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Kampfmittelerkundung am Oberrhein in der Stauhaltung Kembs

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<strong>K<strong>am</strong>pfmittelerkundung</strong> <strong>am</strong> <strong>Oberrhe<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Stauhaltung</strong> <strong>Kembs</strong><br />

Zus<strong>am</strong>menfassung<br />

Im Vorfeld <strong>der</strong> Nachsorgeuntersuchungen <strong>am</strong><br />

rechten Rhe<strong>in</strong>seitend<strong>am</strong>m <strong>der</strong> <strong>Stauhaltung</strong><br />

<strong>Kembs</strong> nördlich von Basel wurden durch das<br />

WSA Freiburg Erkundungen <strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastung<br />

durchgeführt. Nach e<strong>in</strong>er historischgenetischen<br />

Recherche wurde die <strong>K<strong>am</strong>pfmittelerkundung</strong><br />

mittels Geomagnetik an Testfel<strong>der</strong>n<br />

durchgeführt. Im Ergebnis <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong><br />

Testfel<strong>der</strong>kundung werden ggf. Testfeldräumungen<br />

durchgeführt, um die K<strong>am</strong>pfmittelbelastung<br />

des D<strong>am</strong>mes besser abschätzen zu können.<br />

Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Die <strong>Stauhaltung</strong> <strong>Kembs</strong> wurde als erste <strong>Stauhaltung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>Oberrhe<strong>in</strong></strong> 1932 erbaut. Die Dämme<br />

s<strong>in</strong>d die ältesten <strong>Stauhaltung</strong>sdämme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zuständigkeit<br />

des WSA Freiburg und die e<strong>in</strong>zigen,<br />

die vor dem 2. Weltkrieg errichtet wurden.<br />

Im Zuge des D<strong>am</strong>mnachsorgeprogr<strong>am</strong>ms wird<br />

durch das WSA Freiburg geprüft, ob die bestehenden<br />

<strong>Stauhaltung</strong>sdämme <strong>am</strong> <strong>Oberrhe<strong>in</strong></strong> den<br />

allgeme<strong>in</strong> anerkannten Regeln <strong>der</strong> Technik entsprechen<br />

und über die erfor<strong>der</strong>liche Standsicherheit<br />

verfügen. Dazu werden zunächst e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Baugrunduntersuchungen durchgeführt.<br />

Diese bestehen unter an<strong>der</strong>en aus direkten<br />

Baugrundaufschlüssen <strong>in</strong> Form von R<strong>am</strong>mkernbohrungen<br />

und R<strong>am</strong>msondierungen.<br />

Der zu untersuchende D<strong>am</strong>mbereich selbst war<br />

im 2. Weltkrieg Bestandteil des sog. „Westwalls“.<br />

E<strong>in</strong>ige Bunker aus dieser Verteidigungsl<strong>in</strong>ie<br />

bef<strong>in</strong>den sich heute noch im bzw. auf dem<br />

D<strong>am</strong>m (siehe Abb. 1).<br />

Abb. 1: Westwall-Bunker auf dem D<strong>am</strong>m <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Stauhaltung</strong> <strong>Kembs</strong><br />

65<br />

Anne Bull<br />

WSA Freiburg<br />

In diesem Bereich haben im 2. Weltkrieg umfangreiche<br />

K<strong>am</strong>pfhandlungen stattgefunden. Unterlagen<br />

über frühere systematische Räumungen<br />

im Untersuchungsgebiet konnten nicht aufgefunden<br />

werden. Aus diesem Grund wurde durch<br />

das WSA e<strong>in</strong>e Beurteilung <strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastungssituation<br />

beauftragt.<br />

Beurteilung <strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastungssituation<br />

Im April 2006 wurde die Oberf<strong>in</strong>anzdirektion<br />

Hannover (OFD), Landesbauabteilung, mit <strong>der</strong><br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>er historisch-genetischen Rekonstruktion<br />

<strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastung für den Bereich<br />

des rechten Rhe<strong>in</strong>seitend<strong>am</strong>mes zwischen<br />

<strong>der</strong> Gemarkung Märkt bis nördlich Basel (Rh-km<br />

171,300 bis 174,200) beauftragt. Im Zuge <strong>der</strong><br />

Arbeiten wurden umfangreiche Archivrecherchen<br />

im In- und Ausland und Recherchen fachspezifischer<br />

Literatur durchgeführt, sowie Luftbildpläne<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus den Jahren 1944 und 1945<br />

ausgewertet.<br />

Umfangreiche Arbeiten galten <strong>der</strong> Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Randbed<strong>in</strong>gungen zum Luftangriff <strong>am</strong><br />

07. Oktober 1944. Ziel dieses Angriffes war die<br />

Zerstörung des Stauwehres Märkt <strong>in</strong> unmittelbarer<br />

Nähe des im Zuge <strong>der</strong> Nachsorge zu untersuchenden<br />

D<strong>am</strong>mes.<br />

Der Angriff auf das Stauwehr Märkt erfolgte mit<br />

13 Lancastern welche je e<strong>in</strong>e sog. „Tallboy“ mitführten.<br />

Diese Bomben waren speziell für den<br />

E<strong>in</strong>satz gegen stark befestigte Betonbauten konzipiert<br />

worden. Diese Bomben haben e<strong>in</strong>e außerordentlich<br />

hohe Durchschlagskraft und funktionieren<br />

nach dem „Erdbebenpr<strong>in</strong>zip“. Ihre Wirkung<br />

liegt dar<strong>in</strong>, dass sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe e<strong>in</strong>es Ziels<br />

detoniert und e<strong>in</strong>e unterirdische Höhlung statt<br />

e<strong>in</strong>es Kraters verursacht. Dadurch wird fast die<br />

ges<strong>am</strong>te Energie <strong>der</strong> Explosion vom Erdboden<br />

aufgenommen und über die Fund<strong>am</strong>ente wird<br />

e<strong>in</strong> deutlich höherer Anteil <strong>der</strong> Explosionsenergie<br />

als Schockwelle auf das Ziel e<strong>in</strong>wirken als bei<br />

Detonationen an <strong>der</strong> Oberfläche. E<strong>in</strong> direktes<br />

Treffen des Zieles, um es zu zerstören. ist d<strong>am</strong>it<br />

nicht mehr notwendig.


Die Bomben waren u. a. mit erst kurz zuvor<br />

entwickelten Langzeitzün<strong>der</strong>n ausgestattet.<br />

Diese hatten e<strong>in</strong>e Zündverzögerung von 30 M<strong>in</strong>uten.<br />

Das Verzögerungsglied bestand aus e<strong>in</strong>er<br />

Zelluloidscheibe, die durch E<strong>in</strong>wirkung von Aceton<br />

mit Alkohol aufgelöst wird.<br />

Abb. 2: Aufbau <strong>der</strong> „Tallboy“<br />

Abb. 4: Detonation e<strong>in</strong>er „Tallboy“-Bombe <strong>am</strong> Stauwehr Märkt <strong>am</strong> 7.10.1944<br />

66<br />

Abb. 3: Langzeitzün<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Tallboy“-Bombe<br />

Im Ergebnis <strong>der</strong> durch die OFD Hannover angefertigten<br />

Historisch-genetische Rekonstruktion<br />

K<strong>am</strong>pfmittelbelastung kann gesagt werden,<br />

dass das ges<strong>am</strong>te Untersuchungsgebiet als<br />

K<strong>am</strong>pfmittelverdachtsfläche e<strong>in</strong>gestuft werden<br />

kann. Der K<strong>am</strong>pfmittelverdacht bezieht sich auf<br />

verschossene und bl<strong>in</strong>dgegangene, flächenhaft<br />

verteilte alliierte sowie <strong>in</strong> Stellungen zurückgelassene<br />

und vergrabene deutsche Infanterie-<br />

und Nahk<strong>am</strong>pfmunition. Diese bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

Tiefen von 1-2 m.<br />

Weiterh<strong>in</strong> wurde nachgewiesen, dass sich im<br />

Untersuchungsgebiet <strong>der</strong> Nachsorge im D<strong>am</strong>mbereich<br />

mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ke<strong>in</strong><br />

K<strong>am</strong>pfmittelverdacht h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> „Tallboys“<br />

ergibt.<br />

Stauwehr Märkt<br />

Untersuchungsgebiet <strong>der</strong> D<strong>am</strong>m-<br />

nachsorge auf deutscher Seite


Im Zuge <strong>der</strong> historisch-genetischen Rekonstruktion<br />

<strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastung wurden ebenfalls<br />

Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Phase B lt. Arbeitshilfe K<strong>am</strong>pfmittelräumung<br />

(AH KMR) erarbeitet.<br />

Abb. 5: Phasen <strong>der</strong> Erkundung bei K<strong>am</strong>pfmittelverdacht<br />

(Quelle: Arbeitshilfen K<strong>am</strong>pfmittelräumung,<br />

BMVBS)<br />

Testfel<strong>der</strong>kundung mittels Geomagnetik<br />

Im Anschluss an die historisch-genetische Rekonstruktion<br />

wurde die geomagnetische Erkundung<br />

des rechten Rhe<strong>in</strong>seitend<strong>am</strong>ms durch das<br />

WSA beauftragt. Diese weitere Untersuchung<br />

erwies sich als notwendig, um weitere Daten für<br />

die Gefährdungsabschätzung zu erhalten. Es<br />

wurden 17 Testfel<strong>der</strong> mit Größen von 10 m x 10<br />

m bis 10 m x 30 m festgelegt und geomagnetisch<br />

erkundet. Die Erkundung erfolgte im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit <strong>der</strong> Phase „Technische Erkundung<br />

<strong>der</strong> K<strong>am</strong>pfmittelbelastung“ (Phase B).<br />

Zur Messung wurde e<strong>in</strong> Messsystem bestehend<br />

aus vier Sonden verwendet, welche auf e<strong>in</strong>em<br />

Tragegestell montiert waren (siehe Bild). Für<br />

steile Abschnitte wurde e<strong>in</strong> System mit e<strong>in</strong>er<br />

Sonde benutzt.<br />

67<br />

Abb. 6.: Messsystem mit 4 Sonden während <strong>der</strong> geomagnetischen<br />

Testfel<strong>der</strong>kundung<br />

Die Ergebnisse <strong>der</strong> geomagnetischen Untersuchung<br />

zeigen dass e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Testflächen<br />

mit eisenhaltigen Störkörpern verunre<strong>in</strong>igt ist.<br />

Dabei treten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelanomalien<br />

auf, son<strong>der</strong>n Bereiche mit flächiger Belastung<br />

und sich dadurch überlagernde Anomalien. E<strong>in</strong>e<br />

Unterscheidung <strong>in</strong> Zivilschrott/K<strong>am</strong>pfmittel ist<br />

anhand <strong>der</strong> Messergebnisse nicht möglich.<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit genauere Aussagen über die<br />

K<strong>am</strong>pfmittelbelastung des D<strong>am</strong>mes zu erhalten<br />

ist, die Testflächen möglichst flächenhaft frei<br />

von allen oberflächennahen Störkörpern zu räumen<br />

und die Art und Anzahl <strong>der</strong> gefundenen Objekte<br />

zu dokumentieren.<br />

Das Ergebnis dieser Untersuchungen wird e<strong>in</strong>e<br />

statistische Aussage über das Vorhandense<strong>in</strong><br />

von K<strong>am</strong>pfmitteln se<strong>in</strong>. Man kann sich bei<br />

<strong>K<strong>am</strong>pfmittelerkundung</strong>en nur auf e<strong>in</strong>e relative<br />

Sicherheit verlassen, absolute Sicherheiten s<strong>in</strong>d<br />

hier nicht möglich.<br />

Weiteres Vorgehen<br />

Derzeit erfolgt die Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse<br />

<strong>der</strong> Testfel<strong>der</strong>kundung. E<strong>in</strong>e Entscheidung über<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Testfeldräumung wird<br />

im Anschluss daran gefällt.<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> D<strong>am</strong>mnachsorge stellt die K<strong>am</strong>pfmittelbelastung<br />

des D<strong>am</strong>mes e<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

an ggf. durchzuführende Nachsorgeuntersuchungen<br />

und –maßnahmen dar.

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