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sonderpreis für aaa-mitglieder - Analogue Audio Association

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20 T E C H N I K<br />

Der Plattenteller<br />

Physik und Konstruktion<br />

ANALOG 1/2008<br />

Bei der Auslegung von Plattentellern spielen zahlreiche Parameter eine Rolle. In diesem Artikel soll es aber nur<br />

um das dynamische Verhalten gehen. Das bedeutet unter mechanischen Gesichtspunkten: Masseverteilung,<br />

dynamische Auswuchtung und Tellerlagerkonzept. Eine vollständige Darstellung der Zusammenhänge würde<br />

sicher ein ganzes Buch füllen. Aber dies ist eigentlich nur eine Art Ausrede. In Wirklichkeit ist dieser Teilaspekt<br />

der Plattentellerkonstruktion nämlich geradezu perfekt geeignet, um viel wichtigere Fragen ins Zentrum der<br />

Aufmerksamkeit zu rücken. Dies ist auch der eigentliche Zweck des vorliegenden Artikels. Zunächst wollen<br />

wir in einer Übersicht der verschiedenen verfügbaren Techniken deren jeweilige Vorteile und Nachteile<br />

herausstellen, dann folgt ein kurzer Exkurs zu ein paar guten alten physikalischen und philosophischen<br />

Grundlagen. Auf dieser Basis bietet sich eine Antwort an, die uns zu einer wichtigen und überraschenden<br />

Schlussfolgerung führt. Dabei ist der Artikel bewusst so abgefasst, dass er auch von Laien problemlos<br />

verstanden werden kann.


ANALOG 1/2008<br />

Abbildung 1: Das „übliche“ Lager<br />

Der Teller eines Analoglaufwerks soll in erster Linie die<br />

Schallplatte aufnehmen, ihre Zentrizität und Horizontalität gewährleisten,<br />

sie mit der richtigen Geschwindigkeit präzise und<br />

ruhig drehen und alle Arten von äußeren und durch den Abtastvorgang<br />

und durch das Lager selbst erzeugten Vibrationen<br />

wirksam fernhalten beziehungsweise ableiten. Dies ist weitaus<br />

schwieriger, als es vielleicht den Anschein hat. Der Plattenteller<br />

ist also das Herzstück des Laufwerks. Alle anderen Teile dienen<br />

im Endeffekt nur der Unterstützung und sind im direkten Vergleich<br />

weniger wichtig.<br />

Das übliche Lager – Bei den meisten Laufwerken ruht der Plattenteller<br />

auf einem Lagerpunkt am Ende einer langen, unten<br />

am Teller befestigten Achse. Die Lagerbuchse befi ndet sich<br />

dabei im Chassis. Mit dieser weit verbreiteten konventionellen<br />

Lagerkonstruktion, die von Thorens, Linn und vielen anderen<br />

Herstellern verwendet wird, lassen sich erstaunlich gute<br />

Ergebnisse erzielen. Sie stößt aber auch recht schnell an ihre<br />

offensichtlichen Grenzen. Ein solches System ist nämlich alles<br />

andere als stabil. Da sich der allgemeine Schwerpunkt oberhalb<br />

des Abstützpunkts beziehungsweise Drehpunkts befi ndet, besteht<br />

eine ständige Kippneigung. Ohne die Unterstützung der<br />

Lagerhülse würde die Tellerachse unweigerlich kippen (siehe<br />

Abbildung 1). Es ist die Hülse, die sie in Position hält und ein<br />

Wanken und Umfallen verhindert. Der kleinste Horizontalfehler,<br />

eine geringe Unwucht im Plattenteller, die einseitige<br />

Zugwirkung des Antriebriemens, die Aufl agekraft des Tonarms<br />

und vor allem die Tellermasse – all dies übt einen hohen Druck<br />

auf die Lagerkontaktfl ächen aus, der sich im Betrieb durch die<br />

auf den Teller wirkende Zentrifugalkraft noch weiter erhöht.<br />

Das Ergebnis ist ein komplexes Drehsystem mit hoher Reibung,<br />

Lagergeräuschen und vorzeitigem Verschleiß. Also genau das,<br />

was wir bei einem Laufwerk eigentlich nicht wollen.<br />

Tatsächlich weist die Tellerachse - und damit auch der Teller<br />

- ein recht chaotisches Verhalten auf. Er schaukelt und vibriert<br />

innerhalb der Grenzen seines mechanischen Spiels und ist wie<br />

jeder beliebige auf einer Achse rotierende, dynamisch nicht<br />

ausbalancierte physikalische Körper allen Arten von mikroskopischen<br />

Sekundärbewegungen ausgesetzt. Im Endergebnis<br />

ändern sich die Druckverhältnisse fortwährend und im Lager<br />

T E C H N I K<br />

treten verschiedenste permanent wechselnde Resonanzen auf,<br />

die sich auf die Drehung des Tellers auswirken, der somit alles<br />

andere als ruhig läuft. Mit einem sorgfältig ausbalancierten<br />

Plattenteller lässt sich die Situation verbessern, die grundlegende<br />

Instabilität bleibt jedoch bestehen. Diese dynamische<br />

Auswuchtung kann nur auf eine Art und Weise erfolgen, die<br />

der Arbeit Ihres örtlichen Reifenhändlers nicht ganz unähnlich<br />

ist. Eine sehr rudimentäre Methode.<br />

Bei so vielen Beeinträchtigungen kann es nicht verwundern,<br />

dass die Qualität der Drehbewegung an sich nicht sehr hoch<br />

ist. Wenn wir den Plattenteller von Hand drehen und dann<br />

freigeben, ist die Nachlaufzeit immer sehr kurz, was ein klarer<br />

Hinweis darauf ist, dass der Antriebsmotor ein hohes Maß an<br />

Lagerreibung zu überwinden hat, mit der Folge einer größeren<br />

Leistungsaufnahme und stärkeren Geräuschentwicklung. Bei<br />

ansonsten gleichen Parametern zeigt ein einfacher Vergleich<br />

der Nachlaufzeit zweier Laufwerke, welche Teller/Lagerkombination<br />

besser konstruiert oder gefertigt ist – unter der<br />

Voraussetzung, dass beide eingespielt sind und sorgfältig gereinigt<br />

und geölt wurden. Die Nadel des Tonabnehmers nimmt<br />

zwangsläufi g all diese Geräusche, Reibungen, mechanischen<br />

Beanspruchungen, Mikrobewegungen und Resonanzen auf. Die<br />

Musikwiedergabe wirkt dadurch verwaschen und eingeengt,<br />

dynamische Attacken verlieren ihren Druck und tiefe Frequenzen<br />

klingen undefi niert und gleichförmig. Unter physikalischen<br />

Gesichtspunkten kann ein solcher Plattenteller nicht als „perfekt“<br />

bezeichnet werden, er stellt keine „reine Masse“ dar. Zu<br />

erwähnen ist noch, dass direktgetriebene Laufwerke in diese<br />

Kategorie fallen.<br />

Ein besseres Lager – Laufwerkskonstrukteuren bietet sich eine<br />

weitere Option: das weniger verbreitete „invertierte Lager“.<br />

Dabei ist die Lagerbuchse oder Hülse fest in den Teller eingebaut<br />

und die nach oben zeigende Tellerachse am Chassis<br />

befestigt. Der allgemeine Schwerpunkt befi ndet sich nun unterhalb<br />

des Drehpunkts (siehe Abbildung 2) und wir erhalten<br />

ein wirklich stabiles System. Die permanente Kippneigung ist<br />

eliminiert, Reibung und Geräuschentwicklung sind reduziert.<br />

Die Ausgangslage ist nun schon eine weit bessere. Leider entsteht<br />

jedoch auf diese Weise ein das Verbesserungspotential<br />

21<br />

21


22 T E C H N I K<br />

Abbildung 2: Ein „besseres“ Lager<br />

einschränkendes Pendel. Dessen Eigenresonanzfrequenz lässt<br />

sich sehr leicht berechnen (einfache Schulphysik). Man könnte<br />

annehmen, dass Schwingungen vermieden werden, weil die<br />

Tellerachse die Lagerhülse hält. Dies ist jedoch nicht der Fall.<br />

Es gibt in der Mechanik keine Spielfreiheit. Jede effektive Drehbewegung<br />

setzt ein „mechanisches Spiel“ zwischen Achse und<br />

Buchse voraus, um ein Festlaufen zu vermeiden. Daher auch die<br />

Bezeichnung „Arbeitsspiel“ oder „Funktionsspiel“.<br />

Sobald sich der Teller zu drehen beginnt und während des<br />

gesamten Betriebs ist dieser winzige Zwischenraum nun<br />

wiederum den unterschiedlichsten Störeinfl üssen ausgesetzt:<br />

Vibrationen, Lagerschwingungen, Reibungen, Geräuschen, die<br />

allesamt vom Tonabnehmer aufgenommen werden. Auch in<br />

diesem Fall werden also erhöhte Anforderungen an den Motor<br />

gestellt, wodurch eine entsprechend stärkere Geräuschentwicklung<br />

in Kauf zu nehmen ist. Die dynamische Auswuchtung<br />

kann präziser durchgeführt werden. Entweder mit der oben<br />

erwähnten Methode oder mit Hilfe eines „Kipptests“, bei dem<br />

Lagerreibungen vermieden werden. Auf eine dünnere Achse<br />

gestellt, kippt der Teller beispielsweise in Richtung der überschüssigen<br />

Masse. Dort und unter der Tellerkante werden dann<br />

einige Bohrungen vorgenommen, wobei etwas Masse entfernt<br />

wird. Der Neigungswinkel verkleinert sich, und nach einigen<br />

Versuchen verbleibt der Teller ruhig in horizontaler Position,<br />

wobei der Schwerpunkt auf der geometrischen vertikalen<br />

Achse ausgerichtet ist, die durch den unmittelbar darüber gelegenen<br />

Drehpunkt verläuft.<br />

Die Genauigkeit ist jedoch nach wie vor unzureichend, da sich<br />

mit jeder Bohrung die exzentrische Masse und der Neigungswinkel<br />

verringern. Dieser wird schließlich zu klein, um noch<br />

präzise lokalisiert werden zu können, so dass niemand mehr<br />

weiß, wo weitere Bohrungen durchzuführen sind. Die dynamische<br />

Auswuchtung ist bei dieser Vorgehensweise also nur besser,<br />

aber keineswegs vollständig. Die Nachlaufzeit verbessert<br />

sich ebenfalls, ist aber immer noch relativ kurz. Wenn auch in<br />

geringerem Maße, ist der Plattenteller nach wie vor Zentrifugalkräften<br />

ausgesetzt, und der Abtastvorgang wird durch die gleichen<br />

unerwünschten Druckeinfl üsse, Reibungen, Geräusche,<br />

ANALOG 1/2008<br />

Vibrationen und so weiter beeinträchtigt. Auch dieses System<br />

kann also nicht „perfekt“ genannt werden, es stellt keine „reine<br />

Masse“ dar. Einige Hersteller, die invertierte Lager verwenden,<br />

verspielen deren Vorteile, indem sie den Drehpunkt entweder<br />

zu hoch (Pendeleffekt) oder zu tief (Instabilität) ansetzen und/<br />

oder eine zu lange Lagerhülse oder ein „zweihülsiges“ Lager<br />

benutzen. Dadurch erhält das Lager mehrere Achsen, und dies<br />

bedeutet Reibung und Geräuschentwicklung (vgl. Abbildung 3).<br />

Vergessen wir nicht, dass eine einfache Gerade in der Geometrie<br />

durch lediglich zwei Punkte defi niert wird.<br />

Eine Frage der Philosophie – Jeder <strong>Audio</strong>phile kennt sicher den<br />

alten Spruch, dass HiFi eine ständige Suche ist. Eine Suche<br />

nach Perfektion. Eine Suche nach dem Absoluten, nach Schönheit<br />

und musikalischer Wahrheit. Wahrheit bedeutet nicht Gefallen<br />

oder Nichtgefallen. Sie existiert einfach. Bei allem Spektakulären<br />

und Hypes jeglicher Art ist Vorsicht geboten. Das<br />

musikalische Live-Ereignis ist die Wahrheit und das Abspielen<br />

einer Aufnahme zu Hause ist etwas anderes. Jeder ernsthafte<br />

<strong>Audio</strong>phile möchte, dass seine Anlage klanglich möglichst nah<br />

an das Live-Ereignis herankommt und er spart keine Mühen,<br />

keine Zeit und kein Geld, um dieses Ziel zu erreichen. Aus<br />

Leidenschaft zur Musik. Wer etwas anderes will, ist kein <strong>Audio</strong>philer.<br />

Der <strong>Audio</strong>phile strebt immer nach dem Besten. Schritt<br />

<strong>für</strong> Schritt, mit wachsender Erfahrung und zunehmendem<br />

Wissen optimiert er seine Anlage, probiert die verschiedensten<br />

Dinge aus und durchlebt alle möglichen Hoffnungen, Erfolge<br />

und Enttäuschungen. Ein Spiel ohne Ende.<br />

Logischerweise legt der <strong>Audio</strong>phile besonderen Wert auf das<br />

Quellgerät, denn auch die besten Verstärker und Lautsprecher<br />

können nur das wiedergeben, was ihnen zugeführt wird. Daher<br />

heißt es zu Recht: „Was an der Quelle verloren geht, ist <strong>für</strong> immer<br />

verloren“. In einer analogen Kette ist das Laufwerk die Quelle<br />

und das Herzstück des Laufwerks ist der Plattenteller. Natürlich<br />

spielt auch die Kombination von Tonarm und Tonabnehmer eine<br />

entscheidende Rolle und bildet zusammen ein Ganzes - eine<br />

sehr wichtige Einheit. Damit wird jedoch nie einfach eine Platte<br />

abgetastet, sondern eine weitere Einheit – die Kombination aus<br />

Platte und Teller. Und wie ein schlecht konstruierter Teller die


ANALOG 1/2008<br />

musikalische Wiedergabequalität beeinträchtigt, haben wir ja<br />

gerade erst gesehen. Um wirklichen Dynamikumfang, realistisches<br />

Impulsverhalten, tiefen Bass, räumliche Abbildung,<br />

Durchsichtigkeit, Klangfarbentreue, Emotionalität oder sonstige<br />

musikalische Eigenschaften zu erreichen, brauchen wir<br />

eine absolut neutrale Referenz.<br />

Eine Frage der Physik – In der Theorie muss sich der ideale<br />

Plattenteller völlig neutral verhalten. Im Gegensatz zu einem<br />

Musikinstrument soll er nicht selbst „Musik machen“, sondern<br />

einfach eine perfekte Plattenabtastung ermöglichen, ohne<br />

etwas hinzuzufügen oder auszulassen und ohne persönliche<br />

klangliche Handschrift. Die künstlerische Integrität einer einmal<br />

aufgezeichneten musikalischen Aufführung muss respektiert<br />

werden. Das ist die goldene Regel des <strong>Audio</strong>philen. Beim<br />

Streben nach Neutralität bewegen wir uns auf einem schmalen<br />

Grat zwischen angenehm geringen Verfärbungen und Überdämpfung.<br />

Neutralität ist die wichtigste grundlegende Eigenschaft<br />

eines Plattenspielers in seiner Funktion als Quellgerät<br />

der gesamten Kette.<br />

Wie sich mathematisch nachweisen lässt, wird die Bedingung<br />

der Neutralität durch eine „reine Masse“ erfüllt. Und damit<br />

sind wir genau beim Thema. In der Physik ist das Konzept der<br />

reinen Masse durch einen Sonderfall des allgemeinen Gleichgewichts<br />

eines bestimmten Körpers defi niert. Was ist damit<br />

genau gemeint? Der Begriff des Schwerpunkts bezeichnet<br />

T E C H N I K<br />

Abbildung 3: Defi nition der einfachen<br />

Geraden durch lediglich zwei Punkte<br />

ein klares, nahezu intuitives Prinzip. Jeder Gegenstand hat<br />

einen Schwerpunkt (Gravizentrum), der schon von Natur aus<br />

„einfach da“ ist.<br />

Das Trägheitszentrum unterscheidet sich davon, da das Trägheitsmoment<br />

des Körpers in Bezug auf den jeweils <strong>für</strong> ihn geltenden<br />

geometrischen Punkt berechnet wird. Ein Mathematiker<br />

kann dann das so genannte Trägheitsellipsoid berechnen, das<br />

alle erforderlichen Informationen zum dynamischen Verhalten<br />

des Körpers liefert.<br />

Wenn wir etwas über die dynamischen Eigenschaften eines<br />

Gegenstands erfahren möchten, benötigen wir tatsächlich<br />

außer dem Trägheitsellipsoid keine weiteren Informationen.<br />

Ein Körper gilt als „reine Masse“ oder „perfekt“, wenn er an<br />

einem Punkt, nämlich dem Drehpunkt, der gleichzeitig auch<br />

den Schwerpunkt darstellt, perfekt ausbalanciert ist. Drehpunkt<br />

und Schwerpunkt fallen dann also zusammen. Das<br />

Trägheitsellipsoid wird zum „zentralen Trägheitsellipsoid“ <strong>für</strong><br />

den Massenmittelpunkt. Dieser hochästhetische Sonderfall<br />

verleiht dem Körper einige außergewöhnliche dynamische<br />

Eigenschaften. Bei perfekter dynamischer Balance hat ein Körper<br />

keine Eigendynamik, keine besondere Handschrift, keine<br />

Persönlichkeit – er ist „tot“, neutral. Dass diese physikalische<br />

Eigenschaft bei einem Tonarm von höchster Bedeutung ist,<br />

dürfte unmittelbar einleuchten. Ein solches perfektes System<br />

profi tiert darüber hinaus von überaus vorteilhaften natürlichen<br />

23<br />

23


24 T E C H N I K<br />

Abbildung 4: Außergewöhnliche dynamische Eigenschaften, wenn<br />

Drehpunkt = Schwerpunkt<br />

Sekundärmerkmalen: Es reagiert perfekt auf jegliche Energiezufuhr.<br />

Störeinfl üsse von außen (Vibrationen, Riemenzug, Auflagekraft,<br />

Resonanzen und so weiter) werden minimiert, alle<br />

Mikrobewegungen werden unterdrückt und so weiter.<br />

Anwendung – Ein auf diese Weise konstruierter Plattenteller<br />

profi tiert von allen theoretischen Eigenschaften einer reinen<br />

Masse. Er wird nicht nur stabil, er wird „gleichgültig“. Wenn<br />

man die Lagerhülse außer Acht lässt und den Teller in Schräglage<br />

bringt, wird er nicht umfallen und nicht wie ein Pendel<br />

schwingen, sondern einfach in dieser Position verbleiben (siehe<br />

Abbildung 4). Drehpunkt und Schwerpunkt fallen unter allen<br />

Umständen zusammen. Die dynamische Balance kann nahezu<br />

perfekt realisiert werden, so dass sich bereits ein auf die Kante<br />

setzender Schmetterling auswirkt. Um es nochmals zu sagen:<br />

Der Teller reagiert perfekt auf jegliche Zufuhr von Energie und<br />

wie die Erfahrung zeigt, lässt sich eine Gleichgewichtsgenauigkeit<br />

von bis zu einem halben Gramm erreichen. Das ist im Vergleich<br />

zur Tellermasse ein unglaublich niedriger Wert, der mit<br />

den sonst üblichen Werten überhaupt nicht zu vergleichen ist.<br />

Dies bedeutet, dass die Lagerhülse nicht belastet wird und im<br />

Grunde funktionslos ist. Sie dient nur als Einfassung und kann<br />

auf einen einfachen Ring reduziert werden. Der Teller kann<br />

sich somit absolut ungestört drehen und läuft mehrere Minuten<br />

nach, wenn man ihn nur anstößt. Einen besseren Beweis <strong>für</strong><br />

äußerst niedrige Lagerreibung gibt es nicht. Ungehinderte, reibungslose<br />

Drehung bedeutet natürlich auch, dass der Motor nur<br />

wenig Arbeit hat und ruhiger läuft. Er muss lediglich mit minimalem<br />

Kraftaufwand da<strong>für</strong> sorgen, dass der Teller weiterläuft.<br />

Tatsächlich lautet ein alter Tipp von Schneidetechnikern: das<br />

Drehmoment des Antriebsmotors bis nahe an den kritischen<br />

Punkt zu reduzieren, um den Störabstand und das Rotationsverhalten<br />

der Schneidemaschine zu verbessern.<br />

ANALOG 1/2008<br />

Wir sehen also, dass die korrekte Anwendung des Konzepts der<br />

reinen Masse zahlreiche Vorteile mit sich bringt: Neutralität,<br />

gleichmäßige Drehung, weniger Motor- und Lagergeräusche,<br />

geringerer Verschleiß, weniger kritische Auswuchtung, keine<br />

komplexen Resonanzen und noch einiges mehr. Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen, dass der „perfekte Plattenteller“ auf<br />

einem invertierten Lager ruht, mit einem einzigen kurzen Ring<br />

als Lagerhülse und dass bei ihm Schwerpunkt und Drehpunkt<br />

identisch sind. Eine ebenso elegante wie einfache Lösung.<br />

Ein kleines Geheimnis – In der Praxis ist ein exaktes Zusammenfallen<br />

von Schwerpunkt und Lagerpunkt nicht realisierbar,<br />

und der Versuch, dies zu erreichen, kann sich sogar unvorteilhaft<br />

auswirken. Dies liegt einfach an den Grenzen der mechanischen<br />

Toleranzen, die dann da<strong>für</strong> sorgen, dass der Drehpunkt<br />

entweder zu hoch oder zu niedrig liegt. Im ersten Fall wirkt<br />

der Plattenteller wie ein Mini-Pendel mit erhöhter (hörbarer)<br />

Resonanz, im letzten Fall wird er unstabil. Die Lösung besteht<br />

in einem Kompromiss in Form einer Differenz von 1 mm.<br />

Dies führt in der Produktion zu einem Wert von etwa 1,0 mm<br />

+/- 0,1 mm. In diesem Fall schwingt das Mini-Pendel theoretisch<br />

in einem sicheren Bereich und es lässt sich durch die<br />

Lagerhülse und die Tellerträgheit sehr leicht ein kontrolliertes<br />

Verhalten erzielen.<br />

Schlussfolgerungen – Es werden am Markt zu viele fehlerhafte<br />

Produkte angeboten, bei deren Entwicklung offenbar ästhetische<br />

Überlegungen Vorrang vor der Musikwiedergabe hatten.<br />

Das Ignorieren physikalischer Grundlagen wie der Masseverteilung<br />

kann nur zu kompromissbehafteten Produkten führen.<br />

Die Gesetze der Physik ändern sich nicht mal eben von heute<br />

auf morgen. Es sind Naturgesetze, denen zwar manchmal sehr<br />

schwer gerecht zu werden ist, um die aber trotzdem niemand


ANALOG 1/2008<br />

herum kommt. Dennoch könnte man sagen, dass die korrekte<br />

Anwendung physikalischer Grundlagen zwar Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> ein gutes Produkt ist, aber <strong>für</strong> sich genommen nicht ausreicht.<br />

Um ein großartiges Analoglaufwerk zu bauen, braucht<br />

man Zeit und Erfahrung, viel Liebe zur Sache und nicht zuletzt<br />

auch ein Quäntchen Glück.<br />

Die Frage lautet nun: Möchten Sie lieber einen gut konstruierten<br />

Plattenteller oder einen konventionellen mit allen oben<br />

beschriebenen Fehlern? Sie wissen nun, worauf es ankommt,<br />

und wenn sie künftig einen Plattenspieler – vielleicht sogar<br />

einen sehr teuren – sehen und anhören, wird Ihnen vielleicht<br />

eine innere Stimme sagen, wie viel besser er klingen könnte,<br />

wenn die Gesetze der Physik beachtet worden wären. Es gibt<br />

natürlich Hunderte anderer Parameter, die bei der Konstruk-<br />

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Sonic Media Verlag GmbH<br />

T E C H N I K<br />

tion von Plattentellern eine Rolle spielen, aber dies kann keine<br />

Entschuldigung da<strong>für</strong> sein, die technischen Grundlagen nicht<br />

zu beachten. Die größte Sorgfalt in Teilbereichen wie Schallausbreitung,<br />

Erdung, mechanische Impedanz der Materialien und<br />

so weiter kann nicht oder nur eingeschränkt zur Geltung kommen,<br />

wenn ein anderer Schwachpunkt die Grenzen vorgibt.<br />

Ob aus Aluminium oder einem Verbundwerkstoff, ob leicht<br />

oder schwer, ob einteilig oder in Sandwich-Bauweise, letztlich<br />

gibt es nur einen Weg zum optimalen Plattenteller.<br />

Text: Pierre Lurné<br />

Übersetzung: Markus Berzborn<br />

Fotos/Abb.: Pierre Lurné<br />

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