GeSuNDHeIT - SRH Zentralklinikum Suhl
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PERSPEKTIVEN<br />
DAS <strong>SRH</strong> MAGAZIN AUSGABE 1/2009<br />
Spielend vorbeugen<br />
Gesundheitsvorsorge – je früher, desto besser<br />
querSchnittgelähmte<br />
Neuer Therapieansatz in Sicht<br />
übergewicht<br />
Wie man 124 Kilogramm abspeckt<br />
<strong>GeSuNDHeIT</strong>
PErsPEktivEn 1/2009 | inhalt<br />
PERSPEKTIVEN<br />
DAS <strong>SRH</strong> MAGAZIN AUSGABE 4/2008<br />
INTERKULTURELLE<br />
KOMPETENZ<br />
Lernen, wie andere Kulturen ticken<br />
MEDIENERZIEHUNG<br />
<strong>SRH</strong> Gymnasium startet Pilotversuch<br />
DIE ZUKUNFT DER REHABILIT A T ION<br />
Interview mit Eva Strobel<br />
2 srh Magazin Magazin<br />
Editorial _________________________________ 3<br />
fokus _____________________________________ 4<br />
Wissenschaft<br />
WachsEndE nErvEnzEllEn 6<br />
Potenzielle medikamentöse Behandlungsmethode<br />
dEn PatiEntEn WiEdEr luft gEbEn 8<br />
Interview mit Prof. Dr. Susanne Lang<br />
sich sPiElEnd EntWickEln 10<br />
Frühförderung stärkt Potenziale von Kindern<br />
BILDUNG<br />
Titelthema der<br />
aktuellen<br />
PErsPEktivEn<br />
bildung:<br />
Interkulturelle Kompetenz<br />
Die neue Ausgabe<br />
erscheint im<br />
Juni 2009.<br />
nErvEnzEllEn WachsEn lassEn 6<br />
Menschen<br />
mEthodE gEgEn diE PfundE 13<br />
„ich möchtE niE WiEdEr so dick sEin“ 13<br />
Monika Majonek nimmt 124 Kilo ab<br />
stark ohnE drogEn 16<br />
Schüler sagen Nein zu Alkohol und Co<br />
einblick<br />
srh zEntralklinikum suhl i–iv<br />
In der Heftmitte
PrävEntion bEi kindErn 18<br />
hinteRGRUnD<br />
couch-Potato? nEin dankE! 18<br />
Vorbeugen kann nicht früh genug beginnen<br />
diE EtWas andErE station 20<br />
Spezialisten für besondere Fälle<br />
im big-bang-vErfahrEn 22<br />
<strong>SRH</strong> baut IT an allen Kliniken aus<br />
Liebe Leserin, Lieber Leser,<br />
vor Kurzem machte die KiGGs-studie des Robert Koch-instituts<br />
schlagzeilen. Die Untersuchung ergab, dass in Deutschland fast<br />
zwei Millionen übergewichtige Kinder leben, 800.000 sind so-<br />
gar adipös, also krankhaft übergewichtig. Betroffen ist fast je-<br />
des fünfte Kind im alter zwischen 11 und 13 Jahren. entspre-<br />
chend hoch ist das Risiko von folge erkrankungen wie Diabetes,<br />
Bluthochdruck, stoffwechselstörungen und vorzeitigen herz-<br />
Kreislauf-erkrankungen. Zudem berichtet die Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche aufklärung über wachsende Probleme mit<br />
alkohol- und Drogenmissbrauch bei Jugendlichen.<br />
als anbieter von Bildungs- und Gesundheitsdienstleistun-<br />
gen entwickelt die sRh neue therapien und setzt auf aufklä-<br />
rung und Prävention. ein Beispiel ist das „stark Ohne Drogen<br />
aktionsprogramm“ am sRh Klinikum Karlsbad-Langenstein-<br />
bach. auch die Vorsorge gegen Übergewicht und adipositas<br />
steht für uns ganz oben auf der agenda. so führt das sRh<br />
Wald-Klinikum Gera aufklärungs- und schulungsprojekte durch,<br />
die von Jugendlichen gut angenommen werden. Ganz gezielt<br />
investieren wir in innovative Lösungen, beispielsweise in die neue<br />
Kinderstation am sRh Klinikum Karlsbad-Langensteinbach. Was<br />
diese station besonders macht, erfahren sie in dieser ausgabe.<br />
ich wünsche ihnen viel spaß beim Lesen.<br />
ihr<br />
Professor Klaus hekking<br />
Vorstandsvorsitzender der sRh holding<br />
Editorial | PErsPEktivEn 1/2009<br />
srh Magazin 3
PErsPEktivEn 1/2009 | fokus<br />
Beispielhafte aktion im sRh <strong>Zentralklinikum</strong> suhl<br />
hauPtsachE händEhYgiEnE<br />
srh zentralklinikum suhl beteiligt sich seit oktober 2008 an<br />
der bundesweiten aktion „saubere hände“<br />
Die Hygienekommission des Klinikums begrüßt das Vorhaben<br />
„Saubere Hände“. In der Kommission vertreten sind die Geschäftsleitung,<br />
alle Chefärzte und die Pflegedirektion. Ziel<br />
des Projekts ist, das Händedesinfektionsverhalten in den<br />
Krankenhäusern zu analysieren und weiter zu verbessern. Die<br />
Mitarbeiter der Abteilung Krankenhaushygiene haben dazu<br />
schon umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet wie<br />
Vorträge, Schulungen sowie Verbrauchsanalysen von Desinfektionsmitteln.<br />
Mit dem Desinfizieren der Hände können Mitarbeiter Infektionen<br />
am einfachsten und wirkungsvollsten vorbeugen.<br />
Allerdings werden viele Patienten bereits mit Infektionen ins<br />
Krankenhaus eingeliefert. Sie sind also nicht zu vermeiden –<br />
selbst wenn alle Hygieneregeln eingehalten werden. Jedoch<br />
lässt sich die Übertragung von Infektionserregern auf weitere<br />
Patienten verhindern. Ein konsequentes Desinfizieren der<br />
Hände sowie das Einhalten hygienischer Standards sind Basis<br />
dafür. Daher weisen die Hygienefachkräfte jeden neuen Mitarbeiter<br />
in die nötigen Hygienemaßnahmen ein. Zudem erfassen<br />
sie infektionsrelevante Daten, die in den Sitzungen der<br />
Hygienekommissionen ausgewertet werden. Dabei zeigt sich<br />
bereits heute, dass die Mitarbeiter bisher gute hygienische<br />
Arbeit leisten. Dennoch nutzt das <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong><br />
durch die Teilnahme an der Aktion „Saubere Hände“ alle<br />
Möglichkeiten, weitere Ressourcen aufzudecken und die<br />
Infektionsrate noch weiter zu senken.<br />
Weitere informationen:<br />
www.aktion-sauberehaende.de<br />
thomas Wolfram (l.), geschäftsführer des srh zentralklinikums suhl, und<br />
dr. gert schindler, leiter der hygienekommission, starten das Projekt mit<br />
einer unterschriftenaktion.<br />
4 srh Magazin<br />
Zahl der Übergewichtigen steigt<br />
rat und tat tun not<br />
srh Wald-klinikum gera unterstützt adipositas-selbsthilfegruppe<br />
Weltweit sind mehr als eine Milliarde Menschen übergewichtig,<br />
300 Millionen von ihnen leiden an schwerer Fettsucht, so<br />
die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Mediziner sehen einen<br />
deutlichen Zusammenhang zwischen dem Krankheitsbild<br />
Adipositas (s. Seite 18) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
oder Diabetes.<br />
„In der Bundesrepublik gibt es etwa 1,5 Millionen Patienten<br />
mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40. Sie<br />
kommen damit primär für ein operatives Verfahren in Frage“,<br />
sagt Dr. Christine Stroh, Oberärztin am <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum<br />
Gera. „Gerne stehen wir einer Adipositas-Selbsthilfegruppe,<br />
die sich hier in Thüringen in diesen Tagen neu gründet, mit<br />
Rat und Tat zur Seite.“ Die Selbsthilfegruppe richtet sich vor<br />
allem an Patienten, die vor einem chirurgischen Eingriff stehen<br />
oder gerade operiert worden sind. „Es ist ausgesprochen<br />
wichtig, die Betroffenen und deren Angehörige umfassend zu<br />
informieren. Unter anderem wollen wir verdeutlichen, wie<br />
man sich dauerhaft gesund ernährt und was eine gezielte<br />
Sporttherapie bedeutet.“<br />
Laut Verbraucherzentrale verursachen ernährungsbedingte<br />
Krankheiten jedes Jahr Kosten von bis zu 70 Milliarden Euro,<br />
was etwa 30 Prozent aller Aufwendungen im Gesundheitswesen<br />
entspricht.<br />
Beide seiten profitieren<br />
lEistung Wird bEzahlt<br />
srh kliniken gmbh honoriert tätigkeit der ärzte im<br />
Praktischen Jahr<br />
Wer hart arbeitet, sollte auch entsprechend bezahlt werden.<br />
Das ist jedoch bei jungen Ärzten im Praktischen Jahr keine<br />
Selbstverständlichkeit. Für Medizinstudenten, die das letzte<br />
Studienjahr verpflichtend in einem Krankenhaus arbeiten<br />
müssen, gibt es bisher keine einheitlich geregelte Ausbildungsvergütung.<br />
Die <strong>SRH</strong> Kliniken GmbH geht jetzt mit gutem Beispiel<br />
voran: Seit Januar honoriert sie die Leistung ihrer Ärzte im<br />
Praktischen Jahr. Diese erhalten nun monatlich 600 Euro –<br />
egal in welcher der sieben <strong>SRH</strong> Kliniken sie arbeiten. Zusätzlich<br />
übernimmt das Unternehmen die Kosten für Unterkunft<br />
und Verpflegung und gewährt Fahrtkostenzuschüsse. Ziel ist<br />
es, die Ärzte im Praktischen Jahr, die im Klinikalltag unerlässlich<br />
sind, stärker an sich zu binden und gleichzeitig dem<br />
drohenden Ärztemangel in Deutschland vorzubeugen.
sRh kooperiert mit schule<br />
gEsund macht schulE<br />
Pilotprojekt des hohenstaufen-gymnasiums und des srh<br />
gesundheitszentrums in bad Wimpfen will gesundheitsbewusstsein<br />
bei schülern wecken<br />
Jeden Montagnachmittag von 13.45 bis 15.00 Uhr stehen<br />
Themen rund um die Gesundheit auf dem Stundenplan der<br />
Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums – und das bereits seit<br />
September 2008. Die 16- bis 18-Jährigen erarbeiten in Workshops,<br />
die von Diät-Assistentinnen des <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrums<br />
geleitet werden, wie man sich gesund ernährt. Und wie<br />
das Ganze auf dem Teller aussieht, lernen die Schüler dann<br />
am Ende des Halbjahres in der <strong>SRH</strong> Lehrküche. Dort greifen<br />
sie in der Kocheinheit „Fast Food der gesunden Art“ selbst<br />
zum Kochlöffel.<br />
Ein weiterer fester Baustein des Projekts ist der Sport. Die<br />
Schüler bekommen nach einer theoretischen Einführung in<br />
die „Grundlagen der Trainingslehre“ praktische Tipps zu den<br />
Trainingsmethoden Nordic Walking und Klettern. Wenn sich<br />
jemand trotz Sport gestresst fühlt, kann er die Kurse von Michaela<br />
Jarzynski, Diplom-Psychologin im <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrum,<br />
besuchen. Sie zeigt den Schülern Übungen, mit denen<br />
sie Stress abbauen und sich im Alltag entspannen können.<br />
Ganz praktische Tipps für den Berufsstart hat Thomas<br />
Schulz, Verwaltungsleiter des <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrums, parat.<br />
Er erklärt den Schülern, wie sie ein Bewerbungsanschreiben<br />
richtig formulieren, und erläutert Bewerbungsstrategien.<br />
Nach Ansicht von Wolfgang Hafner, Koordinator der<br />
Ganztagsbetreuung im Hohenstaufen-Gymnasium, und Volker<br />
Kull, Geschäftsführer im <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrum, könnte<br />
das Pilotprojekt zur festen Einrichtung zwischen dem <strong>SRH</strong><br />
Gesundheitszentrum und dem Hohenstaufen-Gymnasium<br />
werden.<br />
Wer die Wahl hat, hat nicht selten auch die Qual.<br />
fokus | PErsPEktivEn 1/2009<br />
netzwerk für adipositas-Patienten<br />
sich lEichtEr EntschEidEn<br />
srh förderstiftung stellt 10.000 Euro für adipositas-schulungsprogramm<br />
zur verfügung<br />
In Deutschland gelten laut Verbraucherzentrale rund 37 Millionen<br />
Erwachsene sowie etwa zwei Millionen Kinder und<br />
Jugendliche als übergewichtig oder adipös. Erschreckend ist,<br />
dass mehr als 15 Prozent der Jugendlichen betroffen sind.<br />
Fettsucht stellt demnach eine besondere Herausforderung für<br />
den Präventions- und Gesundheitssektor hierzulande dar.<br />
Aus diesem Grund unterstützt die <strong>SRH</strong> Förderstiftung das<br />
interdisziplinäre Handeln im regionalen Netzwerk GAP (Geraer<br />
Adipositasprävention). Ziel dieses Programms ist es, den<br />
Kindern und deren Familien ihre persönliche Verantwortung<br />
für das individuelle Ess- und Bewegungsverhalten klarzumachen.<br />
Neben regelmäßigen Gesprächen stehen Sport und Kochen<br />
auf der Agenda. Das Programm bindet auch den behandelnden<br />
Arzt intensiv in alle Phasen der Betreuung ein.<br />
Gemäß der Adipositas-Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) sind Menschen mit einem Body-Mass-Index<br />
(BMI) ab 25 übergewichtig, mit einem BMI ab 30 behandlungsbedürftig.<br />
Normal ist ein Body-Mass-Index zwischen 18<br />
und 25. Der BMI errechnet sich aus dem Körpergewicht in<br />
Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern.<br />
Bei Kindern und Jugendlichen definieren BMI-Percentile,<br />
ob jemand übergewichtig oder adipös ist. Als übergewichtig<br />
gilt, wer ein BMI-Percentil zwischen 90 und 97 hat, wer darüber<br />
liegt, gilt als adipös. Hat jemand ein Percentil von 90, bedeutet<br />
das, dass 90 Prozent aller Bundesdeutschen gleichen<br />
Alters und Geschlechts leichter sind als er selbst und zehn<br />
Prozent schwerer.<br />
srh Magazin 5
PErsPEktivEn 1/2009 | WissEnschaft<br />
WachsEndE nErvEnzEllEn<br />
eine potenzieLLe MedikaMentöse behandLungsMethode<br />
das srh klinikum karlsbad-langensteinbach fungiert im rahmen einer multicenterstudie<br />
als Prüfzentrum. Ein ärzteteam unter der leitung von Prof. dr. Jürgen<br />
harms behandelt querschnittgelähmte Patienten mit einem Wirkstoff, der verletzte<br />
nervenzellen im rückenmark zum Wachsen bringen soll. die an der studie beteiligten<br />
mediziner sind vom Erfolg überzeugt.<br />
myelin: Elektrisch isolierende schutzschicht<br />
bestehend aus fetten und Eiweißen<br />
das Eiweiß nogo a verhindert die regeneration der beschädigten nervenfaser. Es signalisiert der<br />
faser: stopp – hier geht es nicht weiter. daher rührt der name nogo – „nichts geht mehr“.<br />
nogo a lässt sich mithilfe von antikörpern blockieren. dadurch können die fasern wieder<br />
auswachsen; selbst unverletzte fasern sprießen und können so die funktion der durchtrennten<br />
faser übernehmen.<br />
6 srh Magazin<br />
unterbrochene<br />
reizleitung<br />
im rückenmark<br />
axon: nervenfaser; die geschwindigkeit<br />
der reizleitung kann bis zu<br />
100 meter pro sekunde betragen.<br />
Jedes Jahr erleiden bundesweit rund<br />
1.000 Menschen nach einer Wirbelsäulenverletzung<br />
eine Querschnittlähmung.<br />
Im Gegensatz zu den Nervenfasern des<br />
peripheren Nervensystems regenerieren<br />
die Fasern des zentralen Nervensystems<br />
nicht. Eine mögliche Ursache ist ein<br />
wachstumshemmendes Eiweiß in den<br />
Myelinscheiden des Zentralen Nervensystems,<br />
das sogenannte NOGO A, das<br />
der schweizerische Hirnforscher Prof.<br />
Dr. Martin Schwab Ende der 1980er-Jahre<br />
entdeckt hat.<br />
Seither arbeiteten Grundlagenforscher<br />
fieberhaft an der Entwicklung<br />
eines Antikörpers, der dieses Protein<br />
blockiert und so ein Regenerieren der<br />
Nervenfasern möglich macht. Diese<br />
NOGO-A-Antikörper haben zum Teil<br />
vielversprechende Ergebnisse in Tierexperimenten<br />
gezeigt, sodass der Wirkstoff<br />
in einer klinischen Phase 1 getestet<br />
wird. Die Prüfärzte des Klinikums<br />
unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen<br />
Harms untersuchen aktuell, wie sich<br />
der Wirkstoff im Körper verhält und<br />
ob Nebenwirkungen zu erwarten sind.<br />
„Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf<br />
hin, dass der Wirkstoff gut verträglich<br />
ist. Bislang sind keinerlei Nebenwirkungen<br />
aufgetreten“, bestätigt Dr.<br />
Jürgen Moosburger.<br />
Ärzte suchen geeignete patienten<br />
Allerdings ist das Spektrum der Patienten,<br />
die für die Behandlungsmethode<br />
geeignet sind, sehr eng. So darf zwischen<br />
Unfall und Injektion des Wirkstoffs<br />
nicht viel Zeit verstreichen, und<br />
der Betreffende darf an keinen anderen<br />
Krankheiten leiden. „Darüber hinaus<br />
muss die operative Therapie abgeschlossen<br />
sein. Die Wirbelsäule muss stabilisiert<br />
und der Spinalkanal frei sein“, sagt<br />
Dr. Joachim Marowski, einer der Prüfärzte.<br />
Anschließend wird die Substanz<br />
per Injektion oder Katheter direkt ins<br />
Nervenwasser des Spinalkanals verabreicht.
Läuft alles nach Plan, könnte die klinische<br />
Phase I gegen Ende des Jahres<br />
abgeschlossen sein. Im nächsten Schritt<br />
liegt der Schwerpunkt mehr darauf, die<br />
Wirksamkeit der Substanz zu testen.<br />
„Wir haben berechtigte Hoffnungen,<br />
dass bei Querschnittgelähmten eine gewisse<br />
funktionelle Verbesserung eintritt.<br />
Gewiss wird man durch die Therapie<br />
Patienten nicht wieder zum Laufen bringen<br />
können. Aber jede kleine funktionelle<br />
Verbesserung, besonders bei einer<br />
Tetraplegie – Lähmung aller Extremitäten<br />
– wäre ein Erfolg, etwa wenn die<br />
Patienten ihre Arme oder Hände besser<br />
einsetzen können, um zum Beispiel<br />
selbstständiger essen zu können“, versichert<br />
Moosburger.<br />
erfolge beflügeln Wissenschaftler<br />
Ähnlich positiv äußerte sich Prof. Dr.<br />
Schwab in einem Interview mit der<br />
Neuen Zürcher Zeitung. Als Beispiel<br />
führt er den im Jahr 2004 verstorbenen<br />
querschnittgelähmten Schauspieler<br />
Christopher Reeves an. Dessen Rückenmark<br />
war auf einer Länge von 1,5 Zentimetern<br />
geschädigt. Schwab zufolge<br />
hätte sich mithilfe des Wirkstoffs wenigstens<br />
ein Teil der Nervenfasern wieder<br />
regenerieren können. Reeves hätte<br />
dann möglicherweise wieder atmen und<br />
seine Schultern und Arme bewegen<br />
können, nicht aber seine Hände und<br />
Beine.<br />
Seit nunmehr 17 Jahren beschäftigen<br />
sich Schwab und andere Wissenschaftler<br />
bereits mit NOGO A. Die Erfolge<br />
der Laboruntersuchungen sowie<br />
der Tierversuche an Ratten und Primaten<br />
haben die beteiligten Teams immer<br />
wieder beflügelt, die Forschung weiter<br />
voranzutreiben. Ein engmaschiges Netzwerk<br />
wurde aufgebaut und besteht heute<br />
aus Grundlagenforschern, klinischen<br />
Forschern und Klinikern. Beteiligt sind<br />
unter anderem das Hirnforschungsinstitut<br />
der Universität Zürich, das Paraplegikerzentrum<br />
der Uniklinik Balgrist in<br />
Zürich, das Prüfzentrum am <strong>SRH</strong><br />
Klinikum Karlsbad-Langensteinbach<br />
sowie weitere klinische Prüfzentren in<br />
Deutschland, Kanada und Spanien.<br />
Federführend ist das Pharmaunternehmen<br />
Novartis, das den Antikörper produziert.<br />
„Für uns Kliniker ist das Projekt ein<br />
Glücksfall, in dem wir ständig dazulernen.<br />
Aktuell bauen wir ein Wirbelsäulentrauma-Netzwerk<br />
in Baden-Württemberg<br />
auf und intensivieren die gute<br />
Zusammenarbeit mit anderen Zentren,<br />
machen das Projekt mit Vorträgen be-<br />
http://www.klinikum-karlsbad-langensteinbach.de/de/<br />
klinikum-karlsbad-langensteinbach/14967.html<br />
ihre Fragen beantworten unsere studienärzte unter:<br />
nogostudie@kkl.srh.de<br />
WissEnschaft | PErsPEktivEn 1/2009<br />
kannt und können so die Patienten<br />
schneller erreichen und in die Studie<br />
einschließen“, betont Dr. Thomas Liebscher,<br />
der vor seiner Zeit am Klinikum<br />
jeweils zwei Jahre im Team bei Prof. Dr.<br />
Schwab und als Studienprüfarzt im Paraplegikerzentrum<br />
der Uniklinik Balgrist<br />
in Zürich gearbeitet hat. Laut Dr.<br />
Moosburger zeigt das Projekt eindrucksvoll,<br />
dass „unsere Klinik Forschung an<br />
vorderster Front betreibt, um querschnittgelähmten<br />
Patienten zu helfen“.<br />
georg haiber<br />
neben ihrer täglichen arbeit am klinikum führen sie die studie am srh klinikum karlsbad-langensteinbach<br />
durch (v. l.): dr. Joachim marowski, dr. thomas liebscher und dr. Jürgen moosburger.<br />
srh Magazin 7
PErsPEktivEn 1/2009 | WissEnschaft<br />
dEn PatiEntEn WiEdEr luft gEbEn<br />
das srh Wald-klinikum gera behandelt alle Erkrankungen<br />
der atemwege und hat sich auf die fachübergreifende diagnostik<br />
und therapie des lungenkrebses spezialisiert. als<br />
einzige klinik in der region verfügt es über einen neuen<br />
endobronchialen ultraschall. Perspektiven sprach mit Prof.<br />
dr. susanne lang, die seit dezember 2007 die klinik für<br />
hämatologie und onkologie, Pneumologie und infektiologie,<br />
akutgeriatrie und diabetologie leitet.<br />
■ Perspektiven: Wollten sie schon als kind ärztin werden?<br />
Susanne Lang: Ja. Meine Großeltern waren beide Mediziner,<br />
mein Vater auch. Ärztin zu sein ist das, was ich immer wollte<br />
und was mir Spaß macht. Mein Schwerpunkt ist die Lungenheilkunde,<br />
und es ist toll, wenn ich meinen Patienten wieder<br />
Luft geben kann. Außerdem sind zwei meiner fünf Geschwister<br />
wie ich Mediziner geworden. Das liegt dann wohl in der<br />
Familie.<br />
■ Weshalb haben sie sich 2007 für das srh Wald-klinkum gera<br />
entschieden?<br />
Ich möchte die Menschen in den Mittelpunkt meiner Medizin<br />
rücken. Mich hat es überzeugt, dass die <strong>SRH</strong> das auch tut.<br />
Außerdem ist das <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera ein breit aufgestelltes<br />
Klinikum mit einem riesigen Spektrum. Was die Lungenheilkunde<br />
betrifft, findet sich selten so viel interdiszipli näre<br />
Kompetenz unter einem Dach. Und trotz der Größe gibt es<br />
dank der guten Kollegialität „kurze Wege“. Das ist ein Vorteil<br />
für uns und gut für unsere Patienten.<br />
■ Wurden ihre Erwartungen erfüllt?<br />
Ja, ich habe den Eindruck, es ist der <strong>SRH</strong> wichtig, dass sich<br />
die Mitarbeiter in Gera ernst genommen und wohl fühlen.<br />
Das finde ich gut. Und ich habe ein wirklich tolles Team, auf<br />
das ich mich verlassen kann. Unser Ziel ist es, den Patienten<br />
zu helfen. Natürlich gelingt es nicht immer allein mit medizinischen<br />
Mitteln, alle Krankheiten zu heilen. Aber ich kann die<br />
Menschen dabei unterstützen, mit ihrer Krankheit besser umzugehen<br />
oder ihre körperliche Belastbarkeit und Lebensqualität<br />
zu verbessern. Meine Mitarbeiter signalisieren, dass sie<br />
zufrieden sind und ihnen die Arbeit Spaß macht. Das spüren<br />
auch die Patienten.<br />
■ Was kann denn die gesunde menschliche lunge leisten?<br />
Sie hat eine riesige funktionelle Reserve. Ein gesunder Erwachsener<br />
atmet normalerweise etwa sechs bis acht Liter Luft<br />
pro Minute. Spitzensportler können diesen Wert bis auf 250<br />
8 srh Magazin<br />
intervieW Mit proF. dr. susanne Lang<br />
Liter steigern. Auch Höchstleistungen wie das Apnoetauchen,<br />
bei dem es darum geht, mit einem Atemzug möglichst lange<br />
unter Wasser zu bleiben, sind nur dank der enormen Luftreserve<br />
möglich. Manche Taucher schaffen etwa acht bis zehn<br />
Minuten.<br />
■ und welche lungenkrankheiten behandeln sie hier im<br />
Wald-klinikum am häufigsten?<br />
Insgesamt behandeln wir rund 4.600 vor allem ältere Patienten<br />
pro Jahr in unserer Abteilung. Die meisten Patienten werden<br />
wegen Lungenerkrankungen, häufig Lungenkarzinomen,<br />
stationär behandelt. An zweiter Stelle stehen die Lungenentzündungen,<br />
gefolgt von chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen<br />
wie Bronchitis oder Lungenemphysem. „Obstruktiv“<br />
bedeutet, dass die Atemwege verengt sind. Neben Karzinomen<br />
begünstigt der Bergbau die sogenannte Staublunge oder Silikose.<br />
Wir begutachten regelmäßig eine Gruppe von rund 50<br />
Patienten mit dieser Erkrankung. Und gemeinsam mit der<br />
Hautklinik untersuchen wir allergische Reaktionen, die sich in<br />
der Lunge abspielen, zum Beispiel beim Asthma.<br />
■ Wie sieht die behandlung im srh Wald-klinikum aus?<br />
Die einzelnen Disziplinen, von der Strahlen- und Chemotherapie<br />
über die Thoraxchirurgie bis hin zur Palliativsta tion,<br />
arbeiten eng zusammen. Einmal pro Woche tagt ein Tumorboard:<br />
Dort besprechen Röntgenspezialisten, Strahlentherapeuten,<br />
Pneumologen, Lungenchirurgen und Onkologen die<br />
Fälle und beratschlagen, was zu tun ist. Gerade bei Tumoren<br />
ist Zeit ein wichtiger Faktor. Deshalb ist es von Vorteil, dass<br />
wir alle Phasen der Behandlung, etwa bei Karzinomen, in<br />
unserem Haus abdecken.<br />
Zudem werden unsere Patienten psychologisch und in<br />
Ernährungsfragen beraten. Unsere Physiotherapeuten helfen<br />
den Patienten, die richtige Sportart zu finden, und zeigen<br />
ihnen, wie sie ihre Atemnot lindern können. Atmung und<br />
Bewegung zu koppeln ist beispielsweise eine Möglichkeit.<br />
Inzwischen bieten wir die Atemphysiotherapie auch ambulant<br />
an. So sind wir in der Lage, unsere Patienten über die stationäre<br />
Behandlung hinaus zu betreuen.<br />
■ Worin unterscheidet sich ihre klinik von anderen?<br />
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Breite des<br />
Angebots sind ungewöhnlich. Selten sind Disziplinen wie<br />
Pneumologie, Strahlentherapie und Thoraxchirurgie unter<br />
einem Dach vereint. Ein weiterer Vorteil ist unser Erfahrungsschatz.<br />
Wir behandeln viele Patienten, operieren viel. Allein
luft ist Prof. dr. susanne langs metier,<br />
ihr ziel, dass die Patienten wieder richtig<br />
durchatmen können – und ohne Probleme<br />
einen ballon aufpusten können.<br />
WissEnschaft | PErsPEktivEn 1/2009<br />
im vergangenen Jahr haben wir 2.000 Bronchoskopien durchgeführt,<br />
das ist im Vergleich zu vielen anderen Kliniken eine<br />
große Anzahl. Und wir verfügen über ein Schlaflabor, in dem<br />
wir Patienten behandeln können, die eine Maskenbeatmung<br />
brauchen.<br />
Auch medizintechnisch sind wir auf dem neuesten Stand.<br />
Unsere Endoskopie arbeitet beispielsweise seit 2008 mit dem<br />
endobronchialen Ultraschall (EBUS), um bei Verdacht auf einen<br />
Tumor Gewebeproben zu entnehmen. Dabei kombiniert<br />
das EBUS-Gerät die Bronchoskopie mit dem Ultraschall. Mit<br />
dem Ultraschallkopf lokalisiert der Arzt einen Herd. Dann<br />
wechselt er von Schall auf Sicht. So sieht er genau, an welcher<br />
Stelle die Nadel den Tumor punktiert. Die neue Methode ist<br />
damit wesentlich sicherer als bisherige. Meines Wissens sind<br />
wir die einzige Klinik in der Region, die den endobronchialen<br />
Ultraschall einsetzt.<br />
■ Welche ziele haben sie für ihre abteilung?<br />
Für 2009 haben wir uns einiges vorgenommen. Unter anderem<br />
freuen wir uns darauf, in das neue Gebäude um zuziehen.<br />
Und wir planen, bis 2010 ein Lungenzentrum aufzubauen. Außerdem<br />
wollen wir vermehrt an Studien teil nehmen und unser<br />
Angebot speziell für Patienten über 65 verbessern. Hier in<br />
Gera behandeln wir sehr viele Ältere, und wir möchten uns<br />
stärker auf die geriatrische Onkologie ausrichten. Wir müssen<br />
erkennen, welche spezifischen Bedürfnisse ältere Menschen<br />
haben. Auch deshalb wollen wir medizinische Konzepte speziell<br />
für die Geraer Bevölkerung ent wickeln und ortsverbundene<br />
Ärzte für unser Klinikum gewinnen, die sich langfristig<br />
für die Menschen hier in der Region engagieren.<br />
gabrieLe Jörg<br />
Prof. dr. susanne lang studierte humanmedizin an der ludwig-maximilians-universität<br />
(lmu) in münchen. 1986 erhielt sie die approbation als<br />
ärztin, ein Jahr später promovierte sie. nach dem Erwerb der gebietsbezeichnung<br />
internistin, des teilgebiets Pneumologie (lungenheilkunde)<br />
und der zusatzbezeichnung allergologie habilitierte dr. lang 2001 an der<br />
lmu münchen. sie besitzt zudem die zusatzqualifikationen sozialmedizin<br />
und medikamentöse tumortherapie. seit frühjahr 2008 ist sie parallel zu<br />
ihrer tätigkeit als chefärztin im srh Wald-klinikum gera als Professorin<br />
an der lmu münchen tätig. die gebürtige berlinerin lebt mit ihrem mann<br />
in der nähe von gera und in münchen, wo sie auch aufwuchs.<br />
srh Magazin 9
PErsPEktivEn 1/2009 | WissEnschaft<br />
das mädchen spielt<br />
hochkonzentriert – und<br />
trainiert dabei seine<br />
feinmotorik. nebenbei<br />
lernt es etwas über farben,<br />
mengen, Wörter – und<br />
wird einfühlsam wahrgenommen<br />
und begleitet.<br />
10 srh Magazin
sich sPiElEnd EntWickEln<br />
behinderte, verhaltensauffällige oder<br />
in ihrer Entwicklung verzögerte kinder<br />
benötigen frühzeitig hilfe. bislang<br />
werden jedoch zu viele von ihnen nicht<br />
rechtzeitig gefördert; zahlreiche fachkräfte<br />
sind zudem nicht umfassend<br />
geschult. der bundesweit einmalige<br />
studiengang interdisziplinäre frühförderung<br />
der srh hochschule für gesund<br />
heit gera bildet die fachkräfte von<br />
morgen aus, denen der brückenschlag<br />
zwischen medizin, therapie, Pädagogik<br />
und Psychologie gelingt – zum Wohl<br />
der kinder und ihrer familien.<br />
Als Paul in die Frühfördereinrichtung<br />
kommt, ist er ungeschickt und unruhig.<br />
Der Fünfjährige, der mit seiner leicht<br />
geistig behinderten Mutter und seinem<br />
Bruder in einer verwahrlosten Wohnung<br />
lebt, bewegt sich ständig, aber ziellos.<br />
Einen Kindergarten hat er bislang nicht<br />
besucht, der Kontakt zu Gleichaltrigen<br />
fehlt ihm völlig. Daher besorgt ihm seine<br />
Frühförderin zunächst einen Platz in<br />
einer Kindertagesstätte. Doch anfangs<br />
ist Paul durch die neuen Eindrücke<br />
überfordert, seine motorische Unruhe<br />
und Desorientierung nehmen sogar zu.<br />
Erst allmählich findet die Frühförderin<br />
Zugang zu ihm.<br />
Bereits nach wenigen Monaten ist<br />
der Erfolg sichtbar: Paul ist aufmerksamer,<br />
setzt sich intensiver mit Dingen<br />
auseinander und baut positive Beziehungen<br />
zu anderen auf. Doch trotz der<br />
Fortschritte besucht er keine Regel-,<br />
sondern eine Sonderschule. Das wäre<br />
wahrscheinlich anders gewesen, hätte<br />
seine Förderung zwei Jahre früher begonnen.<br />
entwicklung positiv beeinflussen<br />
In den westlichen Industriestaaten<br />
steigt der Anteil von Kindern mit Entwicklungverzögerungen<br />
dramatisch. Bis<br />
zu 20 Prozent aller Kinder können nicht<br />
regelgerecht eingeschult werden – aufgrund<br />
von Entwicklungsverzögerungen<br />
in Sprache, Kognition, Fein- und Grob-<br />
WissEnschaft | PErsPEktivEn 1/2009<br />
FrühFörderung stÄrkt potenziaLe von kindern<br />
motorik, Sozialverhalten, Aufmerksamkeit,<br />
Konzentration oder Wahrnehmung.<br />
Die Ursachen sind nicht immer eindeutig;<br />
Studien belegen jedoch einen zunehmenden<br />
Zusammenhang zwischen<br />
diesen Störungen und sozial oder familiär<br />
schwierigen Bedingungen. „Es gibt<br />
zum Beispiel immer mehr Kinder mit<br />
sprachlichen Auffälligkeiten. Sie nehmen<br />
zwar Sprache, etwa über Medien, auf,<br />
praktizieren sie selbst jedoch immer<br />
weniger. Besonders in sozial benachteiligten<br />
Familien sind ihre sozialen Kontakte<br />
zudem stark reduziert. Sie spielen<br />
proF. annette hartung<br />
und toben weniger mit Freunden<br />
im Freien. Und innerhalb der kleiner<br />
werdenden Familien reden die Eltern<br />
häufig zu wenig mit ihren Kindern,<br />
die auch deshalb nicht richtig sprechen<br />
lernen“, erklärt Prof. Annette Hartung,<br />
Studiengangsleiterin für Interdisziplinäre<br />
Frühförderung an der <strong>SRH</strong> Hochschule<br />
für Gesundheit Gera. Viele Kinder<br />
wüchsen in einer Umgebung auf,<br />
die arm ist an kindgemäßen Stimulationen,<br />
und würden andererseits früh und<br />
massiv mit Fernsehen und Computer<br />
konfrontiert.<br />
Statt Dinge aktiv auszuprobieren<br />
und mit allen Sinnen zu lernen, konsumieren<br />
diese Kinder meist nur noch<br />
passiv, sind häufig extrem unruhig,<br />
haben Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme.<br />
„Werden sie jedoch<br />
frühzeitig gefördert, gelingt es unter<br />
Umständen sogar, Entwicklungsverzögerungen<br />
vollkommen aufzuholen“,<br />
erklärt Hartung. Selbst bei Kindern mit<br />
schwerer Behinderung kann rechtzeitiges<br />
Fördern den Entwicklungsstand oft<br />
positiv beeinflussen. Die interdisziplinäre<br />
Frühförderung arbeitet daher schon<br />
mit Neugeborenen und endet spätestens<br />
mit der Einschulung der Kinder.<br />
die Methode Freiraum<br />
Die interdisziplinäre Förderung zeichnet<br />
sich vor allem durch ihre individuelle<br />
Herangehensweise aus. „Wir definieren<br />
ein Kind nicht mehr nach dem,<br />
was es nicht kann, sondern versuchen,<br />
„Wir deFinieren ein kind nicht Mehr nach deM,<br />
Was es nicht kann, sondern versuchen, es aLs<br />
ganze person zu erFassen und seine ressourcen<br />
zu Fördern und zu stÄrken.“<br />
es als ganze Person zu erfassen und<br />
seine Ressourcen zu fördern und zu<br />
stärken“, erklärt Hartung. „Ein wichtiges<br />
Mittel ist das Spielen: Dadurch lernt<br />
das Kind und entwickelt sich weiter.“<br />
Im Spiel lässt sich auch der Entwicklungsstand<br />
eines Kindes gut erkennen –<br />
vorausgesetzt, es hat genügend Freiraum.<br />
Nach dem Konzept der Eigen aktivität<br />
machen die Frühförderer zunächst<br />
Angebote. Das Kind kann frei wählen:<br />
etwa zwischen Spielgeräten, die die<br />
Grobmotorik fördern, Stiften und Bauund<br />
Konstruktionsmaterialien zur Verbesserung<br />
der Feinmotorik oder Materialien<br />
zum Riechen, Tasten und optischen<br />
Wahrnehmen. „Wie es sich entscheidet,<br />
erzählt uns viel darüber, was es momentan<br />
braucht, vermeiden will oder was<br />
es interessiert“, sagt Hartung. Im Vordergrund<br />
steht die Eigenaktivität des<br />
Kindes, das ständige Ausprobieren und<br />
Weiterentwickeln > seiner Fähigkeiten. ><br />
srh Magazin 11
PErsPEktivEn 1/2009 | WissEnschaft<br />
In die Frühförderung wird auch<br />
immer die Familie einbezogen. „Wir<br />
beraten und unterstützen sie, versuchen,<br />
ihre Ressourcen zu stärken“, sagt<br />
Hartung. „Manchmal ist das natürlich<br />
schwierig. Wir maßen uns nicht an, eine<br />
Familie nach unseren Vorstellungen zu<br />
verändern. Doch die Eltern können beobachten,<br />
wie wir mit dem Kind umgehen,<br />
es ansprechen, und daraus lernen.“<br />
Eine Förderung kann Monate<br />
oder Jahre dauern, die Häufigkeit der<br />
Termine reicht von ein- bis fünfmal pro<br />
Woche – abhängig vom Entwicklungsstand<br />
des Kindes und der Bewilligung<br />
der Leistungsträger.<br />
Für die zukunft gerüstet<br />
Unsere Gesellschaft verändert sich,<br />
die Zahl sozial benachteiligter Familien<br />
steigt. Damit wachsen auch die Anforderungen<br />
an die Frühförderung. Seit 2001<br />
fordert der Gesetzgeber, dass die rund<br />
1.000 Frühförderstellen in Deutschland<br />
zu interdisziplinären Einrichtungen umstrukturiert<br />
werden. „Dieses Gesetz ist<br />
jedoch bis heute nicht völlig umgesetzt“,<br />
erklärt Prof. Dr. Armin Sohns, der den<br />
Studiengang Interdisziplinäre Frühförderung<br />
2006 im Auftrag der <strong>SRH</strong> konzipierte<br />
und die deutsche Frühförderung<br />
in der internationalen Vereinigung „EurlyAid“<br />
vertritt. „Außerdem haben viele<br />
der bisherigen Fachkräfte vorrangig eine<br />
pädagogische Ausbildung. Das reicht<br />
aber bei den Kindern, mit denen sie<br />
heute arbeiten, oft nicht mehr aus. Eine<br />
12 srh Magazin<br />
einzelne Disziplin kann die Bedürfnisse<br />
der Kinder nicht decken.“ Daher müsse<br />
sich die Frühförderung verändern und<br />
stärker auch mit den Eltern arbeiten<br />
und die Familiensituation und ihre Auswirkungen<br />
auf das Kind betrachten.<br />
Den neuen Studiengang bietet die<br />
<strong>SRH</strong> Hochschule für Gesundheit Gera<br />
seit dem Wintersemester 2007 an. „Wir<br />
bilden Fachkräfte transdisziplinär aus,<br />
sodass sie einen Überblick über sämtliche<br />
Disziplinen bekommen und auf die<br />
neuen Anforderungen reagieren können“,<br />
betont Sohns, der als Gastprofessor<br />
auch in Gera lehrt. Einzigartig ist<br />
dieser Studiengang vor allem, weil er<br />
medizinisch-therapeutische und pädagogisch-psychologische<br />
Elemente<br />
verbindet. Der Studiengang Inter dis zipli<br />
näre Frühförderung vermittelt wissenschaftliches<br />
Know-how, etwa in pädagogischen<br />
Wissenschaftstheorien,<br />
Qualitätsmanagement oder Sozialmedizin,<br />
und praktisches Wissen über Rollenspiele,<br />
Übungen und Fallbeispiele.<br />
Zurzeit studieren 73 Frauen und Männer<br />
in Gera diesen Studiengang. „Sie<br />
sollen später in der Lage sein, interdisziplinär<br />
mit Kindern zu arbeiten, Achtung<br />
vor jeder dieser kleinen Personen<br />
haben und ein Gespür dafür entwickeln,<br />
was in jedem Kind steckt und wie man<br />
es stärken und ihm Selbstvertrauen<br />
schenken kann“, betont Hartung.<br />
Auch die Forschung kommt nicht<br />
zu kurz: Die Hochschule ist an europäischen<br />
Projekten beteiligt und arbeitet<br />
im studiengang interdisziplinäre frühförderung<br />
ist die mehrheit der studierenden<br />
wei blich. hier wie überall im frühkindbereich<br />
be steht aus sicht der Wissenschaft<br />
großer bedarf an männlichen Pädagogen.<br />
unter anderem mit daran, ein neues<br />
Dokumentationssystem der WHO in<br />
der Praxis zu erproben und neue Lerninhalte<br />
für Frühförderung zu entwickeln.<br />
Zudem ist eine von Professoren<br />
und Studierenden durchgeführte Evaluation<br />
zu Fördereinrichtungen in<br />
Thüringen geplant. Denn noch immer<br />
gibt es nur wenige Erkenntnisse zum<br />
Stand der Frühförderung in den einzelnen<br />
Bundesländern, und auch ein<br />
ausreichen des Früherkennungssystem<br />
existiert laut Hartung nicht. „Viele Kinder<br />
fallen erst spät auf. Dadurch geht<br />
wertvolle Zeit verloren. Ein Sechsjähriger,<br />
der eine Son derschule besuchen<br />
soll, wird nachhaltig durch diese Aussonderung<br />
geprägt – obwohl man diese<br />
Situation vielleicht durch frühe Förderung<br />
hätte verhindern können“,<br />
erläutert sie. Alle Kinder sollten daher<br />
regelmäßig untersucht, Kinderärzte<br />
sensibilisiert und Erzieher flächendeckend<br />
aufgeklärt werden, fordert Hartung.<br />
„Frühförderung ist eine sinnvolle<br />
und notwendige Maßnahme, auch für<br />
Kinder sozial benachteiligter Familien.<br />
Mit unserem Studiengang verbessern<br />
wir die Qualifikationen der Fachkräfte<br />
und vielleicht auch die Chancen eines<br />
Kindes, rechtzeitig die richtige Förderung<br />
zu bekommen.“ Und damit die<br />
Chance, zu entdecken, was in ihm<br />
steckt – nämlich ganz eigene Potenziale,<br />
Talente und Ressourcen.<br />
gabrieLe Jörg
null toleranz für fehler<br />
für das srh zentralklinikum suhl hat die Patientensicherheit<br />
oberste Priorität. im rahmen des neuen risikomanagementsystems<br />
sollen Mitarbeiter künftig helfen, risiken aufzudecken<br />
und fehler zu vermeiden.<br />
Bei einer Sicherheit von 99 Prozent würden sich nur ein<br />
Prozent Fehler gravierend auf das tägliche Leben auswirken.<br />
Beispielsweise würde jede hundertste Bremsung eines Autos<br />
komplett versagen. Es käme jeden Monat für eine Stunde<br />
verschmutztes Trinkwasser aus der Leitung. Oder pro Woche<br />
gäbe es 500 falsch durchgeführte Operationen. Um die Fehler<br />
risiken besser einschätzen zu können, hat das <strong>SRH</strong> Zentral <br />
klinikum <strong>Suhl</strong> Anfang Dezember 2008 ein Risikomanagementsystem<br />
eingeführt. Damit will das Krankenhaus<br />
die potenziellen Risiken für alle Personen im Klinikalltag offenlegen<br />
und Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Minimierung<br />
treffen. Das System dient in erster Linie der Patientensicherheit,<br />
soll aber auch helfen, gesetzliche Vorschriften<br />
einzuhalten.<br />
Fehler, Störungen oder Normabweichungen können sich<br />
zu kritischen Ereignissen aufschaukeln und Unfälle provozieren.<br />
Damit das nicht eintritt, sind alle Mitarbeiter dazu aufgerufen,<br />
sich aktiv am Risikomanagementsystem zu beteiligen.<br />
Das System sieht dafür Fragebögen zu Risiken vor, die jeder<br />
Mitarbeiter, auf Wunsch auch anonym, ausfüllen sollte.<br />
Ein Gremium wertet diese Meldungen regelmäßig<br />
aus. Eine solche Vorgehensweise soll<br />
mithelfen, den Aufenthalt der Patienten<br />
und Mitarbeiter in der Klinik noch<br />
sicherer zu gestalten.<br />
<strong>SRH</strong> ZentRalklinikum SuHl einblick | PersPektiven 1/2009<br />
RiSikomanagementSyStem eingefüHRt<br />
armband erhöht die Patientensicherheit<br />
In deutschen Kliniken sollen jährlich etwa 175.000 Patienten<br />
Opfer von Behandlungsfehlern sein, für 17.000 enden solche<br />
Versehen tödlich. Die meisten Fehler passieren beim Behandeln<br />
mit Arzneimitteln, etwa wenn ein Patient das falsche Medikament<br />
erhält. Fatal ist es, wenn bei einer OP die Eingriffsseiten<br />
oder sogar Patienten verwechselt werden.<br />
Um solchen Geschehnissen vorzubeugen, hat das <strong>SRH</strong><br />
<strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong> Anfang Dezember Patientenarmbänder<br />
eingeführt. Dies soll die Sicherheit der Patienten erhöhen,<br />
be stehende Fehlerquellen beseitigen und somit die Qualitätssicherung<br />
des Hauses verbessern. Mithilfe des Armbands lässt<br />
sich die Identität der Patienten jederzeit und an jedem Ort im<br />
Krankenhaus feststellen. Gerade bei älteren Menschen mit<br />
Orientierungsproblemen ist dieser Umstand wichtig. Aber auch<br />
bei jüngeren und völlig gesunden Menschen kann es in Ausnahmesituationen<br />
und unter Stress zu Problemen kommen,<br />
die eine Verwechslung begünstigen. Das Bedrucken der Armbänder<br />
und das Befestigen am Arm erfolgt gleich bei der Aufnahme<br />
eines Patienten. Natürlich steht es jedem frei, ob er<br />
das Armband annehmen und tragen will. Das Klinikum rät<br />
dazu – zur Sicherheit der Patienten.<br />
Das Patientenarmband beschleunigt die<br />
abläufe im krankenhaus und<br />
erhöht die sicherheit.<br />
srh magazin i
PersPektiven 1/2009 | einblick <strong>SRH</strong> ZentRalklinikum SuHl<br />
zu besuch auf Der intensivstation<br />
Wer als angehöriger einen intensiv-Patienten im srh zentralklinikum<br />
suhl besuchen will, muss seinen besuch zunächst<br />
ankündigen. Dazu folgt er den schildern oder wendet sich an<br />
den empfang im erdgeschoss. anschließend meldet er sich<br />
über die rufanlage an der eingangstür der intensivstation<br />
(s 44, ebene 4) an. sollte er nicht sofort zu seinem angehörigen<br />
kommen können, wird er gebeten, im Warte bereich<br />
Platz zu nehmen. nur unter bestimmten bedingun gen – darüber<br />
klären die Mitarbeiter auf – ist schutzkleidung nötig.<br />
beim betreten der station desinfiziert der angehörige seine<br />
hände.<br />
Die Aufgabe der Intensivstation besteht darin, schwerkranke<br />
Patienten Tag und Nacht zu betreuen. Mithilfe modernster<br />
Apparatetechnik werden sie ständig überwacht. Im Notfall<br />
greift das Personal umgehend ein. Den Angehörigen erscheinen<br />
all die Geräte und Schläuche zunächst verstörend und<br />
beängstigend.<br />
Die moderne apparatetechnik wirkt auf den laien zunächst verstörend,<br />
hilft aber, Menschenleben zu retten.<br />
ii srh magazin<br />
oHne aPPaRatetecHnik geHt nicHtS<br />
Viele Patienten müssen künstlich beatmet werden. Über<br />
einen Schlauch, der durch Mund oder Nase in die Luftröhre<br />
reicht, werden die Lungen mit Luft versorgt. Da während der<br />
Zeit der Beatmung die Stimmbänder vorübergehend blockiert<br />
sind, kann der Patient nicht sprechen. In vielen Fällen werden<br />
zusätzlich Medikamente gegeben, die den Patienten beruhigen.<br />
Damit das Personal ständig über wichtige Parameter wie<br />
Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung des Blutes<br />
informiert ist, wird der Patient an ein Überwachungsgerät angeschlossen.<br />
Nahrung bekommt er über Infusionen oder über<br />
eine Sonde verabreicht, die über die Nase in den Magen gelegt<br />
wird.<br />
Um den Ablauf im Klinikalltag möglichst reibungs und<br />
störungsfrei zu gestalten, bittet man die Angehörigen, spezielle<br />
Besuchsregelungen zu beachten. Am Tag der Operation ist<br />
von Besuchen abzusehen. Sobald der Patient auf der Intensivstation<br />
eingetroffen ist, werden die Angehörigen telefonisch<br />
informiert. Das Krankenhaus bittet darum, sich im Familienkreis<br />
auf einen Ansprechpartner zu einigen, der telefonische<br />
Auskünfte entgegennimmt.<br />
Bis auf wenige Ausnahmen sollten höchstens zwei Personen<br />
gleichzeitig einen Patienten besuchen. Wartezeiten lassen<br />
sich nicht immer vermeiden. Die Pflege der Patienten, Untersuchungen,<br />
Notfälle und kleine Eingriffe beanspruchen<br />
manchmal längere Zeit und sind nicht immer im Voraus planbar.<br />
Das Team der Intensivstation bemüht sich, die Wartezeiten<br />
so kurz wie möglich zu halten.<br />
In persönlichen Gesprächen geben die Stationsärzte Auskunft<br />
über den Gesundheitszustand des Patienten. Die Angehörigen<br />
werden jedoch gebeten zu beachten, dass die medizinische<br />
Versorgung der Patienten grundsätzlich Vorrang vor<br />
dem Informationsbedürfnis der Angehörigen hat.<br />
Die Besuchszeit auf der intensivstation ist auf 16 bis 19 uhr<br />
begrenzt. Sollten die angehörigen zu dieser Zeit verhindert<br />
sein, können sie sich telefonisch an das krankenpflegepersonal<br />
wenden. telefon: (0 36 81) 35 55 02.<br />
für telefonische gespräche haben die ärztlichen mitarbeiter<br />
für die angehörigen den Zeitraum von 13 bis 14 uhr reserviert.<br />
telefon: (0 36 81) 35 55 09.
leben bis zuletzt<br />
<strong>SRH</strong> ZentRalklinikum SuHl einblick | PersPektiven 3/2007 1/2009<br />
<strong>SRH</strong> ZentRalklinikum SuHl eRöffnet PalliativStation<br />
Menschen mit unheilbaren erkrankungen und deren angehörige<br />
sind häufig mit ihrer situation überfordert. Deshalb<br />
hat das srh zentralklinikum suhl eine Palliativstation eingerichtet,<br />
in der Mitarbeiter die todkranken in ihrem letzten<br />
lebensabschnitt begleiten.<br />
Die meisten unheilbaren Erkrankungen, allen voran Krebs,<br />
sind komplex und können körperliche, seelische und soziale<br />
Ursachen haben. Betroffene und Angehörige können mit der<br />
Situation nur schlecht umgehen. Daher hat sich in der Medizin<br />
längst das Spezialgebiet der Palliativmedizin etabliert.<br />
Der Begriff stammt ab von dem lateinischen Begriff „pallium“<br />
(der Mantel). Die Betroffenen sollen gewissermaßen eingehüllt<br />
werden in eine Atmosphäre der Geborgenheit.<br />
Das Ziel der neuen Abteilung ist es, Patienten, bei denen<br />
keine heilende Therapie mehr Aussicht auf Erfolg hat, eine<br />
gute Lebensqualität zu verschaffen und diese möglichst lange<br />
zu erhalten. In erster Linie geht es darum, die quälenden<br />
körperlichen und seelischen Leiden der Patienten zu lindern.<br />
Die Betroffenen erhalten unter anderem eine angemessene<br />
Schmerztherapie; außerdem werden Symptome wie Übelkeit,<br />
Erbrechen, Erschöpfungszustände und Atemnot behandelt.<br />
Vielfach sind die kranken Menschen hilflos; sie haben Ängste,<br />
keinen Appetit, sind verwirrt und sehnen sich nach Liebe und<br />
Geborgenheit. Aufgabe der Mitarbeiter auf der Palliativstation<br />
ist es, den Patienten Mut zuzusprechen und sie medikamentös<br />
so weit zu stabilisieren, dass sie wieder in ihre häusliche<br />
Umgebung zurückkehren und man ihre Beschwerden ambulant<br />
weiterbehandeln kann.<br />
Ein besonders wichtiges Anliegen der Palliativmedizin ist<br />
es deshalb, mit allen an der Patientenbetreuung Beteiligten<br />
unkompliziert und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Ein<br />
enger Kontakt zu den Angehörigen, Hausärzten, Pflegediensten,<br />
Krankenkassen und Heilmittelversorgern ist daher unabdingbar.<br />
Damit ein Patient stationär aufgenommen werden kann,<br />
ist eine ärztliche Einweisung nötig oder eine Überweisung<br />
aus einer anderen medizinischen Einrichtung. Nur erwachsene<br />
Patienten können betreut werden.<br />
Das Team unter der Leitung von Dr. Sabine Bäsecke setzt<br />
sich aus einem festen Stamm von Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten<br />
und Seelsorgern zusammen. Ehrenamtliche Hospizbegleiter<br />
unterstützen das Team, das eine RundumdieUhr<br />
Betreuung gewährleistet.<br />
Das team der Palliativstation (o.) möchte körperliche und seelische leiden<br />
der Patienten lindern. Dazu gehört auch eine umgebung, in der sich diese<br />
wohfühlen.<br />
Die neue Abteilung verfügt über zehn Betten, aufgeteilt<br />
in Einzel und Doppelzimmer. Es gibt ein „Wohnzimmer“<br />
für Patienten, Angehörige und Stationspersonal sowie einen<br />
Balkon. Auf Wunsch können sich Patienten in einer kleinen<br />
Küche selbst versorgen. Es besteht auch die Möglichkeit,<br />
Angehörige in besonderen Situationen für einen begrenzten<br />
Zeitraum mit aufzunehmen. So können sie schwerkranke<br />
Patienten auf ihrem letzten Lebensabschnitt begleiten. In<br />
diesem Sinne erweitert das <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong><br />
seinen Fürsorgeauftrag für die Menschen in der Region.<br />
srh magazin iii
PersPektiven 1/2009 | einblick <strong>SRH</strong> ZentRalklinikum SuHl<br />
Darmzentrum der Deutschen Krebsgesellschaft <strong>Suhl</strong><br />
theraPien für alle fälle<br />
Darmkrebs ist heilbar. Allerdings müssen dazu alle Möglichkeiten<br />
für Diagnostik und Therapie genutzt und fachübergreifend<br />
abgestimmt werden. Um dies zu erreichen, wurde am<br />
<strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong> das Darmzentrum der Deutschen<br />
Krebsgesellschaft <strong>Suhl</strong> gegründet. Leiter des neuen Zentrums<br />
ist Prof. Dr. med. Thomas Körner, sein Stellvertreter heißt PD<br />
Dr. med. Dieter KupczykJoeris.<br />
Im Darmzentrum werden Patienten mit gut und bösartigen<br />
Darmerkrankungen nach den neuesten wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen behandelt und versorgt. Das Zentrum<br />
beteiligt sich an nationalen und internationalen Multicenterstudien<br />
und gemeinsam mit anderen Kliniken auch an<br />
wissen schaftlichen Untersuchungen. Patienten werden über<br />
solche Projekte aufgeklärt und können daran teilnehmen.<br />
Die Mitarbeiter des Zentrums gehen neue Wege bei der<br />
primären Therapie des kolorektalen Karzinoms. Moderne<br />
schonende Verfahren der endoskopischen wie auch der chirurgischen<br />
Therapie gehören ebenso zum Leistungsspektrum<br />
wie medikamentöse und Strahlentherapie.<br />
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein zentraler Bestandteil<br />
des Konzepts. So gibt es täglich eine Darmsprechstunde<br />
sowie Spezialsprechstunden in verschiedenen medizinischen<br />
und therapeutischen Disziplinen.<br />
Seit Ende November 2008 ist das Darmzentrum erfolgreich<br />
zertifiziert. Es erfüllt alle Qualitätskriterien, die die<br />
Deutsche Krebsgesellschaft in den „Fachlichen Anforderungen<br />
an Darmzentren (FAD)“ fordert.<br />
iv srh magazin<br />
Prof. Dr. med. thomas körner ist leiter<br />
des Darmzentrums der Deutschen<br />
krebsgesellschaft suhl und<br />
Projektleiter der initiative zur<br />
Darmkrebsfrüherkennung.<br />
Initiative zur Darmkrebsfrüherkennung gestartet<br />
angebot koMMt gut an<br />
Darmkrebs ist die häufigste Krebsneuerkrankung in Deutschland.<br />
Jedes Jahr erkranken circa 66.000 Deutsche an diesem<br />
Tumorleiden. Gleichzeitig hat Darmkrebs unter allen Tumorerkrankungen<br />
die zweithöchste Todesrate. Jährlich sterben<br />
etwa 29.000 Menschen an Darmkrebs.<br />
Aus diesem Grunde hat das <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong><br />
eine Initiative zur Darmkrebsfrüherkennung im eigenen Unternehmen<br />
gestartet. Damit will das Klinikum die Gesundheit<br />
seiner Mitarbeiter schützen und ihre Arbeitskraft erhalten.<br />
Gleichzeitig will das Krankenhaus mit gutem Beispiel vorangehen<br />
und andere Unternehmen ermutigen, ähnliche Aktionen<br />
zu starten.<br />
Die Mitarbeiter des Klinikums nehmen das Angebot bislang<br />
rege in Anspruch. „Jeder achte Mitarbeiter hat schon<br />
Blutstuhltests abgegeben, mehr als 50 Koloskopien wurden<br />
bereits durchgeführt“, berichtet Projektleiter Prof. Dr. Thomas<br />
Körner. Er wertet das Projekt, das seit September läuft, als<br />
großen Erfolg. Ein abschließendes Ergebnis erwartet er für<br />
das zweite Quartal 2009. Die <strong>SRH</strong> Fachhochschule für Gesundheit<br />
Gera nutzt das für Thüringen bislang einzigartige<br />
Projekt für wissenschaftliche Arbeiten.
monika majonek weiß nur zu gut, wie<br />
es ist, fast 200 kilogramm mit sich herumzuschleppen.<br />
Erst die adipositaschirurgie<br />
des srh Wald-klinikums gera<br />
brachte die Wende: dort wurde ihr ein<br />
magenband eingesetzt, das ihr half,<br />
das Übergewicht und seine begleiterscheinungen<br />
wie bluthochdruck und<br />
diabetes hinter sich zu lassen.<br />
Monika Majonek hantiert eifrig in ihrer<br />
sieben Quadratmeter großen Cateringküche,<br />
die mit Regalen, zwei Herden,<br />
zwei Kühlschränken und einer Arbeitsplatte<br />
randvoll ist. Während die Kaffeemaschinen<br />
glucksen, schneidet sie den<br />
Blechkuchen in gleich große Stücke.<br />
Die Bierbänke im Gartencafé hinter<br />
dem Haus sind voll besetzt. Wie immer<br />
bei schönem Frühlingswetter haben<br />
auch heute Nachbarn und zahlreiche<br />
Radfahrer hierher, nach Predel bei<br />
Zeitz, gefunden. Am nächsten Tag wird<br />
Majoneks kleines Cateringunternehmen<br />
zusätzlich eine goldene Hochzeit mit<br />
Kuchen, Salaten und kalten Platten<br />
beliefern. In Gedanken geht sie durch,<br />
was sie dafür noch vorbereiten muss.<br />
„Zwei Kaffee und zwei Stück Kirschkuchen“,<br />
ruft Tochter Rebekka zur Tür<br />
herein. Majonek reicht ihr Tassen und<br />
Teller für die Gäste im Garten.<br />
Noch vor ein paar Jahren hätte keiner<br />
in der Familie geglaubt, Monika Majonek<br />
könnte so viel Elan aufbringen – sie<br />
selbst zuletzt. Heute ist es der großen<br />
schlanken Frau nicht mehr anzusehen,<br />
dass sie noch vor sechs Jahren 124 Kilogramm<br />
mehr gewogen hat und ein völlig<br />
anderer Mensch war.<br />
politische und persönliche Wende<br />
1990, kurz nach dem Fall der Mauer,<br />
verlor Monika Majonek ihre Arbeit als<br />
Kranfahrerin im Ziegelwerk. Sie hielt<br />
sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser,<br />
machte 1991 bis 1993 eine Umschulung<br />
zur Restaurantfachfrau. Irgendwann<br />
durfte sie nur noch in der Küche arbeiten<br />
– aufgrund ihrer Figur. Denn mit ><br />
mEnschEn | PErsPEktivEn 1/2009<br />
„ich möchtE niE WiEdEr so dick sEin“<br />
Monika MaJonek niMMt dank Magenband 124 kiLo ab<br />
stolze 124 kilo weniger:<br />
monika majoneks hosen<br />
schrumpften in sechs Jahren<br />
von größe 64 auf größe 40.<br />
srh Magazin 13
PErsPEktivEn 1/2009 | mEnschEn<br />
der Wende kamen die Pfunde. „Viele<br />
Lebensmittel gab’s bei uns in der DDR<br />
ja nicht, jetzt wollte ich alles Neue probieren“,<br />
erzählt die 47-Jährige. Sie aß<br />
immer mehr und immer öfter, geriet in<br />
einen Teufelskreislauf. „Ich habe gegessen<br />
und gegessen, und irgendwann<br />
wurde ich einfach nicht mehr satt“, sagt<br />
sie. Ihr Ehemann Rolf probierte mit,<br />
doch nur sie legte Gewicht zu, Kilogramm<br />
um Kilogramm. Diäten wirkten<br />
nicht, durch ihren Jojo-Effekt verschlimmerten<br />
sie die Situation nur.<br />
1999 sollte sich die zweifache Mutter<br />
einer Operation unterziehen. Doch<br />
diese konnte nicht durchgeführt werden.<br />
Majonek wog fast 200 Kilogramm,<br />
ihr Body-Mass-Index (BMI) lag bei über<br />
klein, aber fein: in ihrer winzigen cateringküche fühlt sich<br />
monika majonek rundum wohl – auch wenn viel zu tun ist.<br />
14 srh Magazin<br />
bmi =<br />
40; normal wäre ein BMI zwischen 21<br />
und 26 gewesen. „Die Waage hat nicht<br />
mehr funktioniert. Ich war einfach zu<br />
schwer und eine OP unmöglich“, erinnert<br />
sich die 47-Jährige. Ihre Ärztin riet<br />
ihr, über ein Magenband (siehe Kasten)<br />
nachzudenken und verwies Majonek<br />
ans <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera. Dort befasst<br />
man sich seit 15 Jahren mit der<br />
operativen Therapie der Adipositas und<br />
körpergewicht (kg)<br />
körpergröße (m 2 )<br />
operiert pro Jahr etwa 100 Patienten.<br />
Nach reiflicher Überlegung und zahlreichen<br />
Gesprächen mit der Oberärztin<br />
Dr. Christine Stroh von der Klinik für<br />
Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie<br />
des <strong>SRH</strong> Wald-Klinikums entschied<br />
sich Monika Majonek für ein Magenband.<br />
Doch erst zwei Jahre später, im<br />
Oktober 2002, wurde sie operiert. Denn<br />
nur nach zähem Kampf erklärte sich<br />
ihre Krankenkasse bereit, die Kosten<br />
zu übernehmen. Insgesamt fünf Tage<br />
verbrachte Majonek im <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum<br />
Gera, die Operation verlief gut.<br />
„Hinterher gab’s erst einmal nur ein<br />
Tässchen klare Bouillon. Trinken durfte<br />
ich, so viel ich wollte“, sagt sie. „Die<br />
Betreuung war super. Die Ärzte und<br />
Schwestern waren alle sehr nett, und<br />
ich hatte überhaupt keine Probleme<br />
nach der OP.“ Das Magenband wird<br />
Majonek ihr Leben lang tragen. Deshalb<br />
fährt sie regelmäßig ins <strong>SRH</strong> Wald-<br />
Klinikum zur Routineuntersuchung.<br />
Monika MaJonek<br />
„hinterher gab’s erst einMaL nur<br />
ein tÄsschen kLare bouiLLon. trinken<br />
durFte ich, so vieL ich WoLLte.“<br />
das Leben danach<br />
In den ersten sechs Monaten nach der<br />
Operation nahm Monika Majonek 30<br />
Kilogramm ab. „Fettiges Essen, Süßigkeiten<br />
und saure Dinge wie Fruchtsäfte<br />
sind tabu. Sie kommen wieder hoch“,<br />
sagt Majonek. „Die erste Zeit war sehr<br />
schwierig. Ich litt unter Vitaminmangel,<br />
war sehr launisch. Nur dank meiner<br />
Familie habe ich das geschafft.“ Als
Erinnerung an andere zeiten: auf alten fotos ist<br />
monika majonek kaum wiederzuerkennen.<br />
Ergänzung zur Nahrung begann sie,<br />
künstliche Vitamine und Mineralstoffe<br />
einzunehmen. Heute kocht sie ganz<br />
normal für ihre Familie. Sie selbst isst<br />
Brühe statt Schnitzel.<br />
Mit ihrem Gewicht änderte sich<br />
auch ihr Leben. Am 1. Januar 2004 eröffnete<br />
sie ihren Cateringbetrieb. „Ich<br />
musste wieder etwas tun. Einfach zu<br />
Hause sitzen ist nichts für mich“, betont<br />
sie. Alle Speisen sind hausgemacht,<br />
„nach alten Rezepten“, wie Majonek<br />
betont. Jeden Dienstag und Mittwoch<br />
versorgt sie die Seniorentreffen in der<br />
Umgebung mit Kuchen. Sie beliefert<br />
Geburtstage, Hochzeiten, Familienfeiern.<br />
Seit 2006 betreibt sie zusätzlich ihr<br />
Gartencafé, das in den Frühlings- und<br />
Sommermonaten samstags und sonntags<br />
geöffnet ist.<br />
Auf die selbstgemachten Leckereien<br />
zu verzichten, fällt ihr inzwischen nicht<br />
mehr schwer. „Alles hat seine Vor- und<br />
Nachteile“, sagt Majonek. „Aber ich<br />
nehme lieber die Nachteile in Kauf. Ich<br />
möchte nie wieder so dick sein.“ In den<br />
vergangenen sechs Jahren hat sie 124<br />
Kilo abgenommen und fühlt sich pudelwohl.<br />
„Ich habe mir immer eingeredet,<br />
dass ich mich wohl fühle, so wie ich<br />
bin. Heute weiß ich, das war gelogen.<br />
Meine Knie taten weh, ich hatte Bluthochdruck<br />
und Zucker“, sagt die<br />
47-Jährige. „Jetzt bin ich ein ganz anderer<br />
Mensch. Ich stehe früh auf, mir tut<br />
nichts mehr weh. Meine Tochter und<br />
ich gehen zusammen einkaufen, und es<br />
ist toll, wenn sie sagt: ‚Mutti, bei den<br />
Kleidergrößen brauchst du nicht mehr<br />
zu gucken.’ Ich fühle mich wie 37.“ Und<br />
wenn ihr Mann und ihre Tochter sie<br />
scherzhaft Kleiderbügel nennen, lacht<br />
sie darüber.<br />
In den kommenden Monaten möchte<br />
Monika Majonek ein paar weitere<br />
Kilogramm abnehmen und sich die<br />
überschüssige Haut an Bauch und<br />
Ober schenkeln entfernen lassen. Damit<br />
könnte sie das Kapitel Adipositas abschließen<br />
– und sich in ihrer neuen<br />
Haut noch wohler fühlen.<br />
gabrieLe Jörg<br />
mEnschEn | PErsPEktivEn 1/2009<br />
magEnband – dEr klEinE magEn<br />
übergewicht und adipositas betreffen weltweit etwa 1,7 Milliarden Menschen –<br />
tendenz steigend. zu den operativen gegenmaßnahmen gehört das einsetzen<br />
eines Magenbands, das entweder mehrere Monate oder sogar lebenslang getra-<br />
gen wird. dieses kommt jedoch nur bei extremem übergewicht mit einem bMi<br />
von weit über 40 infrage, wenn alle anderen ansätze erfolglos sind. das Magen-<br />
band begrenzt die tägliche nahrungsaufnahme und vermindert so die kalorien-<br />
zufuhr. ein verstellbares silikonband engt den Magen im oberen drittel ein. die<br />
so entstandene kleine Magentasche ist aufgrund ihres geringen volumens be-<br />
reits nach wenigen bissen gefüllt. das sättigungsgefühl setzt schnell ein. die<br />
operation dauert ein bis zwei stunden und wird in vollnarkose durchgeführt.<br />
danach müssen die patienten konsequent ihr essverhalten und ihre ernährung<br />
umstellen. Langsames essen, kleine Mahlzeiten über den tag verteilt und langes<br />
kauen sind sehr wichtig für den therapieerfolg. durch die gewichtsabnahme<br />
verbessern sich meist auch der diabetische stoffwechsel und der bluthochdruck.<br />
die kostenübernahme für das Magenband oder andere adipositaschirurgische<br />
operationen muss bei der krankenkasse beantragt werden.<br />
srh Magazin 15
PErsPEktivEn 1/2009 | mEnschEn<br />
stark ohnE drogEn<br />
Jährlich werden in deutschland rund 20.000 Jugendliche im<br />
alter von 10 bis 20 Jahren wegen alkoholvergiftung stationär<br />
behandelt. das srh klinikum karlsbad-langensteinbach<br />
hat gemeinsam mit dem ortsansässigen schulzentrum, der<br />
suchtberatung Ettlingen und der Polizei das Projekt soda<br />
gestartet. dieses klärt schüler über die folgen von alkohol-<br />
und drogenkonsum auf – ohne erhobenen zeigefinger.<br />
„Am Anfang hat es einfach nur Spaß gemacht, mit meinen<br />
Freunden zusammenzusitzen, zu trinken und zu kiffen“, erzählt<br />
Klaus Neumeier (Name geändert). Er blickt in die Runde.<br />
„Und wann bist du süchtig geworden?“, fragt ein Junge.<br />
Gespannt schauen die zwölf Achtklässler Neumeier an. Es ist<br />
mucksmäuschenstill. Der 22-Jährige überlegt einen Moment:<br />
„Ich weiß auch nicht, es gab keinen besonderen Punkt.“<br />
Mit 14 fand Neumeier es cool, Alkohol zu trinken. Betrunken<br />
fühlte er sich gut, vergaß seine Schüchternheit. Irgendwann<br />
fand er es normal, zur Flasche zu greifen, wenn er „gut<br />
drauf“ sein wollte. Der Rausch wurde Neumeiers Zuflucht –<br />
und Hölle zugleich. Seine Sucht machte ihn depressiv, zahlreiche<br />
Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken folgten. In zwischen<br />
ist er abstinent, leidet aber noch immer an De pressionen. Neu-<br />
16 srh Magazin<br />
Ein traurigEr sPitzEnPlatz<br />
in deutschland liegt das durchschnittsalter für den ersten<br />
alkoholrausch bei 13,8 Jahren. Mehr als ein drittel der<br />
15-jährigen Mädchen und fast die hälfte der 15-jährigen<br />
Jungen trinken mindestens einmal pro Woche alkohol.<br />
zehn prozent der 12- bis 15-Jährigen geben an, in den<br />
letzten Monaten mindestens einen alkoholrausch erlebt<br />
zu haben, bei den 16- bis 19-Jährigen sind es 30 prozent.<br />
damit nimmt die bundesrepublik im europäischen ver-<br />
gleich einen spitzenplatz ein. 32 prozent der 12- bis<br />
15-Jährigen haben zudem schon einmal eine illegale<br />
droge, meist cannabis, konsumiert.<br />
schüLer sagen nein zu aLkohoL und co<br />
meier hat keine berufliche Ausbildung, keine stabilen sozialen<br />
Beziehungen. In der Psychiatrie des <strong>SRH</strong> Klinikums Karlsbad-<br />
Langensteinbach lernte er andere Jugendliche kennen, die<br />
Ähnliches erlebt haben. Heute kann er dank der Therapie<br />
den SODA-Teilnehmern seine Geschichte erzählen und ihnen<br />
die Folgen einer Sucht hautnah vor Augen führen.<br />
präventiv wirken<br />
Solche Gespräche mit Patienten sind ein wichtiger Bestandteil<br />
des „Stark Ohne Drogen Aktionsprogramms“, kurz SODA.<br />
„Wir achten darauf, dass der Patient jung ist. So akzeptieren<br />
die Schüler ihn eher und auch das, was er erzählt“, erklärt<br />
Prof. Dr. Matthias Weisbrod, der die Abteilung für Psychiatrie<br />
und Psychotherapie des <strong>SRH</strong> Klinikums Karlsbad-Langensteinbach<br />
leitet. In seinem Team entstand die Idee zu SODA.<br />
„Auslöser war die Tatsache, dass immer mehr Jugendliche mit<br />
drogeninduzierten psychiatrischen Erkrankungen, vor allem<br />
Schizophrenien, zu uns kommen. Das liegt zum einen daran,<br />
dass sich die Zusammensetzung vieler Drogen verändert hat.<br />
So wächst beispielsweise das Risiko, von Cannabis schizophren<br />
zu werden“, erklärt Weisbrod. „Zum anderen nehmen<br />
viele Jugendliche inzwischen verschiedene Drogen: Speed,<br />
um fit zu sein, Ecstasy, um mit anderen leichter in Kontakt zu<br />
kommen, und Cannabis, um wieder herunterzukommen.“<br />
Weisbrod und sein Team holten das Schulzentrum Karlsbad-Langensteinbach,<br />
die Suchtberatung der Arbeitsgemeinschaft<br />
für Kinder- und Jugendhilfe in Ettlingen, die Polizei<br />
und die Abteilungen für Innere Medizin sowie für Öffentlichkeitsarbeit<br />
ins Boot. Gemeinsam starteten sie im Juli 2008<br />
SODA, mit den Schwerpunkten Alkohol- und Cannabismissbrauch.<br />
Fünfmal im Jahr kommen insgesamt etwa 300 Achtklässler<br />
von Gymnasium, Real- und Hauptschule ins <strong>SRH</strong> Klinikum.<br />
SODA setzt bei den 14-Jährigen an, da viele in diesem<br />
Alter zum ersten Mal Drogen probieren. Und je früher ein Jugendlicher<br />
regelmäßig Alkohol konsumiert, desto größer ist<br />
sein Risiko, süchtig zu werden und später auch illegale Drogen<br />
zu nehmen. „Unser Ziel ist, präventiv zu wirken und vor<br />
allem jene Jugendlichen zu stärken, die noch nicht dramatisch<br />
gefährdet sind“, erklärt Weisbrod. „Durch Wissen möchten<br />
wir sie selbstbewusster machen. Sie sollen dazu stehen<br />
können, wenn sie keine Drogen nehmen.“ Er hofft zudem,<br />
dass SODA ein positives Bild der Psychiatrie vermittelt und<br />
Berührungsängste lindert. „Es existieren noch immer starke<br />
Vorurteile. Durch SODA sehen die Schüler, was wir tun. Das<br />
hilft uns, Psychiatrie zu entstigmatisieren.“ SODA versucht daher,<br />
möglichst nahe an der Erlebniswelt der Jugendlichen zu
proF. dr. Matthias Weisbrod<br />
„durch Wissen Möchten Wir die JugendLichen<br />
seLbstbeWusster Machen. sie soLLen dazu stehen<br />
können, Wenn sie keine drogen nehMen.“<br />
sein und Dinge nicht nur zu beschreiben, sondern sie tatsächlich<br />
erlebbar zu machen – etwa wie es ist, seine Umwelt betrunken<br />
wahrzunehmen.<br />
die Folgen am eigenen körper spüren<br />
Unbeholfen versucht Daniela, einen Schlüssel vom Boden<br />
aufzuheben. Sie greift immer wieder daneben. Einige ihrer<br />
Mitschüler lachen. Schließlich hat Daniela doch Erfolg; triumphierend<br />
hält sie den Schlüssel hoch. Der Polizist nimmt ihr<br />
die große Brille von der Nase, die wie eine Taucherbrille aussieht.<br />
„Diese sogenannte Rauschbrille verzerrt die Umwelt,<br />
lässt euch alles doppelt sehen und Entfernungen falsch einschätzen.<br />
Das verzögert eure Reaktionszeit, ähnlich wie mit<br />
0,8 bis 1,8 Promille“, erklärt er. Ein Schüler nach dem anderen<br />
setzt die Brille auf, versucht, etwas vom Boden aufzuheben<br />
oder eine weiße Linie auf dem Boden entlangzulaufen.<br />
„Es war spannend, selbst zu erleben, wie unbeholfen man ist.<br />
Wenn das echt so ist, dann ist das ganz schön gefährlich“,<br />
sagt einer von Danielas Mitschülern hinterher.<br />
SODA besteht aus mehreren Elementen. Zunächst füllen<br />
die Schüler anonym Fragebögen aus, in denen es um ihr eigenes<br />
Suchtverhalten geht. Die Suchtberatungsstelle wertet die<br />
Bögen aus und passt die Themen, die im Rahmen des Projekts<br />
besprochen werden, an die persönlichen Erfahrungen<br />
an. Nach der Vorbereitung im Unterricht machen die Schüler<br />
eine Exkursion ins <strong>SRH</strong> Klinikum. Aufgeteilt in Gruppen aus<br />
maximal 15 Personen durchlaufen sie verschiedene Stationen:<br />
Sie probieren die Rauschbrille aus, unterhalten sich mit einem<br />
Suchtpatienten sowie mit Psychiatern und Psychologen und<br />
erfahren viel über Suchtmechanismen und psychische und<br />
physische Folgekrankheiten. „Natürlich haben sie auch die<br />
klassischen Witze gemacht wie: ‚ Jetzt sind wir auch hier gelandet’.<br />
Doch während der Veranstaltung haben sie konzentriert<br />
zugehört und viel gefragt“, erzählt Weisbrod.<br />
Für eine drogenfreie zukunft<br />
Wie viel Erfolg SODA hat, ist wissenschaftlich nicht belegt.<br />
Doch die Rückmeldungen sind positiv. „Unsere Schüler sind<br />
nachdenklich und nehmen das Thema Drogen ernster als zuvor“,<br />
erklärt Christiane Schwarz, Lehrerin an der Hauptschule<br />
Langensteinbach. „Am meisten haben sie das Gespräch mit<br />
dem Patienten, seine Offenheit und die Rauschbrille beeindruckt.“<br />
Fast alle hätten außerhalb der Schule mit Freunden<br />
und Eltern über SODA gesprochen und fänden das Projekt<br />
„cool“. Das zeigen auch ihre Antworten in den abschließenden<br />
Fragebögen. Ein Schüler schrieb: „An SODA sollten alle<br />
mEnschEn | PErsPEktivEn 1/2009<br />
gegen das teufelchen in uns:<br />
soda will Jugendliche stark machen,<br />
damit sie den falschen versprechungen<br />
von drogen widerstehen.<br />
achten oder sogar schon die fünften Klassen teilnehmen. Es<br />
gibt Schüler, die schon in unserem Alter dealen und gar nicht<br />
wissen, was sie da machen. Auch für sie ist SODA wichtig.“<br />
Ein anderer meinte: „Ich hatte mir schon vorgenommen, die<br />
Finger von Drogen zu lassen. SODA hat mich in meinem Entschluss<br />
bestärkt.“ Damit zeigt das Projekt erste Erfolge. Auch<br />
in Zukunft werden daher Achtklässler ins <strong>SRH</strong> Klinikum<br />
Karlsbad-Langensteinbach kommen – damit immer mehr von<br />
ihnen stark ohne Drogen durchs Leben gehen.<br />
gabrieLe Jörg<br />
srh Magazin 17
PErsPEktivEn 1/2009 | hintErgrund<br />
couch-Potato? nEin dankE!<br />
hyperaktive kinder hier, chips essende,<br />
vor dem computer oder fernseher lungernde<br />
Jugendliche dort: die versäumnisse<br />
von heute zeitigen die krankheiten<br />
von morgen. aufklärung tut daher<br />
not – je früher, desto besser.<br />
Wie ist es um die Gesundheit unserer<br />
Kinder und Jugendlichen bestellt? Nicht<br />
besonders gut! Die Seuchen des 21. Jahrhunderts,<br />
Übergewicht und Adipositas,<br />
haben auch unsere Kinder und Jugendlichen<br />
erreicht. Während im Vorschulalter<br />
noch etwa neun Prozent der Kinder<br />
übergewichtig sind, steigt deren Zahl<br />
mit zunehmendem Alter kontinuierlich<br />
an. Heute sind rund 15 Prozent unserer<br />
Jugendlichen übergewichtig oder adipös.<br />
Die Tendenz ist steigend. Damit ist<br />
die Couch-Potato nicht mehr nur ein<br />
abschreckendes Beispiel aus den USA,<br />
sondern mittlerweile traurige Realität in<br />
ganz Deutschland. Hauptursachen sind<br />
Bewegungsmangel und Überernährung.<br />
Vier von fünf der betroffenen Jugendli-<br />
18 srh Magazin Magazin<br />
vorbeugen kann nicht Früh genug beginnen<br />
von proF. dr. Jörg seideL<br />
Quelle: studie des robert koch-instituts (kinder- und Jugendgesundheitssurvey – kiggs)<br />
chen nehmen das Übergewicht mit in<br />
das Erwachsenen alter, verbunden mit<br />
erheblichen gesundheitlichen Risiken<br />
wie Diabetes mellitus Typ 2 – auch Altersdiabetes<br />
genannt –, Bluthochdruck,<br />
Stoffwechselstörungen und vorzeitigen<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen.<br />
Doch auch schon Kinder und Jugendliche<br />
leiden unter Bluthochdruck<br />
sowie Diabetes mellitus Typ 2 und<br />
zeigen krankhaft veränderte Fettwerte.<br />
Das erhöht nicht nur das Krankheitsrisiko,<br />
sondern verursacht auch eine Kostenexplosion<br />
im Gesundheitswesen.<br />
Forschen für mehr prävention<br />
Die Politik hat inzwischen das Problem<br />
erkannt und im vergangenen Jahr das<br />
Aktionsprogramm gegen Fehlernährung,<br />
Bewegungsmangel und Übergewicht<br />
„InForm“ auf den Weg gebracht.<br />
Das <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera und die<br />
<strong>SRH</strong> Fachhochschule für Gesundheit in<br />
Gera haben gemeinsam ein Netzwerk<br />
zur Adipositas-Prävention von Kindern<br />
15 %<br />
der Kinder und Jugendlichen in<br />
Deutschland sind übergewichtig<br />
und Jugendlichen ins Leben gerufen.<br />
Innerhalb dieses Netzes arbeiten wir<br />
mit verschiedenen Partnern aus Gera<br />
und Umland zusammen sowie mit<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen der<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die<br />
<strong>SRH</strong> Fachhochschule für Gesundheit in<br />
Gera hat die Adipositas-Prävention als<br />
Forschungsschwerpunkt aufgenommen.<br />
Wir starten Modellprojekte im Rahmen<br />
des Gesundheitszieleprogramms des<br />
Landes Thüringen. Bei der Primärprävention<br />
konzentrieren wir uns auf Projekte<br />
in Kindertagesstätten und Grundschulen.<br />
Im Bereich der Früherkennung<br />
und Frühbehandlung sind wir mit den<br />
niedergelassenen Kinderärzten im<br />
Cresc Net, dem Netzwerk zur Früherkennung<br />
von Störungen der Wachstums-<br />
und Gewichtsentwicklung, verbunden<br />
und bauen aktuell ein von den Krankenkassen<br />
anerkanntes interdisziplinäres<br />
Adipositas-Schulungsprogramm in<br />
den Städten Gera und Altenburg auf.<br />
Die <strong>SRH</strong> Förderstiftung ermöglichte<br />
9 %<br />
16 % der 7- bis 10-Jährigen<br />
18 %<br />
der 11- bis 13-Jährigen<br />
17 % der 14- bis 17-Jährigen<br />
der 3- bis 6-Jährigen
durch die Bereitstellung von 10.000<br />
Euro die Vernetzung über ein gemeinsames<br />
Datensystem. Dies bringt die<br />
Partner enger zusammen. Unser KIDS-<br />
Adipositas-Schulungsprogramm wird<br />
bereits an zwei weiteren Orten in Thüringen<br />
und 35-mal in ganz Deutschland<br />
eingesetzt. Außer mir haben Ende 2008<br />
zwei weitere Akteure unseres Präventionsnetzwerks<br />
die Ausbildung zum<br />
KIDS-Adipositas-Trainer in Bergisch<br />
Gladbach erfolgreich absolviert. Eine<br />
Informationsveranstaltung für die Krankenkassen<br />
fand im Januar 2009 statt.<br />
In Kürze nehmen zwei interdisziplinäre<br />
Teams, bestehend aus Ärzten, Diätassistentinnen,<br />
Sporttherapeuten und Psychologen,<br />
die Arbeit am <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum<br />
auf. Sie behandeln zunächst<br />
Kinder und Jugendliche im Alter von<br />
10 bis 14 Jahren.<br />
erziehung kommt zu kurz<br />
Adipositas und Übergewicht bilden<br />
allerdings nur einen Teil der Auffälligkeiten,<br />
die bei Kindern zu beobachten<br />
sind. Fast jedes zweite Kind weist bereits<br />
in den ersten Lebensjahren psychomotorische<br />
oder Sprachentwicklungsstörungen<br />
auf. Rund drei bis zehn<br />
Prozent der Kinder zeigen komplexe<br />
Entwicklungsauffälligkeiten. Dabei blei-<br />
ben eine verminderte psychosoziale Belastbarkeit<br />
und Verhaltensauffälligkeiten<br />
teilweise über das gesamte Kindes- und<br />
Jugendalter erhalten. Und immer mehr<br />
Schulkinder sind vom sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-<br />
Syndrom (ADHS) betroffen.<br />
Wesentliche Ursachen hierfür sind<br />
Reizüberflutungen bereits im Kleinkindalter,<br />
zum Beispiel durch zu viel Fernsehen<br />
und Computerspielen; häufig sind<br />
solche Symptome aber auch die Folge<br />
einer zu kurz gekommenen Erziehung.<br />
Die Rolle der Familie als Hort der Erziehung,<br />
zum Erlernen sozialer Kompetenz,<br />
ist geschwächt. Vereinsamung, Isolation<br />
und Vernachlässigung der Kinder nehmen<br />
zu.<br />
Die Frühförderung entwicklungsgestörter<br />
Kinder und das rechtzeitige<br />
Erkennen von Gefährdungen des Kindeswohls<br />
werden deshalb für die Prävention<br />
immer wichtiger. In der <strong>SRH</strong><br />
Hochschule für Gesundheit in Gera, der<br />
ersten privaten Fachhochschule Thüringens,<br />
bilden wir Studentinnen und Studenten<br />
im Studiengang „Interdisziplinäre<br />
Frühförderung“ aus (s. Seite 10). Es<br />
ist der erste Studiengang dieser Art, der<br />
sich explizit der Früherkennung von<br />
Entwicklungsstörungen bei Kindern<br />
von der Geburt bis zur Einschulung<br />
hintErgrund | PErsPEktivEn 1/2009<br />
Prof. dr. Jörg seidel setzt sich für adipositas-Prävention bei<br />
kindern und Jugendlichen ein. Er ist chefarzt der klinik für<br />
kinder- und Jugendmedizin am srh Wald-klinikum gera und<br />
darüber hinaus Professor für Pädiatrie und sozialmedizin an<br />
der srh fachhoch schule für gesundheit in gera.<br />
widmet und interdisziplinäre Behandlungskonzepte<br />
vermittelt. Als Professor<br />
für Pädiatrie und Sozialmedizin habe<br />
ich Lehraufgaben in diesem Studiengang<br />
übernommen und bringe meine<br />
langjährigen Erfahrungen in der Diagnostik<br />
und Therapie entwicklungsgestörter<br />
Kinder ein. Unsere Absolventen<br />
werden künftig verantwortliche Positionen<br />
in interdisziplinären Frühförderzentren<br />
Deutschlands und integrativen Kindereinrichtungen<br />
übernehmen und die<br />
Frühförderung ständig weiterentwickeln.<br />
Ines Purgold, unsere Psychologin<br />
der Kinderklinik, unterstützt uns im<br />
Rahmen des Projekts „Guter Start ins<br />
Kinderleben“. Ziel ist es, Institutionen<br />
rund um den Kinderschutz vom ersten<br />
Lebenstag an zu vernetzen. Diese enge<br />
Zusammenarbeit ermöglicht es uns,<br />
schneller und effektiver zu helfen.<br />
Dies ist auch bei Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen mit psychosomatischen,<br />
psychiatrischen sowie<br />
Suchter krankungen nötig. Essstörungen,<br />
Depression, Alkohol- und Drogenmissbrauch<br />
nehmen in dieser Altersklasse<br />
zu.<br />
In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin<br />
behandeln wir psychosomatische<br />
Erkrankungen, zumeist bei<br />
Mädchen im Alter von 10 bis 18 Jahren.<br />
In der Klinik für Psychiatrie werden<br />
junge Erwachsene mit Suchterkrankungen<br />
therapiert. Prävention spielt dabei<br />
eine herausragende Rolle. Gemeinsam<br />
mit dem Goethe-Gymnasium der Stadt<br />
Gera führen wir seit drei Jahren einmal<br />
jährlich eine Projektwoche „Prävention“<br />
im Klinikum für etwa 50 Schüler der<br />
zehnten Klassen durch. In diesem Jahr<br />
fand wegen des Schuljubiläums lediglich<br />
ein Präventionstag statt. Da das<br />
Projekt bei Schülern wie Lehrern auf<br />
positive Resonanz stößt, wird es auch<br />
künftig weitergeführt.<br />
www.kiggs.de<br />
srh Magazin 19
PErsPEktivEn 1/2009 | hintErgrund<br />
diE EtWas andErE station<br />
simon reiß mit seiner mutter in der neuen kinderstation<br />
die kinder am srh klinikum karlsbad-langensteinbach leiden<br />
an verschiedenen Erkrankungen des Wirbelsäulenapparates.<br />
die mitarbeiter wollen den kleinen Patienten ihren oft<br />
mehrmonatigen aufenthalt so leicht wie möglich machen,<br />
etwa mit besonderem Essen, clowneinlagen und liebevoll<br />
gestalteten räumen. das Wichtigste allerdings ist die individuelle<br />
Patientenversorgung der kinder. vor einigen Wochen<br />
ist die neu eingerichtete kinderstation eröffnet worden.<br />
Jürgen Bächle verkörpert die Geschichte der Kinderstation am<br />
<strong>SRH</strong> Klinikum Karlsbad-Langensteinbach wie kein Zweiter.<br />
Seit 18 Jahren arbeitet er auf der Station, seit 14 Jahren leitet<br />
er sie. Kinder aus der ganzen Welt werden dort behandelt.<br />
Besonders gut im Gedächtnis geblieben ist ihm Simon<br />
Reiß, der jüngste Patient, der im Klinikum bislang operativ<br />
behandelt wurde. Gerade mal acht Monate war er alt, als ihm<br />
Prof. Dr. Jürgen Harms zwei fehlgebildete Halswirbel stabilisierte.<br />
Auch Lea Grießer ist ein besonderer Fall – allerdings<br />
aus anderen Gründen: Mit zehn Jahren war sie als Patientin<br />
hier, später als Krankenpflegeschülerin sowie als Kranken-<br />
20 srh Magazin<br />
speziaListen Für besondere FÄLLe<br />
schwester auf der Kinderstation. Seit vier Jahren arbeitet sie<br />
nun auf der Orthopädischen Intensivstation. „Ich habe die<br />
Mitarbeiter auf der Kinderstation immer als unkompliziert<br />
und den Umgang als besonders herzlich empfunden“, schildert<br />
sie ihre Eindrücke. Vielleicht zog es sie deshalb immer<br />
wieder an den Ort zurück, an dem ihr das Leben neu geschenkt<br />
wurde: Der bei ihr entfernte Tumor zählt zu den<br />
besonders bösartigen.<br />
„Wir wollen den Kindern den Aufenthalt so angenehm<br />
wie möglich machen. Auf keinen Fall sollen die Kinder traumatisiert<br />
sein, wenn sie die Klinik verlassen. Sie sollen die<br />
Operation und alle unschönen Umstände so schnell wie möglich<br />
vergessen“, erläutert Bächle. Viele ehemalige Patienten<br />
verknüpfen positive Erinnerungen mit dieser Station. Sie besuchen<br />
das Team, wenn sie zu ambulanten Kontrolluntersuchungen<br />
hier im Hause sind. Zu Weihnachten bekommen die<br />
Mitarbeiter viele Grüße und Karten, auch von Patienten, die<br />
hier vor Jahren behandelt wurden. „Da spüren wir viel Dankbarkeit“,<br />
erzählt Bächle, der die Arbeit des Teams bestätigt<br />
fühlt. Zur Stammmannschaft zählen insgesamt zehn Kranken
schwestern und Pfleger, zwei Physiotherapeuten und zwei<br />
Lehrer. Zudem wird die Station von zwei Fachärzten und<br />
einem Oberarzt medizinisch betreut.<br />
Da manche Kinder mehrere Monate bleiben müssen und<br />
dennoch in der Schule nichts versäumen sollen, erteilen Lehrer<br />
vor Ort Unterricht – wenn nötig auch direkt am Bett der<br />
Kleinen. Den Lernstoff stimmen die Lehrer mit der jeweiligen<br />
Schule am Heimatort ab.<br />
Die Planung des OP-Termins sowie die Inhalte des stationären<br />
Aufenthalts besprechen das Ärzteteam und Bächle direkt<br />
mit den Eltern der betroffenen Kinder. „Das ist für uns<br />
ein hoher Zeitaufwand, aber es lohnt sich für alle Beteiligten.<br />
Denn so haben die Angehörigen feste Ansprechpartner, und<br />
wir können gezielte Tipps geben“, meint Bächle.<br />
ein clown gegen den kummer<br />
Der direkte Kontakt ist immer besser. So erfolgt die Übergabe<br />
beim Schichtwechsel stets am Bett des Patienten. In seinem<br />
Beisein besprechen Schwestern und Pfleger medizinische und<br />
pflegerische Maßnahmen und des Weiteren werden Wünsche<br />
und die Individualität der Kinder wahrgenommen. Die kleinen<br />
Patienten haben andere Bedürfnisse als Erwachsene. Sie<br />
brauchen oft Zuspruch und Trost, manchmal aber auch nur<br />
Action, Spaß und etwas zum Lachen. Doch irgendwann plagt<br />
jeden das Heimweh. Deshalb kommen einmal pro Woche<br />
Klinikclowns zu jedem der Kleinen und streicheln ihre Seele<br />
(s. Perspektiven 1/2006, S. 14). Mit ihrer Komik und liebevollen<br />
Art bringen sie selbst das traurigste Kind zum Lachen.<br />
Auch das Essen ist ein wichtiger Wohlfühlfaktor. Vor sieben<br />
Jahren hat die Station das Essen komplett umgestellt. Seitdem<br />
gibt es jeden Abend ein kaltes Buffet mit allem, was Kindern<br />
und Jugendlichen schmeckt, und einmal pro Woche werden<br />
abends Spaghetti, Pizza oder andere Leckereien serviert. „Der<br />
Erfolg war direkt messbar. Früher kam der Pizzaservice aus<br />
dem Ort jeden Tag zwei- bis dreimal, heute ist er nur noch<br />
ein- bis zweimal im Monat da“, erzählt Bächle und lacht.<br />
Und auch sonst hat sich einiges geändert, denn seit einigen<br />
Wochen ist die Kinderstation umgezogen. Prof. Dr. Harms<br />
wollte die von ihm betreuten drei Wirbelsäulenstationen auf<br />
einer Ebene angesiedelt wissen. Das erleichtert die Kommunikation<br />
untereinander, verkürzt Wege und spart Ressourcen.<br />
Die Zimmer sind nun heller, es gibt einen herrlichen Ausblick<br />
über ganz Karlsbad, und die Balkone sind ein Traum.<br />
So können die Patienten und Eltern wenigstens einen Teil des<br />
Aufenthaltes direkt an der frischen Luft genießen. Bächle und<br />
sein Team waren vom ersten Tag an voll in die Planung mit<br />
eingebunden. „Dieses Engagement hat uns Freude gemacht.<br />
Denn erst die enge Einbindung und die gute Kooperation, vor<br />
allem mit Michael Hartmann (Leiter Technischer Service) und<br />
Christine Schüler-Franken (Qualitätsmanagement), haben es<br />
uns ermöglicht, alles so patientenfreundlich wie möglich zu<br />
gestalten: vom Farbkonzept bis hin zur Auswahl der Möbel.“<br />
hintErgrund | PErsPEktivEn 1/2009<br />
Ein ganz besonderes Highlight der neuen Station sind die<br />
Bettfernseher, die jedem Patienten zur Verfügung stehen. Die<br />
eigene Playstation oder MP3-Player können ganz einfach mit<br />
dem Fernseher verbunden werden. Das „Zocken“ und „Zappen“<br />
trägt einen erheblichen Teil zur Ablenkung von Schmerzen<br />
und allgemeinem Krankheitsgefühl bei und damit auch<br />
zur Genesung.<br />
Mittlerweile ist die Kinderstation eröffnet. Und wer weiß,<br />
vielleicht nutzen Simon Reiß’ Eltern ja einen Nachsorgetermin<br />
zu einem Besuch auf der neuen Station.<br />
georg haiber<br />
Jürgen bÄchLe<br />
„Wir WoLLen den kindern<br />
den auFenthaLt so angenehM<br />
Wie MögLich Machen. auF<br />
keinen FaLL soLLen die kinder<br />
trauMatisiert sein, Wenn sie die<br />
kLinik verLassen.“<br />
Jürgen bächle und lea grießer: sie war zuerst Patientin, dann<br />
schülerin; heute sind beide kollegen am klinikum.<br />
srh Magazin 21
PErsPEktivEn 1/2009 | hintErgrund<br />
im big-bang-vErfahrEn<br />
die srh kliniken vereinheitlichen ihr itsystem<br />
und erweitern es bis 2010 sukzessive<br />
auf topniveau. für die Patienten<br />
reduzieren sich Wartezeiten und<br />
therapiekosten. ärzte und Pflegekräfte<br />
sollen mit wenigen klicks alle informationen<br />
erreichen können und sich zukünftig<br />
schneller mit niedergelassenen<br />
ärzten sowie reha- und Pflegeeinrichtungen<br />
verständigen. das erhöht letztlich<br />
auch die behandlungssicherheit für<br />
Patienten.<br />
IT-Spezialisten gehören heute genau<br />
wie Ärzte und Krankenschwestern zum<br />
festen Inventar eines Krankenhauses.<br />
Sie arbeiten meist im Hintergrund,<br />
kümmern sich um den „Organismus“<br />
Krankenhaus und greifen ein, wenn<br />
Abläufe haken oder neue Anwendungen<br />
integriert werden – wie derzeit bei<br />
der <strong>SRH</strong>. In drei Phasen wollen Martin<br />
Schneider, Leiter IT bei der <strong>SRH</strong>, und<br />
sein Team an allen <strong>SRH</strong> Kliniken die<br />
Krankenhaussoftware ORBIS einführen<br />
und bis Ende 2010 sukzessive ausbauen.<br />
Phase eins ist in Kürze abgeschlossen.<br />
Die neue Software hat dann sämtliche<br />
bestehenden Funktionalitäten in<br />
den Häusern übernommen. Diese umfassen<br />
alle Stationen und reichen von<br />
der Aufnahme des Patienten über die<br />
Behandlung und Therapie bis hin zur<br />
Entlassung. Integriert sind beispielsweise<br />
die gesamte Patientenabrechnung,<br />
ambulant und stationär, das OP-Mana gement,<br />
das komplette Berichtswesen einschließlich<br />
aller gesetzlichen Bestimmungen<br />
sowie das Erstellen des Arztbriefs,<br />
der konzernweit einheitlich aussieht.<br />
Die Herausforderung der IT-Mitarbeiter<br />
besteht darin, in den „Organismus“<br />
einzugreifen, ohne den Krankenhausbetrieb<br />
zu stören. „Das heißt für<br />
uns: Funktionalitäten müssen auf einen<br />
Schlag abgelöst werden, gewissermaßen<br />
im Big-Bang-Verfahren. Wochenend-<br />
und Feiertagsarbeit sind damit für mich<br />
und meine 20 Projektmitarbeiter selbstverständlich“,<br />
erklärt Schneider. Auch<br />
die Schulungen sechs bis sieben Wochen<br />
vor dem Start einer neuen Anwendung<br />
sind eine Herausforderung, denn<br />
22 srh Magazin<br />
srh baut it an aLLen kLiniken aus<br />
martin schneider und sein team bringen bis 2010 alle srh kliniken<br />
informationstechnisch auf topniveau.<br />
innerhalb kürzester Zeit sind Hunderte<br />
von Mitarbeitern einzuweisen. In <strong>Suhl</strong><br />
waren es beispielsweise 900, in Gera<br />
werden es sogar circa 1.300.<br />
assistenz für Ärzte<br />
In den nächsten beiden Phasen, die<br />
fließend ineinander übergehen, geht es<br />
darum, klinische Pfade zu implementieren.<br />
„In den vergangenen Jahren<br />
wurde eher in Informationstechnologie<br />
für die Verwaltung investiert, der medizinische<br />
Bereich hat entsprechend<br />
Nachholbedarf. Diesen wollen wir im<br />
Zuge des Projekts decken“, erläutert<br />
Schneider. Entgegen kommt den IT-<br />
Spezialisten der modulare Aufbau des<br />
Systems; Anwendungen können beliebig<br />
erweitert werden. So soll das System<br />
künftig auch Assistenzfunktionen<br />
übernehmen, aus vorhandenen medizinischen<br />
Daten Hinweise generieren.<br />
Beispielsweise weist das System den<br />
behandelnden Arzt darauf hin, dass<br />
der Patient nur eine bestimmte Arznei-<br />
mitteldosis verträgt, etwa wenn es sich<br />
um einen Dialyse-patienten handelt<br />
oder wenn in der Anamnese eine<br />
Niereninsuffizienz an gegeben ist. In<br />
allen Fällen entscheidet aber letztlich<br />
der Arzt.<br />
Solche medizinischen Services<br />
unterstützen den Arzt, aber auch das<br />
Pflegepersonal und machen die Behandlung<br />
für den Patienten sicherer.<br />
Schneider will auch künftig die Arbeit<br />
der Mediziner erleichtern. „Dafür müssen<br />
wir eng mit ihnen zusammenarbeiten,<br />
um rechtzeitig zu erkennen, an<br />
welchen Stellen im Prozess Handlungsbedarf<br />
besteht.“ Von der Software ist<br />
Schneider überzeugt: „Wir sind sicher,<br />
mit ORBIS die richtige Wahl getroffen<br />
zu haben. Wenn auch der Weg bis dahin<br />
gerade in der Anfangsphase steinig<br />
ist; Ende 2010 wird das Projekt abgeschlossen<br />
und jede der Kliniken informationstechnisch<br />
auf Topniveau sein.“<br />
georg haiber
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Mannheim: s. 2 (unten), s. 7; siGnUM, Mannheim: s. 2, s. 6, s. 17; timo Volz, Mannheim: s. 2 (oben rechts), s. 3 (links), s. 9, s. 13–14,<br />
s. 19–22; sRh holding: s. 3 (rechts); sRh <strong>Zentralklinikum</strong> suhl: s. 4; istockfoto: s. 5, s. 10, s. 18; thomas heppner, stuttgart: s. 12; Monika<br />
Majonek, Gera: s. 15; Jährliche innenteil: sRh Erscheinungsweise <strong>Zentralklinikum</strong> suhl: und s. auflage: i-iV zwei ausgaben „PeRsPektiVen bildung“ (10.000 exemplare);<br />
Jährliche zwei ausgaben Erscheinungsweise „PeRsPektiVen und Gesundheit“ auflage: zwei (16.000 ausgaben exemplare) „PeRsPektiVen bildung“ (10.000 exemplare); zwei ausgaben „PeRsPekti-<br />
Ven Gesundheit“ (16.000 exemplare)<br />
alle Rechte vorbehalten. Reproduktion nur mit ausdrücklicher Genehmigung des herausgebers und der Redaktion. für unverlangt<br />
eingesandtes alle Rechte vorbehalten. Material übernimmt Reproduktion die Redaktion nur mit ausdrücklicher keine Gewähr. Genehmigung des herausgebers und der Redaktion. für unverlangt<br />
eingesandtes Material übernimmt die Redaktion keine Gewähr.<br />
Redaktionsschluss dieser ausgabe: 30. Januar 2009. Die nächste ausgabe „PeRsPektiVen Gesundheit“ erscheint im Oktober 2009.<br />
„PeRsPektiVen Redaktionsschluss bildung“ dieser ausgabe: erscheint 30. im Juni Januar 2009. 2009. Die nächste ausgabe „PeRsPektiVen Gesundheit“ erscheint im Oktober 2009.<br />
„PeRsPektiVen bildung“ erscheint im Juni 2009.<br />
srh Magazin 23