Manfred Balzer - Taucher.Net
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KLARTEXT<br />
Der Gourmettempel in Halle 3<br />
Von Harald Apelt<br />
Oder: Schlechtes muss nicht billig sein<br />
Herbert Grönemeyer ist einer von<br />
uns! Und er weiß Bescheid! Spätesten<br />
seit seinem Kultsong „Currywurst“<br />
war das für mich eine unumstößliche<br />
Wahrheit. Auch wenn er<br />
vielleicht ein kleines bisschen reicher<br />
ist als ich, ich glaub ihm<br />
immer noch! Er beschrieb mit diesem<br />
Song genau das, was ich nicht<br />
ständig, aber immer wieder mal<br />
fühlte, nämlich den<br />
Zustand, wenn die<br />
Geschmacksnerven mit<br />
einem durchzugehen<br />
drohten und man einen kaum zu<br />
bremsenden Heißhunger auf einen<br />
dreistöckigen Burger oder eine<br />
satte Currywurst mit rot/gelb verspürte.<br />
Und trotz mittlerweile regelmäßiger<br />
Cholesterin-Kontrolle, trotz<br />
überwiegend vernunftgesteuerter<br />
Ernährung: Immer wieder mal geht<br />
es mit mir durch, und ich kenne<br />
dann plötzlich keinen Halt mehr.<br />
14<br />
Ein Hoch auf den<br />
Mantateller!<br />
„CURRYWURST“!!! ruft es dann mit<br />
drei Fragezeichen aus mir heraus.<br />
Das imaginäre Duftensemble aus<br />
gelbem indischem Gewürz, heißer<br />
Ketchupsauce und der leichte Ranzgeruch<br />
der in überaltertem Fett frittierten<br />
Pommes gibt mir dann den<br />
Rest. „Bedarfsdeckung!!!“ signalisiert<br />
mir mein Gehirn mit allergrößtem<br />
Nachdruck.<br />
So! Und nun sind wir<br />
endlich dort angekommen,<br />
wo ich eigentlich<br />
hin wollte. Haben Sie<br />
einmal versucht, den zuvor<br />
beschriebenen Bedarf hier bei uns,<br />
in <strong>Taucher</strong>halle drei, zu decken? Na<br />
denn mal viel Vergnügen! Halle drei<br />
ist eine Einöde für Gourmets. Das<br />
ist klar! Aber Halle drei ist auch<br />
eine Einöde für uns Normalbürger,<br />
die einfach zwischen unendlich vielen<br />
Gesprächen, Verhandlungen<br />
und immer wiederkehrenden, stereotypen<br />
Dialogen mal ’raus müssen.<br />
Es sind doch keine allzu hohen<br />
Ansprüche, die wir stellen. Nur mal<br />
ein wenig raus aus dem Messetrubel<br />
und ruck, zuck etwas gegessen.<br />
Das muss ja nun nicht unbedingt<br />
die Mega-C-Wurst von Herbert sein.<br />
Ich wäre ja schon mit einem frischenCroque-Madame-Monsieuroh-làlà<br />
oder sonst wie belegt,<br />
zufrieden. Ich würde sogar hinabtauchen<br />
in die Tiefen eines Pärchens<br />
knackiger Wiener mit einem<br />
guten Klacks Kartoffelsalat; von<br />
einer frischen, hausgemachten<br />
Boulette mal ganz zu schweigen.<br />
Aber waren Sie mal in der Mittagszeit<br />
in der Halle drei unterwegs um<br />
diese vorgenannten, sich auf einfachstem<br />
Niveau angesiedelten Primärbedürfnisse,<br />
zu befriedigen? Ich<br />
ja! Und es war mein persönliches<br />
Desaster, weil seither weiß ich:<br />
Noch tiefer kann man nicht sinken.<br />
Der Leitsatz der hier angesiedelten<br />
Gastronomie lautet offenbar:<br />
“Schlechtes muss nicht preiswert<br />
sein.“ Und genau das ist es, was<br />
mir stinkt. Wenn man schon Messepreise<br />
aufruft, dann sollte sich<br />
auch das Geleistete in einem adäquaten<br />
Rahmen bewegen. Hier<br />
klafft die Schere aber leider soweit<br />
auseinander, dass man sie als solche<br />
kaum noch erkennt.<br />
Und was mache ich dagegen? Ich<br />
werde Gourmet-Tourist! Weil die<br />
meisten Aussteller in Halle drei das<br />
Problem erkannt haben, hat fast<br />
jeder für sich eine eigene Strategie<br />
entwickelt, wie er mit diesem leidigen<br />
Thema umgeht. Da gibt es die<br />
einfache Lösung. Mit Knabbergebäck.<br />
An diesen Ständen stehen nie<br />
leer werdende, weiße Pappteller<br />
mit Fischlis, Crispis und Salzletten<br />
auf den Tischen (der 25-kg-Messesack<br />
für nur 9,99 in der Metro!!).<br />
Dort bin ich mittags nie!<br />
Dann gibt es die Stände, an denen<br />
Messe-Muttis ihre Lieben jeden Tag<br />
mit selbst gekochten Suppen versorgen.<br />
Dort wäre ich gerne, aber<br />
da wird man mangels Masse nicht<br />
gerne gesehen, Tja, und dann gibt<br />
es da noch die heimlichen Gourmettempel.<br />
Das sind sozusagen die<br />
„Hotspots“ der Halle drei. Nur gelegentlich<br />
ertappt man die heimlichen<br />
Feinschmecker dabei, wie sie<br />
ihre „lunchtime“ im 4,5- Quadratmeter-Separé<br />
mit edlen Schnittchen<br />
und dem Champagnerglas in der<br />
Linken genießen. Ich mache mir<br />
seit Jahren schon Gedanken, wie<br />
man sich in solch einen erlauchten<br />
Zirkel einschleichen kann. Ich<br />
suche noch! Ums kurz zu machen:<br />
Wer heute Abend um 17 Uhr zu uns<br />
an den Stand kommt und mir<br />
Zugang zu einer solchen konspirativen<br />
Runde verschafft, bekommt<br />
das Freibier an unserem Stand<br />
heute von mir noch freier! Wort<br />
Für einige Arten kommt<br />
drauf!<br />
jetzt schon jeder Diskussionsgipfel<br />
zu spät...<br />
Currywurst<br />
(Herbert Grönemeyer)<br />
Geh se in de Stadt<br />
wat macht dich da satt<br />
ne Currywurst<br />
Komm se vonne Schicht<br />
wat schöneres gibt es nich als<br />
wie Currywurst<br />
Mit de Pommes dabei,<br />
ach dann geb’n se gleich zwei-<br />
-mal Currywurst<br />
Bisse richtig down<br />
brauchse wat zu kaun<br />
ne Currywurst<br />
Willi komm geh mit<br />
ich kriech Appetit<br />
auf Currywurst...<br />
15<br />
„Pommes, Hamburger,<br />
Bratwurst, zwei Kaffee:<br />
Euro 128,50,-!“