pErspEktivEn - SRH Zentralklinikum Suhl
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PERSPEKTIVEN DAS SRH MAGAZIN AUSGABE 1/2012 GeSuNDHeIt Gebündelte Kompetenz Wie Patienten profitieren ein Arzt für Alle fälle Dr. Ralph Oberacker ist Notarzt und Organisator mit neuem Appetit und lebensmut eine Schmerztherapie hilft Gotthold Golze
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PERSPEKTIVEN<br />
DAS <strong>SRH</strong> MAGAZIN AUSGABE 1/2012<br />
GeSuNDHeIt<br />
Gebündelte<br />
Kompetenz<br />
Wie Patienten profitieren<br />
ein Arzt für Alle fälle<br />
Dr. Ralph Oberacker ist Notarzt und Organisator<br />
mit neuem Appetit und lebensmut<br />
eine Schmerztherapie hilft Gotthold Golze
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | inhalt<br />
2 srh Magazin<br />
Editorial _________________________________ 3<br />
fokus _____________________________________ 4<br />
Wissenschaft<br />
„MEdizin Muss sprEchEn“ 6<br />
Interview mit Prof. Dr. Volker Hömberg<br />
ErstE hilfE für diE lEbEr 8<br />
TIPS-Methode kann Leben retten<br />
Titelthema der aktuellen<br />
<strong>pErspEktivEn</strong> bildung:<br />
Mein Job und ich<br />
Die neue Ausgabe<br />
erscheint im Juni 2012.<br />
nEuro-rEha: nEuE WEgE 6<br />
Menschen<br />
Ein tag Mit dr. ralph obErackEr 10<br />
Ein arzt für allE fällE 10<br />
Dr. Ralph Oberacker ist Notarzt und Organisator<br />
Mit nEuEM appEtit und lEbEnsMut 14<br />
Eine Schmerztherapie hilft Gotthold Golze
Mvz: allEs untEr EinEM dach 16<br />
hinteRGRUnD<br />
allEs untEr dach und fach 16<br />
Medizinische Versorgungszentren nützen allen<br />
„MEinE patiEntinnEn profitiErEn“ 19<br />
Interview mit Gynäkologin Dr. Sabine Brinkmann<br />
gEMischtEs doppEl 20<br />
Ausgebildete Servicekräfte unterstützen<br />
die Pflege<br />
WEg Mit dEn pfundEn 22<br />
Zertifizierte Behandlung für Adipositas-Patienten<br />
Liebe Leserin, Lieber Leser,<br />
ein umfassendes Paket medizinischer, therapeutischer und pfle<br />
gerischer Leistungen, eingebettet in menschliche Wärme – das ist<br />
es, was wir Patienten bieten möchten. interdisziplinarität gehört<br />
daher zu unseren Prinzipien. nur wenn verschiedene spezialisten<br />
zusammenarbeiten, ist höchste Qualität erreichbar – von der<br />
Diagnose bis zur ambulanten nachsorge. ein Beispiel ist die neue<br />
abteilung für neurologische Rehabilitation im sRh Gesund<br />
heitszentrum Bad Wimpfen. Dort werden moderne und indivi<br />
duell anpassbare therapiekonzepte umgesetzt, in die aktuelle<br />
erkenntnisse aus neurologie, Rehabilitationswissenschaft oder<br />
Musiktherapie einfließen. ebenso erfolgreich ist die Kombination<br />
verschiedener Disziplinen in der Zentralen aufnahme im sRh<br />
Klinikum KarlsbadLangensteinbach. Das ergebnis: eine sichere<br />
und zügige Versorgung von notfall und terminpatienten.<br />
Von einer fachübergreifenden Zusammenarbeit hat zum<br />
Beispiel Gotthold Golze profitiert: ein Jahr lang konnte er nicht<br />
schmerzfrei essen. Das team des Zentrums für interdisziplinäre<br />
schmerztherapie am sRh WaldKlinikum Gera half ihm mit einer<br />
außergewöhnlichen Methode. Und auch unsere medizinischen<br />
Versorgungszentren in suhl und Gera zeigen: Bringen spezialisten<br />
verschiedener Disziplinen ihre sicht ein, schärft sich ihr Gesamt<br />
bild des Patienten – die Basis für eine erfolgreiche therapie.<br />
ihr<br />
Professor Klaus hekking<br />
Vorstandsvorsitzender der sRh holding<br />
Editorial | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
srh Magazin 3
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | fokus<br />
Zentrum für komplementäre Medizin<br />
altErnativ hEilEn<br />
srh Wald-klinikum gera eröffnet zentrum für komplementäre Medizin,<br />
naturheilkunde und akupunktur<br />
„Medicus curat, natura sanat: Der Mediziner behandelt, die Natur heilt.“<br />
Unter diesem Motto arbeitet das Ende Oktober 2011 eröffnete Zentrum für<br />
komplementäre Medizin (ZKM) am <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum. Die erste Einrichtung<br />
dieser Art innerhalb der <strong>SRH</strong> bietet etablierte Verfahren der Schulmedizin<br />
sowie alternative Behandlungsmöglichkeiten der traditionellen chinesischen<br />
Medizin wie Akupunktur und Pflanzenheilkunde, ergänzt durch Tai-Chi- und<br />
Yoga-Kurse sowie Therapien bei verschiedensten Erkrankungen, unter anderem<br />
chronischer Müdigkeit. Das Angebot steht sowohl Patienten des Klinikums<br />
als auch allen übrigen Interessierten offen.<br />
„In seiner Form ist das ZKM bislang einmalig in Thüringen und eine ideale<br />
Ergänzung zur modernen Medizin im <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum“, sagt ZKM-Leiter<br />
Heiko Förster. So sei die enge Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum und<br />
den Ärzten des Klinikums einer der großen Vorteile.<br />
„Außerdem können wir uns aufgrund<br />
unserer Strukturen viel Zeit für unsere Patienten<br />
nehmen, ihnen eine individuelle<br />
Therapie bieten und meist auch jenen helfen,<br />
für die die Schulmedizin keine Lösung<br />
parat hat“, betont Förster. Der Einsatz schonender<br />
Alternativen, etwa die Behandlung<br />
mit Probiotika bei chronischen Infekten,<br />
gehört ebenfalls zu den Schwerpunkten des<br />
Zentrums. Für einzelne Kurse im<br />
ZKM übernehmen die Krankenkassen<br />
die Kosten. Teilnehmer<br />
sollten sich daher vor<br />
Beginn einer Behandlung<br />
informieren. Auskunft<br />
geben auch die Mitarbeiter<br />
des ZKM.<br />
4 srh Magazin<br />
zkM, heiko förster (leitung)<br />
telefon: (03 65) 828 65 20<br />
E-Mail: zkm-gera@wkg.srh.de<br />
www.waldklinikumgera.de<br />
akupunkturmodell mit<br />
Meridianen und<br />
akupunkturpunkten.<br />
auszeichnung<br />
gut koMMuniziErt<br />
srh erhält health Media award für<br />
innovative klinikkommunikation 2011<br />
Ausgezeichnet wurde das neue Design<br />
für die Internetseiten und Broschüren<br />
der <strong>SRH</strong> Krankenhäuser in Bad Wimpfen,<br />
Heidelberg und Oberndorf sowie der<br />
Webauftritt des Kulturkrankenhauses<br />
Gera. Die Jury begründete ihre Entscheidung<br />
damit, dass es bezüglich der Güte,<br />
der Qualität und des Umfangs keine<br />
annähernd vergleichbaren Einreichungen<br />
gegeben habe. Damit setzte sich die <strong>SRH</strong><br />
gegen 18 Mitbewerber durch.<br />
Der Health Media Award wird jährlich<br />
im Rahmen des Trendforums Gesundheit<br />
vergeben und prämiert Bestleistungen in<br />
der Gesundheitskommunikation. Denn<br />
auch Kliniken müssen heutzutage Strategien<br />
entwickeln, wie sie ihre Stärken am<br />
besten kommunizieren. Durch die Vergleichsmöglichkeiten<br />
im Internet und die<br />
gestiegene Mobilität wählen Patienten<br />
nicht mehr automatisch das nächstliegende<br />
Krankenhaus für ihre medizinische<br />
Versorgung, sondern suchen gezielt<br />
nach Kliniken mit namhaften Experten<br />
oder moderner Ausstattung.<br />
Verliehen wurden die Health Media<br />
Awards 2011 im September im Rhein-<br />
EnergieStadion in Köln. Schirmherr ist<br />
die Deutsche Gesundheitshilfe e. V.
eLearning in Kliniken<br />
Ein lEbEn lang lErnEn<br />
projekt der srh fachhochschule für gesundheit gera testet, wie sich<br />
pflegekräfte über 50 trotz hoher arbeitsbelastung und kostendruck<br />
weiterbilden können<br />
Unterstützt vom IT- und Mediendienstleister e/t/s didactic media und dem<br />
MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung, hat die <strong>SRH</strong> Fachhochschule<br />
für Gesundheit Gera „Flexicare 50+“ entwickelt. Das Lernprogramm ist<br />
speziell auf ältere Pflegekräfte zugeschnitten. „Zwar verfügen diese über einen<br />
großen Erfahrungsschatz, tun sich häufig aber schwer, im Berufsalltag neues<br />
Fachwissen zu erwerben“, erklärt Dr. Lutz Goertz, Abteilungsleiter Bildungsforschung<br />
beim MMB-Institut. Ziel des Projekts, das vom Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds für Deutschland<br />
gefördert wird, ist, zu testen, ob und wie E-Learning solchen Mitarbeitern das<br />
Lernen erleichtern kann.<br />
für die dauer des projekts stehen den teilnehmern tablet-pcs zur verfügung, damit sie bei<br />
bedarf auf kurze lernlektionen zu aktuellen themen zugreifen können.<br />
Ab Frühjahr 2012 werden rund 100 Teilnehmer in fünf Kliniken das Lernprogramm<br />
drei Jahre lang im Berufsalltag testen. In der ersten Phase, dem<br />
„Micro-Learning“, können sie bei Bedarf per Tablet-PC auf etwa zehnminütige<br />
Lernlektionen zu aktuellen Themen ihres Berufsalltags zugreifen. Die nächste<br />
Phase, das „Blended Learning“, kombiniert klassische Seminare, internetbasierte<br />
Lektionen sowie Veranstaltungen im virtuellen Klassenzimmer. In der letzten<br />
Phase, der „Community of Practice“, tauschen sich die Teilnehmer via Internet<br />
über verschiedene berufsbezogene Themen aus. „Wir sind gespannt darauf, zu<br />
erfahren, wie sich der kollegiale Dialog über solche Lernmedien gestaltet und<br />
ob es vielleicht sogar gelingt, dass sich klinikübergreifende Lerngruppen finden“,<br />
sagt Projektleiterin Prof. Dr. Margot Sieger von der <strong>SRH</strong> Fachhochschule<br />
für Gesundheit. Sie hofft, dass solche mediengestützten Lernformen künftig<br />
auch in anderen Kliniken eingesetzt werden. Denkbar sei ebenfalls, sie auf<br />
andere Branchen zu übertragen.<br />
www.flexicare50plus.de<br />
fokus | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
Gemeinsam besser werden<br />
Qualität iM fokus<br />
srh krankenhaus oberndorf am neckar<br />
ist neues Mitglied der „initiative<br />
Qualitätsmedizin“<br />
Damit folgt das Krankenhaus dem Beispiel<br />
der übrigen <strong>SRH</strong> Kliniken, die<br />
bereits Mitglieder sind. „Wir haben den<br />
Anspruch, unseren Patienten hochwertige<br />
Leistungen und größtmögliche<br />
Sicherheit zu bieten. Von der Mitgliedschaft<br />
versprechen wir uns unter<br />
anderem neue Maßstäbe im Interesse<br />
bester Medizin“, betont Harald Glatthaar,<br />
Geschäftsführer des Krankenhauses<br />
in Oberndorf a. N.<br />
In der 2008 gestarteten Initiative, zu<br />
deren Gründungsmitgliedern die <strong>SRH</strong><br />
gehört, engagieren sich Krankenhäuser<br />
aus Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz für mehr medizinische Qualität<br />
bei der Behandlung ihrer Patienten.<br />
Ziel ist es, Verbesserungspotenziale aufzudecken<br />
und ein konstruktives Fehlermanagement<br />
zu betreiben. Dazu untersuchen<br />
die Mitglieder in einem<br />
speziellen Verfahren die Abläufe in den<br />
einzelnen Kliniken. Besteht in einer<br />
Klinik Handlungsbedarf, werden entsprechende<br />
Maßnahmen eingeleitet.<br />
Anschließend wird das Ergebnis gemeinsam<br />
überprüft. Die Krankenhäuser<br />
verpflichten sich zudem, jährlich ihre<br />
Qualitätsergebnisse nach IQM-Standards<br />
zu publizieren. Damit gehen sie weit<br />
über das gesetzlich geforderte Maß an<br />
Transparenz hinaus.<br />
Insgesamt versorgen die mehr als<br />
200 IQM-Krankenhäuser jährlich rund<br />
2,7 Millionen Patienten stationär.<br />
www.initiative-qualitaetsmedizin.de<br />
srh Magazin 5
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | WissEnschaft<br />
„MEdizin Muss sprEchEn“<br />
im oktober 2011 hat das srh gesundheitszentrum<br />
bad Wimpfen eine<br />
abteilung für neurologische rehabilitation<br />
eröffnet. dort erhalten patienten,<br />
etwa nach einem schlaganfall,<br />
eine kompetente nachbehandlung.<br />
<strong>pErspEktivEn</strong> sprach mit dem leiter<br />
prof. dr. volker hömberg über<br />
moderne therapiemethoden und die<br />
positive Wirkung von Musik.<br />
■ herr professor hömberg, was hat sie<br />
daran gereizt, für die srh in bad Wimpfen<br />
eine abteilung für neurologische rehabilitation<br />
aufzubauen?<br />
In den letzten 25 Jahren habe ich mehrere<br />
solcher Kliniken konzipiert und<br />
mit aufgebaut. Das ist immer spannend,<br />
schließlich bietet sich hier die Chance,<br />
aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
umzusetzen. Gerade bei einem so innovationsfreudigen<br />
Unternehmen wie <strong>SRH</strong><br />
finde ich zudem ideale Rahmenbedingungen<br />
vor. Immerhin habe ich den<br />
Anspruch, dass unsere Abteilung schon<br />
bald in der obersten Liga mitspielt. Die<br />
Chancen dafür stehen gut. Zum einen,<br />
weil wir im Gesundheitszentrum Fachrichtungen<br />
wie Kardiologie, Orthopädie<br />
und Wundzentrum unter einem Dach<br />
haben. Zum anderen, weil wir ein sehr<br />
gutes Team aus Ärzten, Therapeuten<br />
und Sozialarbeitern sind, mit einer erstklassigen<br />
Ausstattung und einem modernen,<br />
effizienzbasierten Therapieverständnis:<br />
Dieses bildet die individuellen<br />
Bedürfnisse des Patienten ab und beinhaltet<br />
viele in ihrer Wirksamkeit überprüften<br />
Gruppentherapien. Dieses<br />
Szenario einer modernen motorischen<br />
Therapie, das ich erst kürzlich für das<br />
amerikanische Handbuch der Neurologie<br />
zusammengefasst habe, werden wir<br />
in Bad Wimpfen umsetzen.<br />
■ Was unterscheidet neurologische reha<br />
von der anderer indikationen?<br />
Sehen Sie, nach einer Hüft-OP gibt es ein<br />
klar umrissenes Problem: Der Patient<br />
hinkt, die Hüfte muss bewegt werden.<br />
Neurologische Reha ist da ungleich<br />
komplexer. Je nachdem, welcher Teil<br />
des zentralen Nervensystems betroffen<br />
ist, können Motorik, Sensorik, Gedächt-<br />
6 srh Magazin<br />
interview Mit Prof. Dr. voLker HöMberg<br />
prof. dr. volker hömberg, Jahrgang 1954, ist Experte für neurologische rehabilitation. Moderne<br />
therapiekonzepte und -geräte, wie hier der lokomat, sowie ein tief greifendes verständnis für die<br />
bedürfnisse jedes patienten sind für ihn voraussetzung für Erfolg.
nis, Konzentration, Sprache oder Wahrnehmung<br />
gestört sein. Daher analysieren<br />
wir zunächst Fähigkeiten und Defizite<br />
jedes Patienten und entwickeln einen<br />
passenden Behandlungsplan. Therapie<br />
wirkt umso besser, je individueller sie<br />
ist. Und sie muss fordern, darf aber<br />
nicht überfordern. Um auf jeden Einzelnen<br />
eingehen zu können, sei er nun<br />
20 oder 80 Jahre alt, arbeiten wir mit<br />
einem modularen Therapieansatz, bei<br />
dem die Teilnehmer von einem Therapieplatz<br />
zum nächsten wechseln – je nachdem,<br />
welche Behandlung sie gerade<br />
benötigen. Wichtig dabei ist, dass der<br />
Patient sinnvolle, lebensnahe Dinge tut.<br />
Nur so gelingt es, ihn zu motivieren und<br />
das Ziel – seine maximale Autonomie –<br />
zu erreichen.<br />
■ das dürfte aber gerade bei älteren<br />
oder schwerkranken schwierig sein?<br />
Stimmt. Dennoch ist es richtig, sich<br />
ehrgeizige Ziele zu stecken. Schließlich<br />
möchten wir, dass das Gros der Patienten<br />
gut in den Alltag zurückfindet,<br />
eventuell sogar wieder arbeiten kann.<br />
Erfreulicherweise sind viele der heutigen<br />
Therapietechniken so konzipiert,<br />
dass die Patienten sie eigenständig<br />
durchführen können und dadurch auch<br />
zu Hause aktiv bleiben. Ein Beispiel ist<br />
die Forced-Use-Therapie. Durch das<br />
Blockieren der gesunden Seite, etwa<br />
per Schiene, ist der Erkrankte „gezwungen“,<br />
die gelähmte Seite zu benutzen,<br />
statt sie zu schonen. Doch neurologische<br />
Reha ist nicht nur angewandte Hirnforschung.<br />
Sie beschäftigt sich auch mit<br />
Aspekten des sozialen Umfelds: Wird<br />
der Patient von Verwandten unterstützt,<br />
oder ist er auf sich gestellt? Benötigt er<br />
Hilfsmittel? Daher bereiten unsere Sozialarbeiter<br />
eine Entlassung gewissenhaft<br />
vor und helfen bei allen organisatorischen<br />
Fragen.<br />
■ und wie viel zeit bleibt im alltag für<br />
die Wissenschaft?<br />
Sie hat bei uns einen festen Platz.<br />
Schließlich verstehen wir dank des<br />
enormen Fortschritts bei den neurologi-<br />
schen Wissenschaften immer besser, wie<br />
unser Gehirn funktioniert und sich nach<br />
Schädigung reorganisiert oder warum<br />
bestimmte therapeutische Methoden<br />
positiv wirken. Dieses Wissen hilft uns,<br />
bestehende Techniken zu verbessern<br />
oder neue zu entwickeln. Langfristig interessant<br />
sind selbst Fragen, die scheinbar<br />
nichts mit unserem Arbeitsalltag<br />
zu tun haben: Ist es beispielsweise möglich,<br />
einen Teil der Sprachkompetenz<br />
von der linken in die rechte Gehirnhälfte<br />
zu verlagern, indem man Kindern beibringt,<br />
beidhändig zu schreiben? Wären<br />
sie so in der Lage, im Ernstfall eine<br />
Sprachstörung besser zu kompensieren?<br />
Prof. Dr. voLker HöMberg<br />
„tHeraPie wirkt uMso besser, je inDiviDueLLer<br />
sie ist. unD sie Muss forDern, Darf aber<br />
niCHt überforDern.“<br />
Ich denke, genau das macht die<br />
Qualität einer Reha-Klinik aus: wenn<br />
dort nicht einfach nur behandelt,<br />
sondern Therapie auch immer wieder<br />
wissenschaftlich hinterfragt und überprüft<br />
wird, etwa in Form von Studien.<br />
■ als generalsekretär der gesellschaft<br />
für klinische neuromusikologie beschäftigen<br />
sie sich intensiv mit der rolle von<br />
Musik in der neurologie. inwiefern ist das<br />
für ihre arbeit interessant?<br />
Inzwischen ist erwiesen, dass sich<br />
Musik positiv auf die Behandlung bestimmter<br />
Krankheitsbilder auswirkt.<br />
Denken Sie nur an die Erfolge der<br />
Musiktherapie, etwa bei schweren<br />
Sprachstörungen. Da wir immer besser<br />
verstehen, wie Musik und Gehirn inter-<br />
WissEnschaft | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
agieren, können wir diese Erkenntnisse<br />
nutzen, unser Spektrum an Therapietechniken<br />
zu erweitern. Die Neuromusikologie<br />
führt uns zudem hervorragend<br />
vor Augen, wie fruchtbar interdisziplinäres<br />
Denken ist. Sie bringt Neurologen,<br />
Künstler, Musik- und Sozialwissenschaftler<br />
und Philosophen zusammen<br />
und gibt der klinischen Anwendung<br />
neue Impulse. Ich hoffe daher, dass wir<br />
künftig verstärkt auch mit den Musiktherapeuten<br />
der <strong>SRH</strong> Hochschule<br />
Heidelberg zusammenarbeiten.<br />
■ sehen sie darüber hinaus noch weitere<br />
synergien innerhalb der srh?<br />
Die <strong>SRH</strong> bildet zwei wesentliche Themen<br />
unserer Gesellschaft wunderbar ab:<br />
Medizin und Bildung. Diese sollten wir<br />
noch stärker verzahnen – bis hin zur<br />
Entwicklung neuer therapeutischer Bildungsinhalte<br />
oder Berufsbilder. Beispiel<br />
neurologische Reha: Hier werden künftig<br />
vermehrt spezialisierte Therapeuten<br />
gefragt sein, die nicht mehr nur Behandler,<br />
sondern Experten für motorisches<br />
und kognitives Lernen sind und<br />
über einen wissenschaftlichen Hintergrund<br />
verfügen.<br />
Darüber hinaus sollten wir den Dialog<br />
zwischen den Disziplinen stärken.<br />
Einen Schritt haben wir bereits getan:<br />
Seit Januar bieten wir eine Weiterbildung<br />
mit klinischer Tätigkeit für Neurologen<br />
und Neurochirurgen an, die die<br />
wesentlichen Inhalte im Zusammenspiel<br />
von Neurologie und Reha-Wissenschaft<br />
vermittelt. Darüber hinaus möchte ich<br />
jungen Ärzten noch etwas mit auf ihren<br />
Weg geben: Medizin sollte den ganzen<br />
Menschen im Blick haben. Und sie<br />
muss sprechen – auf eine für die Patienten<br />
verständliche Art.<br />
gabrieLe jörg<br />
iM MittElpunkt: dEr aktivE patiEnt<br />
Mit der neuen abteilung für neurologische rehabilitation für die reha-Phasen C<br />
und D schließt das srH gesundheitszentrum bad wimpfen eine versorgungslücke<br />
in der region. bislang mussten Patienten nach der akutmedizinischen versorgung<br />
in reha-kliniken im schwarzwald oder am bodensee überwiesen werden. Das<br />
neue angebot deckt sämtliche bereiche der neurologischen reha ab und richtet<br />
sich an erwachsene mit erkrankungen wie schlaganfällen oder schädel-Hirn-ver-<br />
letzungen sowie an Patienten mit tumoren, Parkinson oder Multipler sklerose.<br />
srh Magazin 7
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | WissEnschaft<br />
ErstE hilfE für diE lEbEr<br />
Eine chronisch vernarbende leberentzündung, im fachjargon<br />
leberzirrhose, kann zu lebensgefährlichen blutungen und<br />
ansammlung von flüssigkeit im bauchraum führen. durch<br />
die implantation eines drahtröhrchens lässt sich die gefahr<br />
bannen. dr. Marc Walther, chefarzt der klinik für innere<br />
Medizin ii am srh zentralklinikum suhl, hat die Methode<br />
dort eingeführt.<br />
Jahr für Jahr sterben knapp 20.000 Menschen an den Folgen<br />
einer Leberzirrhose. Nicht selten sind innere Blutungen im<br />
Bereich des oberen Magens und der Speiseröhre die Todesursache.<br />
„Wird beispielsweise eine solche Blutung nicht innerhalb<br />
kurzer Zeit mit einer Magenspiegelung gestoppt, stirbt<br />
der Betroffene“, sagt Marc Walther. Letztlich ließe sich dies<br />
nur vermeiden, indem man die Ursache, also die Leberzirrhose,<br />
beseitige. „Das geht nur mit einer Lebertransplantation.<br />
Allerdings stehen dafür nicht genügend Spenderorgane zur<br />
Verfügung. Wir haben daher nach einer Lösung gesucht, wie<br />
wir die lebensbedrohlichen Blutungen und die Bauchwassersucht<br />
(Aszites) verhindern und den Zeitraum bis zur rettenden<br />
Transplantation zuverlässig überbrücken können“, erklärt<br />
Walther.<br />
Die von ihm am <strong>Suhl</strong>er Klinikum eingeführte operative<br />
Methode heißt „transjugulärer intrahepatischer portosystemischer<br />
Shunt“ oder schlicht TIPS. Sie wurde bereits Ende der<br />
1980er-Jahre am Freiburger Universitätsklinikum erstmals<br />
erfolgreich angewendet und seitdem sukzessive optimiert.<br />
Mittlerweile wird das Verfahren an einigen großen Kliniken<br />
angeboten; zu den Vorreitern zählen in Thüringen das <strong>SRH</strong><br />
Wald-Klinikum in Gera sowie – seit Sommer vergangenen<br />
Jahres – auch das <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong>.<br />
ein ventil für das blut<br />
Bei der TIPS-Methode implantieren die Ärzte dem Betroffenen<br />
ein Röhrchen aus feinem Spezialdraht (Stent), das innen teilweise<br />
mit einem speziellen Kunststoff beschichtet ist. Das<br />
Implantat wird dabei über die Halsvene durch den Brustkorb<br />
bis zur Leber geführt. Dort verbindet das Röhrchen die Schlagader,<br />
die das Blut in die Leber transportiert, mit der, die es<br />
gereinigt aus der Leber zum Herzen abführt. Das Blut wird<br />
8 srh Magazin<br />
tiPs-MetHoDe kann Leben retten<br />
auf diese Weise an der Leber vorbeigeleitet, der Kreislauf<br />
gewissermaßen kurzgeschlossen. „Im Prinzip ist die Vorgehensweise<br />
ähnlich wie beim Setzen eines Stents, der die Gefäße<br />
für den Blutdurchfluss offen hält und auf diese Weise Herzinfarkten<br />
vorbeugt“, erläutert Walther. „Bei der TIPS-Methode<br />
jedoch verknüpfen wir durch einen Stent zwei unterschiedliche<br />
Gefäße direkt miteinander, damit der Blutkreislauf in<br />
Fluss bleibt.“<br />
Das ist nötig, denn durch die chronische Entzündung<br />
kommt es zu einem narbigen Umbau der Leber. In der Folge<br />
verschlechtert sich die Durchblutung, das Blut staut sich in<br />
der sogenannten Pfortader am Eingang der Leber. Durch den<br />
anstehenden Druck sucht sich das Blut neue Wege, und es<br />
bilden sich Krampfadern im Bereich des oberen Magens und<br />
der Speiseröhre. Wenn diese Adern platzen, kommt es zu den<br />
erwähnten Blutungen. Zudem kann sich Wasser im Bauch<br />
ansammeln, und die Nieren werden geschädigt.<br />
was der Leber zusetzt<br />
Gefährdet sind Menschen mit chronischem Leberleiden, meist<br />
verursacht durch Krankheiten wie Hepatitis B und C oder Alkoholmissbrauch.<br />
Die Hepatitis-Viren und die giftigen Stoffwechselprodukte<br />
aus dem Alkoholabbau zerstören die Leberzellen.<br />
Diese alarmieren das Immunsystem. Entzündungszellen<br />
werden aktiviert, wandern in die Leber und schädigen sie<br />
zusätzlich. Schließlich sterben die Leberzellen ab und werden<br />
durch Bindegewebszellen ersetzt. Es bilden sich Narben, in<br />
der Folge verknotet sich das Organgewebe regelrecht, und<br />
die Leber schrumpft; Ärzte sprechen dann von Schrumpfleber<br />
oder Leberzirrhose.<br />
Bei einer Zirrhose kann die Leber das Blut nicht mehr<br />
reinigen. Mit der Zeit treten deshalb Vergiftungserscheinungen<br />
auf, die sich unter anderem in einer Gelbfärbung der Haut<br />
äußern. Noch schwerer wiegt allerdings der Blutstau am<br />
Eingang der Leber. Zwar gibt es laut Walther Möglichkeiten,<br />
das Blut durch einen größeren chirurgischen Eingriff umzuleiten.<br />
„Allerdings bedeutet ein solcher Eingriff eine große<br />
Belastung für den Patienten; zudem kann eine spätere<br />
Lebertransplan tation erschwert oder sogar verhindert werden“,<br />
erläutert Walther.
zum Herzen<br />
gesunde<br />
Leber<br />
Pfortader<br />
zum Herzen<br />
gesunde<br />
Leber<br />
Pfortader<br />
tiPs kann die Leber retten<br />
Mit TIPS jedoch bleibt eine solche Option erhalten. Walther<br />
berichtet sogar von Fällen, bei denen nach einer Stent-Implantation<br />
gar keine Spenderleber mehr erforderlich war. Da<br />
Leberzellen imstande sind, nachzuwachsen, könne sich mithilfe<br />
der TIPS-Methode eine Leber mit der Zeit wieder teilweise<br />
regenerieren. Das Metall und die Kunststoffbeschichtung<br />
des Röhrchens werden vom Körper gut angenommen, und<br />
der Stent kann mit der Zeit problemlos mit dem gesunden<br />
Lebergewebe verwachsen. „Die Regeneration funktioniert,<br />
vorausgesetzt, die Leberschädigung ist noch nicht zu weit<br />
fortgeschritten“, betont Walther. Ziel sei es daher, die Krankheit<br />
rechtzeitig zu erkennen und den TIPS-Eingriff möglichst<br />
früh durchzuführen. „Natürlich kommt es auch auf die Kooperation<br />
des Patienten an“, sagt Walther. Er müsse bereit sein,<br />
seine Ernährungsgewohnheiten umzustellen, sprich den Konsum<br />
von Alkohol und eiweißhaltigem Essen zu vermeiden,<br />
denn die Leber kann das Blut nicht mehr in vollem Umfang<br />
reinigen. Und im Falle einer Infektion sei die Viruslast medikamentös<br />
zu senken. Walther sieht in dem Verfahren ein<br />
wichtiges Behandlungsfeld für Magen-Darm-Spezialisten.<br />
Über das Kooperationsnetz TIPS stehen sein Team und<br />
er mit anderen Kollegen in ständigem fachlichem Austausch.<br />
So kann die Methode stetig weiterentwickelt werden. „Mit<br />
TIPS eröffnen sich für uns ganz neue Behandlungsoptionen<br />
bei Leberleiden. Und noch entscheidender: Mit einem<br />
vergleichsweise kleinen Eingriff lassen sich Leben retten.“<br />
georg Haiber<br />
1<br />
2<br />
Leber mit<br />
Zirrhose<br />
Blutstau<br />
3<br />
zum Herzen<br />
Leber mit<br />
Zirrhose<br />
Blutstau<br />
zum Herzen<br />
gesunde<br />
Leber<br />
gesunde<br />
Leber<br />
WissEnschaft | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
Pfortader<br />
die leber ist das größte körperorgan. ihre<br />
aufgabe ist es, stoffwechselprodukte<br />
abzubauen und Pfortader<br />
aus dem körper auszuscheiden.<br />
bei einer leberzirrhose ist diese funktion<br />
gestört. der körper kann nicht mehr entgiftet<br />
werden. zudem kann es im laufe der krankheit<br />
zu lebensgefährlichen inneren blutungen<br />
kommen.<br />
TIPS<br />
TIPS<br />
bei der tips-Methode wird dem patienten ein<br />
drahtröhrchen in die leber implantiert. dadurch<br />
wird ein blutstau an der pfortader vermieden,<br />
und der blutkreislauf bleibt in gang.<br />
srh Magazin 9<br />
Leber m<br />
Zirrhos<br />
Le<br />
Zir<br />
Blutstau<br />
Blut
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | MEnschEn<br />
Ein arzt für allE fällE<br />
Dr. raLPH oberaCker ist notarzt, internist, organisator<br />
seit sommer 2011 hat das srh klinikum<br />
karlsbad-langensteinbach seine bislang<br />
verstreuten aufnahmen gebündelt und<br />
eine notambulanz eingerichtet – in<br />
einer neuen zentralen aufnahme. für<br />
deren leiter, den internisten dr. ralph<br />
oberacker, ist jeder arbeitstag spannend.<br />
protokoll eines ganz „normalen“<br />
dienstes.<br />
7:53 uhr<br />
Gleich beginnt für Dr. Ralph Oberacker<br />
der Arbeitstag. Gut gelaunt begrüßt der<br />
36-Jährige die Schwestern am Empfang<br />
10 srh Magazin<br />
und tauscht sich kurz mit ihnen aus.<br />
In der Notaufnahme war es vergangene<br />
Nacht verhältnismäßig ruhig. Die einzigen<br />
Patienten: ein junger Mann mit<br />
gebrochenem Arm und ein Mittfünfziger<br />
mit Atemnot.<br />
Seit Juli 2011 leitet Oberacker die<br />
neue Zentrale Aufnahme (ZA) – Anlaufstelle<br />
sowohl für elektive Patienten, also<br />
solche, die mit Termin ins Klinikum<br />
kommen, als auch für Notfälle. Was ihn<br />
und sein Team erwartet, weiß Oberacker<br />
bei Dienstbeginn nie. „Jeder Tag<br />
hier ist anders“, erklärt er. Planbar ist<br />
nur die Arbeit mit den Terminpatienten,<br />
in der Notaufnahme hingegen gebe<br />
es keinen geregelten Ablauf. „An manchen<br />
Tagen ist es ruhig, an anderen<br />
brummt’s“, erzählt der gebürtige Karlsruher.<br />
Sein Team versorgt unterschiedlichste<br />
Notfälle – vom Kleinkind mit Platzwunde<br />
bis hin zu Menschen mit Brüchen,<br />
Wirbelsäulenverletzungen oder<br />
Infarkten. „Unsere Aufgabe ist es, die<br />
Patienten schnell zu diagnostizieren<br />
und den entsprechenden Fachabteilungen<br />
zuzuweisen. Dazu müssen wir uns
immer wieder in andere Krankheitsbilder<br />
hineindenken. Jeder Patient ist<br />
für uns ein unbeschriebenes Blatt, und<br />
wir müssen innerhalb kürzester Zeit<br />
herausfinden, welches Problem er hat.“<br />
Das sei die große Herausforderung,<br />
aber auch das Spannende an seiner<br />
Arbeit, erzählt er begeistert.<br />
9:23 uhr<br />
Der erste Notfall: Eine 78-Jährige ist gestürzt<br />
und hat sich den Arm gebrochen.<br />
Auch wenn dies nicht sein Fachgebiet<br />
ist, unterstützt Oberacker die Chirurgin<br />
Dr. Alexandra Köhler bei der Erstversorgung.<br />
So kann er auch klären, ob aus<br />
kardiologischer Sicht etwas gegen eine<br />
eventuelle Operation spricht. Während<br />
der Arzt der aufgeregten Patientin ein<br />
Schmerzmittel verabreicht, versucht er,<br />
sie ein wenig zu beruhigen.<br />
Die Notaufnahme ist rund um die<br />
Uhr besetzt. Zehn Schwestern arbeiten<br />
dort im Wechsel, und auch Oberacker<br />
und Köhler sind täglich von acht bis<br />
halb fünf hier. Der Internist, der vor<br />
Kurzem eine Weiterbildung zum Intensivmediziner<br />
abgeschlossen hat, ist für<br />
alle Probleme in Sachen Herz, Kreislauf<br />
und Organe zuständig, für andere Indikationen<br />
zieht er Spezialisten aus dem<br />
Klinikum hinzu. „Wir arbeiten in einem<br />
Team aus Orthopäden, Neurologen,<br />
Internisten, Gefäß- und Neurochirurgen<br />
sowie Anästhesisten“, erklärt Ober acker.<br />
MEnschEn | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
dr. ralph oberacker und die chirurgin dr. alexandra köhler bringen einen patienten<br />
in den untersuchungsraum.<br />
Diese Konzentration von Diagnostik<br />
und ärztlicher Kompetenz an einem Ort<br />
sei einer der Hauptvorteile der ZA.<br />
„Früher hatten die Fakultäten wenig Berührungspunkte.<br />
Nun wird ein Internist<br />
auch konsiliarisch mal schnell bei einer<br />
Fraktur zu Rate gezogen, ein Chirurg<br />
bei Herzbeschwerden“, sagt er. Dass die<br />
meisten Patienten nicht nur von Ärzten<br />
einer Fakultät gesehen werden, erhöhe<br />
die Qualität und Sicherheit der Behandlung.<br />
In der Interdisziplinarität sieht<br />
Oberacker zudem Vorteile für die Mitarbeiter:<br />
„Gerade junge Ärzte in der<br />
Ausbildung lernen so von Beginn an,<br />
fachübergreifend zu denken.“<br />
10:14 uhr<br />
Zügig schieben die Sanitäter die Bahre<br />
von der Liegendanfahrt in den nur wenige<br />
Meter entfernten Schockraum. Der<br />
raLPH oberaCker<br />
„unsere aufgabe ist es, Die Patienten MögLiCHst<br />
sCHneLL zu Diagnostizieren.“<br />
srh Magazin 11
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | MEnschEn<br />
Patient hat schwere Herz-Rhythmus-Störungen,<br />
ist aber ansprechbar. „Hallo, ich<br />
bin Dr. Oberacker. Wie geht es Ihnen?<br />
Haben Sie Atemprobleme?“, begrüßt ihn<br />
der Internist und beginnt sofort mit der<br />
Untersuchung. Alle Werte deuten darauf<br />
hin: Der 54-Jährige leidet an Vorhofflimmern.<br />
Oberacker entscheidet sich für<br />
eine Behandlung mit dem Defibrillator.<br />
„Mit ein paar gezielten Stromstößen<br />
helfen wir Ihrem Herzen wieder auf die<br />
Sprünge“, erklärt er, während Schwester<br />
Zumreta Goletic-Gerweck ihm die<br />
Paddels des Defibrillators reicht. „Keine<br />
das nEuE gEhirn dEs klinikuMs<br />
die zentrale aufnahme sei das neue gehirn des hauses, sagt Jörg schwarzer, geschäftsführer<br />
des srh klinikums karlsbad-langensteinbach. <strong>pErspEktivEn</strong> sprach mit ihm darüber, was<br />
sich seit der Eröffnung verändert hat und welche vorteile das für patienten und Mitarbeiter mit<br />
sich bringt.<br />
■ herr schwarzer, was hat sich durch die neue zentrale<br />
aufnahme verändert?<br />
Am auffälligsten ist sicher das neue Gesicht unseres Klinikums:<br />
Wir empfangen jetzt alle Patienten über einen zentralen<br />
Zugang, egal ob sie unser Haus gezielt aufsuchen<br />
oder als Notfall zu uns kommen. Dazu haben wir die<br />
bislang über das ganze Klinikum verstreuten Aufnahmen<br />
übersichtlich am Haupteingang gebündelt. Niemand muss<br />
mehr lange nach der richtigen Anlaufstelle suchen. Außerdem<br />
verfügen wir nun erstmals über eine zentrale Notambulanz<br />
– mit kurzen Wegen, einer klaren Liegendanfahrt<br />
und einer Top-Ausstattung.<br />
■ zu ihnen kommen jährlich rund 30.000 patienten.<br />
Wie organisieren sie das?<br />
Damit es in der Zentralen Aufnahme nicht zu Engpässen<br />
kommt, haben wir die Notfall- und die Elektivseite getrennt.<br />
Letztere ist plan- und steuerbar. In der Notambulanz ist<br />
schnelle Hilfe erforderlich. Daher steht dort rund um die<br />
Uhr Personal zur Verfügung. Dass alles schon jetzt so reibungslos<br />
funktioniert, ist vor allem unseren Mitarbeitern<br />
zu verdanken. Sie haben die neuen Abläufe zügig verinnerlicht<br />
und sich als Team exzellent eingespielt – schon<br />
während der Planungs- und Bauphase. Es ist ihnen gelungen,<br />
in kürzester Zeit einen komplett neuen Bereich in<br />
den alltäglichen Krankenhausbetrieb zu übernehmen.<br />
■ und worin sehen sie die hauptvorteile der zentralen<br />
aufnahme?<br />
Sie ist sozusagen das neue Gehirn des Hauses. Von hier<br />
aus werden die Abläufe zentral gesteuert. Diese sind<br />
dadurch sehr viel strukturierter als früher. Der Umbau hat<br />
12 srh Magazin<br />
Angst, Sie schlafen gleich ein paar<br />
Minuten, und hinterher ist wieder alles<br />
okay.“<br />
Meist muss Oberackers Team<br />
schnell handeln. Gerade bei Herzinfarkten,<br />
Schlaganfällen oder Wirbelsäulenverletzungen<br />
ist eine schnelle und<br />
verlässliche Erstdiagnose enorm wichtig.<br />
Die kurzen Wege und die moderne<br />
Ausstattung der ZA inklusive Schockraum,<br />
OP und Computertomograph<br />
sind hierfür Grundvoraussetzung.<br />
„Früher waren die Wege wesentlich<br />
länger, sowohl für Termin- als auch für<br />
Notfallpatienten“, erinnert sich Oberacker,<br />
der sich selbst gern als „Kind<br />
des Hauses“ bezeichnet. Schließlich<br />
arbeitet er seit 2001 im Klinikum, hier<br />
hat er sein praktisches Jahr und seine<br />
Facharztausbildung absolviert. Die Aufgabe,<br />
die ZA zu leiten, hat ihn sofort<br />
brennend interessiert. „Ich wollte unbedingt<br />
in unsere Notfallversorgung integriert<br />
sein. Diese Arbeit liegt mir, ich<br />
bin mit Leib und Seele Notarzt.“ Wie<br />
sehr, zeigt auch die Tatsache, dass er<br />
am Wochenende ab und an als Notarzt<br />
in Karlsruhe aushilft.<br />
aber auch den Charakter unseres Hauses als Notfallklinik<br />
gestärkt. Klare Strukturen, kurze Wege und die Bündelung<br />
von Diagnostik und Therapie tragen dazu bei, dass Patienten<br />
im Ernstfall schnell und gut versorgt werden. Das<br />
kommt bei allen Beteiligten – Rettungsdiensten, Mitarbeitern<br />
und Patienten – sehr gut an.
auch schreibtischarbeit gehört zu den aufgaben des leiters der<br />
zentralen aufnahme.<br />
11:50 uhr<br />
Konzentriert betrachten Oberacker und<br />
der Radiologe Dr. Fritz Bergen die<br />
Angiographie auf dem Computerbildschirm.<br />
Die Verengung in der Beinarterie<br />
ist gut zu erkennen. „Um sie zu<br />
weiten, dürfte ein Stent genügen“, überlegen<br />
die beiden Mediziner gemeinsam.<br />
Diese Therapieempfehlung werden sie<br />
in ihrem Befund an die Station weiterreichen.<br />
Nicht nur Notfälle, auch die Terminpatienten<br />
profitieren von der ZA. „Früher<br />
mussten sie zum EKG dorthin, zum<br />
Röntgen dahin, zur Blutabnahme hierher.<br />
Heute haben wir für die geplante<br />
Aufnahme alles an einem Ort“, erläutert<br />
Oberacker. „Wir untersuchen die Patienten,<br />
bevor sie auf die Station kommen.<br />
Und weil wir schon die Diagnose und<br />
Therapieempfehlung mitliefern, entlasten<br />
wir die Kollegen dort enorm.“ Viele<br />
Patienten, etwa mit Problemen der<br />
Wirbelsäule, Gelenke oder Gefäße, besuchen<br />
aber auch eine der ambulanten<br />
Sprechstunden in der ZA. „Sie wissen,<br />
dass sie bei uns alles unter einem Dach<br />
vorfinden und ihre Ergebnisse innerhalb<br />
von drei bis vier Stunden haben“,<br />
erklärt Oberacker.<br />
14:09 uhr<br />
Langsam wird es ruhiger in der ZA,<br />
auch das Telefon, das Ralph Oberacker<br />
immer bei sich trägt und das bislang im<br />
Fünf-Minuten-Takt geklingelt hat, bleibt<br />
stumm. Der Arzt nutzt die Gelegenheit,<br />
um eine Kleinigkeit zu essen und den<br />
„Schreibkram“ zu erledigen. „Natürlich<br />
gibt es organisatorisch viel zu tun. Wir<br />
sind ja eine ganz neue Abteilung und<br />
lernen täglich dazu, verbessern Strukturen<br />
und Abläufe“, sagt er. Erklärtes Ziel<br />
ist, künftig rund 12.000 Notfallpatienten<br />
pro Jahr zu behandeln – und damit die<br />
bisherigen Zahlen annähernd zu verdoppeln.<br />
Die Chancen hierfür stehen<br />
gut. Oberacker weiß, dass sich die<br />
schnelle Erstversorgung und die gute<br />
technische Ausstattung bei den Rettungsdiensten<br />
herumgesprochen haben.<br />
Auch wenn er die momentane Ruhe<br />
genießt: Nur am Schreibtisch zu sitzen,<br />
das kann er sich dann doch nicht vorstellen:<br />
„Die Direktversorgung der Patienten<br />
lasse ich mir nicht nehmen“, sagt<br />
er entschieden.<br />
16:25 uhr<br />
Während er einen Befund am Empfang<br />
einscannt, scherzt Oberacker mit den<br />
Schwestern. Die Stimmung im Team ist<br />
gut, bestätigen alle einhellig. „Ohne<br />
Humor geht’s auch nicht“, betont Oberacker.<br />
„Und ich glaube, die gute Stimmung<br />
wirkt sich positiv auf die Patienten<br />
aus.“ Obwohl sein Dienst in der ZA<br />
gleich zu Ende ist, hat der 36-Jährige<br />
MEnschEn | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
den fachübergreifenden austausch mit kollegen wie dem radiologen<br />
dr. fritz bergen schätzt ralph oberacker sehr.<br />
noch längst nicht Feierabend. In einigen<br />
Minuten beginnt die Übergabe auf der<br />
Intensivstation, für die er eine Woche<br />
im Monat als Oberarzt im Hintergrund<br />
verantwortlich ist. Doch das stört ihn<br />
nicht. „Erstens helfe ich gerne dort aus,<br />
zweitens arbeite ich insgesamt sicher<br />
nicht mehr und nicht weniger als andere“,<br />
sagt er gelassen. Auch für seine<br />
Frau und seine beiden Kinder habe er<br />
genügend Zeit – und sogar für sein<br />
Hobby: Oberacker ist Vorstand eines<br />
Ringervereins, hat in jungen Jahren<br />
selbst aktiv gerungen. Einen Ausgleich<br />
zu seiner Arbeit sieht er darin aber<br />
nicht. „Den brauche ich auch nicht. Mir<br />
macht meine Arbeit Spaß, ich mag es,<br />
wenn immer etwas los ist. Wer weiß,<br />
vielleicht ändert sich das ja im Alter“,<br />
sagt er grinsend. „Aber Spaß beiseite:<br />
Auch wenn es uns nicht immer gelingt,<br />
Leben zu retten, können wir den meisten,<br />
die zu uns kommen, helfen – und<br />
das ist ein gutes Gefühl.“ Dann eilt<br />
Dr. Ralph Oberacker hinaus. Seine<br />
Patienten warten.<br />
gabrieLe jörg<br />
srh Magazin 13
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | MEnschEn<br />
Mit nEuEM appEtit und lEbEnsMut<br />
fast ein Jahr lang litt gotthold golze<br />
unter heftigen Magen- und bauchschmerzen,<br />
er konnte nichts essen und<br />
trinken, ohne sich anschließend zu<br />
übergeben. Ein Eingriff im interdisziplinären<br />
zentrum für schmerztherapie am<br />
srh Wald-klinikum gera verhalf dem<br />
rentner zu neuer lebensfreude.<br />
Gotthold Golze lächelt wieder. Zwar<br />
kann sich der 79-Jährige im Sitzen noch<br />
nicht richtig anlehnen; die Operationsnarbe<br />
am Rücken ziept noch ein wenig.<br />
Auch der Hemdkragen des 1,90 Meter<br />
großen, weißhaarigen Rentners sitzt<br />
lockerer als früher. Doch das alles stört<br />
ihn nicht. Er freut sich vielmehr, dass es<br />
ihm endlich besser geht. Innerhalb eines<br />
Jahres hatte der pensionierte Biologie-<br />
eine sCHMerztHeraPie HiLft gottHoLD goLze<br />
und Chemielehrer 18 Kilo abgenommen.<br />
Unerbittlich kamen nach jedem Essen<br />
die Krämpfe, dann das Erbrechen. Gotthold<br />
Golze vertrug weder Tee noch Brei<br />
oder Suppe. „Das war eine wirklich aufreibende<br />
Situation“, sagt er rückblickend.<br />
Dass er inzwischen wieder nahezu<br />
schmerzfrei essen und trinken kann,<br />
verdankt er einem kleinen Implantat in<br />
der Nähe des Rückenmarks.<br />
Plötzlich ausgebremst<br />
Seit der Schulzeit treibt der gebürtige<br />
Jenaer begeistert Sport – trotz eines<br />
angeborenen Herzklappenfehlers. Er<br />
wandert gerne und spielt Volleyball.<br />
Doch dann, er ist Anfang 60, bremsen<br />
ihn Schmerzen in den Beinen förmlich<br />
aus. „Im Lauf der Zeit wurden sie immer<br />
dEn schMErz ausbrEMsEn<br />
lassen sich chronische schmerzen im bereich des nervensystems nicht<br />
operativ oder konservativ behandeln, kann die elektrische rücken-<br />
marksstimulation (spinal cord stimulation, scs) helfen. bei dieser<br />
Methode wird eine Elektrode auf der harten hirnhaut im Wirbelkanal<br />
angebracht. sie erzeugt geringe elektrische impulse, die die schmerz-<br />
weiterleitung im rückenmark verändern. anstelle der schmerzen spürt<br />
der patient ein leichtes kribbeln. Ein weiterer positiver Effekt: indem<br />
das elektrische feld den sympathikus beeinflusst, sorgt es indirekt dafür,<br />
dass die blutgefäße geweitet werden und sich so die durchblutung<br />
verbessert.<br />
angewendet wird die neurostimulation bei indikationen wie diabetes<br />
mellitus, Multipler sklerose oder angina pectoris. ihr großer vorteil:<br />
sie hat keine nebenwirkungen und kann im besten fall den schmerz<br />
um bis zu 90 prozent reduzieren – eine echte alternative zur medika-<br />
mentösen dauertherapie.<br />
14 srh Magazin<br />
stärker – ein Gefühl, als würde ein<br />
Schraubstock um meine Oberschenkel<br />
gelegt“, erzählt der Rentner. Die Diagnose:<br />
Er leidet an der peripheren arteriellen<br />
Verschlusskrankheit (PAVK), einer<br />
Folge von Arteriosklerose. Die Arterien<br />
in seinen Beinen sind verengt, werden<br />
nicht mehr richtig durchblutet. Selbst bei<br />
kurzen Strecken muss Gotthold Golze<br />
immer häufiger stehen bleiben. Doch<br />
seine Frau und er richten sich darauf<br />
ein. „Ich weiß zum Beispiel genau,<br />
welche Geschäfte in Gera die besten<br />
Sitzgelegenheiten haben“, sagt der<br />
79-Jährige und lächelt verschmitzt.<br />
Im Sommer 2010, viele Jahre nach<br />
der Diagnose, setzen plötzlich Magen-<br />
und Bauchschmerzen ein. „Nach jedem<br />
Essen bekam ich so heftige Krämpfe,<br />
dass mir übel wurde und ich mich<br />
übergeben musste“, berichtet er. Eine<br />
Odyssee von Arzt zu Arzt beginnt. Doch<br />
die Ursache findet sich zunächst nicht;<br />
alle Versuche, die Symptome zu lindern,<br />
scheitern. Die Gastroenterologen des<br />
<strong>SRH</strong> Wald-Klinikums Gera liefern<br />
schließlich die richtige Diagnose: Die<br />
Arteriosklerose hat zu einer Angina<br />
abdominalis geführt. Wie die Arterien in<br />
Gotthold Golzes Beinen sind auch die<br />
Gefäße verengt, die seinen Darm mit<br />
Blut versorgen. Dieser wird nicht mehr<br />
richtig durchblutet und funktioniert nur<br />
eingeschränkt. Die Ärzte setzen dem<br />
Patienten einen Stent, der die betroffenen<br />
Arterien aufweitet und so einen<br />
ungehinderten Blutdurchfluss ermöglicht.<br />
„Danach ging es mir viel besser“,<br />
berichtet der Rentner. Doch nach wenigen<br />
Wochen ist alles wie zuvor: Essen<br />
wird zur Qual, er verliert weiter an<br />
Gewicht. „Mir war ständig schwindlig,<br />
ich hatte Angst, zu fallen, und fühlte<br />
mich furchtbar hilflos“, erinnert er sich.<br />
schmerzen therapieren<br />
Im November 2011 erhält der Rentner<br />
die lang ersehnte Hilfe – im erst kurz<br />
zuvor eröffneten Zentrum für Interdiszi
gottHoLD goLze<br />
„iCH bin DeM ganzen teaM seHr Dankbar für Die<br />
neue LebensquaLität, Die es Mir gesCHenkt Hat.“<br />
plinäre Schmerztherapie am <strong>SRH</strong> Wald-<br />
Klinikum Gera. Zwar kann auch das<br />
dortige Team Gotthold Golzes Grundproblem<br />
– die Arteriosklerose – nicht<br />
beheben. „Doch wir können die chronischen<br />
Schmerzen lindern sowie Darmfunktion<br />
und Durchblutung verbessern“,<br />
betont der leitende Arzt, PD<br />
Dr. Michael Kretzschmar. Der Experte<br />
für Schmerztherapie weiß, dass Patienten<br />
mit PAVK sehr gut auf das schmerzlindernde<br />
Therapieverfahren SCS (siehe<br />
Kasten) ansprechen. Allerdings wird<br />
dieses bislang nicht bei Angina abdomi-<br />
nalis eingesetzt. „Bei dieser Indikation<br />
gehören wir zu den ersten Anwendern<br />
weltweit. Wir sind aber davon ausgegangen:<br />
Was bei den Beinen funktioniert,<br />
müsste theoretisch auch zwei<br />
Etagen höher wirken“, sagt der Arzt.<br />
Im Dezember 2011 implantiert das<br />
Team Gotthold Golze eine kleine Elektrode<br />
in der Nähe seines Rückenmarks.<br />
Während des Eingriffs ist er nur lokal<br />
betäubt. Denn um die optimale Position<br />
für die Elektrode zu finden, führt das<br />
Team während der OP mehrere Teststimulationen<br />
durch. „Diese erzeugen<br />
MEnschEn | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
in einem bestimmten Bereich ein Kribbeln.<br />
Herr Golze musste uns sagen,<br />
wo genau. Denn dieser Bereich sollte<br />
möglichst exakt mit dem Schmerzareal<br />
übereinstimmen. Dann wissen wir:<br />
Die Elektrode sitzt richtig“, erklärt<br />
Kretzschmar.<br />
Nach knapp zwei Stunden hat Gotthold<br />
Golze alles überstanden. In den<br />
folgenden zwei Wochen testen die Ärzte,<br />
wie sich der Schmerz verändert und ob<br />
die Stimulation wirkt. Alles funktioniert<br />
bestens, und Gotthold Golze muss sich<br />
noch einmal einer kleinen Operation<br />
unterziehen: Unter der Bauchdecke<br />
implantieren ihm die Ärzte einen Generator,<br />
der die Elektrode steuert und<br />
mit Strom versorgt. Per Fernbedienung<br />
kann der Rentner Impulsdauer, Frequenz<br />
und Stromstärke regulieren – falls die<br />
schmerzlindernde Wirkung nachlassen<br />
oder ihn das Kribbeln stören sollte,<br />
etwa beim Schlafen.<br />
Hilfe im doppelten sinne<br />
Seit dem Eingriff fühle er sich so gut<br />
wie lange nicht mehr, sagt Gotthold<br />
Golze und lächelt. „Manchmal habe ich<br />
noch leichte Schmerzen nach dem Essen,<br />
aber die sind auszuhalten.“ Es stört ihn<br />
nicht, dass es noch eine Weile dauern<br />
wird, bis er sein altes Gewicht wieder<br />
erreicht hat, ebenso wenig wie die<br />
Tatsache, dass er mehr darauf achten<br />
muss, was er isst. Denn dank der SCS<br />
kann er nicht nur wieder fast schmerzfrei<br />
essen. Auch seine Beine tragen ihn<br />
ein Stückchen weiter als vor der OP –<br />
ein positiver Nebeneffekt, den auch<br />
Dr. Kretzschmar nicht vorhergesehen<br />
hat. „Ich bin dem ganzen Team sehr<br />
dankbar für die neue Lebensqualität,<br />
die es mir geschenkt hat“, betont Gotthold<br />
Golze. Große Wanderungen wird<br />
er zwar auch künftig nicht machen.<br />
Doch er ist auch mit kleinen Schritten<br />
zufrieden. Und vielleicht kann er sogar<br />
ab und an sein Lieblingsessen genießen:<br />
Rouladen mit Klößen und Rotkraut.<br />
gabrieLe jörg<br />
srh Magazin 15
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | hintErgrund<br />
allEs untEr dach und fach<br />
MeDizinisCHe versorgungszentren nützen aLLen<br />
immer mehr fachärzte schließen sich medizinischen versorgungszentren<br />
an. den patienten kann das nur recht sein,<br />
denn durch die zusammenarbeit vieler spezialisten unter<br />
einem dach werden diagnosen genauer, therapien zielgerichteter<br />
– und Wege kürzer. so entfällt auch der gerade<br />
für ältere Menschen beschwerliche Weg von arzt zu arzt.<br />
Jutta Möller sitzt im Wartezimmer des medizinischen Versorgungszentrums<br />
(MVZ) am <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong> und hat<br />
einen Termin im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe.<br />
Viermal im Jahr kommt sie zur Routineuntersuchung in die<br />
Sprechstunde von Dr. Thomas Hagemeier. Die rund zwölf<br />
Kilometer lange Strecke von ihrem Wohnort Schmiedefeld<br />
zum Klinikum in <strong>Suhl</strong> fährt sie mit dem Bus – gewissermaßen<br />
von Haustür zu Haustür. „Ich bin froh, dass die Laufwege<br />
kurz und wenig beschwerlich sind. Aber so bequem war das<br />
nicht immer“, sagt die 74-Jährige. „Früher hatte Dr. Hagemeier<br />
seine Praxis in der Stadt, und die letzten Meter dorthin führten<br />
über eine Treppe. Das empfand ich schon als beschwerlich,<br />
denn in meinem Alter ist jede Stufe, die man hochzusteigen<br />
hat, eine zu viel“, erinnert sie sich.<br />
Seit Sommer 2009 ist das anders. Damals beschloss Hagemeier,<br />
seine Privatpraxis aufzugeben und ins <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong><br />
überzusiedeln. Dort leitet er seitdem im MVZ das<br />
Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe, in seiner Funktion<br />
als angestellter Arzt am Klinikum operiert er inkontinente<br />
Patientinnen.<br />
Seine Patientin Jutta Möller ist froh über den Umzug. „Da<br />
hier im MVZ viele Fachärzte tätig sind, kann ich, wenn nötig,<br />
an einem Tag mehrere Arzttermine wahrnehmen. Das erspart<br />
mir viel Rennerei“, sagt sie. Als ihr Mann vor einiger Zeit in<br />
der Klinik lag, konnte sie den Krankenhausbesuch mit eigenen<br />
Terminen verknüpfen. „Dabei lernten wir auch die sonstige<br />
Infrastruktur hier im Haus schätzen: Es ist schon sehr angenehm,<br />
einfach zwischendurch einen Kaffee in der Cafeteria<br />
trinken oder im Shop in der Eingangshalle mal eine Kleinigkeit<br />
einkaufen zu können.“<br />
attraktive vielfalt<br />
Seit seiner Gründung im Mai 2005 ist das MVZ am <strong>Suhl</strong>er<br />
Klinikum kontinuierlich gewachsen. Denn entscheidend für<br />
den Patienten ist das medizinische Angebot. Heute sind dort<br />
16 srh Magazin<br />
insgesamt zehn Ärzte aus acht Fachdisziplinen angestellt, neben<br />
Gynäkologie und Geburtshilfe sind auch die Disziplinen<br />
Augenheilkunde, Urologie, HNO-Heilkunde, Kinderchirurgie,<br />
Kinder- und Jugendmedizin, Strahlentherapie sowie physikalische<br />
und rehabilitative Medizin vertreten.<br />
Je breiter das medizinische Portfolio ist, desto attraktiver<br />
ist ein MVZ für den Patienten. Er wird aus einer Hand versorgt,<br />
umständliche Überweisungsvorgänge reduzieren sich, und die<br />
Informationen fließen schneller von Arzt zu Arzt. Das steigert<br />
auch die Qualität der Behandlung. Denn durch den fachlichen<br />
Austausch können die Mediziner Diagnosen rascher und<br />
fundierter stellen und Therapien besser den Bedürfnissen der<br />
Patienten anpassen. Durch die enge Zusammenarbeit – sowohl<br />
der MVZ-Ärzte untereinander als auch die mit den Klinikärzten<br />
– lassen sich zudem die verschriebenen Arzneimittel<br />
besser aufeinander abstimmen und unnötige Doppeluntersuchungen<br />
vermeiden.<br />
Als großer Vorteil hat sich auch der ständige Wissensaustausch<br />
zwischen den MVZ-Ärzten und ihren Kollegen in der<br />
Klinik erwiesen. Das gilt für die MVZ in <strong>Suhl</strong>, aber auch die<br />
des <strong>SRH</strong> Wald-Klinikums Gera. Beide Kliniken binden die<br />
ambulant im MVZ tätigen Kollegen in ihre internen Weiterbildungen<br />
ein und umgekehrt. „Einige unserer MVZ-Ärzte bieten<br />
Weiterbildungen für Klinikärzte und niedergelassene Kollegen<br />
an, die sich dadurch gut eingebunden fühlen; ich denke zum<br />
Beispiel an den regelmäßig stattfindenden urogynäkologischen<br />
Grund- und Aufbaukurs“, sagt Wolfgang Eckhardt, Geschäftsführer<br />
des MVZ in <strong>Suhl</strong>, und Uwe Leder, Geschäftsführer am<br />
<strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera, ergänzt: „Wer als Stationsarzt schon<br />
einmal eine Sprechstunde im ambulanten Bereich gemacht<br />
hat, der weiß, wo der Schuh drückt. Genauso ist es mit ambulant<br />
tätigen Kollegen, die den Betrieb auf einer Krankenstation<br />
erleben. Das fördert das Verständnis für die Belange der<br />
Kollegen, führt zu besseren Absprachen und schließlich zu<br />
einer besseren Patientenbetreuung.“ In der Wirbelsäulenchirurgie<br />
beispielsweise würde darauf geachtet, dass der operierende<br />
Arzt den jeweiligen Patienten später auch in der<br />
Nachsorge betreut. „Bislang kommt dieser Service bei unseren<br />
Patienten sehr gut an“, sagt Leder.<br />
Medizinische Versorgungszentren haben aber nicht nur<br />
für die Patienten Vorteile. Auch für Ärzte ist eine Anstellung<br />
dort interessant. Tatsächlich möchten viele junge Mediziner
hintErgrund | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
srh Magazin 17
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | hintErgrund<br />
7% in<br />
staatspraxen<br />
das EndE dEr poliklinik<br />
Mit dem fall der Mauer verschwand auch das alte gesund-<br />
heitssystem der DDr. Die Poliklinik als eine seiner tragenden<br />
säulen hatte keine überlebenschance. zwar sicherte man<br />
den kliniken und ambulatorien vertraglich die zulassung<br />
bis 1995 zu. Doch im Paragraf 311 des einigungsvertrags<br />
stand: „Die niederlassung in freier Praxis ist mit dem ziel<br />
zu fördern, dass der freiberuflich tätige arzt maßgeblicher<br />
träger der ambulanten versorgung wird.“<br />
Diese rasche und unreflektierte übernahme des westlichen<br />
gesundheitssystems sahen viele ärzte der ehemaligen DDr<br />
kritisch. in ihren augen hätte man erfolgreiche Projekte<br />
aus der DDr-zeit integrieren müssen – wenn nötig in leicht<br />
angepasster form. beispiele hierfür sind neben der Poliklinik<br />
auch die vorsorge und die behandlung chronischer erkran-<br />
kungen in den kliniken.<br />
18%<br />
in ambulatorien<br />
11%<br />
in sonstigen<br />
einrichtungen<br />
ambulant tätige ärzte<br />
in den bundesländern ost<br />
Die Poliklinik erlebt seit jahren eine renaissance in form<br />
der medizinischen versorgungszentren (Mvz). wie in der<br />
Poliklinik sind auch in einem medizinischen versorgungs-<br />
zentrum beliebig viele ärzte in einem angestelltenverhält-<br />
nis tätig. während bei der Poliklinik jedoch der staat der<br />
träger war, können Mvz von vertragsärzten der gesetzli-<br />
chen krankenversicherungen, aber auch von krankenhäu-<br />
sern, reha-einrichtungen, apotheken oder kirchen<br />
gegründet werden. Diese und nicht die ärzte sind dann<br />
vertragspartner der krankenversicherung.<br />
18 srh Magazin<br />
62%<br />
in Polikliniken<br />
31.12.1989<br />
2%<br />
niedergelassen<br />
31.12.1994<br />
3%<br />
in einrichtungen<br />
nach<br />
§ 311 sgb v<br />
97%<br />
niedergelassen<br />
nicht mehr in einer Klinik arbeiten, scheuen aber das finanzielle<br />
Risiko, das mit der Übernahme oder Gründung einer<br />
eigenen vertragsärztlichen Praxis verbunden ist. Als Königsweg<br />
erweist sich für viele eine Festanstellung an einem MVZ.<br />
Im Gegensatz zur Klinik sind die Arbeitszeiten dort flexibel<br />
gestaltbar, was besonders Ärzten mit Familie entgegenkommt.<br />
Auch die Tatsache, dass sie sich im MVZ nicht um lästige<br />
Verwaltungsaufgaben kümmern müssen, lockt viele Ärzte<br />
dorthin.<br />
Die Vorzüge, die ein Arbeiten im MVZ mit sich bringt,<br />
schlagen sich auch statistisch nieder. Nach Angaben des<br />
Bundesministeriums für Gesundheit steigt die Zahl der in<br />
Deutschland zugelassenen MVZ ständig. Seit 2007 wurden<br />
in jedem Quartal zwischen 50 und 80 neue MVZ gegründet.<br />
Und der Trend ist ungebrochen. Allein in Thüringen gibt es<br />
inzwischen mehr als 85 solcher Ärztegemeinschaften. Drei<br />
Viertel der MVZ in Thüringen liegen in der Trägerschaft von<br />
Krankenhäusern.<br />
kliniken binden Mvz stärker ein<br />
Das <strong>SRH</strong> <strong>Zentralklinikum</strong> <strong>Suhl</strong> zum Beispiel betreibt neben<br />
dem MVZ direkt im Haus noch eines in Zella-Mehlis und eines<br />
in Schmalkalden. Das <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera ist Träger der<br />
MVZ in Gera, Altenburg, Greiz, Zeulenroda und Crimmitschau.<br />
In den Augen von Uwe Leder und Wolfgang Eckhardt sichern<br />
die MVZ die fachärztliche Versorgung in der Region. „Daher<br />
unterstützen wir Ärzte, die sich in MVZ zusammenschließen<br />
wollen“, betonen beide unisono. Vielen Fachärzten fiele es<br />
heute schwer, einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden. „Wir<br />
gehen auf sie zu und überlegen uns gemeinsam eine Lösung“,<br />
erläutert Leder. „Ohne unser Engagement, etwa für die Pädiatrie<br />
in Greiz oder die Dermatologie in Zeulenroda, gäbe es dort<br />
heute dieses fachärztliche Angebot nicht mehr.“<br />
Von der engen Zusammenarbeit profitieren Patienten<br />
und Klinik gleichermaßen. „Natürlich haben die MVZ für<br />
das Krankenhaus eine Portalfunktion, weil sie Patienten<br />
dorthin überweisen“, sagt Eckhardt. So hätten die im<br />
MVZ am <strong>Suhl</strong>er Klinikum angestellten Ärzte im Jahr 2010<br />
mehr als 900 Einweisungen zur stationären Behandlung<br />
getätigt. Gleichwohl sind nach Meinung von Eckhardt<br />
und Leder MVZ-Modelle, die für Krankenhäuser einzig<br />
und allein die Zuweisung stationärer Patienten absichern<br />
wollen, zum Scheitern verurteilt. „Wir achten streng darauf,<br />
dass die Kollegen in den Versorgungszentren Wert auf Qualität<br />
und Service legen und sich auf dieser Basis entscheiden,<br />
mit welcher Klinik oder welchen anderen Partnern sie kooperieren.<br />
Das letzte Wort hat in jedem Falle der Patient“, sagt<br />
Leder, für den die MVZ neben den niedergelassenen Arztpraxen<br />
und den Kliniken mittlerweile die dritte Säule in der<br />
schulmedizinischen Versorgung sind. „Letztlich geht es jedoch<br />
darum, ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln, beispielsweise<br />
dafür, wie wir mit dem Thema Pflege und Versorgung<br />
Kranker und Hochbetagter oder mit dem Thema Gebrechlichkeit<br />
allgemein umgehen.“ Hier seien ebenso Tugenden wie<br />
Hilfsbereitschaft und gegenseitige Fürsorge gefragt. Denn<br />
es geht eben auch darum, dass sich ab und an ein Nachbar<br />
findet, der Jutta Möller ins Krankenhaus bringt, wenn sie<br />
ihren Bus verpasst hat oder witterungsbedingt keiner fährt.<br />
georg Haiber
„MEinE patiEntinnEn profitiErEn“<br />
■ frau dr. brinkmann, warum haben sie<br />
interview Mit gynäkoLogin Dr. sabine brinkMann<br />
sich dazu entschieden, in einem medizinischen<br />
versorgungszentrum zu arbeiten?<br />
Nach langjähriger Tätigkeit in einer<br />
Klinik habe ich eine neue Herausforderung<br />
gesucht. Ich wollte mehr Zeit für<br />
die ambulante Betreuung meiner Patientinnen<br />
haben. Im medizinischen Versorgungszentrum<br />
(MVZ) habe ich die,<br />
ohne deshalb das Operieren aufgeben<br />
zu müssen. In meinen Augen ist das<br />
MVZ eine ideale Brücke zwischen<br />
ambulanter Betreuung und stationärer<br />
Versorgung.<br />
Das ist der Grund, weshalb ich mich<br />
vor vier Jahren dazu entschlossen habe,<br />
gemeinsam mit einer Kollegin (Dipl.-<br />
Med. Angela Rittler, Fachärztin für Anäs-<br />
thesiologie) ein MVZ zu gründen, das<br />
unter der Trägerschaft der <strong>SRH</strong> Poliklinik<br />
Gera gGmbH steht. Meine Erwartungen<br />
wurden bis heute nicht enttäuscht.<br />
■ Welche waren das konkret?<br />
Ich wollte, wie bereits erwähnt, unbedingt<br />
weiterhin auch operativ tätig sein.<br />
Gleichzeitig war es mir wichtig, in ständigem<br />
fachlichem Austausch mit den<br />
Kolleginnen und Kollegen in der Klinik<br />
zu stehen, denn auch dort werden meine<br />
Patientinnen behandelt. Durch die<br />
enge Zusammenarbeit erhalte ich ein<br />
genaueres Bild vom Krankheitsverlauf<br />
bei einer Patientin, und das kommt<br />
natürlich wiederum der Qualität der<br />
Behandlung zugute.<br />
hintErgrund | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
2008 gründete dr. sabine brinkmann<br />
mit einer kollegin ein Mvz unter der<br />
trägerschaft der srh poliklinik gera<br />
gmbh – eine Entscheidung, die sie bis<br />
heute nicht bereut.<br />
■ und wie sehen die vorteile für ärzte<br />
allgemein aus?<br />
Generell profitieren die Ärzte in einem<br />
MVZ von der engen Zusammenarbeit<br />
mit den Ärzten in einer Klinik. Vorteile<br />
ergeben sich auch für das Pflegepersonal<br />
– sowohl im MVZ als auch in der<br />
Klinik. Denn die Angestellten beider<br />
Einrichtungen können wechselseitig in<br />
MVZ und Klinikum hospitieren. So sind<br />
sie fachlich immer auf dem neuesten<br />
Stand.<br />
■ Wie gestaltet sich die kooperation<br />
mit dem srh Wald-klinikum gera in der<br />
praxis?<br />
Durch meine OP-Tätigkeit bin ich mindestens<br />
einmal pro Woche in der Klinik.<br />
Wenn ich nicht im OP stehe, werte ich<br />
unter anderem mit Kollegen Labordaten<br />
aus und erörtere mit ihnen einzelne<br />
Krankheitsverläufe aus klinischer und<br />
ambulanter Sicht. Die daraus resultierenden<br />
Befunde bespreche ich anschließend<br />
mit den Patientinnen. Außerdem<br />
kann ich die OP-Einrichtungen des<br />
Klinikums nutzen, die stets auf dem<br />
neuesten Qualitätsstandard sind.<br />
■ Welche vorteile ergeben sich daraus<br />
für die patienten?<br />
Meine Patientinnen profitieren von kurzen<br />
Wegen, weniger Wartezeiten und<br />
modernsten therapeutischen Möglichkeiten<br />
– dank der Ausstattung im Wald-<br />
Klinikum. Die enge Verzahnung von<br />
ambulanter und stationärer Therapie,<br />
bei der alle wichtigen Fachbereiche einbezogen<br />
sind, erlaubt es mir zudem, die<br />
Behandlung besser auf die einzelne Patientin<br />
abzustimmen. Und da ich sie<br />
vor, während und nach einer Operation<br />
betreue, kann ich beispielsweise auch<br />
Langzeitverläufe beobachten und entsprechende<br />
Maßnahmen einleiten.<br />
georg Haiber<br />
srh Magazin 19
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | hintErgrund<br />
gEMischtEs doppEl<br />
20 srh Magazin<br />
ausgebiLDete serviCekräfte unterstützen Die PfLege
am srh kurpfalzkrankenhaus heidelberg<br />
kümmern sich teams aus pflege-<br />
und servicekräften um das Wohl der<br />
patienten. das steigert die Qualität<br />
der betreuung und die zufriedenheit<br />
von Mitarbeitern und patienten.<br />
Geschickt manövriert Britta Gimpl den<br />
riesigen Büfettwagen durch den Krankenhausflur.<br />
Auf der rollenden Theke<br />
türmen sich allerhand Leckereien.<br />
Dampfender Kaffee, knusprige Brötchen,<br />
vielerlei Wurst, Käse und Marmelade<br />
sowie frisches Obst machen Appetit.<br />
Mit einem fröhlichen „Guten Morgen,<br />
was möchten Sie frühstücken?“ begrüßt<br />
Gimpl die Patienten. Mit geübten Handgriffen<br />
deckt sie die Tabletts nach den<br />
individuellen Wünschen ein und stellt<br />
sie auf den kleinen Nachttisch am Bett.<br />
Dass die junge Frau keine normale Pflegekraft<br />
ist, macht schon die Kleidung<br />
deutlich: In ihrer schwarzen Hose, weißen<br />
Bluse und der schwarzen Weste<br />
ähnelt sie einer Büfettkraft im Hotel.<br />
„Wir sind zum Verwöhnen der Patienten<br />
da“, sagt Gimpl, die ausgebildete Diätassistentin<br />
ist.<br />
Ernst Hoffmann (Name geändert),<br />
der wegen Herzrasens eingewiesen<br />
wurde, nickt zustimmend: „Die Damen<br />
vom Service haben immer ein aufmunterndes<br />
Wort auf den Lippen“, sagt er.<br />
„Der Komfort und die Qualität des<br />
Essens sind außergewöhnlich für ein<br />
Krankenhaus.“ Die Servicemitarbeiter<br />
hätten sogar Zeit, auch einmal Sonderwünsche<br />
zu erfüllen, etwa einen<br />
Milchreis aus der Mensa auf dem <strong>SRH</strong><br />
Campus zu holen.<br />
Mehr zeit für die Patienten<br />
Seit Oktober 2009 servieren Gimpl und<br />
fünf weitere speziell ausgebildete<br />
Servicekräfte die drei Hauptmahlzeiten,<br />
nehmen Speisebestellungen entgegen,<br />
räumen Geschirr ab, bestücken den<br />
Büfettwagen, bereiten Mahlzeiten vor<br />
und kochen den Nachmittagskaffee. Pro<br />
Station betreut eine Servicekraft rund<br />
25 Patienten. Die Idee dahinter: Der Patient<br />
erhält mehr Zuwendung, gleichzeitig<br />
werden die Krankenschwestern und<br />
arbeiten hand in hand zum Wohle der<br />
patienten: pflegekraft Erika singer (l.) und<br />
diätassisistentin britta gimpl.<br />
-pfleger von fachfremden Aufgaben entlastet.<br />
Denn an vielen deutschen Kliniken<br />
führen sie Tätigkeiten aus, die<br />
nichts mit ihren eigentlichen Aufgaben<br />
zu tun haben, aber bis zu einem Drittel<br />
ihrer Zeit in Anspruch nehmen. Dazu<br />
zählt auch die Essensverteilung. „Früher<br />
war eine Pflegekraft rund eineinhalb<br />
Stunden pro Tag mit Kaffeekochen und<br />
Verteilen der Tabletts beschäftigt. Beides<br />
Aufgaben, die sie im Schnelldurchlauf<br />
absolvieren musste“, berichtet Rita<br />
Sigmund, Pflegedienstleiterin am <strong>SRH</strong><br />
Kurpfalzkrankenhaus Heidelberg. „Dank<br />
des Servicekonzepts steht den Pflegekräften<br />
jetzt mehr Zeit zur Verfügung,<br />
um die Betreuung der Patienten in der<br />
Grund- und Behandlungspflege durchzuführen,<br />
beispielsweise um Infusionen<br />
zu legen oder Medikamente zu richten.“<br />
ansporn für die Mitarbeiter<br />
Zunächst war das Pflegepersonal skeptisch,<br />
ob die Arbeitsteilung klappen<br />
würde. Denn gerade bei den Patienten<br />
auf der Neurologie, die nach einem<br />
Schlaganfall oder Herzinfarkt erst wieder<br />
sprechen und schlucken lernen<br />
müssen, ist eine enge Absprache auch<br />
in Sachen Speiseversorgung nötig.<br />
„Je pflegebedürftiger ein Patient ist,<br />
desto detaillierter müssen die Informationen<br />
für den Service sein“, erläutert<br />
Rita Sigmund.<br />
praxis, forschung und lEhrE untEr EinEM dach<br />
Das srH kurpfalzkrankenhaus Heidelberg ist ein auf innere Medizin,<br />
neurologie und Dialyse spezialisiertes fachkrankenhaus. sein Hämo-<br />
philiezentrum zählt zu den größten bundesweit für die therapie von<br />
bluterkrankheiten. und in der spezialeinheit für die neurologische<br />
frührehabilitation der Phase b werden Patienten behandelt, die nach<br />
einem schlaganfall oder anderen schädigungen des zentralen oder<br />
peripheren nervensystems unter schweren bewusstseinsstörungen<br />
leiden. Die klinik ist zudem akademisches Lehrkrankenhaus der<br />
universität Heidelberg und Mitglied der initiative qualitätsmedizin<br />
(iqM) und verfügt über 102 betten sowie zwölf Dialyseplätze.<br />
www.kurpfalzkrankenhaus.de<br />
hintErgrund | <strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012<br />
Doch die Zusammenarbeit funktioniert<br />
tadellos. Anhand einer Patientenliste<br />
wissen die Servicekräfte, wer nüchtern<br />
bleiben muss, wer Diät- oder<br />
Schonkost erhält, bei wem die Kruste<br />
vom Brot entfernt und die Scheibe in<br />
mundgerechte Portionen geschnitten<br />
werden soll. Manche Details werden<br />
morgens mit der Pflege abgeklärt: beispielsweise<br />
wann der frisch gekochte<br />
Brei aus der <strong>SRH</strong> Campus Mensa geholt<br />
werden muss, damit er die richtige<br />
Wärme hat, oder ob ein Patient mit<br />
Schluckproblemen anstelle von Brei<br />
probeweise weiches Brot bekommt.<br />
Der umfangreiche Stationsservice<br />
kommt bei den Patienten an: Auf dem<br />
Rückmeldebogen gibt es regelmäßig<br />
Lob. Davon profitiert das gesamte<br />
Team: „Das Essen hat für den Patienten<br />
während seines Krankenhausaufenthalts<br />
einen hohen Stellenwert. Stimmt<br />
die Qualität des Essens und werden die<br />
Mahlzeiten individuell zusammengestellt,<br />
dann wirkt sich dies spürbar auf<br />
die Gesamtzufriedenheit des Patienten<br />
aus“, ist Sigmund überzeugt. Und da<br />
sich die Pflegekräfte und Servicemitarbeiter<br />
ganz ihrer „Berufung“ widmen<br />
können, sind sie zufriedener. „Die positive<br />
Bewertung spornt an“, sagt Diätassistentin<br />
Gimpl. „Da macht die Arbeit<br />
gleich noch mehr Spaß.“<br />
Heike Link<br />
srh Magazin 21
<strong>pErspEktivEn</strong> 1/2012 | hintErgrund<br />
WEg Mit dEn pfundEn<br />
seit Jahren zählt das zentrum für adipositas und metabolische<br />
chirurgie am srh Wald-klinikum gera zu den vorreitern auf<br />
seinem gebiet. im august 2011 erhielt es zudem den titel<br />
„referenzzentrum“ – als einziges in ostdeutschland und eine<br />
von bundesweit drei Einrichtungen dieser art.<br />
Irgendwann wusste Christa Freitag (Name geändert) nicht<br />
mehr weiter. Die 42-Jährige wog über 150 Kilogramm. Doch<br />
alle Versuche, abzunehmen, scheiterten: Diäten halfen nicht,<br />
und Sport kam bei ihrem Gewicht schon länger nicht mehr<br />
infrage. Ihre Gelenke schmerzten, sie litt an Atemnot und zog<br />
sich immer mehr zurück. Als die Friseurin schließlich merkte,<br />
dass es ihr zusehends schwerer fiel, ihren Beruf auszuüben,<br />
bat sie ihren Hausarzt um Hilfe.<br />
zertifizierte qualität<br />
Christa Freitag ist kein Einzelfall. Die Zahl der Adipositas-<br />
Patienten in Deutschland steigt. Laut Statistischem Bundes-<br />
amt ist heute jeder Zweite in Deutschland übergewichtig<br />
oder adipös – mit einem Body-Mass-Index von 30 und mehr.<br />
Bereits seit 16 Jahren finden Betroffene wie Freitag, bei<br />
denen keine Diät anschlägt, im <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera Hilfe.<br />
Über 600 Patienten haben die Spezialisten im Zentrum für<br />
Adipositas und Metabolische Chirurgie (ZAMC) bisher behandelt.<br />
Inzwischen reichen die operativen Möglichkeiten vom<br />
Magenband über Schlauchmagen oder Magenbypass bis hin<br />
zur Magenverkleinerung, bei der gleichzeitig ein Großteil des<br />
Dünndarms ausgeschaltet wird. Dabei wenden die Ärzte eine<br />
Methode an, die Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Schweißausbrüche<br />
verhindert. „Es gibt gewisse Kriterien für eine OP.<br />
Unsere Patienten sind in der Regel seit Jahren stark übergewichtig<br />
und haben bereits viele konservative Therapiemaßnahmen<br />
absolviert. Die meisten leiden zudem unter Bluthochdruck,<br />
Gelenkproblemen, Diabetes oder Schlaf-Apnoe“, erläutert Adi-<br />
22 srh Magazin<br />
zertifizierte beHanDLung für aDiPositas-Patienten<br />
positas-Chirurgin PD Dr. Christine Stroh. Ziel der Therapie ist<br />
daher nicht nur, das Gewicht nachhaltig zu reduzieren, sondern<br />
auch die Begleiterkrankungen zu lindern. Nehme ein Patient<br />
genügend ab, könne etwa Diabetes vollkommen verschwinden,<br />
sagt Stroh.<br />
Das interdisziplinäre Team aus vier Ärzten, einer Pflegeexpertin,<br />
einer Diätassistentin sowie einer Ernährungswissenschaftlerin<br />
betreut die Patienten umfassend – vom ersten<br />
Beratungsgespräch über ernährungswissenschaftliche und<br />
bewegungstherapeutische Sitzungen bis zur lebenslangen<br />
Nachsorge. Auch eine Selbsthilfegruppe trifft sich in den Räumen<br />
der Klinik. „Die Zertifizierung bestätigt die hohe Qualität<br />
unserer Arbeit“, betont Stroh. Denn um diesen Titel tragen<br />
zu können, muss das ZAMC bestimmte Kriterien erfüllen. So<br />
werden dort beispielsweise mehr als 100 Patienten pro Jahr<br />
operiert. Und die Teilnahme an Studien ist ebenso verpflichtend<br />
wie eine entsprechende Ausstattung. Im ZAMC gibt es<br />
unter anderem Stühle, OP-Tische und Betten, die speziell für<br />
Patienten bis 250 Kilogramm ausgelegt sind. Derzeit beteiligt<br />
sich das Zentrum darüber hinaus an einer multizentrischen<br />
Studie zur Erarbeitung einer Magenschrittmacher-Therapie.<br />
eine große erleichterung<br />
Christa Freitag ist mit der Behandlung im Zentrum rundum<br />
zufrieden. Der Magenbypass hat das Leben der Friseurin im<br />
wahrsten Sinn des Wortes erleichtert. Nach einem halben Jahr<br />
hat sie bereits 40 Kilo abgenommen. Ihre Ernährung hat sie<br />
komplett umgestellt. Heute nimmt sie fünf bis sechs kleine<br />
Mahlzeiten pro Tag zu sich, Vitamine und Mineralstoffe gibt<br />
es extra. Auf fettige oder saure Speisen muss sie verzichten.<br />
Doch die Einschränkungen nimmt sie gerne in Kauf. Schließlich<br />
kann sie wieder ohne Probleme arbeiten – und sogar ein<br />
bisschen Sport treiben.<br />
Maike kLüber
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srh Magazin 23