewissenssache der Erkenntniss gemacht. "Was habe ich eigentlich erlebt? Was gierig<br />
damals in mir und um mich vor? War meine Vernunft hell genug? War mein Wille gegen<br />
alle Betrügereien der Sinne gewendet und tapfer in seiner Abwehr des Phantastischen?" −<br />
so hat Keiner von ihnen gefragt, so fragen alle die lieben Religiösen auch jetzt noch nicht:<br />
sie haben vielmehr einen Durst nach <strong>Di</strong>ngen, welche wider die Vernunft sind, und wollen<br />
es sich nicht zu schwer machen, ihn zu befriedigen, − so erleben sie denn "Wunder" und<br />
"Wiedergeburten" und hören die Stimmen der Englein! Aber wir, wir Anderen,<br />
Vernunft−Durstigen, wollen unseren Erlebnissen so streng in's Auge sehen, wie einem<br />
wissenschaftlichen Versuche, Stunde für Stunde, Tag um Tag! Wir selber wollen unsere<br />
Experimente und Versuchs−Thiere sein.<br />
320.<br />
Beim Wiedersehen. − A.: Verstehe ich dich noch ganz? Du suchst? Wo ist inmitten der<br />
jetzt wirklichen Welt dein Winkel und Stern? Wo kannst du dich in die Sonne legen,<br />
sodass auch dir ein Ueberschuss von Wohl kommt und dein Dasein sich rechtfertigt? Möge<br />
das jeder für sich selber thun − scheinst du mir zu sagen − und das Reden in's Allgemeine,<br />
das Sorgen für den Anderen und die Gesellschaft sich aus dem Sinne schlagen! − B.: Ich<br />
will mehr, ich bin kein Suchender. Ich will für mich eine eigene Sonne schaffen.<br />
321.<br />
<strong>Nietzsche</strong><br />
Neue Vorsicht. − Lasst uns nicht mehr so viel an Strafen, Tadeln und Bessern denken!<br />
Einen Einzelnen werden wir selten verändern; und wenn es uns gelingen sollte, so ist<br />
vielleicht unbesehens auch Etwas mitgelungen: wir sind durch ihn verändert worden!<br />
Sehen wir vielmehr zu, dass unser eigener Einfluss auf alles Kommende seinen Einfluss<br />
aufwiegt und überwiegt! Ringen wir nicht im directen Kampfe! − und das ist auch alles<br />
Tadeln, Strafen und Bessernwollen. Sondern erheben wir uns selber um so höher! Geben<br />
wir unserm Vorbilde immer leuchtendere Farben! Verdunkeln wir den Andern durch unser<br />
Licht! Nein! Wir wollen nicht um seinetwillen selber dunkler werden, gleich allen<br />
319. 132