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Nietzsche, Friedrich - Di...

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noch einmal für sich, indem er sie mit seinen architektonischen Gedanken überwältigte und<br />

gleichsam zur Augenweide seines Hauses umschuf. Im Norden imponirt das Gesetz und<br />

die allgemeine Lust an Gesetzlichkeit und Gehorsam, wenn man die Bauweise der Städte<br />

ansieht: man erräth dabei jenes innerliche Sich−Gleichsetzen, Sich−Einordnen, welches die<br />

Seele aller Bauenden beherrscht haben muss. Hier aber findest du, um jede Ecke biegend,<br />

einen Menschen für sich, der das Meer, das Abenteuer und den Orient kennt, einen<br />

Menschen, welcher dem Gesetze und dem Nachbar wie einer Art von Langerweile abhold<br />

ist und der alles schon Begründete, Alte mit neidischen Blicken misst: er möchte, mit einer<br />

wundervollen Verschmitztheit der Phantasie, diess Alles mindestens im Gedanken noch<br />

einmal neu gründen, seine Hand darauf−, seinen Sinn hineinlegen − sei es auch nur für den<br />

Augenblick eines sonnigen Nachmittags, wo seine unersättliche und melancholische Seele<br />

einmal Sattheit fühlt, und seinem Auge nur Eigenes und nichts Fremdes mehr sich zeigen<br />

darf.<br />

292.<br />

An die Moral−Prediger. − Ich will keine Moral machen, aber Denen, welche es thun, gebe<br />

ich diesen Rath: wollt ihr die besten <strong>Di</strong>nge und Zustände zuletzt um alle Ehre und Werth<br />

bringen, so fahrt fort, sie in den Mund zu nehmen, wie bisher! Stellt sie an die Spitze eurer<br />

Moral und redet von früh bis Abend von dem Glück der Tugend, von der Ruhe der Seele,<br />

von der Gerechtigkeit und der immanenten Vergeltung: so wie ihr es treibt, bekommen alle<br />

diese guten <strong>Di</strong>nge dadurch endlich eine Popularität und ein Geschrei der Gasse für sich:<br />

aber dann wird auch alles Gold daran abgegriffen sein und mehr noch: alles Gold darin<br />

wird sich in Blei verwandelt haben. Wahrlich, ihr versteht euch auf die umgekehrte Kunst<br />

der Alchymie, auf die Entwerthung des Werthvollsten! Greift einmal zum Versuche nach<br />

einem andern Recepte, um nicht wie bisher das Gegentheil von dem, was ihr sucht, zu<br />

erreichen: leugnet jene guten <strong>Di</strong>nge, entzieht ihnen den Pöbel−Beifall und den leichten<br />

Umlauf, macht sie wieder zu verborgenen Schamhaftigkeiten einsamer Seelen, sagt, Moral<br />

sei etwas Verbotenes! Vielleicht gewinnt ihr so die Art von Menschen für diese <strong>Di</strong>nge, auf<br />

welche einzig Etwas ankommt, ich meine die Heroischen. Aber dann muss Etwas zum<br />

Fürchten daran sein und nicht, wie bisher, zum Ekeln! Möchte man nicht heute in Hinsicht<br />

der Moral sagen, wie Meister Eckardt: "ich bitte Gott, dass er mich quitt mache Gottes!"<br />

293.<br />

<strong>Nietzsche</strong><br />

Unsere Luft. − Wir wissen es wohl: wer nur wie im Spazierengehen einmal einen Blick<br />

nach der Wissenschaft hin thut, nach Art der Frauen und leider auch vieler Künstler: für<br />

den hat die Strenge ihres <strong>Di</strong>enstes, diese Unerbittlichkeit im Kleinen wie im Grossen, diese<br />

Schnelligkeit im Wägen, Urtheilen, Verurtheilen etwas Schwindel− und<br />

Furchteinflössendes. Namentlich erschreckt ihn, wie hier das Schwerste gefordert, das<br />

Beste gethan wird, ohne dass dafür Lob und Auszeichnungen da sind, vielmehr, wie unter<br />

Soldaten, fast nur Tadel und scharfe Verweise laut werden, − denn das Gutmachen gilt als<br />

die Regel, das Verfehlte als die Ausnahme; die Regel aber hat hier wie überall einen<br />

292. 121

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