KUNST
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Rembrandt und Kremer<br />
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editorial<br />
Liebe Leserinnen und Leser, Dear Reader,<br />
den Titel des neuen Kölner MuseumsBulletins schmückt<br />
eine Aufnahme zur Ausstellung „teX – Textiles von morgen“<br />
im Museum für Angewandte Kunst. In dieser eigens<br />
für das Haus konzipierten Schau experimentieren Barbara<br />
Esser und Wolfgang Horn mit der textilen Kunst.<br />
Entstanden sind künstlerische Entwürfe und Kompositionen,<br />
die als gewebte Bilder, Raumteiler und Objekte mit<br />
unserer Wahrnehmung spielen.<br />
In seinen für das Bulletin entstandenen Aufnahmen ist es<br />
dem Photographen Andreas Pohlmann (reinformat) gelungen,<br />
die Sinnlichkeit der dreidimensionalen Objekte<br />
einzufangen. Wir danken ihm an dieser Stelle ganz herzlich<br />
für die Chance, diese Bilder für das Heft kostenfrei zu<br />
verwenden.<br />
Mit den Themen des Titelblattes möchten wir Akzente<br />
setzen. Auf dem Cover soll zukünftig eine Projektionsfläche<br />
für die Photoszene in Köln entstehen. Thema dabei<br />
sind immer die Museen und ihre Sammlungen. Nicht in<br />
einer nüchternen Wiedergabe des Objekts, sondern als<br />
Stimmungsbild, als Szene, als Situationsanalyse. Damit<br />
trifft sich die Gestaltung des Covers mit Aufgabe und<br />
Zielsetzung des Bulletins.<br />
Zu Gast im aktuellen Heft ist diesmal die Photographische<br />
Sammlung der SK Stiftung – auf Umwegen wird die Photographie<br />
fast so etwas wie ein hintergründiges Leitmotiv des<br />
Heftes, passend zur „Internationalen Photoszene Köln“ im<br />
September. Daneben kommen fast alle Häuser zu Wort, zumeist<br />
mit aktuellen Meldungen zu Ausstellungen oder Forschungen<br />
zu einzelnen Objekten. Daneben finden sich überraschende<br />
Erkenntnisse, wie zu römischen Spardosen oder<br />
gotischen Bodenfliesen, ein Interview mit einem Sammlerpaar<br />
und eine Studie zu antiken Schicksalsgöttinnen.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen<br />
Matthias Hamann<br />
on the title page of the new Kölner MuseumsBulletin is<br />
a photograph of the „teX – Textiles von morgen“ (teX<br />
– Textiles of Tomorrow) exhibition at the Museum für<br />
Angewandte Kunst / Museum of Applied Arts. In this<br />
show, conceived specifically for the Museum, Barbara<br />
Esser and Wolfgang Horn experiment with textile art. The<br />
outcome is a set of artistic designs and experimental compositions<br />
that, as woven pictures, partition-screens and<br />
objects, play games with our perception.<br />
In his photographs for the Bulletin, photographer Andreas<br />
Pohlmann of reinfomat has succeeded in capturing the<br />
lusciousness of the three-dimensional objects. We take<br />
this opportunity to thank him very sincerely for the kindness<br />
of letting us use these pictures free of charge for the<br />
journal.<br />
As for the title page, there is design behind the design.<br />
The motifs are the first in what is to be a site reflecting<br />
the photography scene in Cologne – always as manifested<br />
through the subject of our museums and their collections.<br />
This is not to imply a sober reproduction of the object, but<br />
as a rendering of atmosphere, a scene, the analysis of a<br />
situation. That is where the cover design and the brief and<br />
aims of the Bulletin meet.<br />
The guest in the current issue is the SK Foundation’s<br />
Photograph Collection. Indirectly, then, photography<br />
constitutes almost a kind of background leitmotif for this<br />
journal. In the process, almost all the museums have a<br />
say, in most cases with news on exhibitions or on research<br />
into individual items. Then there are surprising findings<br />
such as those concerning Roman moneyboxes or Gothic<br />
floor tiles, an interview with a collector couple and a study<br />
of the Fates of Classical antiquity.<br />
Wishing you pleasurable reading<br />
Matthias Hamann<br />
Dr. Matthias Hamann<br />
Direktor Museumsdienst<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
editorial<br />
1
Ansicht der Ausstellung „teX. Textiles von morgen“<br />
im Museum für Angewandte Kunst, Köln, mit Werken<br />
von Barbara Esser und Woflgang Horn.
Kölner Museums Bulletin<br />
Berichte, Forschungen und Aktuelles aus den Museen der stadt Köln<br />
s eite 4<br />
Ausstellungen August bis Dezember 2008<br />
s eite 6<br />
Peter doig erhält den<br />
Wolfgang-hahn-Preis KÖln 2008<br />
Carla Cugini<br />
PAGe 09 Peter Doig awarded the Wolfgang-Hahn-Preis<br />
Köln 2008<br />
s eite 10<br />
Wem gehören die Bilder?<br />
Andreas Blühm<br />
PAGe 13 Who owns the Pictures?<br />
s eite 14<br />
rembrandt, ein Jugendtraum<br />
ein interview mit dem Sammlerehepaar Kremer<br />
Stefan Swertz<br />
s eite 20<br />
Man ray und l. Fritz Gruber<br />
Claudia Schubert<br />
PAGe 25 Man ray and l. Fritz Gruber –<br />
Years in Friendship, 1956 to 1976<br />
s eite 26<br />
Visuelle anarchien<br />
Bodo von Dewitz<br />
PAGe 31 Visual Anarchies<br />
s eite 32<br />
ein römisches hafentor auf dem<br />
Kurt-hackenberg-Platz<br />
Marcus Trier<br />
PAGe 37 A roman Port Gate at Kurt-Hackenberg-Platz<br />
s eite 38<br />
Kunst im doppelpack<br />
Andreas Baumerich<br />
PAGe 41 Preview: Art in a Double-Pack –<br />
Museum für Angewandte Kunst presents<br />
new Design Department<br />
s eite 42<br />
der Blick des Publikums<br />
Sebastian Potschka<br />
s eite 44<br />
anton legner zu ehren<br />
Hiltrud Westermann-Angerhausen<br />
s eite 48<br />
auf dem Boden bleiben…<br />
Horst Mauke<br />
PAGe 53 Feet firmly on the Ground...<br />
s eite 54<br />
römische Spardosen aus Köln<br />
Constanze Höpken<br />
PAGe 59 roman Moneyboxes from Cologne<br />
s eite 60<br />
„Spin(n)et noch lange den Faden des lebens“<br />
Parzen, Gesundheit und die Bitte um ein langes<br />
leben<br />
Thomas Blisniewski<br />
PAGe 68 the Fates, Good Health and the Plea for a long<br />
life – (May you) ‚spin yet long the thread of life’<br />
s eite 72<br />
angelika Kauffmann: Bildnis thomas reade<br />
Thesy Teplitzky<br />
PAGe 79 Angelika Kauffmann: Portrait of thomas reade<br />
s eite 80<br />
impressum<br />
0 2 8<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
inhalt<br />
3
Museen der stadt Köln<br />
Ausstellungen August – Dezember 2008<br />
Wallraf-richartz-Museum & Foundation Corboud<br />
bis 5. Okt. 2008 Rembrandt, ein Jugendtraum – Die Sammlung Kremer<br />
31. Okt. 2008 bis 8. Febr. 2009 Künstlerpaare – Liebe, Kunst und Leidenschaft<br />
Museum Ludwig<br />
bis 31. Aug. 2008 Matti Braun. Özurfa<br />
bis 21. Sept. 2008 Tobias Rehberger – Die „Das-kein-Henne-Ei-Problem“-Wandmalerei<br />
bis 19. Okt. 2008 Hitler blind und Stalin lahm –<br />
Marinus und Heartfield – Politische Fotomontagen der 1930er Jahre<br />
bis 9. Nov. 2008 David Shrigley – Monotypien<br />
18. Okt. bis 1. Febr. 2009 Gerhard Richter. Abstrakte Bilder<br />
24. Okt. 2008 bis 25. Jan. 2009 RUHE 1. Hörspiel im Raum von Paul Plamper<br />
24. Okt. 2008 bis 25. Jan. 2009 Thomas Bayrle<br />
8. Nov. 2008 bis 1. März 2009 Looking for mushrooms – Beat Poets, Hippies, Funk und Minimal Art:<br />
Kunst und Counterculture in San Francisco um 1968<br />
8. Nov. 2008 bis 1. März 2009 Jonas Mekas<br />
Römisch-Germanisches Museum<br />
bis 26.Okt. 2008 Echnaton und Amarna. Wohnen im Diesseits<br />
verlängert bis Juni 2009 Auge in Auge. Kaiserbilder aus einer norddeutschen Privatsammlung<br />
Museum für Angewandte Kunst<br />
bis 24. Aug. 2008 Schmuckpole – Wilhelm Nagel und Karl Fritsch<br />
bis 24. Aug. 2008 „teX – Textiles von morgen“. Barbara Esser – Wolfgang Horn<br />
19. Sept. bis 9. Nov. 2008 „...in Toplage. Architekturfantasien im zeitgenössischen Schmuck“<br />
22. Okt. 2008 bis 1. Febr. 2009 Nico – Köln, Berlin, Paris, New York. Stationen einer Popikone<br />
ab 1. Nov. 2008 Kunst und Design im Dialog –<br />
die neue Design- Abteilung mit der Sammlung Winkler<br />
Archäologische Zone / Praetorium<br />
verlängert bis 14. Sept. 2008 Statthalterluxus<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
4<br />
a u SStellunG SStellunGSKalender<br />
en und aKtuelleS
Museum für Ostasiatische Kunst<br />
bis 30. Nov. 2008 Kunst des esoterischen Buddhismus<br />
bis 30. Nov. 2008 Hiroshige. Ansichten von Edo und mehr<br />
18. Okt. bis 26. April 2009 Feuer und Erde. Chinesische Keramik<br />
Kölnisches Stadtmuseum<br />
bis 14. Sept. 2008 Robert Blum (1807-1848). Visionär, Demokrat, Revolutionär<br />
27. Sept. bis 9. Nov. 2008 Wolf Vostell in Köln<br />
22. Nov. 2008 bis 21. Febr. 2009 Colonia Kolonial<br />
5. Dez. 2008 bis 1. März 2009 Die vergessenen Europäer: Kunst der Roma – Roma in der Kunst<br />
NS-Dokumentationszentrum<br />
bis 31. Aug. 2008 „Willkommen, Bienvenue, Welcome…“.<br />
Politische Revue – Kabarett – Varieté in Köln 1928 bis 1938<br />
5. Sept. bis 26. Okt. 2008 Nationalsozialistische Germanisierungspolitik in Slowenien<br />
und der Kampf um Entschädigung<br />
11. Nov. 2008 bis 18. Jan. 2009 Ausstellung Lodz / Jüdisches Schicksal in Köln<br />
artothek<br />
bis 26. Aug. 2008 Kalin Lindena. Stunde mehr als Hälfte. Art Cologne-Preis für junge Kunst<br />
4. Sept. bis 28. Okt. Koji Sekimoto<br />
6. Nov. bis 23. Dez. 2008 Ralph Merschman<br />
Kölnischer Kunstverein<br />
bis 28. Sept. 2008 Michael Krebber<br />
23. Aug. bis 28. Sept. 2008 Olivier Foulon, Soliloque du balai/ Soliliquy of the broom.<br />
In Kooperation mit der Marcel-Proust Gesellschaft e.V.<br />
23. Aug. bis 28. Sept. 2008 Many challenges lie ahead in the near future - mit Milos Tomic,<br />
Bojan Sarcevic, Vladimir Nikolic und Lulzim Zeqiri<br />
15. Nov. bis 21. Dez. 2008 Seth Price. Einzelausstellung<br />
nähere informationen und aktuelle Öffnungszeiten im internet: www.museenkoeln.de<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG a u SStellunGSKalender<br />
en und aKtuelleS<br />
5
Peter Doig erhält den<br />
Wolfgang-Hahn-Preis Köln 2008<br />
von Carla Cugini<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
6 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 1: Verleihung Wolfgang-Hahn-Preis KÖLN 2008<br />
im Museum Ludwig Köln.<br />
neuerwerbung für das Museum ludwig<br />
Peter Doigs Œuvre besticht durch eine einzigartige<br />
malerische Komposition von Stimmungen und Motiven.<br />
In seinen jüngeren Arbeiten ist die Hinwendung zur Verdichtung<br />
der Form, die Fokussierung einzelner Motive, ja<br />
fast schon das Oszillieren zwischen Figuration und Abstraktion<br />
die bemerkenswerte Weiterentwicklung des<br />
1959 auf Trinidad geborenen britischen Künstlers, der<br />
bereits ein substanzielles Gesamtwerk geschaffen hat.<br />
Die Gesellschaft für Moderne Kunst zeichnete den zeitgenössischen<br />
Maler mit dem Wolfgang-Hahn-Preis KÖLN<br />
2008 aus, der mit 100.000 Euro dotiert ist (Abb. 1). Zudem<br />
wurde das Gemälde ,Man dressed as Bat (Embah)‘ für die<br />
Sammlung des Museum Ludwig erworben (Abb. 2).<br />
Betrachtet man Peter Doigs großformatiges Werk ,Man<br />
dressed as Bat (Embah)‘, ist man fasziniert von der Vielschichtigkeit<br />
und der vibrierenden Feinfühligkeit des<br />
Gemäldes (Abb. 2). Der Bildvordergrund zeigt eine schemenhafte<br />
Figur im Fledermauskostüm vor einem türkisgrün<br />
flackerndem Hintergrund, der wie mit einem milchweissen<br />
Schleier überdeckt wirkt. Doig konzentriert sich<br />
dabei in seiner Bildorganisation auf das einzelne Motiv<br />
der Fledermaus. Sie steht im Zentrum des Bildes, während<br />
die Umgebung diffus und unfassbar belassen ist.<br />
Doigs feinfühliger künstlerischer Umgang mit der Farbe<br />
zeigt sich einerseits an diesem fast gespenstisch lebendigen<br />
Hintergrund, der im Auge des Betrachters zu<br />
vibrieren scheint. Andererseits kreiert Doig mit Pastell-<br />
Farben und einem nahezu durchscheinenden Farbauftrag<br />
den Eindruck einer Nachtgestalt, die auch Trugbild<br />
sein, einen zum Narren halten könnte. Zwar ist das Motiv<br />
der Fledermaus noch erkennbar – doch könnte die Figur<br />
ebensogut nur der flüchtige Schatten ihrer selbst, oder
Abb. 2: Peter Doig vor ‚Man dressed as Bat (Embah)‘,<br />
2008, anlässlich der Wolfgang-Hahn-Preisverleihung<br />
am 14. April 2008.
gar eine abstrakte Form sein, die man schlaftrunken als<br />
Fledermaus interpretiert. Die einsame Figur ist weder<br />
gegenständlich noch abstrakt, schwankt zwischen Realität<br />
und Imagination, scheint Traumverlorenheit und<br />
Einsamkeit, Sehnsucht und Todesangst zugleich zu verkörpern.<br />
Die vermehrte Beschäftigung mit der Linie, einhergehend<br />
mit der Wahl von abgedämpften Farben, ist bezeichnend<br />
für Doigs jüngeres Werk. Anders als in seinen<br />
früheren Bildern, in denen oft einzelne Personen und<br />
detailreiche gemalte Landschaften dargestellt sind, ist<br />
in seinem jüngeren Schaffen eine Fokussierung einzelner<br />
Motive festzustellen, was Doigs malerisches Können,<br />
seinen Umgang mit Form und Farbe umso stärker in den<br />
Vordergrund treten lässt. Weiß man um Doigs Vorliebe<br />
für den Film, ist man versucht, bei dieser Fokussierung<br />
auf ein einzelnes Motiv von einem ‚close-up‘ zu sprechen,<br />
während man bei früheren Arbeiten eher einen Weitwinkel-Ausschnitt<br />
sieht. Dabei könnte Doigs Hinwendung<br />
zu einer reduzierten Bildsprache nicht zuletzt auch aus<br />
seiner Beschäftigung mit Filmplakaten resultieren. Diese<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
8 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 3: Peter Doig: ‚Taxi Driver‘, 2004,<br />
Öl auf Papier, 72,5 x 57,5 cm.<br />
Plakate begann er 2003 zu malen; das Museum Ludwig<br />
präsentierte sie in der Ausstellung Peter Doig. StudioFilm-<br />
Club (23. April bis 24. Juli 2005). Zur Ankündigung der<br />
Filmabende in seinem Atelier auf Trinidad entwirft Doig<br />
Plakate, die sich durch ihre Unmittelbarkeit und mit wenigen<br />
Pinselstrichen skizzierten Motive auszeichnen (Abb.<br />
3). Diese schafft Doig in Anlehnung an die auf Trinidad<br />
üblichen handgemalten, abstrakten Werbeplakate mit<br />
groß geschriebenem Text und bunten Farbflächen. Während<br />
die Filmplakate jedoch als einmaliges Instrument<br />
zur Ankündigung gedacht sind, arbeitet Doig an seinen<br />
Gemälden gerne über ausgedehnte Zeiträume hinweg.<br />
So ist ‚Man Dressed as Bat (Embah)‘ nach Angabe des<br />
Künstlers im Laufe von mehreren Jahren entstanden.<br />
Die Vielschichtigkeit von Doigs Malerei verdeutlicht sich<br />
sowohl an kunsthistorischen wie auch populären Bezügen.<br />
So findet man bei ihm – anders als bei den Young<br />
British Artists, zu deren Generation er gerne gezählt<br />
wird – Referenzen zu den Anfängen, respektive Vorläufern<br />
der Moderne. In ,Man Dressed as Bat (Embah)‘<br />
erinnert der Umgang mit der Linie an Honoré Daumier,
das Motiv des einsamen Individuums inmitten einer<br />
verlorenen Landschaft an Edvard Munch, die Farbwahl<br />
lässt an William Turner und die diffuse Lichtstimmung<br />
an impressionistische Bilder denken. Von dieser Fülle<br />
an möglichen kunsthistorischen Referenzen sollte man<br />
sich jedoch nicht verführen lassen. ,Man Dressed as Bat<br />
(Embah)‘ hat ebenso viel mit populärer Kultur zu tun. Jedoch<br />
nicht – wie man gerne annehmen würde – mit der<br />
Film-Figur ‚Batman‘ (diese Assoziation lehnte der Künstler<br />
im Gespräch explizit ab), sondern mit lokalen Bezügen<br />
zu seinem Wohn- und Arbeitsort. Inspiriert zu dem<br />
Gemälde wurde Doig von einem Geschenk seines Künstlerfreundes<br />
Embah (geb. 1938). Die kleine Fledermausskulptur,<br />
die in den karibischen Nächten ihre Schatten<br />
auf seine Atelierwände warf, weckte Doigs Faszination.<br />
Zudem hat die Kostümierung als Fledermaus eine lange<br />
Tradition im Trinidadschen Karneval: Das nachtliebende<br />
Tier tanzt im grellen Licht, ganz im Sinne der bunten<br />
Karnevalstage, die die herrschende Ordnung der Dinge<br />
auf den Kopf stellen. Damit zollt Doig nicht nur seinem<br />
Lebensmittelpunkt Port of Spain Tribut, sondern schlägt<br />
auch die Brücke zu Kölns ‚fünfter Jahreszeit‘. Peter Doig<br />
sagte selbst bei seinem Besuch anlässlich der Wolfgang-<br />
Hahn-Preisverleihung, sein Gemälde sei „auf eine gewisse<br />
Art und Weise ein Gemälde über Karneval, aber<br />
sehr subtil. Port of Spain – Köln!“<br />
Der Jury, die über die Verleihung des Wolfgang-Hahn-<br />
Preises 2008 zu entscheiden hatte, lagen rund 50 Vorschläge<br />
der Mitglieder der Gesellschaft für Moderne<br />
Kunst vor. „Doigs magischer Realismus bringt die Malerei<br />
in unerforschte Territorien – dies macht ihn zu<br />
einem der bedeutendsten Maler seiner Generation“,<br />
begründete Iwona Blazwick, Gastjurorin und Direktorin<br />
der Whitechapel Gallery, London, die Wahl. Zu den Anforderungen<br />
des Preises gehört, dass der Künstler sein<br />
Œuvre konsequent über Jahre entwickelt hat und in der<br />
Kunstwelt entsprechend anerkannt ist. Zudem ist ein<br />
museales Werk des Künstlers mit dem Etat von 100.000<br />
Euro für das Museum Ludwig zu erwerben.<br />
Mit dem Namen des Preises erinnert der Förderverein<br />
des Museum Ludwig an Wolfgang Hahn (1924-1987),<br />
Chefrestaurator des Wallraf-Richartz-Museum / Museum<br />
Ludwig, weitsichtiger Sammler und Gründungsmitglied<br />
des Fördervereins. In diesem Jahr ermöglichten<br />
Sonderspenden der Mitglieder sowie Groß-Spenden des<br />
Bankhaus Sal. Oppenheim, der Unternehmensgruppe M.<br />
DuMont Schauberg sowie des Unternehmens Rolex und<br />
eine Beteiligung der Stadt Köln die Erwerbung von ,Man<br />
dressed as Bat (Embah)‘ – Zeugnis des lebendigen Engagements<br />
für die zeitgenössische Kunst in Köln.<br />
Literatur:<br />
A. Koegel, K. König (Hrsg.): Peter Doig. StudioFilmClub,<br />
Ausst.-Kat. Museum Ludwig Köln (23. 4. bis 24. 7. 2005),<br />
mit Beiträgen von A. Koegel, N. Laughlin (Köln 2005).<br />
Autorin:<br />
Dr. Carla Cugini<br />
Geschäftsführung Gesellschaft für Moderne Kunst<br />
am Museum Ludwig<br />
Peter doig awarded the<br />
Wolfgang-hahn-Preis KÖln 2008<br />
An utterly persuasive aspect of Peter Doig’s work<br />
lies in the unique painterly composing of mood<br />
and motif. in his more recent work, the trend<br />
towards a concentration of form with its focus<br />
on individual motifs, one might almost say the<br />
oscillation between figuration and abstraction,<br />
constitutes the remarkable next phase of development<br />
in this British artist who was born in<br />
trinidad in 1959 and who already has a substantial<br />
oeuvre to look back on. the Gesellschaft für<br />
Moderne Kunst has awarded this contemporary<br />
painter the 2008 Wolfgang-Hahn Köln Prize,<br />
which comes with 100,000 euros. in addition,<br />
the painting „Man dressed as Bat (embah)“<br />
has been acquired for the Museum ludwig<br />
Collection.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
9
Wem gehören die Bilder?<br />
von Andreas Blühm<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
10 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
im Juni beschloss der rat der Stadt Köln die<br />
rückgabe eines Gemäldes von hendrick ter<br />
Brugghen. 1938 hatte das Wallraf-richartz-<br />
Museum dieses Bild auf einer auktion in<br />
Berlin erworben. in diesem artikel erläutert<br />
der direktor des Wallraf, dr. andreas<br />
Blühm, die Position des Museums in Fragen<br />
der restitution nS-verfolgungsbedingt entzogenen<br />
Kulturgutes.<br />
Seit einigen Jahren sorgen versuchte, gelungene<br />
und gescheiterte rückgaben von Kunst aus öffentlichen<br />
Sammlungen für Schlagzeilen.<br />
Staaten fordern von anderen Staaten Kunstwerke zurück,<br />
die ihnen vor Jahrzehnten und Jahrhunderten geraubt<br />
worden sein sollen. Das berühmteste Beispiel sind<br />
die sogenannten Elgin Marbles des British Museum in London.<br />
Die Reliefs vom Parthenon in Athen waren von Lord<br />
Elgin käuflich erworben worden, aber aus Sicht der Griechen<br />
in betrügerischer Absicht, zumal das Land damals<br />
unter osmanischer Herrschaft stand. In Athen steht nun<br />
ein nagelneues Museum, das diese fabelhaften Skulpturen<br />
beherbergen soll. In London hingegen will man auf<br />
diese Forderung nicht eingehen, zumindest jetzt noch<br />
nicht.<br />
Der Transport des Parthenonfrieses von Athen nach<br />
England geschah vor 200 Jahren. Es handelt sich auch<br />
im strengen Sinne nicht um Raubkunst, da Lord Elgin ja<br />
einen Preis bezahlt hat. In Deutschland erhitzen sich die<br />
Gemüter um Kunstwerke, die vor ca. 70 Jahren geraubt<br />
wurden. Unter dem Regime der Nazis wurden viele Deutsche<br />
entrechtet, aus dem Land getrieben, eingesperrt<br />
und ermordet. Wer rechtzeitig ins Exil flüchten konnte,<br />
hatte Glück. Das betraf natürlich vor allem die Deutschen<br />
jüdischen Glaubens. Man hatte sie zuvor aus ihren<br />
Berufen gedrängt, ihre Geschäfte ‚arisiert‘; eine Perspektive<br />
hatten sie in ihrem Heimatland nicht mehr. Wer sich<br />
noch von seinem Privateigentum trennen konnte, tat<br />
das. Darunter gehörten auch Kunstwerke und ganze<br />
Sammlungen.
Abb.1: Hendrick ter Brugghen: Dudelsackspieler,<br />
1624, Öl auf Leinwand, 101 x 83 cm, Privatbesitz.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
11
Man kann sich kaum vorstellen, was das für den Kunstmarkt<br />
bedeutete. Er wurde in den späten 1930er Jahren<br />
geradezu überschwemmt, und nicht zuletzt die Museen<br />
machten sich diese Lage zunutze. Die Direktoren, die dagegen<br />
moralische Bedenken hätten äußern können, waren<br />
im Zweifelsfalle längst ihres Amtes enthoben und durch<br />
Mitglieder der NSDAP oder Sympathisanten ersetzt worden.<br />
Auch das Wallraf-Richartz-Museum in Köln profitierte<br />
von dieser Situation. In der Sammlung befanden und befinden<br />
sich immer noch Gemälde, die zwischen 1935 und<br />
1945 hinzukamen. Katja Terlau hat in einem zweijährigen<br />
Forschungsprojekt die Herkunftsgeschichte vieler dieser<br />
Bilder erforscht, aber längst nicht alle Wissenslücken<br />
konnten geschlossen werden. Deshalb kann es immer<br />
wieder passieren, dass ein ehemaliger Eigentümer identifiziert<br />
wird, dem eines dieser Bilder gehörte, und der sich<br />
davon unter Druck trennen musste. Angesichts der vielen<br />
Jahrzehnte, die zurückliegen, kommen oft erst die Erben<br />
in die Gelegenheit, einen Besitzanspruch zu erheben.<br />
Im jüngsten Fall des Museums, der Restitution von<br />
Hendrick ter Brugghens ,Dudelsackspieler‘ von 1624<br />
(Abb. 1), war die Angelegenheit eindeutig. Das Museum<br />
wusste um die Herkunft des Bildes, dessen Gegenstück<br />
aktuell in der Sonderausstellung Rembrandt, ein Jugendtraum<br />
zu sehen ist (Abb. 2), aus einer Auktion in Berlin<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
12 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 2: Hendrick ter Brugghen:<br />
Singender Lautespieler, 1624,<br />
Öl auf Leinwand, 100,3 x 83,5 cm,<br />
Sammlung Kremer.<br />
im Jahre 1938. Allein das dort gegebene Kürzel „VK“ konnte<br />
nicht identifiziert werden. Erst vor wenigen Monaten<br />
löste sich das Rätsel. Es handelte sich nicht um Initialen,<br />
sondern das Kürzel für „von Klemperer“. Es war dann auch<br />
ein bewegender Moment, als der inzwischen 90jährige<br />
Sohn der Familie, der das Bild noch im Berliner Elternhaus<br />
gesehen hatte, in meinem Büro erstmals wieder vor diesem<br />
Erbstück stand.<br />
Die Behandlung eines solchen Anspruchs erfordert große<br />
Gewissenhaftigkeit und Fingerspitzengefühl. Die Bundesregierung<br />
hat dazu eine Handreichung veröffentlicht,<br />
die kürzlich mit kleinen Änderungen erneuert wurde<br />
(http://www.lostart.de/handreichung/handreichung.php3).<br />
Eine Handreichung ist – wie der Name schon sagt – kein<br />
Gesetz oder gar eine Handlungsanweisung. Juristische<br />
Verjährung, die Kulturhoheit der Länder und die unterschiedliche<br />
Trägerschaft der öffentlichen Sammlungen<br />
machen eine strengere Formulierung unmöglich. Daher<br />
ist jeder Fall als Einzelfall zu betrachten, was auch angemessen<br />
ist, da jeder Fall nun einmal anders ist. Das Problem<br />
ist sehr komplex und sollte auch nicht vereinfacht<br />
dargestellt werden. Gleichwohl gibt es ein paar Leitlinien,<br />
die wenigstens das Vorgehen des Wallraf-Richartz-<br />
Museums bestimmen sollen: Das Museum empfiehlt die<br />
Rückgabe, wenn Bild, Eigentümer und die relevanten
Umstände eindeutig geklärt sind, und zwar nur dann.<br />
Es empfiehlt die Rückgabe auch, wenn es zwischen 1935<br />
und 1945 verkauft, also dafür ein Preis erzielt wurde. Dieser<br />
dürfte nämlich nicht dem Wert des Kunstwerkes auf<br />
einem freien Markt entsprochen haben. Im Falle des Ter<br />
Brugghen musste die Familie den Erlös gleich als ‚Reichsfluchtsteuer‘<br />
wieder abgeben. Das Museum empfiehlt<br />
die Rückgabe selbst dann, wenn das Bild erst nach 1945<br />
in gutem Glauben in die Sammlung gelangte – es hat<br />
dann nämlich seine Hausaufgaben einer gewissenhaften<br />
Provenienzforschung nicht gemacht. Aber auch bei guter<br />
Datenlage kann es einem Museum passieren, dass es alles<br />
richtig gemacht hat und das betreffende Kunstwerk dennoch<br />
als Raubkunst identifiziert wurde. Das bräuchte eine<br />
Privatperson nicht zu interessieren, aber als öffentliche<br />
Institutionen sollten die Museen sich nicht mit Werken<br />
bereichern, die ihnen nicht gehören dürften.<br />
Wann ist es denn endlich damit vorbei, wird oft gefragt.<br />
Es ist schmerzhaft, aber einen Schlussstrich kann es nicht<br />
geben, zumindest nicht, solange die Provenienz des letzten<br />
Kunstwerks nicht lückenlos erschlossen wurde.<br />
Der Kunsthandel kann und soll weder im Guten noch im<br />
Schlechten eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen<br />
eine Rückgabe spielen. Es handelt sich um Vereinbarungen<br />
zwischen dem jeweiligen Museum bzw. seinem<br />
Träger und den ehemaligen Eigentümern bzw. Erben.<br />
Ob das Werk danach in den Kunsthandel geht oder im<br />
Familienbesitz bleibt, ist bei erfolgter Restitution einzig<br />
und allein eine Angelegenheit der Eigentümer. Sie haben<br />
sich nur ihr gutes Recht wieder erworben. Natürlich ist zu<br />
hoffen, dass ein Kunstwerk im öffentlichen Raum bleibt,<br />
vielleicht sogar in dem Museum, in dem es die letzten<br />
Jahrzehnte hing.<br />
Das Museum ist Treuhänder der Bilder, nicht Eigentümer.<br />
Es ist dem Rat der Stadt verpflichtet, für sein Eigentum zu<br />
sorgen und ihn darauf aufmerksam zu machen, wenn das<br />
Eigentum auf unrechtmäßige Weise erworben wurde.<br />
Die Leidenschaft des Besitzes, die einen Privatsammler<br />
vollkommen beherrschen kann und darf, sollte in einem<br />
öffentlichen Institut abgewogen werden mit der historischen<br />
Bewertung der Eigentümergeschichte. Ein Museum<br />
und sein Träger sollten sich nicht, auch nicht nach 70<br />
Jahren, mit Werken zieren, an denen – nicht nur im übertragenen<br />
Sinne – Blut klebt.<br />
Autor:<br />
Dr. Andreas Blühm<br />
Direktor des Wallraf-Richartz-Museums<br />
& Fondation Corboud Köln<br />
Who owns the Pictures?<br />
this June, the Council of the City of Cologne<br />
voted to return to the rightful owners a painting<br />
by Hendrick ter Brugghen. the Wallraf-richartz-<br />
Museum had acquired the painting at auction<br />
in Berlin in 1938. in this article, the Wallraf’s<br />
Director, Dr. Andreas Blühm, elucidates the<br />
Museum’s standpoint on the restitution of cultural<br />
assets that were taken in the course of nazi<br />
persecution.<br />
the Wallraf-richartz-Museum & Fondation<br />
Corboud stands behind the recommendations<br />
of the Washington Agreement and those of<br />
the Federal German Government in matters<br />
of restitution. the case of the ter Brugghen<br />
painting is unequivocal to an extent not often<br />
encountered; but each instance is different<br />
and is scrupulously examined before the<br />
recommendation to return the work is issued.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
13
embrandt, ein Jugendtraum<br />
Ein Interview mit dem Sammlerehepaar Kremer<br />
von Stefan Swertz<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
14 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
einen echten rembrandt sein eigen nennen<br />
zu können, davon träumen viele, denn<br />
der holländische Maler ist ein weltweit bekannter<br />
Mythos. Sein landsmann George<br />
Kremer ist einer der wenigen, der sich diesen<br />
traum, seinen persönlichen ‚Jugendtraum‘<br />
, erfüllen konnte. rembrandts ‚alter<br />
Mann mit turban‘ ist ein highlight seiner<br />
hochkarätigen Sammlung von 48 Meisterwerken<br />
aus dem ‚Goldenen Zeitalter‘ der<br />
niederlande. Sie vereint weitere Meister<br />
wie Gerrit dou, Frans hals, Pieter de hooch,<br />
abraham Bloemaerts, Gerrit van honthorst<br />
oder Michael Sweerts. Mit „rembrandt, ein<br />
Jugendtraum“ ist die gesamte Sammlung<br />
Kremer zum ersten Mal im rahmen einer<br />
Sonderausstellung zu sehen.<br />
anlässlich der Sonderausstellung „rembrandt,<br />
ein Jugendtraum - die Sammlung Kremer“ im<br />
Wallraf-richartz-Museum & Fondation Corboud<br />
(laufzeit bis 5. oktober 2008) sprach Stefan<br />
Swertz, Pressesprecher des Wallraf, mit George<br />
und ilone Kremer über ihre Sammlertätigkeit.<br />
STEFAN SWERTZ: Einer der ausschlaggebenden Momente<br />
in Ihrem Leben war, als Sie, George, als 10jähriger Junge<br />
im Amsterdamer Rijksmuseum vor einem Gemälde von<br />
Rembrandt standen?<br />
GEORGE KREMER: Ja, das stimmt. Das war ‚Die jüdische<br />
Braut‘.<br />
STEFAN SWERTZ: Was war das für ein Moment?<br />
GEORGE KREMER: Nun, das Verrückte ist: Ich habe diese<br />
Situation immer noch vor mir. Ich stand vor diesem großen<br />
Gemälde. Und ich fand es großartig, überwältigend.<br />
Dieses Bild hat sich auf meiner Netzhaut eingebrannt.<br />
STEFAN SWERTZ: Dieser eine Blick auf ‚Die jüdische Braut‘<br />
sollte 30 Jahre später den Impuls zum Aufbau Ihrer<br />
Sammlung bedeuten. Bezahlt mit dem Geld, das Sie im<br />
Ölgeschäft verdienten. Warum gilt Ihre Vorliebe den<br />
Alten Meistern?<br />
GEORGE KREMER: Ich habe mich für die Alten Meister<br />
entschieden, weil diese sowohl mich als auch meine Frau<br />
Ilone am meisten fesseln. Sie sind unsere erste Liebe.
Abb. 1: Rembrandt Harmensz. van Rjin:<br />
Alter Mann mit Turban, 1627/28,<br />
Öl auf Holz, 26,5 x 20 cm, Sammlung Kremer.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
15
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
16 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 2: Gerrit van Honthorst: Alte Frau prüft eine Münze<br />
vor einer Laterne (das Sehen oder die Habsucht), 1623,<br />
Öl auf Leinwand, 75 x 60 cm, Sammlung Kremer.
STEFAN SWERTZ: Der im Januar 2007 verstorbene Kunsthändler<br />
Robert Noortman spielt eine große Rolle beim Zustandekommen<br />
der Sammlung Kremer. Er war nicht nur Geschäftspartner,<br />
sondern auch ein guter Freund?<br />
GEORGE KREMER: Ja, er hat uns den Weg zur Kunst gezeigt.<br />
Robert war als Autodidakt zu einem der wichtigsten<br />
Kunsthändler Europas geworden, und er fand es toll, wie<br />
begeistert wir als Laien waren. Deshalb hat er uns auch<br />
immer wieder Bilder, die er neu im Angebot hatte, zuerst<br />
gezeigt. Er war natürlich in erster Linie ein Geschäftsmann,<br />
aber in zweiter auch ein guter Freund für uns.<br />
STEFAN SWERTZ: Ist es nicht schade, dass die prachtvollen<br />
Gemälde Ihrer Sammlung nicht bei Ihnen zu Hause hängen?<br />
Oder genießen Sie mehr das Wissen, dass die Bilder<br />
in verschiedenen Museen sehr gut und vor allem sicher<br />
aufbewahrt werden?<br />
ILONE KREMER: Nein. Es ist nicht der Sicherheit wegen.<br />
Natürlich ist es schade, dass man nicht mit ihnen zusammenlebt.<br />
Aber man kann sie nicht für sich alleine zu Hause<br />
haben. Wir genießen es, durch ein Museum zu laufen,<br />
in dem Bilder von uns hängen. Manchmal schließen wir<br />
uns einem Museumsführer an, und der erzählt dann etwas<br />
über unser Gemälde. Sie erzählen manchmal auch<br />
persönliche Dinge dazu, dass sie es für ein schönes Gemälde<br />
halten oder ein schmuckes Bild. Wir stehen dann<br />
dahinter, ohne dass wir jemandem verraten können: Das<br />
ist unseres.<br />
STEFAN SWERTZ: Aber Sie finden es schön, dass nun so viele<br />
Menschen Ihre Bilder genießen können?<br />
ILONE KREMER: Ja, auf jeden Fall.<br />
STEFAN SWERTZ: Es dient darüber hinaus keinem anderen<br />
Zweck. Denn Sie wollen es nicht verkaufen. Ich nehme an,<br />
Sie wollen die Sammlung komplett lassen?<br />
GEORGE KREMER: Wir wollen die Sammlung ganz sicher komplett<br />
lassen. Wir haben mit den Kindern darüber gesprochen.<br />
Die verstehen das auch. Sie bekommen dafür eine<br />
Art Lebenswerk. Und das ist eine ziemlich einzigartige<br />
Sammlung. Die Vorstellung, dass jedes Jahr 250.000 Menschen<br />
in das Den Haager Mauritshuis kommen und da<br />
unsere Gemälde inmitten all der anderen Meisterwerke<br />
hängen sehen, gibt einem einen Kick.<br />
STEFAN SWERTZ: Das klingt komisch. Inwiefern gibt Ihnen<br />
das einen Kick?<br />
GEORGE KREMER: Es ist letztlich die Malerei. Das muss man<br />
mit anderen Menschen teilen. Das klingt sehr idealistisch.<br />
Aber nur so funktioniert es. Wir sind immer noch unwahrscheinlich<br />
aufgeregt, kann ich Ihnen versichern, wenn wir<br />
ein neues Meisterwerk entdecken.<br />
STEFAN SWERTZ: Ist Ilone da auch aufgeregt?<br />
ILONE KREMER: Ja, und ich bin auch tief enttäuscht, wenn<br />
Dinge nicht funktionieren. Sehr oft läuft es schief. Auf<br />
Auktionen gibt es so viel Konkurrenz. In dem Moment hat<br />
man einen bestimmten Preis im Kopf, und wenn es dann<br />
nicht gelingt, dann tut das auch mal weh.<br />
GEORGE KREMER: Aber es ist wohl so, dass es für uns eine<br />
enorme Bereicherung des Lebens bedeutet. Wir reisen um<br />
die ganze Welt mit der Sammlung. Wir gehen auf Eröffnungen,<br />
wir gehen in Museen. Wir kennen viele Menschen<br />
in der Museumswelt. Wir widmen 50, 60 Prozent unserer<br />
Zeit der Sammlung und der Kunst. Und das ist fantastisch.<br />
STEFAN SWERTZ: Sie haben das Ölgeschäft seit dieser Zeit<br />
hinter sich gelassen. Ist es eine abgeschlossene Periode?<br />
GEORGE KREMER: Das waren Geschäfte, ja.<br />
STEFAN SWERTZ: Und jetzt sammeln Sie Kunst?<br />
GEORGE KREMER: Das ist ein Gefühl. Nicht zu vergleichen mit<br />
der Arbeit, die uns die finanzielle Basis für unsere Sammelleidenschaft<br />
beschert hat.<br />
STEFAN SWERTZ: Wann haben Sie sich entschlossen, Ihre<br />
Sammlung öffentlich zu machen?<br />
GEORGE KREMER: Nun, wir haben die Entscheidung eigentlich<br />
getroffen, als wir unseren Katalog veröffentlichten.<br />
Ich hatte immer den Wunsch, darüber einen Katalog zu<br />
machen, einen guten Katalog. Das war ein großes Projekt<br />
und hat vier, fünf Jahre gedauert.<br />
STEFAN SWERTZ: Nun wird Ihre gesamte Sammlung zum<br />
ersten Mal ausgestellt. Warum?<br />
GEORGE KREMER: Letztlich ist das derselbe Grund, weshalb<br />
wir mit Gemälden im Mauritshuis hängen oder in der<br />
Lakenhal in Leiden oder im Frans Hals Museum in Haarlem:<br />
um Menschen zu zeigen, wie schön Kunst sein kann.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
17
STEFAN SWERTZ: Und warum tun Sie das ausgerechnet im<br />
Wallraf-Richartz-Museum?<br />
GEORGE KREMER: Es ist ein Museum mit einem ausgezeichneten<br />
Ruf. Weltweit möchte ich behaupten. Hier meine Bilder<br />
hängen zu sehen, ist wunderbar. Sie fügen sich auch<br />
sehr gut in die Ständige Sammlung des Hauses ein. Als<br />
Andreas Blühm, den ich seit einigen Jahren kenne, mich<br />
fragte, ob wir uns vorstellen könnten, unsere Sammlung<br />
im Wallraf zu zeigen, habe ich keine Sekunde gezögert<br />
und Ilone auch nicht. Wir waren von dieser Idee sofort<br />
begeistert.<br />
STEFAN SWERTZ: Aber finden Sie es nicht komisch, dass die<br />
Ausstellung in Deutschland stattfindet? Wäre für Sie als<br />
niederländischer Sammler statt Köln nicht Amsterdam<br />
oder Den Haag die bessere Adresse gewesen?<br />
GEORGE KREMER: Nein, im Gegenteil. Für mich ist das fast ein<br />
wenig, wie nach Hause kommen. Schließlich hat mein Vater<br />
vor seiner Vertreibung durch die Nazis lange in Köln<br />
gewohnt und gearbeitet. Er war glücklich hier. Und deshalb<br />
ist es für mich auch ein schönes Gefühl, mit meiner<br />
Sammlung hierhin zurückzukommen. Da schließt sich ein<br />
Kreis.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
18 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 3: Gerard Dou: Selbstbildnis, ca. 1645, Öl auf Holz,<br />
12,4 x 8,3 cm, Sammlung Kremer.<br />
STEFAN SWERTZ: Sie haben in knapp 13 Jahren 45 Gemälde<br />
aus dem ‚Goldenen Jahrhundert‘ zusammengetragen.<br />
Ferner gehören drei Kupferplatten von Rembrandt zu Ihrer<br />
Sammlung. Haben Sie einen Favoriten?<br />
GEORGE KREMER: Die Frage wurde mir oft gestellt. Die Antwort<br />
ist: Nein. Ich habe viele, wirklich viele Favoriten in<br />
meiner Sammlung.<br />
STEFAN SWERTZ: Auch nicht Ihr Rembrandt ‚Alter Mann mit<br />
Turban‘?<br />
GEORGE KREMER: Er ist einer der Favoriten, aber nicht der<br />
einzige. Sicherlich ein tolles Bild. Es ist in einem guten Zustand,<br />
was für einen Rembrandt ziemlich ungewöhnlich<br />
ist. Zudem stammt es aus seiner frühen Periode in Leiden.<br />
Niemand weiß, wer der portraitierte Mann ist, seine Identität<br />
ist bis heute nicht geklärt.<br />
STEFAN SWERTZ: Gleiches galt auch lange für die Autorenschaft.<br />
Lange wurde das Gemälde allen möglichen Künstlern<br />
zugeschrieben, wie zum Beispiel Jan Lievens oder Jacques<br />
de Rousseaux.<br />
GEORGE KREMER: Das stimmt.
STEFAN SWERTZ: Bis der große Experte Ernst van de Wetering<br />
sagte: „Nein. Es ist ein echter Rembrandt.“ Woher wusste<br />
er das?<br />
GEORGE KREMER: Die Studie des Rembrandt Research Projects<br />
hat rund zweieinhalb Jahre gedauert. Das Gemälde<br />
wurde strengstens geprüft. Dabei wird versucht, etwas<br />
zu finden, was nicht stimmen kann. Man weiß dann, dass<br />
es kein Rembrandt ist.<br />
STEFAN SWERTZ: Ist Kunst inspirierender als Öl?<br />
GEORGE KREMER: Sicherlich inspirierender als Öl. Weil sie mit<br />
menschlichem Können zu tun hat. Öl ist eine Möglichkeit,<br />
Geld zu verdienen. Aber wenn man sieht, was die Niederlande<br />
in der damaligen Zeit nicht nur in der Malerei, sondern<br />
auch in der Silber- und Goldschmiedekunst und in<br />
der Möbelkunst geleistet haben, war das zu Recht ‚Das<br />
Goldene Jahrhundert‘.<br />
Abb. 4: Pieter de Hooch:<br />
Ein Mann liest einer Frau einen Brief vor, 1670-74,<br />
Öl auf Leinwand, 77 x 69,9 cm, Sammlung Kremer.<br />
STEFAN SWERTZ: Und nun werden Ihre Alten Meister aus jener<br />
Zeit in einem hippen Ausstellungsdesign zu sehen sein.<br />
Wie passt das zueinander?<br />
ILONE KREMER: Es ist gerade dieser Brückenschlag in die heutige<br />
Zeit, der uns an der Konzeption der Ausstellung so<br />
begeistert hat. Als wir die Pläne der Agentur concrete in<br />
Amsterdam das erste Mal gesehen haben, waren wir sofort<br />
überzeugt, dass es so funktioniert. Qualität und Qualität<br />
passen immer zueinander. Ganz gleich, aus welcher<br />
Epoche oder Gattung sie kommen.<br />
GEORGE KREMER: Rob Wagemans und sein Team haben eine<br />
private Atmosphäre geschaffen, ohne dabei zu heimelig<br />
zu werden. Toll finde ich an dem Entwurf zudem, wie clever<br />
sie immer wieder das ‚Goldene Jahrhundert‘ zitieren.<br />
STEFAN SWERTZ: Wie würden Sie abschließend Ihre Sammelleidenschaft<br />
beschreiben?<br />
GEORGE KREMER: Es ist eine Krankheit, die nicht heilt. Es ist<br />
eine Krankheit im positiven Sinne des Wortes. Ich denke,<br />
dass sie meine Frau und mich den Rest unseres Lebens<br />
begleiten wird.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
19
Man ray und l. Fritz Gruber<br />
von Claudia Schubert<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
20 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Zwischen dem bedeutenden Künstler Man<br />
ray und dem passionierten Photographiesammler,<br />
organisator und autor l. Fritz Gruber<br />
bestand 20 Jahre lang ein anhaltender<br />
Kontakt, der sich mit mehreren Projekten<br />
verband. darüber hinaus haben renate und l.<br />
Fritz Gruber in den 1960er Jahren begonnen,<br />
eine vielfältige Privatsammlung zum Werk<br />
Man rays zusammenzutragen, die die Grundlage<br />
dieser ausstellung bildet. das Konvolut<br />
beinhaltet neben Photographien auch Gemälde<br />
und objekte, die erstmals mit leihgaben<br />
aus mehreren Museen und weiteren<br />
Privatsammlungen präsentiert werden.<br />
Jahre einer Freundschaft 1956 bis 1976<br />
Zu den besonderen Schätzen der Sammlung von Renate<br />
und L. Fritz Gruber zählt Man Rays Aufnahme ‚Violon<br />
d’Ingres‘ aus dem Jahre 1924 (Abb. 1). Zu sehen ist ein<br />
sitzender weiblicher Rückenakt. Modell saß Kiki de Montparnasse,<br />
Man Rays damalige Geliebte, mit zwei auf ihrem<br />
Körper aufgebrachten schwarzen ‚f-Löchern‘, die in<br />
Verbindung mit der Silhouette des Rückens ein Violoncello<br />
oder eine Geige assoziieren. Viel ist um die Entstehung<br />
bzw. den Herstellungsprozess des faszinierenden Bildes<br />
gerätselt worden. Den entscheidenden Hinweis gab Man<br />
Ray (1890–1976) schließlich selbst in einem Brief vom<br />
23. Juni 1962, den er an den passionierten Kölner Photographiesammler,<br />
Organisator und Autor L. Fritz Gruber<br />
(1908–2005) richtete: „The f-holes were applied during<br />
enlargement, like in a Rayograph“ (Die ‚f-Löcher‘ wurden<br />
während der Vergrößerung eingefügt, wie bei einer Rayographie).<br />
Dieses Schreiben mit dem für die kunstwissenschaftliche<br />
Forschung wichtigen Detail sowie weitere rund 120 hand-<br />
oder maschinenschriftliche Briefe und Karten befinden<br />
sich in der privaten Man-Ray-Sammlung von Renate und L.<br />
Fritz Gruber. Die Photographische Sammlung/SK Stiftung<br />
Kultur, Köln, hat diesen Bestand nun aufgearbeitet und in
Abb. 1: Man Ray: Violon d’Ingres, 1924, Museum Ludwig Köln,<br />
Sammlung Gruber.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
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Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
22 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 2: Man Ray, Kiki, 1926, Museum Ludwig Köln,<br />
Sammlung Gruber.
der Ausstellung Man Ray und L. Fritz Gruber – Jahre einer<br />
Freundschaft 1956 bis 1976 im Mediapark präsentiert. Eine<br />
Entdeckung sind ebenso erstmalig präsentierte Konvolute<br />
aus der Privatsammlung Gruber, mit kleinformatigen<br />
Rayographien und Portraits. Wertvolle Leihgaben, darunter<br />
viele Spitzenmotive des Künstlers, bereichern die Ausstellung<br />
(aus dem Kölner Museum Ludwig, dem Museum<br />
Abteiberg Mönchengladbach, dem Museum Folkwang<br />
Essen, den Staatlichen Museen zu Berlin / Kunstbibliothek<br />
Berlin sowie von weiteren privaten Leihgebern).<br />
Das Konvolut der Privatsammlung beinhaltet neben Photographien,<br />
Malereien und Objekten des Künstlers auch<br />
zahlreiche Monographien, Ausstellungskataloge und Rezensionen<br />
aus der internationalen Presse. In diesem komplexen<br />
Bestand bildet sich das persönliche Engagement<br />
des Kölner Photoexperten L. Fritz Gruber für das Werk des<br />
Künstlers ebenso ab, wie er wichtige Informationen über<br />
Abb. 3: Man Ray: Solarisation, 1931, Museum Ludwig Köln,<br />
Sammlung Gruber.<br />
die letzten Schaffensjahre von Man Ray enthält. Mit der<br />
Ausstellung und der Publikation wird so auch ein weiteres<br />
Kapitel der Photographierezeption in Deutschland aufgeschlagen<br />
und neu beleuchtet. Darüber hinaus wird die<br />
wichtige kulturelle Bedeutung des Rheinlandes mit seiner<br />
überaus lebendigen und mannigfaltigen Kunstlandschaft<br />
an diesem Beispiel anschaulich gemacht.<br />
L. Fritz Gruber hatte schon früh die Qualität von Man Rays<br />
künstlerischem Werk erkannt. Wie er selbst in seinen<br />
Photographischen Erinnerungen 1988 formulierte, faszinierten<br />
ihn die Arbeiten des Surrealisten und Dadaisten<br />
Man Ray schon in den 1930er Jahren. „Mich begeisterte<br />
eine vielseitig kreative Persönlichkeit, deren Werke damals<br />
Aufsehen erregten: der Amerikaner in Paris Man Ray.<br />
[...] Es dauerte bis 1957, bis ich ihn und seine Frau Juliet<br />
kennen und lieben lernte. [...] Den Bildband »Man Ray<br />
Portraits«, den ich 1963 herausgab und einleitete, versah<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
23
er mit eigenwilligen Text- und Zahlenwertungen, immer<br />
noch Dadaist. Ein Magier, besonders der Photographie,<br />
und jeder Besuch bei ihm war wie eine Verjüngung.“ Über<br />
einen Zeitraum von 20 Jahren waren sich Man Ray und<br />
L. Fritz Gruber beruflich wie privat verbunden, gemeinsame<br />
Projekte wie die Einzelausstellung Man Rays 1960<br />
im Rahmen der photokina-Bilderschauen, dem 1963<br />
erschienenen Buch Man Ray. Portraits oder die Kulturpreisverleihung<br />
der Deutschen Gesellschaft für Photographie<br />
1966 an Man Ray erregten beim Publikum wie<br />
in der Fachwelt große Aufmerksamkeit. Darüber hinaus<br />
hat Gruber zahlreiche Artikel in der nationalen wie internationalen<br />
Presse über Man Ray verfasst – und auch damit<br />
einen wichtigen Beitrag zur Publizität des Künstlers<br />
geleistet.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
24 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 4: Man Ray: Rayographie, 1923,<br />
1958/1959, Die Photographische Sammlung /<br />
SK Stiftung Kultur / Sammlung der Deutschen<br />
Gesellschaft für Photographie.<br />
Ausstellung:<br />
Man Ray und L. Fritz Gruber – Jahre einer Freundschaft<br />
1956 bis 1976. Eine Ausstellung der Photographischen<br />
Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln.<br />
16. Mai bis 31. August 2008.<br />
Literatur:<br />
Ausstellungskatalog: Man Ray, L. Fritz Gruber:<br />
Jahre einer Freundschaft 1956-1976, hrsg. von:<br />
Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln<br />
(Göttingen 2008).<br />
Autorin:<br />
Claudia Schubert<br />
Die Photographische Sammlung / SK Stiftung Kultur, Köln
Man ray and l. Fritz Gruber –<br />
Years in Friendship, 1956 to 1976<br />
the renowned artist, Man ray, and the passionate<br />
photograph collector, organiser and writer,<br />
l. Fritz Gruber, maintained a steady, twenty-year<br />
acquaintanceship in the course of which several<br />
projects came about. in addition, in the 1960s,<br />
renate and l. Fritz Gruber began to assemble a<br />
many-sided private collection of Man ray's work,<br />
and this now forms the basis of the present exhibition.<br />
the ensemble adds to the photographs<br />
with which his name is so bound, some of ray's<br />
paintings and objects, presented here for the first<br />
time as loans from a number of museums and<br />
other private collections.<br />
Abb. 5: Man Ray: Rayographie 1962-1963,<br />
Privatsammlung Gruber.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
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Visuelle Anarchien<br />
von Bodo von Dewitz<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
26 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
noch heute irritieren die Fotomontagen der<br />
Zeitung ‚Marianne‘, die in den 1930er Jahren<br />
mit böser ironie Politik und Zeitgeschichte<br />
kommentierten. Sie zeigen hitler als stumpfen<br />
anstreicher, als verblödeten Bräutigam<br />
aus Wagners oper ‚tristan und isolde‘, als<br />
Kanevalsjeck oder als bösen dämon und<br />
vieles mehr. der urheber war der erst kürzlich<br />
identifizierte däne Jacob Kjeldgaard, der<br />
das Pseudonym ‚Marinus‘ verwendete. Seine<br />
obskuren Montagen aus Kunstgeschichte,<br />
Film und Photographien der tagespolitik<br />
erweitert die Mediengeschichte der 1930er<br />
Jahre um eine sensationelle Bilderwelt.<br />
Marinus, heartfield und die politische<br />
Fotomontage der 1930er Jahre<br />
Das Bildmedium der politischen Fotomontage war im<br />
Frankreich der 1930er Jahre äußerst populär. Neben den<br />
Illustrierten Voilà, Regards und VU erschien ab 1932 auch<br />
die Zeitung Marianne, die bis 1940 über 250 Fotomontagen<br />
– vorwiegend auf der Titelseite – den Lesern offerierte<br />
(Abb. 1-3). Ganz offenkundig waren die Fotomontagen<br />
von John Heartfield, die dieser seit 1930 für die AIZ (Arbeiter-Illustrierte-Zeitung)<br />
hergestellt hatte, ein prägendes<br />
Vorbild, welches allerdings virtuos und facettenreich variiert<br />
wurde. John Heartfields Fotomontagen der 1920er<br />
und 1930er Jahre besaßen für viele Studenten vor rund<br />
40 Jahren geradezu Kultcharakter, weil deren Emotion,<br />
politischer Hintersinn, die verwendeten Allegorien und<br />
Symbole der Gemütslage einer ganzen Generation vollkommen<br />
zu entsprechen schienen.<br />
Während Leben und Werk von John Heartfield inzwischen<br />
umfassend aufgearbeitet worden sind, galt der Bildautor<br />
von Marianne als unbekannt, bis Yves Aubry und Manfred<br />
Eisenbeis in den 1970er Jahren auf einem Flohmarkt in Paris<br />
auf Reste des Nachlasses stießen und den Namen des<br />
Fotomonteurs ermitteln konnten: Es war der Däne Jacob<br />
Kjeldgaard, der sich lebenslang hinter dem Pseudonym<br />
‚Marinus‘ versteckt hatte. Danach dauerte es 25 Jahre bis<br />
Gunner Byskov sich in Dänemark und Paris erneut auf die<br />
Spurensuche nach Marinus begab und fündig wurde: Es<br />
gelang ihm, die seltsame Geschichte dieses seltsamen<br />
Mannes zu recherchieren, der nach seiner ‚Flucht‘ aus<br />
Dänemark vor dem Ersten Weltkrieg bis zu seinem Tod<br />
1964 in Paris lebte und nie wieder in seine Heimat zurückgekehrt<br />
ist.
Abb. 1: Titelseite der Zeitung Marianne (Nr. 379)<br />
Paris, 24. Januar 1940 mit der Fotomontage<br />
„Sie sind Dummköpfe“ von Marinus.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
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Seit 1933 war er Mitarbeiter der Redaktion von Marianne<br />
und der Urheber der Fotomontagen, die ein ganz<br />
außergewöhnliches Bilderrepertoire entfalteten. Aus<br />
französischer Sicht wurde die nationalsozialistische Politik<br />
karikiert, aber auch die mächtigen Staatsmänner der<br />
westlichen Welt als zweifelhafte Drahtzieher und Friedenskämpfer<br />
der 1930er Jahre dargestellt. Hitler wurde als<br />
Anstreicher, als stumpfer Bräutigam aus Wagners Oper<br />
‚Tristan und Isolde‘ oder als Karnevalsprinz vorgeführt,<br />
aber auch Mussolini und Stalin als verschlagene Politiker<br />
gezeigt. Marinus verarbeitete Kunstwerke von Leonardo,<br />
Breughel, Delacroix, Rodin und Franz von Stuck (Abb. 5<br />
und 7), aber auch Standphotographien aus Historienfilmen<br />
wie z.B. aus ‚Ben Hur‘. Noch heute irritieren diese Fotomontagen<br />
den Betrachter in ihrer Perfektion und historischen<br />
Finesse, die damals den Leser subtil informieren<br />
und aufrütteln sollten.<br />
Fotomontagen haben eine eigene Geschichte und setzen<br />
sich nicht nur aus den Traditionen von Photographie, Film,<br />
Karikatur, Illustration und Malerei, sondern eigentlich aus<br />
den gesamten Bildtraditionen der westlichen Welt zusammen.<br />
Als populärste Beispiele für den Einsatz der Photographie<br />
zu Zwecken der politischen Propaganda gelten<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
28 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 2: Titelseite der Zeitung Marianne (Nr. 385)<br />
Paris, 6. März 1940 mit der Fotomontage<br />
„Schrecken der Neutralen“ von Marinus.<br />
Abb. 3: Titelseite der Zeitung Marianne (Nr. 339)<br />
Paris, 19. April 1939 mit der Fotomontage<br />
„Auf dem Weg zum Abenteuer“ von Marinus.<br />
die Photographien von Ernest Eugène Appert, die dieser<br />
als ganze Serie ‚Crimes de la Commune‘ im Visitenkartenformat<br />
zur Denunziation der Pariser Commune 1871<br />
hergestellt hat. Damals waren die Photographien durch<br />
Montagen aus Zeichnung und ausgeschnittenen Photographien<br />
zu agitatorischen Aussagen gegen die Kämpfer<br />
der Commune verfälscht und in Umlauf gebracht worden.<br />
Ab Ende des 19. Jahrhunderts übernahm dann die Bildpostkarte<br />
in ihrem gigantischen Repertoire aus Ansichten,<br />
Herrscherportraits und Kitschdarstellungen auch die Aufgabe<br />
der politischen Satire und Agitation aus oft montierten<br />
Darstellungen von Zeichnung, Malerei, Illustration<br />
und Photographie. Die Massenauflagen der Bildpostkarten<br />
als Photographien konkurrierten an den Verkaufsständen<br />
um 1900 allerdings noch sehr mit den Darstellungen<br />
der Illustration, die mit Farbe und Zeichenstift ein<br />
viel drastischeres Repertoire aus Blut, Schweiß, Tränen<br />
und (zuweilen) politischer Kritik dem Konsumenten anzubieten<br />
vermochten.<br />
Die abstrakten Montagen der Kubisten und Futuristen,<br />
Kurt Tucholskys Aufforderung zu Mehr Fotografien von<br />
1912, die massenhafte Bildpropaganda der Kriegszeit<br />
1914-18 oder auch Karl Kraus und seine sparsame aber dezidiert<br />
bissige Bildverwendung von Kriegsphotographien
in seinem Werk Die letzten Tage der Menschheit mögen<br />
Spuren hinterlassen haben, als unmittelbar nach dem<br />
Krieg Fotomontagen und Fotocollagen für John Heartfield,<br />
Hannah Höch, Raoul Hausmann und George Grosz<br />
als Mittel ihrer künstlerischen und eminent politischen<br />
Arbeit absolute Priorität bekamen. Sie alle gehörten zur<br />
Gruppe der Berliner Dadaisten, die montierte und collagierte<br />
Photographien für ihre radikale Kritik an allen Autoritäten<br />
verwendeten, um mit „Empörung, Hohn und<br />
Spott“ die Gesellschaft und die Politik der Nachkriegszeit<br />
zu attackieren.<br />
In der Sowjetunion, dem Land der radikalsten gesellschaftlichen<br />
und politischen Veränderung nach dem<br />
Ende des Weltkriegs, erfuhr die Fotomontage eine<br />
besondere Aufwertung als Medium der politischen<br />
Agitation, deren Verwendung öffentlich diskutiert<br />
wurde. Man bezog sich auf George Grosz und andere<br />
Dadaisten des Westens als Vorbilder und verwendete<br />
Fotomontagen zur Illustration von Büchern und Zeit-<br />
Abb. 4: Marinus: Fotomontage "Neues aus Berlin", Paris 1940<br />
Museum für Fotokunst, Odense, Dänemark.<br />
schriften, für Plakate und Agitationstafeln zum Aufbau<br />
der neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung.<br />
Die Verwendung der Bildersprache aus Fotocollagen<br />
und Fotomontagen fand breiteste Akzeptanz und<br />
wurde paradigmatisch in radikaler Abkehr traditioneller<br />
Darstellungen z.B. der Zeichnung und Malerei<br />
herausgestellt.<br />
Am Ende der 1920er Jahre hatte sich die Fotomontage<br />
auch in den westlichen Ländern als Gestaltungsmittel für<br />
viele Bereiche der Publizistik, des Films und der politischen<br />
Propaganda durchgesetzt, so dass sich von links bis rechts<br />
alle politischen Lager collagierter und montierter Photographien<br />
bedienten. Vor allem die Printmedien der Zeitschriften<br />
und Illustrierten nahmen sich der Fotomontage<br />
an, denn es galt nunmehr in der ersten großen Phase der<br />
Konkurrenz zum Film und zum Radio zu bestehen.<br />
Eine fundierte Geschichte der Fotomontage, die die Einflüsse<br />
und Wirkungsweisen der fotografischen Bildmani-<br />
Abb. 5: Marinus: Fotomontage "Der Geist des Bösen", Paris 1940<br />
Museum für Fotokunst, Odense, Dänemark.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
29
pulation (außerhalb der vorsätzlichen Bildfälschungen),<br />
die Geschichte ihrer Bildquellen, Bildideen, Metaphern<br />
und Verwendungen, und natürlich die Viten ihrer Protagonisten<br />
erschöpfend darstellt, steht noch aus, obwohl<br />
dies im Zeitalter der digitalen Photographie, die die Möglichkeiten<br />
aller nur denkbaren Montagen auszuschöpfen<br />
vermag, eigentlich als eine Selbstverständlichkeit<br />
betrachtet werden müsste. Weil Einzelforschungen und<br />
vergleichende Betrachtungen zur Geschichte der politischen<br />
Fotomontage selten sind, erhält die Ausstellung<br />
Marinus- Heartfield eine ganz besondere Bedeutung.<br />
Ein besonderes Beispiel kann dies veranschaulichen:<br />
Den ‚Drahtseilakt‘ der nationalsozialistischen Politiker<br />
stellten Heartfield und Marinus ganz gleichartig dar:<br />
Heartfield ließ 1935 die Hauptakteure des Dritten Reichs,<br />
angeführt von Hitler und vor dem Hintergrund einer riesigen<br />
Hakenkreuzfahne mühsam auf einem Seil, dem<br />
Inbegriff einer Gefahrenssituation balancieren. Marinus<br />
dramatisierte 1940 das gleiche Thema (Abb. 6), indem er<br />
sie als übereinandersitzende Akrobaten auf einem fast<br />
gerissen Seil darstellte und das Ende gleich mitlieferte:<br />
den unvermeidlichen Fall in die aufgestellten Speerspitzen.<br />
Der Vergleich ist in diesem Fall der Verwendung<br />
ähnlicher Bildideen besonders spannend, denn beide<br />
haben – verschoben durch die sich zuspitzende Kriegsgefahr<br />
von 1935-1940 – zu anderen Darstellungen gefun-<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
30 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 6: Marinus: Fotomontage "Drahtseilakt", Paris 1940<br />
Archiv Robert Lebeck, Berlin.<br />
den: Führte Heartfield die NS-Politiker noch als durchgedrehte<br />
Seiltänzer vor, lies Marinus sie 1940 nach dem<br />
deutschen Einmarsch in Polen in den ‚wohlverdienten‘<br />
Abgrund taumeln.<br />
Heartfield und Marinus arbeiteten mit einem komplexen<br />
Bilderrepertoire aus Photographie, Film und Malerei<br />
und verdichteten ihre Fotomontagen in symbolischen,<br />
allegorischen und metaphorischen Kommentaren zur<br />
politischen Situation in Europa, die auch heute noch in<br />
ihrer visionären Kraft verblüffen und für Unruhe sorgen.<br />
Die Frage, ob beide sich je begegnet sind, kann nicht<br />
beantwortet werden. Dass Marinus die Montagen von<br />
Heartfield kannte, muss als gesichert gelten, denn im<br />
Frühjahr 1935 reiste John Heartfield nach Paris, um in<br />
der Maison de la Culture in der Rue Navarin seine erste<br />
Ausstellung von 150 Fotomontagen in Frankreich vorzubereiten.<br />
Veranstaltet von der Association des Écrivains<br />
et Artistes Révolutionnaires wurden die Ausstellung 150<br />
photo-montages politiques satiriques d’actualité de J. Heartfield<br />
von Paul Westheim, Pierre Merin und G.J. Gros in<br />
den Zeitungen der Emigranten und in der französischen<br />
Presse rezensiert. Am 2. Mai 1935 trafen außerdem zehn<br />
Künstler, darunter Tristan Tzara und Aragon, zusammen,<br />
um über die Frage: „Ist die Fotomontage eine Kunst?“ zu<br />
diskutieren. Aragon trug an diesem Abend seinen Essay
John Heartfield und die revolutionäre Schönheit öffentlich<br />
vor. All dies wird Marinus, der seit den Jahren des<br />
Ersten Weltkriegs mit Fotomontagen beschäftigt war,<br />
nicht entgangen sein. Ganz sicher hat er die Arbeiten<br />
von Heartfield als Inspirationsquelle empfunden. Ganz<br />
sicher hat er aber auch seinen eigenen Bilderkosmos besessen<br />
und zu packenden eigenen politischen Fotomontagen<br />
verdichtet.<br />
Schon 1933 hatte er das Thema ‚Hitler als Monster‘ über<br />
dem Gebäude des Völkerbundes in Genf in Anspielung<br />
und unter Verwendung einer Filmphotographie von King<br />
Kong aufgegriffen. Heartfield benutzte erst 1943 die Figur<br />
von Hitler als Monster King Kong, das mit Schwert<br />
und Helm als pelziges Ungeheuer lauernd auf der Erdkugel<br />
sitzt: ein Hinweis auf die Verarbeitung von Filmerfahrungen,<br />
die Marinus im noch friedlichen Paris zu einer<br />
Zeit machen konnte, als John Heartfield sich bereits auf<br />
der Flucht vor den Nationalsozialisten verstecken musste.<br />
Marinus arbeitete für Marianne bis zur letzten Ausgabe<br />
vom 5. Juni 1940 und zog sich dann völlig zurück, um<br />
nicht von den deutschen Invasoren gefasst zu werden.<br />
Da sein Name zuvor (fast) nie genannt wurde, konnte er<br />
sich der lebensbedrohlichen Verfolgung entziehen.<br />
Erstmalig werden im Museum Ludwig sämtliche noch<br />
erhaltenen originalen Fotomontagen von Marinus und<br />
nahezu das Gesamtwerk der gedruckten Ausgaben der<br />
Zeitschrift Marianne in Deutschland gezeigt. Es gilt, Marinus,<br />
dessen eindrucksvollsten Montagen kurz vor dem<br />
Einmarsch der deutschen Truppen in Paris entstanden<br />
sind, neben John Heartfield als bedeutenden politischen<br />
Fotomonteur zu entdecken und die Mediengeschichte<br />
der 1930er Jahre um die Dimension dieser Bilderwelt aus<br />
Kunstgeschichte, Film und photographierter Tagespolitik<br />
zu erweitern. Das Werk von John Heartfield steht<br />
nunmehr nicht mehr isoliert da, denn die Fotomontage<br />
war neben Film und Radio ab 1930 das wichtigste Medium<br />
der politischen Agitation.<br />
Ausstellung des Museum Ludwig:<br />
Hitler blind und Stalin lahm.<br />
Marinus und Heartfield –<br />
Politische Fotomontagen der 1930er Jahre<br />
9. August bis 19. Oktober 2008<br />
Autor:<br />
Bodo von Dewitz<br />
Museum Ludwig Köln, Kurator der Ausstellung<br />
Visual anarchies<br />
even now the photomontages of the paper<br />
„Marianne“, pitched with a wicked irony at politics<br />
and contemporary history in the 1930s, are unsettling.<br />
they show Hitler as a stolid house painter,<br />
as a moronic bridegroom out of Wagner’s<br />
Opera tristan und isolde, as a carnival fool or as<br />
an evil demon and much more. their creator has<br />
only recently been identified as the Dane, Jacob<br />
Kjeldgaard, named only once under his pseudonym,<br />
‘Marinus’. His obscure montages of art<br />
history, film and photographs from the world of<br />
current affairs add a sensational panorama to the<br />
history of the media in the 1930s.<br />
Abb. 7: Marinus: Fotomontage „Der Blinde und der Lahme“,<br />
Paris 1940, Musée français de la Photographie, Bièvres.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
31
ein römisches Hafentor auf dem<br />
Kurt-Hackenberg-Platz<br />
von Marcus Trier<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
32 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Bei archäologischen ausgrabungen für den<br />
Bau der nord-Süd Stadtbahn wurde auf<br />
dem Kurt-hackenberg-Platz ein teilstück<br />
der rheinseitigen, römischen Stadtmauer<br />
mit einem der hafentore und dem auslass<br />
eines großen abwassersammlers freigelegt.<br />
der einzigartige römische Baubefund<br />
wird dauerhaft erhalten und in einem unterirdischen<br />
Besucherraum öffentlich zugänglich<br />
gemacht.<br />
archäologische ausgrabungen<br />
nord-Süd Stadtbahn Köln<br />
1893 stießen Arbeiter in einem Graben für einen neuen<br />
Abwasserkanal sechs Meter unter der Bischofsgartenstraße<br />
auf die römische Stadtmauer und mächtige Kalksteinquader.<br />
Die Kalksteinblöcke ragten vier Meter über<br />
die Flucht der römischen Stadtmauer nach Osten vor.<br />
Lage und Qualität des Bauwerks veranlassten die verantwortlichen<br />
Stadtbauräte Rudolf Schultze (1854-1935) und<br />
Carl Steuernagel (1848-1919), die sich intensiv mit der römischen<br />
Geschichte Kölns beschäftigten, dort eines der<br />
Hafentore der römischen Kolonie zu lokalisieren. 1895<br />
haben die beiden Ingenieure den römischen Baubefund<br />
in ihrem Buch Colonia Agrippinensis beschrieben und in<br />
einer Zeichnung vorgelegt.<br />
Auf dem Kurt-Hackenberg-Platz wird zur Zeit in offener<br />
Baugrube die Nord-Süd-Stadtbahn an den in den 1960er<br />
Jahren errichteten U-Bahn-Tunnel ‚Am Domhof‘ angeschlossen,<br />
der zur bestehenden unterirdischen Haltestelle<br />
Dom / Hauptbahnhof führt. Bei diesen Arbeiten kamen<br />
nun die römischen Baubefunde mehr als einhundert Jahre<br />
später wieder ans Tageslicht (Abb. 1).<br />
Der Kurt-Hackenberg-Platz – ein Ergebnis des Wiederaufbaus<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg – vermittelt seinen
Abb. 1: Bei den Ausgrabungen auf dem Kurt-Hackenberg-Platz<br />
wird ein Teilstück der rheinseitigen, römischen Stadtmauer<br />
mit vermauerter Toröffnung und Kanalauslass freigelegt.<br />
Ansicht von Südosten.
Abb. 2: Die römische Stadtmauer mit Torhaus von Norden aus<br />
gesehen. Der Durchbruch durch die römische Stadtmauer<br />
(linker Bildrand) geht auf die Kanalarbeiten des Jahres 1893<br />
zurück.
Abb. 3: Die Baugrube auf dem Kurt-Hackenberg-Platz und<br />
die Domumgebung im Luftbild. Die rote Linie markiert den<br />
Verlauf der römischen Stadtmauer.<br />
Besuchern keinen Eindruck von seiner mehr als zweitausendjährigen<br />
wechselvollen Geschichte. Er liegt über einer<br />
alten Rheinnebenrinne, die im 1. und 2. Jahrhundert<br />
n. Chr. den Hafen der römischen Stadt bildete. Am Fuß<br />
des Hanges zum hochwassersicheren Stadtplateau wurde<br />
in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. die<br />
östliche römische Stadtmauer errichtet. Die Stadtmauer,<br />
deren erhaltene Oberkante ca. 2 Meter unter den Platz<br />
reicht, quert die Baugrube auf 25 Meter Länge in Nord-<br />
Süd-Richtung (Abb. 3). Ihr Bauentwurf entspricht dem<br />
bekannten Schema: Über einem drei Meter breiten Sockel<br />
erhebt sich das aufgehende, 2,4 Meter mächtige<br />
Mauerwerk mit einem Gussmauerkern (opus caementitium)<br />
und Schalmauern aus sorgfältig zugehauenen Grauwackehandquadern.<br />
Der archäologische Befund, der in der Baugrube seit dem<br />
Spätherbst 2007 mit voranschreitender Grabungstiefe<br />
ans Tageslicht kam, bot einige Überraschungen. Das<br />
Abb. 4: Die rekonstruierte römische Hafenstraße mit einem<br />
Teilstück des Abwassersammlers von Osten aus gesehen.<br />
6,5 x 7,4 Meter große Torhaus (Abb. 2) ragte nicht – wie<br />
erwartet – nach Osten in das Hafenbecken vor, sondern<br />
nach Westen zur Stadtinnenseite. Die bereits 1893 freigelegten<br />
großen Kalksteinquader gehören stattdessen zu<br />
einem großen Abwasserkanal, der in die römische Stadtmauer<br />
eingelassen war und im Hafenbecken mündete.<br />
Ein 16 Meter langer Abschnitt dieses Kanals wurde 1978<br />
bei Bauarbeiten freigelegt.<br />
Ein Teilstück ist heute neben der mit Basalten gepflasterten<br />
römischen Hafenstraße aufgebaut (Abb. 4). Das<br />
Torhaus besitzt eine 2,7 Meter breite Toröffnung mit<br />
großen Sandsteinblöcken als Torgewänden; zum Hafen<br />
öffnete es sich über dem 2 Meter hohen, mit großen<br />
Tuffsteinquadern abgedeckten Auslass des Abwassersammlers.<br />
Unmittelbar vor der Stadtmauer verlief ein<br />
4 Meter breiter Kai aus sorgfältig gebeilten, rechteckigen<br />
Eichenhölzern. In den Grundwasser führenden<br />
Erdschichten haben sich die römischen Hölzer sehr gut<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
35
erhalten: Dendrochronologische Untersuchungen der<br />
Universität Köln datieren den Bau der Kaimauer in die<br />
Jahre 90/91 n. Chr.<br />
Der Kaimauer war nur eine kurze Nutzungsdauer beschieden,<br />
denn die Strömungsverhältnisse im Hafen<br />
änderten sich zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Aus<br />
der durchflossenen Rinne wurde ein nach Norden offener<br />
Altarm. Im Hafenbecken sammelten sich Sande und illegal<br />
verkippte Abfälle. Auf der Hafensohle wurden mehrere<br />
hunderttausend Tierknochen, Austernschalen und<br />
Bruchstücke von zerbrochenen Keramikgefäßen wie Amphoren<br />
geborgen. Anhand von Pinselaufschriften lassen<br />
sich die Amphoren, in denen Olivenöl, Wein und Würzsaucen<br />
transportiert wurden, in ihre Ursprungsregionen<br />
bis nach Italien, Spanien, Frankreich und Zypern zurückverfolgen.<br />
Die Funde zeugen vom regen Warenumschlag<br />
im Hafen der römischen Stadt. In weniger als 50 Jahren<br />
bildeten sich mehr als 4 Meter mächtige Ablagerungen.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
36 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 5: Das Hafentor wurde mit wieder verwendeten Werksteinen<br />
im 4. Jahrhundert n. Chr. zugemauert. Unter den<br />
Kalk-,Tuff- und Sandsteinblöcken erkennt man das regelmäßige<br />
Schalmauerwerk aus Grauwackehandquadern des<br />
1. Jahrhunderts n. Chr.<br />
Abb. 6: Auch ältere Architekturteile, wie diese Säulenbasis,<br />
wurden in der Toröffnung vermauert.<br />
Holzfunde zeigen an, dass das alte Hafenbecken in den<br />
Jahren 148/149 n. Chr. vollständig aufgefüllt war. Der Hafen<br />
wurde auf das Ostufer der ehemaligen Rheininsel an<br />
den offenen Strom verlegt.<br />
Im 4. Jahrhundert n. Chr. war die Insel längst landfest<br />
an das Stadtgebiet angebunden. Die römische Provinz<br />
Niedergermanien und ihre Hauptstadt Köln waren zunehmend<br />
den germanischen Übergriffen auf römischen<br />
Boden ausgesetzt. Auch das Hafentor gibt Zeugnis von<br />
dieser Krise des Reiches, denn es wurde mit wieder verwendeten<br />
Werksteinen zugemauert (Abb. 5). Hierfür<br />
nutzte man unter anderem Architekturteile wie Säulenfragmente,<br />
ältere Grab- und Weihesteine (Abb. 6).<br />
Der einzigartige römische Architekturbefund wird dauerhaft<br />
erhalten und öffentlich zugänglich gemacht (Abb.<br />
7). Die Stadt Köln bekennt sich auf diese Weise ihrer<br />
Verantwortung gegenüber ihrem kulturellen Erbe und
Abb. 7: Im Rahmen der dauerhaften Sicherung des römischen<br />
Baubefundes wurden zunächst Stahlträger im Fundament<br />
des Kanalauslasses verankert. Sie werden später in den Boden<br />
des Besucherraumes integriert.<br />
nimmt ihre Vorbildaufgabe wahr. Nach Abschluss der<br />
Bau arbeiten für die Nord-Süd Stadtbahn wird man über<br />
einen Treppenzugang auf dem Kurt-Hackenberg-Platz<br />
in einen unterirdischen Besucherraum hinabsteigen<br />
können. Köln wird um eine außergewöhnliche stadtgeschichtliche<br />
und archäologische Attraktion reicher.<br />
Literatur:<br />
R. Schultze, C. Steuernagel: Colonia Agrippinensis,<br />
Bonner Jahrbuch 98, 1895, 115 ff.<br />
C. Dietmar, M. Trier: Mit der U-Bahn in die Römerzeit.<br />
Ein Handbuch zu den archäologischen Ausgrabungsstätten<br />
rund um den Bau der Nord-Süd Stadtbahn<br />
(2. Aufl., Köln 2006)<br />
Autor:<br />
Dr. Marcus Trier<br />
Stellvertretender Direktor Römisch-Germanisches Museum /<br />
Archäologische Bodendenkmalpflege der Stadt Köln<br />
a roman Port Gate at<br />
Kurt-hackenberg-Platz<br />
Archaeological excavations in the course of<br />
construction of the north-south stadtbahn line<br />
have revealed a section of the roman city wall at<br />
Kurt-Hackenberg-Platz, where, fronting on the<br />
rhine, the wall incorporates one of the gates to<br />
the port and the outlet of a large trunk sewer.<br />
this unique find of roman architecture is to be<br />
preserved for posterity and made accessible to<br />
the public in an underground visitors’ space.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
37
Kunst im Doppelpack<br />
von Andreas Baumerich<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
38 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Moderne Kunst als vielfältiges und in sich<br />
dialogisches Phänomen wird nur selten - und<br />
dann oftmals nur in temporären ausstellungen<br />
- wahrnehmbar. dies ist für Bildende<br />
Kunst und design umso bedauerlicher, da<br />
gerade sich in deren dialogischer Zusammenführung<br />
wesentliche Züge der Moderne<br />
insgesamt offenbaren können. durch die<br />
Schenkung der Sammlung Prof. r.G. Winkler<br />
mit ihren hochkarätigen Beständen aus design<br />
und Bildender Kunst an das Museum für<br />
angewandte Kunst Köln eröffnen sich für die<br />
Besucher neue Möglichkeiten, design nicht<br />
isoliert, sondern in enger Beziehung mit<br />
Werken der Bildenden Kunst zu betrachten.<br />
So führt ab november die neupräsentation<br />
der design-dauerausstellung des Museums<br />
‚design und Kunst im dialog‘ die komplexen<br />
Verflechtungen des designs mit den künstlerischen<br />
entwicklungen im rahmen der Zeitgeschichte<br />
vor augen.<br />
Vorschau auf die neue designabteilung im<br />
Museum für angewandte Kunst<br />
Wo begegnen Sie der modernen Kunst? Man ist sich<br />
oft nicht bewusst, dass die Durchdringung des täglichen<br />
Lebens mit ‚Moderne‘ in weit größerem Umfang durch<br />
das Design (und die moderne Architektur) als durch die<br />
moderne Bildende Kunst erfolgt. Wir sind umgeben von<br />
dieser Alltagskunst, die in einem spannenden Wechselverhältnis<br />
zur ‚hohen‘ Kunst steht. Beide zusammenzuführen<br />
leistet die neue Designabteilung des Museums für<br />
Angewandte Kunst in Köln.<br />
In ihr treffen nun die Protagonisten von moderner Bildender<br />
Kunst und Design auf engstem Raum in einmaliger<br />
Weise auf andere Werke höchster Qualität. So besteht die<br />
Möglichkeit, Beziehungen zwischen ihnen zu entdecken.<br />
Man kann sie miteinander in einen Dialog treten lassen.<br />
Ermöglicht hat dies die Schenkung Prof. Dr. R.G. Winklers.<br />
In dieser hochkarätigen Sammlung ist das Design durch<br />
zahlreiche Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts vertreten:<br />
Möbel, Leuchten, Haushaltsobjekte, Kameras und Radios,<br />
gestaltet von wegweisenden Entwerfern wie Frank Lloyd<br />
Wright, Charles und Ray Eames, Dieter Rams oder Philippe<br />
Starck. In fruchtbaren Dialog mit ihnen treten neben<br />
herausragenden Werken der freien Kunst von Piet Mondrian<br />
und Wassily Kandinsky Arbeiten von Günther Uecker,<br />
Jésus-Raffael Soto und Victor Vasarely.<br />
Diese bedeutendste Neuerwerbung der jüngeren Museumsgeschichte<br />
erfordert eine gänzlich neue Präsentation<br />
der Sammlungsabteilung. Das vom Vitra Design Museum<br />
in Weil entwickelte Konzept sieht dafür drei Bereiche vor:<br />
Design, Kunst und Kontext. Die beiden Ausstellungsetagen
Abb.1: Marcel Breuer: Lattenstuhl, 1922,<br />
Holz und Gewebe, 955 x 556 x 574 cm,<br />
Museum für Angewandte Kunst Köln,<br />
Inv. Nr. A1938w .<br />
der Designabteilung sind jeweils durch lose angeordnete<br />
Kabinette gegliedert, in denen die Designobjekte in thematisch-chronologischer<br />
Ordnung gezeigt werden. Ein<br />
Rundgang führt die Besucher um die Kabinette, an deren<br />
Außenwänden sie die Kunstwerke der Sammlung Winkler<br />
in klassischer Galeriehängung finden. Einzelne davon treten<br />
in engen Kontakt mit ausgewählten Schlüsselwerken<br />
des Designs. Eine bebilderte Zeitleiste an den Außenwänden<br />
mit integrierten Biographien der Designer erschließt<br />
dann den zeitgeschichtlichen Kontext. Ergänzt wird der<br />
Zeitstrang durch Filme, Photos und weitere Dokumente.<br />
Die Ausstellungsarchitektur selbst ermöglicht mit offenen<br />
Räumen und fensterartigen Durchblicken das<br />
eigenständige Schauen der Besucher. So ergibt sich für<br />
Abb. 2: Werner Graeff: Z-Kon 2, 1921, Tuschezeichnung,<br />
204 x 171 cm, Museum für Angewandte Kunst Köln,<br />
Inv. Nr. MK0021w.<br />
sie ein Dialog zwischen Kunst und Design, Personen und<br />
Werken, zwischen Formen, Materialien und Motiven. In<br />
dieser Konstellation bieten sich verschiedene ‚Dialogpartner‘<br />
an, die – auch über Jahrzehnte hinweg – kommunizieren<br />
können. Dabei ist der Besucher frei, eigene<br />
‚Paarungen‘ zu finden.<br />
So könnte man mit dem in Europa nur hier gezeigten<br />
‚Büroschreibtisch mit integriertem Stuhl‘ von Frank<br />
Lloyd Wright aus dem Jahre 1904 das ‚Gemälde ohne<br />
Titel‘ von Auguste Herbin 1921 in Verbindung bringen.<br />
Neben der farblichen Ähnlichkeit ist es bei beiden<br />
der Reiz des Zusammenspiels von – visuell oder real –<br />
ruhenden bzw. dynamisierten Flächen. Der Schreibtisch<br />
erscheint als eine Art Raumcollage und das Bild als<br />
collagenartiges Gemälde.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
39
Den Bauhausschwerpunkt in der Sammlung Winkler<br />
soll hier Marcel Breuers ‚Lattenstuhl‘ von 1922 vertreten.<br />
Der nahe liegende Vergleich mit dem Bild ‚Z-Kon 2‘ von<br />
1921 (Abb. 1 und 2) des Bauhausschülers Werner Graeff<br />
bietet sich an. Er macht Gemeinsamkeiten der reduktionistischen<br />
Bauhausarbeiten deutlich. So sehen die<br />
unverbundenen winkelförmigen Elemente in Graeffs<br />
Gemälde wie ein zum Versand zerlegter Lattenstuhl aus.<br />
Der ungefüllte Raum zwischen den vorhandenen Elementen<br />
wird bei beiden Kunstwerken zum Mitspieler.<br />
Neben dem funktionalen Aspekt hat die Welt modernen<br />
Produktdesigns durchaus ihre luxuriös-repräsentative<br />
Seite. Hierfür kann als popularisierte Variante<br />
des Art Déco Walter von Nessens ‚Coronet Coffee Urn<br />
Service Nr. 90121‘ von 1933-36 stehen. Der amerikanische<br />
Designer nutzt die reduktionistischen Form- und<br />
Materialansätze der Moderne, aber er kombiniert sie<br />
mit Assoziationsmomenten des Luxuriösen. Durch elfenbeinfarbene<br />
Griffe wird das glänzende Chrom zum<br />
‚Silber‘ und durch Riffelung die tragende Stütze unter<br />
dem ‚centre-piece‘ zum ‚Säulenstumpf‘. Wenn man das<br />
Service aber mit Walter Dexels ‚Weiße Scheibe‘von 1927<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
40 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 3: Charles und Ray Eames:<br />
Schranksystem ‚ESU’ (Eames Storage Unit),<br />
1950, Holz, Metall und Kunststoff,<br />
1478 x 1200 x 430 cm,<br />
Museum für Angewandte Kunst Köln,<br />
Inv. Nr. A1947w.<br />
vergleicht, dann fällt auf, dass bei beiden Kugel und<br />
Kreis als in sich ruhende, aber auch potentiell rollende<br />
Form in eine Art von Auflager-System einbezogen sind.<br />
Und auch das Streifenmotiv gemahnt an die Riffelung<br />
technischer Geräte.<br />
Die technische Seite wird bei Charles und Ray Eames’<br />
Schranksystem ‚ESU‘ (Eames Storage Unit) von 1950<br />
(Abb. 3) deutlicher hervorgekehrt. Das funktionale Modulsystem<br />
mit in Metallschienen eingehängten Kastenelementen<br />
erfährt allerdings seine ‚kalifornische Belebung‘<br />
durch buntfarbige Oberflächen, die asymmetrisch<br />
verteilt werden. Hier zeigt sich in spielerischer Weise die<br />
popularisierte Adaption von Mondrians Gestaltungstendenzen,<br />
wie sie auch schon Theo van Doesburg etwa in<br />
‚Stijl Composition‘ von 1925 (Abb. 4) übernommen hatte.<br />
Van Doesburgs Ausrichtung vergleichbar übertragen<br />
die Eames Mondrians Gestaltungselemente in die dreidimensionale<br />
Alltagswelt. Wobei die Farbigkeit nicht nur<br />
dekorativ ist, sondern Funktionsteile kennzeichnet.<br />
Die gerundete Großform ist Basis vieler Designstücke der<br />
1960er Jahre. Peter Ghyczys Stuhl ‚Gartenei‘ von 1968 ist
Abb. 4: Theo van Doesburg: Stijl Composition, 1925, Gouache,<br />
214 x 240 cm, Museum für Angewandte Kunst Köln,<br />
Inv. Nr. MK0015w.<br />
dabei eine überraschend poppige, aber auch praktische<br />
Lösung aus der DDR. Mit Lucio Fontanas ‚Concetto<br />
spaziale 62-0-23 Grün‘ von 1956 verbindet ihn – neben<br />
der formalen Gemeinsamkeit über Oval und Öffnung –<br />
die Frage nach dem Raum ‚dahinter‘. Der hermetische<br />
Charakter der Stuhloberfläche im geschlossenen Zustand<br />
und der Leinwand im unversehrten wird in beiden<br />
Fällen von einer durchaus überraschenden ‚Öffnung‘ in<br />
Frage gestellt. Durch ihre Öffnung wandelt sich jeweils<br />
die Funktion der Oberfläche – bei Ghyczy wird sie zur<br />
Rückenlehne und bei Fontana zur Membran.<br />
Neben dem eher spielerischen Einsatz moderner Gestaltungsmomente<br />
steht immer parallel eine Betonung des<br />
Funktionalen. Norman Fosters Tisch ‚Nomos T 1016‘ von<br />
1987 zeigt seine technische Struktur und statischen Gegebenheiten<br />
in einer kühlen, aber auch u. a. durch das<br />
glänzende Metall eleganten Weise. Wie bei Manfred<br />
Mohrs Bild ‚P-197/20-387‘ von 1977 wird die Gestaltung<br />
auf ein System linearer Elemente reduziert, wobei diagonale<br />
Linien betont werden und dem Ganzen Dynamik<br />
verleihen. Beim Tisch und bei den zeichenhaften Bildeinheiten<br />
ergeben sich Assoziationsmöglichkeiten mit<br />
technischen Gerätschaften, aber auch mit Tieren oder<br />
Pflanzen.<br />
Welche Dialogpaare der Besucher auch wählen mag, die<br />
neue Präsentation bietet für Schüler und Studenten ein<br />
ideales Medium für eine einfach verständliche Designgeschichte,<br />
während Kenner neue interdisziplinäre Bezüge<br />
entdecken können. In der neuen Konzeption vermittelt<br />
sich den Besuchern im Miteinander von Design und Kunst<br />
ein aktueller, erweiterter Designbegriff, nach dem Kunst<br />
und Funktionalität vielfältig miteinander verbunden sind.<br />
Die Flexibilität der modularen Architektur mit ihrer Kabinettstruktur<br />
ermöglicht den regelmäßigen Austausch<br />
von Themengruppen und Objekten. Dieser Wechsel lässt<br />
jeden erneuten Besuch zu einem spannenden Erlebnis<br />
werden.<br />
Autor:<br />
Dr. Andreas Baumerich<br />
Gastkurator<br />
Overstolzengesellschaft<br />
Förderer des Museums für Angewandte Kunst e.V.,<br />
gegründet 1888<br />
Preview: art in a double-Pack –<br />
Museum für angewandte Kunst presents<br />
new design department<br />
Design and modern art will find a platform for fruitful<br />
dialogue from november, 2008, at the newly<br />
redesigned Department of Design at Cologne’s<br />
Museum of Applied Arts. that dialogue has been<br />
made possible by the generosity of Prof. r. G.<br />
Winkler in donating his collection of numerous<br />
key works of design, among them those of Wright,<br />
eames and starck, and masterpieces of visual art<br />
(e.g. by Mondrian, Kandinsky and Vasarely).<br />
the display concept developed by the Vitra<br />
Design Museum features objects of design in a<br />
thematic and chronological arrangement and<br />
works of art in classical gallery hanging, with<br />
selected dialogue pairs complemented by a<br />
chronological time-scale. Visitors are free to<br />
find additional pairs of their own, such as the<br />
examples mentioned in this article.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
41
Der Blick des Publikums<br />
von Sebastian Potschka<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
42 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
die haltung der Besucher ist wichtig, oftmals<br />
sogar entscheidend für die Wahrnehmung<br />
und das image eines Museums. in loser Folge<br />
publiziert das Kölner MuseumsBulletin<br />
deshalb ausstellungsbezogene umfragen,<br />
größere analysen zu einzelnen häusern oder<br />
Studien zu besucherbezogenen Fragen. damit<br />
hofft die Zeitschrift, den Blick zu schärfen,<br />
Gutes hervorzuheben oder Missstände<br />
aufzuzeigen.<br />
eine Besucherbefragung zur ausstellung<br />
Zhou Jun im Museum für ostasiatische Kunst Köln<br />
Ein halbes Jahr lang, vom 10. November 2007 bis zum<br />
20. April 2008, stand die Ausstellung des Museums für<br />
Ostasiatische Kunst im Zeichen der Tuschmalerei. Rund<br />
100 Arbeiten des 1955 in Shanghai geborenen und seit<br />
1989 in den Niederlanden lebenden Künstlers waren<br />
erstmals in einer Ausstellung in Europa zu sehen: eine<br />
gute Ausgangssituation, um unser Publikum nach den<br />
Beweggründen für ihren Museumsbesuch und ihrer<br />
Meinung zur Ausstellung zu fragen. So führten wir in<br />
den letzten beiden Monaten der Ausstellung eine Besucherbefragung<br />
durch, an der sich insgesamt knapp 100<br />
Besucher beteiligten und 303 Einzeldaten lieferten.<br />
Anhand von drei Fragekomplexen wollten wir in Erfahrung<br />
bringen, woher der Besucher von der Sonderausstellung<br />
wusste, welche Schulnote er der Präsentation<br />
geben würde und schließlich – in einem frei formulierbaren<br />
Teil – was wir in Zukunft verbessern könnten.<br />
Dabei wurden keinerlei Daten der Befragten erhoben,<br />
um die Hemmschwelle und den zeitlichen Aufwand<br />
möglichst gering zu halten. Bei der ersten Frage nach<br />
Informationsquellen gaben 35,9 % der Besucher an, eine<br />
Empfehlung aus dem eigenen, persönlichen Umfeld erhalten<br />
zu haben. 29,3 % wurden durch Plakatwerbung<br />
angezogen, gefolgt von 22,8 %, die durch das Internet<br />
und 21,74 %, die durch Zeitungsartikel und –anzeigen<br />
aufmerksam wurden. Die wenigsten Besucher wurden<br />
durch Radio, Flyer oder Fernsehbeiträge inspiriert.<br />
Die Ergebnisse zu dieser Frage werden uns zukünftig zu<br />
einer Intensivierung von Kulturpatenschaften führen,<br />
um eine engere Bindung bestimmter Zielgruppen zu<br />
erreichen. Damit lässt sich der Impuls, das Museum auf<br />
persönliche Empfehlung hin zu besuchen, noch steigern.<br />
In der Gesamtbeurteilung vergaben vier von fünf Besuchern<br />
die Note gut oder sehr gut, 18 % des Publikums
urteilten zurückhaltender. Damit bekam das Museum<br />
insgesamt die Note 1,98. Folglich findet sich in dem<br />
frei formulierbaren Abschlussteil zahlreiches Lob: „Die<br />
aktuelle Ausstellung war wunderschön“, oder: „Ein Ort<br />
der Stille, des Sehens, der Lernens“ sind exemplarische<br />
Statements unserer Besucher. Immer wieder wurde die<br />
Anordnung und Hängung der Ausstellungsstücke, das<br />
freundliche Personal, vor allem aber die ruhige, kraftvolle<br />
Stille und Atmosphäre des Hauses betont.<br />
Trotz der auf die Ausstellung bezogenen, ausgesprochen<br />
positiven Rückmeldungen, blieben den Besuchern<br />
infrastrukturelle Defizite, insbesondere im Vergleich<br />
mit anderen Häusern nicht verborgen. So wurden wir<br />
mehrfach auf die wenig zeitgemäße didaktische Aufbereitung<br />
der Ausstellungsinhalte, auf die mittlerweile<br />
sanierungsbedürftige Sanitäranlagen und die zu kühl<br />
eingestellte Klimaanlage aufmerksam gemacht. Darüber<br />
hinaus wurde die vernachlässigte Pflege des japanischen<br />
Innengartens, 1976 durch den japanischen Bildhauer<br />
Masayuki Nagare als eigenständiges Kunstwerk in<br />
der Tradition japanischer Meditationsgärten angelegt,<br />
deutlich wahrgenommen und bemängelt. Hier gibt es<br />
also Nachbesserungsbedarf, dem wir uns in nächster<br />
Zeit im Rahmen unserer Möglichkeiten widmen werden.<br />
Dennoch können wir mit der hinter uns liegenden Ausstellung<br />
zufrieden und stolz darauf sein, positives Feedback<br />
von unseren Besuchern erhalten zu haben.<br />
Autor:<br />
Sebastian Potschka<br />
Museum für Ostasiatische Kunst Köln<br />
Abb. 1: Zhou Jun:<br />
Vögelgezwitscher 1,<br />
66,5 x 66,3 cm,<br />
Nijmegen, 2001.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
43
Anton legner zu ehren<br />
von Hiltrud Westermann-Angerhausen<br />
am 28. august vollendet<br />
Professor dr. anton legner sein 80. lebensjahr.<br />
Nach 20 Jahren als Direktor des Schnütgen-Museums<br />
hielt er vor 18 Jahren am 28. August 1990 in St. Cäcilien<br />
eine Abschiedsrede, die im Kölner Museumsbulletin (Heft<br />
3, 1990) abgedruckt wurde. An gleicher Stelle sei dem<br />
Jubilar aus dem Kreis der Museen der Stadt Köln nun ein<br />
herzlicher Geburtstagsglückwunsch übermittelt.<br />
Anton Legner beherrscht eine Kunst, die die mittelalterlichen<br />
Denker und Deuter in Vollendung angewendet<br />
haben, um neue Gedanken und Einsichten auf den Schultern<br />
der Tradition in ihrer jeweils eigenen Zeit zu vergegenwärtigen.<br />
Es ist die Kunst des auslegenden, Sinnzusammenhänge<br />
stiftenden Zitierens. Deshalb soll der<br />
Jubilar in diesem Glückwunsch selbst zitiert werden.<br />
Wo immer man eines seiner Bücher aufschlägt, trifft man<br />
auf die getreulich und ungekürzt überlieferten Stimmen<br />
von Reisenden, Theologen und Dichtern, Männern und<br />
gelegentlich auch Frauen; es sind begeisterte oder bornierte,<br />
gebildete oder unwissende ebenso wie weise und<br />
fromme Stimmen aus den letzten beiden Jahrtausenden,<br />
die das betrachtet und gedeutet haben, was Anton Legner<br />
einem großen Publikum in jeder seiner Ausstellungen<br />
und in seinen Büchern bis heute anschaulich nahe brachte<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
44 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
Abb. 1: Anton Legner führt Königin Fabiola von Belgien durch<br />
die Ausstellung Rhein und Maas, 1972.<br />
und bringt. Es ist die „…Einordnung der ästhetischen<br />
und kultischen Präsenz der Gegenstände in dasjenige<br />
Weltbild, aus dem die Gegenstände stammen…“.<br />
Mit diesem Ziel vor Augen, das neben dem stupend kenntnisreichen<br />
Kunsthistoriker auch den begeisterten Künder<br />
und listenreichen Kämpfer mit und gegen Sachzwänge<br />
fordert, hat Anton Legner vielen Menschen die Augen für<br />
die körperliche und geistige Schönheit der sakralen Kunst<br />
des Mittelalters geöffnet (Abb.1 und 2). „…denn den Ansatz<br />
zum Verständnis von Geschichte gewinnt man nicht,<br />
indem man sich die Historie aus Denkgewohnheiten oder<br />
Gedankenzwängen der Gegenwart verfügbar macht,<br />
sondern indem man die Quellen selbst nach den Mentalitäten<br />
der Menschen von einst befragt…“ In diesem<br />
Satz steckt erlebte, erlittene und mitgestaltete Wissenschafts-<br />
und Museumsgeschichte. Diese Geschichte in<br />
der derzeitigen „…Arbeitsgemeinschaft im Dienste unseres<br />
Museums…“ weiter zu schreiben, ist uns im Rückblick<br />
auf die Zeit des dritten Direktors des Schnütgen-<br />
Museums Ansporn und Auftrag. Dies besonders jetzt,<br />
da das erneuerte Museum Schnütgen kurz vor seinem<br />
100jährigen Jubiläum und nach „…den langen Jahren, als<br />
ich noch auf eine Befriedigung der Raumverhältnisse unseres<br />
Domizils gehofft habe…“ endlich jene Erweiterung<br />
der Ausstellungsfläche und grundlegende Verbesserung<br />
aller Arbeitsumstände erreichen wird, um die Anton Legner<br />
in seiner ganzen Amtszeit gerungen hat.<br />
In seiner Abschiedsrede hat er vielen Institutionen und<br />
vielen Menschen gedankt, darunter auch „...den Studiosi<br />
in Münster und Köln, die so viel zum fruchtbaren Gedankenaustausch<br />
beigetragen haben“. Zu diesen Studiosi gehörte<br />
1971 auf 1972 an der Münsteraner Universität auch<br />
die Unterzeichnende, die damals kurz vor der Promotion<br />
– und in Verfolgung eines letzten noch fehlenden Scheines<br />
in Kunstgeschichte – um Aufnahme in ein Seminar über<br />
spätgotische Kleinplastik gebeten hatte. Es wurde von<br />
einem neuen Lehrbeauftragten und späteren Honorar-
professor (1975) aus Köln angeboten. Von Anton Legner<br />
trotz des fortgeschrittenen Semesters noch freundlich<br />
aufgenommen, wurde die Kandidatin mit den anderen<br />
Studierenden zu einer sehr direkten Sehweise auf Kunstwerke<br />
herausgefordert, die keineswegs im Zentrum des<br />
Interesses standen. Dass aber im behutsamen und oft<br />
auch provokativen Betrachten und Besprechen dieser<br />
Kleinkunstwerke mehr über das Wesen von Skulptur zu<br />
lernen war, als in manchen Hörsälen und Handbüchern,<br />
das haben viele ‚Studiosi‘ Anton Legner zu danken; nachzulesen<br />
ist das auch jenseits der Spätgotik in seinem Buch<br />
Deutsche Kunst der Romanik von 1982.<br />
Auch auf anderen Feldern haben seine eigene Neugier,<br />
seine Begeisterung und sein schalkhaft-sokratisches Fragen<br />
sich in Erkenntnisse und Taten verwandeln lassen.<br />
Anton Legner konnte nämlich nicht nur bei den ‚Studiosi‘,<br />
sondern auch im Gespräch mit Entscheidungsträgern<br />
aus Wissenschaft und Kunst, Politik und Finanzwelt seine<br />
ureigenen Gedanken und Projekte durch eben dieses<br />
Fragen den Gesprächspartnern so überzeugend als deren<br />
Ideen wieder entlocken, dass sie dann mit ihm gemeinsam<br />
die Realisierung als selbstverständlich ansahen.<br />
Dies alles geschah unter Einsatz eines nicht unbeträchtlichen<br />
Temperamentes, mit gelegentlicher Neigung zur<br />
Explosivität, immer aber gepaart mit einer nie verbissenen,<br />
jedoch umwerfend beharrlichen Zähigkeit bei<br />
der Verfolgung einmal gesteckter Ziele. Diese Begabung<br />
hat große Gemeinschaftsleistungen ermöglicht, wie es<br />
die beispielgebenden Mittelalterausstellungen zwischen<br />
1972 und 1985 mit Rhein und Maas und Ornamenta Ecclesiae<br />
samt ihren handbuchartigen Katalogen gewesen sind.<br />
Im Zentrum stand neben Monumenta Annonis 1975 vor<br />
nun 30 Jahren die unvergessliche Parlerausstellung von<br />
1978. Mit ihr hat Anton Legner im Bewusstsein seiner böhmischen<br />
Ursprünge neben der gesamteuropäischen Versammlung<br />
großartiger Kunstwerke auch Energieströme<br />
und Austauschmöglichkeiten zwischen Kolleginnen und<br />
Kollegen in europäischen Regionen eröffnet, die damals<br />
Abb. 2: Anton Legner mit Bundespräsident Gustav Heinemann<br />
bei der Eröffnung der Ausstellung Rhein und Maas, 1972.<br />
noch weit entfernt von ungehinderter Kommunikation<br />
waren. Damit gewann dieses Ereignis von der Vorbereitung<br />
bis zur Eröffnung eine Brisanz und ein Befreiungspotential,<br />
die heute, eine Generation ,danach‘ für viele<br />
Jüngere kaum noch vorstellbar sind.<br />
Ausstellungen, Lehre und Publikationen, ja schon die Art<br />
der Umgestaltung der Cäcilienkirche 1977 wurden zunehmend<br />
beherrscht von einem immer wichtiger werdenden<br />
Thema, den Reliquien und ihrer „Verehrung und Verklärung“.<br />
Hier hat Anton Legner in immer größer gezogenen<br />
Kreisen den essentiellen Zusammenhang von Kunst, Kult<br />
und der „Präsenz des Irrealen“ zur Darstellung gebracht.<br />
Das Thema hat ihn auf vielen Reisen mit seiner Frau quer<br />
durch Europa, von der Spätantike bis in die Neuzeit geführt.<br />
Nach Rheinische Kunst und das Schnütgen-Museum 1991, Heilige<br />
und Reliquien 1995 und Kölner Heilige und Heiligtümer<br />
2003 ist, so hört man, wieder ein Buch in Arbeit.<br />
„…Demut im Sinn und eifriges Forschen und ruhiges Leben…“<br />
ermöglichen eine solche Lebensleistung. Und „…<br />
dass die Abgeschiedenheit … und ein Ort, wo es keine<br />
Kritiker gibt, und die tiefste Stille und Ruhe beim Schreiben<br />
am besten tun, das wird niemand bezweifeln…“.<br />
In die Stille, die Anton Legner so mit Bernhard von Clairvaux<br />
und Quintilian beschworen hat, sollen, aus dem<br />
Kreis der Kölner Museen wie ein „…Glockenklang von St.<br />
Cäcilien…“ herzliche Grüße und Glückwünsche hinein<br />
klingen, die für den Jubilar weiteres segenreiches Schaffen<br />
erhoffen mit dem weiten, lichten Blick, der in seinen<br />
Büchern erlebbar wird, und damit jene inspirierte Schau<br />
auf Kunst und Kult, die nicht nur für Anton Legner zeitlos<br />
zeitgemäße Gegenwart ist.<br />
Autorin:<br />
Prof. Dr. Hiltrud Westermann-Angerhausen<br />
Direktorin des Museums Schnütgen Köln<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
45
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Auf dem Boden bleiben…<br />
von Horst Mauke<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
48 WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Fußböden werden begangen, belaufen, abgenutzt,<br />
ausgewechselt. Sie sind oft der<br />
meist strapazierte teil eines Bauwerks, und<br />
beim auswechseln wird der alte Boden entsorgt.<br />
So ist denn ein linoleumteppich, mit<br />
teppichrahmung und Mustern bedruckt,<br />
eine der raren Kostbarkeiten des Kölnischen<br />
Stadtmuseums aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.<br />
im Mittelalter war die Situation<br />
nicht anders. Mittelalterliche Fliesen, deren<br />
herkunft wir kennen, sind daher ein interessantes<br />
untersuchungsobjekt.<br />
die frühen Fliesen der Katholischen Pfarrkirche<br />
St. aposteln zu Köln<br />
1965/66 wurden bei der Erneuerung des Drainagesystems<br />
an der Nordseite des Westturms der Kirche St.<br />
Aposteln gestempelte, stark abgelaufene Fliesen gefunden<br />
(Abb.1-3). 1 Die unglasierten, schrägkantigen Fliesen<br />
sind aus rotem, grob gemagerten Ton und teils grau bis<br />
schwarz gefärbt. Unter den 585 Fliesen befinden sich vier<br />
Stücke mit einem eingeprägten, nach rechts gewandten,<br />
geflügelten Drachen, weitere sechs zeigen einen Stern<br />
aus vier Spitzovalen, in die Diagonale gestellt im quadratischen<br />
Rahmen. Alle übrigen Fliesen sind leider soweit<br />
abgelaufen, dass ihr Muster nicht mehr zu erkennen ist.<br />
Die Fliesen haben die Abmessungen 8,0 x 8,0 cm bei einer<br />
Höhe von 1,8 bis 2,0 cm, zum Teil sind noch Reste weißer<br />
Engobe sichtbar.<br />
Der Baubefund von St. Aposteln (Abb. 12) lässt drei wesentliche<br />
Bauepochen erkennen. Die erste umfasst den<br />
Bau der Krypta und den spätottonischen Gründungsbau<br />
vom ersten Drittel des 11. Jahrhunderts. Als Fußbodenbelag<br />
diente ein Mörtelestrich mit Ziegelsplittzusatz.<br />
Die zweite Bauperiode im 12. Jahrhundert erbrachte die<br />
Erneuerung der Stützen im Krypta-Ostabschnitt und die<br />
Einbringung eines neuen Fußbodens mit Plattenbelag.<br />
Die dritte Bauperiode folgte 1643/44. 2 Der in der zweiten<br />
Periode verlegte Fußboden ist vermutlich nicht mit dem<br />
Boden der Bilderfliesen identisch; diese dürften um 1230<br />
verlegt worden sein. Es handelt sich hier um die frühesten<br />
Bilderfliesen in einer Kölner Kirche. 3 Später wurden nur<br />
noch größere Fliesen hergestellt, ihre Maße wechselten<br />
je nach Zeit zwischen 12,5 x 12,5 cm und 13,5 x 13,5 cm.
Abb. 1: Fliese von St. Aposteln, Köln mit Abbildung eines<br />
geflügelten Drachen, KSM 2001/593 a.<br />
Abb. 2: Gelbfarbige Fliese von St. Aposteln Köln mit Abbildung<br />
eines Sterns aus vier Spitzovalen in die Diagonale gestellt,<br />
KSM 2001/593-5.<br />
Abb. 3: Graufarbige Fliese von St. Aposteln, Köln<br />
(wie vorstehend), KSM 2001/593-6.<br />
Abb. 4: Ockerfarbige mit dem Modell geprägtes Blütenornament<br />
von Margarethenkloster, Köln, RGM 80, 1401.<br />
Abb. 5: Anthrazitfarbige Fliese mit gestempelten Blütenornamenten<br />
vom Margarethenkloster, Köln, KSM 2001/593-7.<br />
Abb. 6: Fliese von St. Aposteln, Köln mit hochrot gebranntem<br />
Split, KSM 2001/593-24.
50<br />
Bei Ausgrabungen am Margarethenkloster in Köln, der<br />
Margarethenkapelle, wurden fast 60 Fliesen gefunden.<br />
Sie lagen eingebettet in groben Kalkmörtel und Ziegelsplitt<br />
an ihrer ursprünglichen Stelle (Abb. 7). Die Farben<br />
der Fliesen wechseln von anthrazit bis ockerfarbig. Die<br />
unglasierten, sich nach unten verjüngenden Fliesen (8,5<br />
x 8,5 cm) tragen ein mit einem Model geprägtes oder<br />
Abb. 8: Fliese von St. Aposteln, Köln, mit Rissen durch<br />
Fremdkörpereinschluss, KSM 2001/593-222.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 7: Fliesenboden der Margarethenkapelle in situ.<br />
ein gestempeltes Blütenornament (Abb. 4 und 5). Von<br />
einem drei Zentimeter großen Mittelkreis strebt in jede<br />
der vier Ecken ein Blütenblatt, das mit einem lilienartigen<br />
Ornament gefüllt ist. 4 Im Kölnischen Stadtmuseum und<br />
im Römisch-Germanischen Museum befinden sich solche<br />
Fliesen, 5 auch das Erzbischöfliche Diözesan-Museum Kolumba<br />
besitzt zwei derartige Stücke. 6<br />
Abb. 9: Fliese von St. Aposteln, Köln, mit schwarzen Flecken<br />
durch Umwandlung von organischen Stoffen, KSM 2001/593-9.
Für die Fliesenherstellung wurden überwiegend fette<br />
Tone verwandt. Durch Beimischung von Sand verschiedener<br />
Körnung wurde eine verringerte Schwindung beim<br />
Brennen, größere Festigkeit und Formbeständigkeit<br />
erreicht und das Reißen des Scherbens beim Brand vermieden.<br />
Immer scheint das jedoch nicht gelungen zu sein,<br />
wie die oft längs- und querverlaufenden Risse an den Fliesenseiten<br />
zeigen. Sternförmige beim Brand entstandene<br />
Risse lassen grobkörnige Einschlüsse vermuten (Abb. 8).<br />
Die beigemischte Schamotte, zerkleinerte Scherben aus<br />
Ausschussware, auch als Ziegelmehl bezeichnet, erhöht<br />
die Härte und Haltbarkeit und ist meist als hochrot gebrannter<br />
Split zu erkennen (Abb. 6). Die Vorbereitung des<br />
Tons zur Fliesenherstellung ist die gleiche wie die zur Herstellung<br />
von Gebrauchskeramik. Der gegrabene Ton wird<br />
einem mehrmonatigen Faulprozess ausgesetzt, bei dem<br />
sich eingeschleppte Pflanzenteile und organische Stoffe<br />
zersetzen. Anschließend wird der Ton durch Wässern<br />
und Schlämmen gereinigt, gemagert und geknetet, um<br />
Luftblasen zu entfernen. Noch verbliebene Unreinheiten<br />
durch pflanzliche Bestandteile im Scherben wandeln sich<br />
beim Brand in Kohlenstoff um und hinterlassen schwarze<br />
Flecken (Abb. 9).<br />
Fliesen, verschiedenfarbig, rötlich bis grau und schwarz,<br />
können zur gleichen Zeit im gleichen Ofen gebrannt worden<br />
sein. Entsprechend dem Anteil des Restsauerstoffs im<br />
Feuer – Oxidations- oder Reduktionsbrand – entwickelt<br />
sich die Färbung. 7 Fliesen und Gebrauchskeramik wurden<br />
oft im selben Ofen gleichzeitig gebrannt. 8<br />
Für den Formgebungsprozess wurde der Ton in vorbereitete,<br />
nach unten leicht konisch zulaufende Rahmen gestrichen<br />
und deren Oberfläche geglättet. Die Unterseite<br />
Abb. 10: Fliese von St. Aposteln, Köln mit weißer Engobe<br />
und sichtbarer Eintauchtiefe, KSM 2001/593-5.<br />
blieb meist rauh und unbearbeitet. Das Herausnehmen<br />
des Rohlings aus der Holzform gestaltete sich durch die<br />
vorgegebene Schräge der Fliesenseiten unproblematisch.<br />
In die angetrocknete Fliese, noch im Formkasten, wurde<br />
mit einem Model – vermutlich aus wenig fasrigem Holz –<br />
das Muster eingestempelt. Von diesem Model konnten<br />
dann beliebig viele Tonmodel abgenommen werden. Die<br />
flache Prägung der Fliese von einer Rillenbreite bis zu 1,5<br />
mm wurde mit weißem Pfeifenton ausgefüllt oder in einen<br />
Tonschlicker, einem aus sehr fein geschlämmten, mit<br />
Wasser flüssig gemachten und durch Farbzusätze getönten<br />
Tonbrei, der so genannten Engobe, getaucht. Die Eintauchtiefe<br />
im Tonschlicker ist noch an einem Absatz an<br />
den Fliesenseiten sichtbar. Der heruntergelaufene Tropfen<br />
entsteht beim Umstürzen des getauchten Gutes (Abb. 10).<br />
Das Einsetzen der Platten in den Ofen dürfte vor dem Einbringen<br />
der übrigen Gebrauchskeramik erfolgt sein. Bei<br />
einer Temperatur von etwa 170°C im Brennofen verdunstet<br />
das im normalen Trocknungsprozess nicht entfernte<br />
hygroskopisch gebundene Wasser. Den nächsten Schritt<br />
erreicht man bei ca. 400°C. Jetzt wird das chemisch gebundene<br />
Wasser abgegeben. Dieser Vorgang ist bei einer<br />
Temperatur von mehr als 700°C abgeschlossen. Erst ab<br />
1000°C beginnt der Sinterungsprozess, einzelne Bestandteile<br />
beginnen zu schmelzen. Der Brennvorgang ist bei<br />
1200°C bis 1250°C beendet. Der Scherben ist nun völlig<br />
verdichtet, er ist wasserundurchlässig, ritz- und säurefest.<br />
Wir haben also Steinzeug vor uns.<br />
Die Fliesen mussten dick genug sein, so dass sie sich im<br />
Brand nicht wölbten und die späteren großen Belastungen<br />
aushielten. Die Schrägen der Fliesen ermöglichten ein fast<br />
fugenfreies Verlegen in einem Mörtelbett (Abb. 11). 9<br />
Abb. 11: Fliese von St. Aposteln, Köln, mit Mörtelrest,<br />
KSM 2001/593-16.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
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51
52<br />
Es wurde angenommen, dass die kölnischen Fliesen der<br />
Margarethenkapelle aus Urbar im Landkreis Koblenz<br />
stammen, denn 1906 sollen Fliesen gleichen Musters bei<br />
Ausgrabungen in Urbar zum Vorschein gekommen sein. 10<br />
Allerdings wurden bei späteren Grabungen keine weiteren<br />
Fliesenscherben aufgefunden. 1958 wurden in der<br />
Gemarkung Urbar in der Höhe des Kanuheims, etwa 40<br />
Meter ostwärts der Bundesstraße 42 bei Ausschachtungsarbeiten<br />
drei mittelalterliche Töpferöfen angeschnitten.<br />
Die Brennstellen liegen in dem von Osten nach Westen<br />
zum Rhein abfallenden Gelände, etwa 20 Meter ostwärts<br />
der nach Urbar führenden alten Straße. In den Töpferbrennstellen<br />
lagerten eine große Anzahl mittelalterliche<br />
Gefäßscherben, mit Schlacke und Brennschutt durchsetzt.<br />
11 Der oberhalb des Töpfergebietes liegende Garten,<br />
ein Grundstück am Rheineck, zeigt terrassenartige, jetzt<br />
wieder zugewachsene Abstufungen. Vermutlich wurde<br />
hier einmal Ton abgebaut, worauf auch der frühere Name<br />
„Ton Kaule“ schließen lässt. 12<br />
Die Bodenfliesen aus dem ehemaligen Dominikanerkloster<br />
zu Koblenz 1250/60 sind unglasiert: Ritter zu Pferd<br />
(14,0 x 14,0 cm), Hirsch (14,2 x 14,2 cm) und Fliesen mit<br />
einer Lilienblüte über einem Viertelkreis (12,3 x 12,3 cm)<br />
wurden nachweisbar in Worms hergestellt. 13<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 12: St. Aposteln von Nordwesten. Photo um 1900,<br />
Graphische Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums.<br />
Es ist zu vermuten, dass Fliesen immer rheinabwärts<br />
geliefert wurden. Um die Herkunft der Kölner Fliesen zu<br />
ermitteln, wurden von Prof. Dr. Hans Mommsen Untersuchungen<br />
im Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik<br />
der Universität Bonn vorgenommen. Die Fliesen<br />
aus der Margarethenkapelle im Römisch-Germanischen<br />
Museum (Inv.-Nr. 80, 1401; teils rot, teils graufarbig) waren<br />
in der Tonzusammensetzung unterschiedlich. Verglichen<br />
mit den Fliesen von St. Aposteln konnte auch<br />
keine Übereinstimmung festgestellt werden. Vergleichsuntersuchungen<br />
aus Urbar (Fundorte oberhalb der Proizstraße:<br />
Es wurden 23 Scherben verschiedener Epochen<br />
aus Urbar mit den Fliesen aus Köln verglichen) ergaben<br />
keine Übereinstimmung.<br />
Die Herkunft der Fliesen ist also bis heute nicht sicher zu<br />
ermitteln. Wenn die Erkenntnisse zu allen Kölner Fliesen<br />
ausgewertet werden, ergibt sich eine Übereinstimmung<br />
mit einem bekannten Muster aus Brühl-Pingsdorf. Diese<br />
Herkunft ist jedoch leider nicht mit Sicherheit beweisbar.<br />
14 Es heißt also auch hier wieder „auf dem Boden<br />
(der Tatsachen) zu bleiben“ und zu ertragen, dass mehr<br />
Sicherheit nicht zu gewinnen, kein „sicherer Boden“ wissenschaftlich<br />
zu erreichen ist.
Feet firmly on the Ground...<br />
Glazed or unglazed tiles with more or lesse decoration,<br />
animals or pure ornaments, have been<br />
common in Cologne as elsewhere in europe from<br />
roman times to the present. uncommon are the<br />
excavations of high medieval tiled floors as in<br />
happened in Cologne twice in the second half of<br />
the 20th century. in 1965/66 nearly 600 tiles from<br />
about 1230 were found during constructionwork<br />
near the norther wall of the dominant western tower<br />
of the former collegiate church st. Aposteln,<br />
the earliest decorated tiles found up to today in<br />
situ in Cologne. near the cathedral another 60<br />
decorated tiles were found in the early eighties as<br />
former floor of the chapel st. Margarethen, again<br />
from about 1230.<br />
Horst Mauke has spent much time in research<br />
on the origin of these tiles. A first hint, that they<br />
might have been produced near Koblenz, had<br />
to be excluded. the material analysis of the clay<br />
used for the tiles showed that the tiles have no<br />
common origin, but that both lots have probably<br />
been produced in the "Vorgebirge", a production<br />
area of pottery since early mediveal times some<br />
10 kilometers south from the medieval walls of<br />
Cologne.<br />
Anmerkungen<br />
1 Die als Raubgrabung geborgenen Fliesen wurden dem Kölnischen<br />
Stadtmuseum erst später angeboten (Dr. Werner Jüttner †). Angaben<br />
über den Ankauf liegen nicht vor.<br />
2 A. Mann: Die Krypta von St. Aposteln in Köln. Bericht über die<br />
Fliesen, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 31/32 (1957)<br />
11-31. – C. Koenen: Gotische Töpferei bei Urbar, in: Bonner<br />
Jahrbücher 114/115 (1906) 339-343. – G. Stracke: Köln. St. Aposteln,<br />
Stadtspuren Bd. 19 (Köln 1992).<br />
3 Auskunft von Dr. Eleonore Landgraf, Duisburg.<br />
4 S. Seiler: Ausgrabungen am Margarethenkloster in Köln. Die<br />
Margarethenkapelle, in: Kölner Jahrbuch 20, 1987, 201-218.<br />
5 Inv.-Nr.: KSM 2001/593 (Nachinventarisierung). Die Herkunft ist<br />
nicht bekannt.<br />
6 Inv.-Nr.: E 32 a+b, Kat. Nr. 76.<br />
7 Zwei Fliesen der Margarethenkapelle wurden in der Fachhochschule<br />
in Höhr-Grenzhausen nachgebrannt. Die Brenntemperatur<br />
betrug ca. 1220°C, die Brenndauer acht Stunden. Die Untersuchung<br />
durch D. J. Wolf Matthes ergab einen hellen Scherben, offensichtlich<br />
sehr stark gemagert; die Magerung, Quarzsand aber auch Körnung<br />
von rot- bis schwarzbraun und glänzend. Die Stücke zeigen eine<br />
deutliche geschichtete Formgebungsstruktur im Bruch.<br />
8 W. Lung: Die Ausgrabung nachkarolingischer Töpferöfen in<br />
Paffrath, Gemeinde Bergisch Gladbach, in: Bonner Jahrbücher<br />
155/156 (1955/56) 355-387.<br />
9 Versuche ergaben einen Mörtel, der aus 30% Kalk- und 70%<br />
Sandanteil besteht. Die Körnung betrug 1-10 mm. Der Anteil der<br />
feinen Körnung überwog jedoch. Herzlichen Dank Franz Schimschak,<br />
Köln, der mich bei diesen Untersuchungen unterstützte.<br />
10 Vgl. Koenen (Anm. 2) und Seiler (Anm. 4). Oberkonservator Dr.<br />
Axel von Berg, Koblenz, konnte mir keine Auskunft über einen<br />
Fliesenfund in Urbar geben. In den Depots von Koblenz befinden sich<br />
keine Fliesen oder Fliesenreste davon.<br />
11 Grabungsbericht Mbl Nr. 5611 Koblenz Fo. Urbar, Koblenz Land<br />
1958, Fundnummer 834.<br />
12 Herzlichen Dank der Familie Dr. Erwin Hoffecker für die<br />
Unterstützung meiner Untersuchungen.<br />
13 Freundliche Mitteilung von Dr. Mario Kramp, Koblenz.<br />
Ich danke: Frau Dr. Eleonora Landgraf, Duisburg, für die Anregungen<br />
zu diesem Bericht, Herrn Dr. Matthias Riedel (†) vom Römisch-Germanischen<br />
Museum Köln, für die gute Zusammenarbeit, Herrn D. J.<br />
Wolf Matthes, Leutersdorf, für die durchgeführten Brennversuche in<br />
Höhr-Grenzhausen, Herrn Dr. Axel von Berg, Koblenz, für die<br />
Überlassung der zu untersuchenden Urbarer Scherben, Herrn Prof.<br />
Dr. Hans Mommsen, Bonn, für die unbürokratisch ermöglichten<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen, Frau Dr. Elsa Hähnel, Rheinisches<br />
Freilichtmuseum Kommern, für ihre hilfreiche Vermittlungstätigkeit,<br />
Frau Dr. Ingeborg Unger, Kempen, für die Durchsicht des<br />
Berichts, Herrn Dr. Werner Schäfke, Köln, für die Unterstützung<br />
meiner Arbeit.<br />
Autor:<br />
Horst Mauke, Köln<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
53
54<br />
römische spardosen aus Köln<br />
von Constanze Höpken<br />
Spardosen sind aus rom und vielen Provinzen<br />
des römischen reiches bekannt – auch<br />
aus Köln. unklar ist indes ihre lateinische<br />
Bezeichnung. nach Plautus’ Komödie ‚aulularia‘,<br />
in der es um einen Münzschatz in einem<br />
topf geht, wurde vorgeschlagen, die Begriffe<br />
‚aululae‘ oder ‚aululariae‘ könnten Spardosen<br />
bezeichnen. Wenn römische Münzschätze<br />
gefunden werden, liegen sie meist in einfachen<br />
töpfen. Spardosen sind hingegen fast<br />
immer leer. Welche Funktion hatten die in<br />
Köln gefundenen Stücke dann? 1<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Sparten die Menschen schon in der antike Geld<br />
in Spardosen?<br />
Sparen setzt voraus, dass im Alltag Geld übrig blieb,<br />
das der Zirkulation entzogen werden konnte. Zu Beginn<br />
eines Sparerdaseins waren es wohl geringe Werte – große<br />
Bronzemünzen – und erst Stück für Stück wertvollere und<br />
kleinformatigere Münzen. Und dann, ab in die Spardose?<br />
Römische Spardosen finden sich selten mit Münzinhalt,<br />
beispielsweise in Pompeji oder Lincolnshire. Sind die in<br />
Köln gefundenen Behälter mit eingeschnittenem Schlitz<br />
(Abb. 1) tatsächlich Spardosen gewesen?<br />
Durch Funde in Pompeji und Herculaneum ist bekannt,<br />
dass im Atrium reicher Häuser auf dem Boden festgedübelte<br />
Truhen standen, in denen Wertsachen aufbewahrt<br />
wurden. Kleine Beträge, vielleicht persönliche Barschaft,<br />
fand Platz in Kästchen mit Schiebedeckel, den loculi<br />
(Abb. 2). 2 Für den täglichen Bedarf hatte man Armreifgeldbörsen<br />
(Abb. 3) und vor allem einfache Geldbeutel<br />
aus Stoff oder Leder, die sich nur selten erhalten haben.<br />
Das Geld konnte aus diesen Behältnissen einfach wieder<br />
entnommen werden. Anders die Spardose: Einmal im<br />
Behälter, blieb das Geld darin, bis dieser meist gewaltsam<br />
geöffnet bzw. zerschlagen wurde.<br />
Spardosen waren im gesamten Römischen Reich verbreitet<br />
und treten meist als Einzelstücke in Siedlungszusam-
menhängen 3 , in Gräbern 4 oder Heiligtümern 5 auf. Sie<br />
sind aus verschiedenen Materialien überliefert – manchmal<br />
recht schlicht aus Ton, manchmal reich dekoriert<br />
auch aus Metall, zur Zierde sichtbar aufgestellt (Abb. 5).<br />
Hier zeigen insbesondere die in Pompeji gefundenen<br />
truhenförmigen Exemplare einen engen Bezug zur privaten<br />
Geldaufbewahrung. Andere besitzen eine Aufschrift,<br />
die sie als Neujahrsgeschenke und Glücksbringer<br />
ausweisen. 6 Viele metallene Sparbüchsen tragen Statuetten,<br />
wie sie auf den privaten Hausaltären, den Lararien,<br />
zu finden sind. 7 Daher ist anzunehmen, dass Spardosen<br />
in Hausschreinen aufgestellt waren und die Möglichkeit<br />
boten, eine Münze zu opfern statt Weihrauch in einer<br />
Räucherschale zu verbrennen.<br />
Neben den verzierten Spardosen gab es auf der Töpferscheibe<br />
gedrehte einfache Behälter (Abb. 1). Sie sind<br />
die direkten Vorgänger schlichter mittelalterlicher und<br />
neuzeitlicher Spardosen 8 und wurden in verschiedenen<br />
Keramikarten hergestellt. Mal sind sie fein gemagert<br />
und glattwandig, mal grob gemagert und rauwandig,<br />
seltener poliert und reduzierend schwarz gebrannt. 9<br />
Die Warenart hatte offenbar keinen Einfluss auf die Ver-<br />
Abb. 1: In Köln gefundene römische Spardosen,<br />
Römisch-Germanisches Museum Köln.<br />
wendung; zudem macht ihre beliebige Auswahl deutlich,<br />
dass diese Spardosen nicht als Dekoration aufgestellt<br />
wurden, sondern Gebrauchsgegenstände mit kurzer Lebensdauer<br />
waren.<br />
In Köln wurden zahlreiche sehr unterschiedliche Spardosen<br />
dieses einfachen Typs gefunden (Abb. 1). Unter<br />
ihnen fallen insbesondere zwei Gruppen von gleichförmigen<br />
glattwandigen Exemplaren auf, die wohl jeweils<br />
von gleicher Hand gefertigt sind (Abb. 4): relativ große,<br />
schlanke 10 und mittelgroße, kugelige mit dickem Boden.<br />
11 Wegen ihres cremefarbenen und fein gemagerten<br />
Scherbens, der charakteristisch für Kölner Keramik<br />
ist, handelt es sich um lokale Erzeugnisse.<br />
Die drei größeren stammen aus Gräbern an der Luxemburger<br />
Straße; ihr Spiegel – die Oberseite, in die der<br />
Münzschlitz eingeschnitten war – ist tief eingewölbt. Der<br />
benachbarte Fundort aller drei Exemplare und das Fehlen<br />
dieser Form in den anderen Gräberfeldern im Norden und<br />
Süden Kölns sprechen dafür, eine Werkstatt in der Umgebung<br />
der Gräber an der Luxemburger Straße anzunehmen.<br />
Da aus Kölner Töpfereischutt generell nur kleinere Spardo-<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
55
56<br />
Abb. 2: Loculus, Verschließbares Kästchen aus Bein<br />
zur Aufbewahrung von Münzen,<br />
Römisch-Germanisches Museum Köln Inv. 29,1023.<br />
sen überliefert sind, 12 darf man annehmen, dass die großen<br />
in einer noch unbekannten Töpferei gefertigt wurden.<br />
Auch die mittelgroßen kugeligen Spardosen mit dickem<br />
Boden finden kein Pendant im Spektrum der bekannten<br />
Kölner Töpfereien und wurden demnach ebenfalls in einer<br />
weiteren noch unentdeckten Werkstatt hergestellt.<br />
Der Standort kann nicht ohne weiteres rekonstruiert<br />
werden: Zu verstreut sind diese Spardosen in den Kölner<br />
Gräberfeldern. Ein Exemplar stammt aus einer Grablege<br />
am Severinswall, ein weiteres soll in der Rosenstraße oder<br />
Abb. 6: Große Spardosen aus Apulum,<br />
Muzeul National al Unirii Alba Iulia.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 3: Bronzene Armreifgeldbörse aus Osterburken,<br />
Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg.<br />
Follerstraße gefunden worden sein – also wiederum im<br />
Gräberfeld um St. Severin im Kölner Süden. Das dritte<br />
Stück stammt aus einem Grab an der Luxemburger Straße,<br />
und von der vierten Spardose ist lediglich bekannt,<br />
dass sie in einem Kölner Grab lag. Damit kann der Produktionsort<br />
geographisch nicht deutlich eingeschränkt werden,<br />
wenn auch einiges für eine Lokalisierung der produzierenden<br />
Werkstatt im Kölner Süden spricht.<br />
Es ist auffällig, dass viele der Kölner Spardosen aus Gräbern<br />
stammen. Und immer sind sie leer, in der Regel<br />
oben aufgehebelt, das Geld entnommen. Aber auch<br />
die Gräber, in denen sie gefunden wurden, enthalten<br />
selten Münzen. Eine Ausnahme bildet ein Grab des 4.<br />
Jahrhunderts an der Luxemburger Straße. 13 Dem in<br />
einem Sarg bestatteten Toten waren viele wertvolle<br />
Beigaben für die Reise ins Jenseits in das<br />
Grab mitgegeben worden. Außer Keramik- und<br />
Glasgefäßen, Gegenständen zur Schönheitspflege<br />
und anderem Kleingerät gehörten hierzu<br />
auch eine Spardose und 22 Münzen. Die Münzen<br />
befanden sich aber nicht, wie zu erwarten wäre, in<br />
der Spardose, die aufgebrochen zu Füßen des Toten
Abb. 4: Römische Spardosen aus Köln,<br />
Römisch-Germanisches Museum Köln.<br />
stand. Statt dessen waren sie am Kopf des Toten niedergelegt.<br />
Dieser Fund macht deutlich, dass die Spardosen<br />
im Grab nicht als Behälter oder symbolischer Ersatz für<br />
Geld dienen sollten, sondern dass ihnen eine andere Bedeutung<br />
zukam.<br />
Vielleicht fanden durch Aufhebeln unbrauchbar gewordene<br />
Spardosen, ähnlich Fehlbränden, im Grab noch als<br />
Beigabe Verwendung. In einem Fall diente die aufgebrochene<br />
Spardose gar als Behälter für den Leichenbrand. 14<br />
Dennoch können sie wohl nicht als wahllose Topfbeigabe<br />
angesehen werden.<br />
Einen Hinweis auf eine mögliche Bedeutung geben<br />
Spardosen aus dem rumänischen Alba Iulia, dem antiken<br />
Apulum (Abb. 6). Dort fanden sich einem Heiligtum<br />
zahlreiche große Spardosen, die allesamt oben aufgehebelt<br />
oder vollständig zerscherbt waren, um sie zu entleeren<br />
– offenbar wurde in ihnen wie bei einer Kollekte Geld<br />
gesammelt, entnommen und folglich wohl auch ausgegeben.<br />
Nachdem sie aufgebrochen oder zerschlagen<br />
waren, wurden sie in Gruben innerhalb des Heiligtums<br />
entsorgt.<br />
Abb. 5: Römische Spardose<br />
in Form einer Bettlerin,<br />
J. Paul Getty Museum,<br />
Los Angeles.<br />
Auch die Kölner Spardosen könnten als Sammelbehälter<br />
gedient und eine Bedeutung im Zusammenhang der<br />
Bestattung gehabt haben: Möglicherweise war für die<br />
Beerdigung Geld im Freundes- und Verwandtenkreis gesammelt<br />
worden – hierauf könnte eine Metallspardose<br />
in Form eines Grabdenkmals hinweisen (Abb. 7) – oder<br />
sie dokumentierten vielleicht die Freigiebigkeit eines<br />
Menschen, der in jede aufgestellte Sammelbüchse einen<br />
Obolus entrichtete. Die einfachen römischen Spardosen<br />
waren also, soweit sich dies durch die Fundkontexte erschließt,<br />
wohl seltener zum langfristigen Sparen und<br />
Aufbewahren von privatem Geld bestimmt, sondern eher<br />
– um Geld für einen bestimmten Anlass zu sammeln – bei<br />
den Spardosen in Gräbern vielleicht für die Beerdigungszeremonie.<br />
Einige der Kölner Spardosen sind jedoch nicht aufgebrochen<br />
worden. Sie sind mit fünf bis sieben Zentimetern<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
57
58<br />
Durchmesser sehr viel kleiner als ihre aufgebrochenen<br />
und zerscherbten Gefährten aus den Gräbern (Abb. 8). Ein<br />
Exemplar wurde innerhalb der Stadt an der Hohe Pforte in<br />
einem römischen Keller gefunden, eine andere in der römischen<br />
Villa von Köln Müngersdorf. 15 Bei der dritten ist<br />
der Fundort nicht bekannt. Wieder lassen sich Parallelen<br />
aus dem Heiligtum im rumänischen Alba Iulia/Apulum<br />
heranziehen: Neben den großen Spardosen, die allesamt<br />
aufgebrochen, entleert und fortgeworfen worden waren,<br />
gab es auch kleine nachlässig gefertigte Spardosen, die<br />
oft vollständig intakt waren (Abb. 9). Eine Messung der<br />
eingeschnittenen Münzschlitze ergab, dass umlaufende<br />
Münzen nicht hindurch gepasst hätten. Diese kleinen<br />
Spardosen waren offensichtlich nie dazu bestimmt, Geld<br />
aufzunehmen. Sie waren stattdessen rituell niedergelegt<br />
worden. 16 Entsprechendes ist für die Kölner Spardosen anzunehmen,<br />
denn auch sie sind intakt und leer. Es könnte<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 8: Miniaturspardosen aus Köln,<br />
Römisch-Germanisches Museum Köln.<br />
Abb. 7: Römische Spardose in<br />
Form eines Grabdenkmals,<br />
J. Paul Getty Museum, Los Angeles.<br />
sich um Bauopfer handeln, die zum Schutz des Hauses<br />
und vielleicht auch zur Sicherung und Mehrung des Wohlstands<br />
deponiert wurden. Was sie aber letztlich symbolisieren<br />
sollten, entzieht sich heute unserer Kenntnis.<br />
Den einfachen scheibengedrehten Spardosen kam also<br />
je nach Größe eine unterschiedliche Funktion zu: Die<br />
größeren Spardosen dienten der Kollekte, als Sammelbüchse<br />
– in ihnen wurde, für bestimmte gemeinschaftliche<br />
Zwecke kurzfristig Geld gesammelt, das zeitnah<br />
entnommen und wohl oft für ein Fest ausgegeben wurde.<br />
Die kleinen Spardosen, die per se unbrauchbar waren,<br />
hatten hingegen reinen Symbolcharakter und dienten<br />
rituellen Zwecken – als Opfergabe für die Götter. Dass<br />
diese Spardosen aber zum langfristigen Aufbewahren<br />
des privaten Sparpfennigs gedient hätten, ist in keinen<br />
Fall nachgewiesen oder zu vermuten.
oman Moneyboxes from Cologne<br />
roman moneyboxes are known both from rome<br />
itself and from many of the provinces of the empire,<br />
not least from Cologne. they survive in a variety of<br />
materials and forms. A rare kind consists of figurative<br />
or lavishly decorated examples of metal or clay,<br />
which presumably fulfilled decorative purposes in<br />
sites such as lararia. By contrast, the numerous simple<br />
clay moneyboxes turned on the potter’s wheel<br />
received scant regard as objects in use and probably<br />
had a much shorter life. Parallel finds in romania,<br />
from a sanctuary in iulia Apulum, have shown that<br />
large moneyboxes like those found in tombs in Cologne<br />
served as collecting boxes. small moneyboxes,<br />
found in the cellars of roman houses at Cologne, for<br />
example, were kept there as a ritual placements.<br />
Anmerkungen<br />
1 Ich danke M. Kemkes (Rastatt), B. Schneider (Köln), M. Fiedler<br />
(Berlin/Köln) für ihre Unterstützung.<br />
2 H. Graeven: Die thönerne Sparbüchse im Altertum, Jahrbuch<br />
des Kaiserlichen Deutschen Archäologischen Instituts 16, 1901,<br />
188-189. Das abgebildete Stück ist veröffentlicht in: U. Friedhoff:<br />
Der römische Friedhof an der Jakobstraße zu Köln, Kölner<br />
Forschungen 3 (Mainz 1991) Taf. 64.<br />
3 Zum Beispiel G. Behrens: Mainzer Zeitschrift 12/13, 1917/18,<br />
39, Abb. 26.1. – A. Hensen: Eine Spardose aus Wiesloch, Archäologische<br />
Nachrichten aus Baden 59, 1998, 3-6. – S. F. Pfahl: Das<br />
Bruchstück einer tönernen Spardose der Römerzeit, Trierer Funde<br />
und Ausgrabungen in Trier 32, 2000, 38-42.<br />
4 Zum Beispiel R. Pirling: Das Römisch-Fränkische Gräberfeld<br />
von Krefeld-Gellep. Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit<br />
B, Fränkische Altertümer im Rheinland 2 (Berlin 1966)<br />
46, Taf. 26.6, Grab 239. – G. Müller: Die römischen Gräberfelder<br />
von Novaesium. Novaesium VII, Limesforschungen 17 (Berlin<br />
1977) Taf. 71. – P. Krebs/A. Schmidt/U. Schoenfelder: Eisenzeitliche<br />
Besiedlungsspuren und ein römisches Gräberfeld in<br />
Meckenheim, in: H. Koschik (Hrsg.): Archäologie im Rheinland<br />
1998 (Köln 1999) 55-57, Abb. 37.<br />
5 Zum Beispiel J. Eingartner/P. Eschbaumer/G. Weber: Der<br />
römische Tempelbezirk in Faimingen-Phoebiana, Limesforschungen<br />
24 (Mainz 1993) 159, Taf. 40.25. – M. Fiedler/C. Höpken:<br />
Spardosen und Miniatur-Spardosen. Neufunde aus dem römischen<br />
Apulum (Rumänien), in: Keramik auf Sonderwegen.<br />
Außergewöhnliche Formen und Funktionen, Beiträge des 37.<br />
Internationalen Hafnereisymposiums, Herne 19.9 bis 25.9. 2004,<br />
Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 44, 2007, 95-99.<br />
6 Vgl. Graeven 1901 (Anm.2 ) 178.<br />
7 Kaufmann-Heinimann: Götter und Lararien aus Augusta<br />
Raurica, Forschungen in Augst 26 (Augst 1998) 168-180. Vgl. auch S.<br />
M. Cheilik: A Roman Terracotta savings bank, American Journal of<br />
Archaeology 67, 1963, 70-71.<br />
8 Vgl. Graeven 1901 (Anm. 2) 160-189.<br />
9 Zur Beschreibung und Bestimmung der Kölner Warenarten<br />
siehe C. Höpken: Die römische Keramikproduktion in Köln, Kölner<br />
Forschungen 8 (Mainz 2005).<br />
10 RGM Köln, Inv. 72,16; 98,608; 98,625.<br />
11 RGM Köln, Inv. L2136; 25,664; 84,1140; 86,3550.1.<br />
12 Höpken 2005 (Anm. 9) 114; 140 mit Abb. 20-035, 22-158,<br />
34-084, 35-055, 35-150, 42-099.<br />
13 Informationen zu dieser Bestattung verdanke ich<br />
D. v. Boeselager.<br />
14 RGM Köln, Inv. 56,448; Norbertstraße 26.<br />
15 Hohe Pforte: RGM Köln, Inv. 84,1215; Müngersdorf, Gebäude IX,<br />
vgl. F. Fremersdorf: Der römische Gutshof in Köln-Müngersdorf,<br />
Römisch-Germanische Forschungen 6 (Berlin/Leipzig 1933) 39, Taf.<br />
33,23; ohne Fundort: RGM Köln, Inv. N 2999.<br />
16 Fiedler/Höpken 2007 (Anm. 5).<br />
Autorin:<br />
Constanze Höpken, Köln<br />
Abb. 9: Miniaturspardosen aus Apulum,<br />
Muzeul National al Unirii Alba Iulia.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
59
60<br />
„spin(n)et noch lange den Faden<br />
des lebens“<br />
Parzen, Gesundheit und die<br />
Bitte um ein langes leben<br />
von Thomas Blisniewski<br />
die antiken Schicksalsgöttinnen, die Parzen,<br />
sind in der nachantiken Kunst oft beim<br />
Spinnen der lebensfäden für die Menschen<br />
dargestellt worden. Soll ein Mensch sterben,<br />
dann wird der Faden, den Klotho und lachesis<br />
erhalten haben, von atropos durchtrennt.<br />
dies ist ein euphemistischeres todesbild als<br />
das bis ins 18. Jahrhundert übliche Skelett.<br />
Mit der darstellung der Parzen wird seit der<br />
Mitte des 18. Jahrhunderts auch der Wunsch<br />
verbunden, dass sie den Faden noch möglichst<br />
lange spinnen mögen, der Mensch ein<br />
langes leben haben möge. in den Sammlungen<br />
der Kölner Museen haben sich drei<br />
bemerkenswerte, aber wenig beachtete<br />
darstellungen der Parzen auf Werken des 16.<br />
und 19. Jahrhunderts erhalten. Sie sollen in<br />
dieser abhandlung kunsthistorisch und kulturhistorisch<br />
in die Geschichte der Parzendarstellungen<br />
seit dem späten Mittelalter<br />
eingeordnet werden.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
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die Parzen – Schicksalsgöttinnen im Wandel<br />
In den Sammlungen der Kölner Museen haben sich<br />
drei interessante Darstellungen der Parzen erhalten.<br />
Die Graphische Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums<br />
– Fondation Corboud besitzt eine lavierte Zeichnung<br />
(Abb. 1), die um 1587 entstanden sein dürfte. 1 Im<br />
Museum für Angewandte Kunst wird ein Böhmischer<br />
Becher aufbewahrt, der, um 1830/ 40 angefertigt, die<br />
drei Göttinnen zeigt (Abb. 2) und zudem die Inschrift:<br />
„Spin(n)et noch lange den Faden des Lebens“ aufweist. 2<br />
Schließlich findet sich im Kölnischen Stadtmuseum,<br />
Graphische Sammlung, eine gezeichnete und gemalte<br />
Urkunde (Abb. 3), die im Jahre 1863 dem Kölner Arzt<br />
Dr. Johann Benedikt Daniel Nückel zum 50. Doktorjubiläum<br />
überreicht wurde. 3<br />
Wer oder was sind aber die Parzen? Die römischen Parzen<br />
sind Schicksalsgottheiten, die in der griechischen Mythologie<br />
Moirai heißen. Klotho (die ‚Spinnerin‘), Lachesis (die<br />
‚Aus-Loserin‘) und Atropos (die ‚Unabwendbare‘) sind ihre<br />
Namen, die meist auch in der lateinischen Dichtung aus<br />
dem Griechischen übernommen werden, die lateinischen<br />
Namen Nona, Dicima oder Decuma und Morta sind – vor<br />
allem in der nachantiken Dichtung – kaum anzutreffen.<br />
Die Schwestern, je nach Überlieferung, Töchter der Nacht<br />
(Nyx) oder der Themis, sind Geschwister von Schlaf (Hypnos)<br />
und Tod (Thanatos), die meist als spinnende Frauen<br />
dargestellt werden. 4 Der Faden, den Klotho aus Rocken<br />
oder Kunkel zieht, wird von Lachesis weitergesponnen<br />
und schließlich von Atropos mit der Hand, den Zähnen<br />
oder einer Schere durchtrennt. Das Zertrennen des Fadens<br />
ist der Moment des Todes eines Menschen.
Abb. 1: Umkreis Hendrik Goltzius, um 1587, Feder in Grau,<br />
grau laviert, 14,9 x 16,8 cm, Wallraf-Richartz-Museum &<br />
Fondation Corboud, Graphische Sammlung, Alter Bestand,<br />
Inv.-Nr. Z 4093.<br />
In der griechischen und römischen Mythologie gibt es<br />
zahlreiche Varianten und auch Widersprüchliches. So<br />
können z.B. Aufenthaltsort der Parzen oder auch ihr Alter<br />
variieren. Mal leben sie in der Unterwelt bei Pluto und<br />
Proserpina, mal halten sie sich in den himmlischen Sphären<br />
auf. Oft sind die Schwestern in der nachantiken Kunst<br />
zugleich Symbole für die Lebensalter des Menschen, wobei<br />
Klotho meist die Jüngste ist, da sie den Faden beginnt.<br />
Atropos ist dann die Älteste, da der Mensch – im besten<br />
Falle im Alter – stirbt. Aber es gibt auch (etwa Platon, Politeia<br />
X.616 ff.) die Konstruktion, dass Klotho die älteste<br />
der Schwestern ist. Hier liegt der Gedanke zugrunde, dass<br />
bei der Geburt eines Menschen der Faden bereits gesponnen<br />
ist, also die entsprechende Handlung in der Vergangenheit<br />
geschah. Folglich ist Atropos die Jüngste, weil<br />
ihr todbringendes Tun erst in der Zukunft erfolgen wird. 5<br />
Nach Hesiod (Theogonie 218) teilen die Parzen den Menschen<br />
auch das Gute und Schlechte im Leben zu, bestimmen<br />
also nicht nur über die Länge des Lebens, sondern<br />
auch über die Qualität. Es ist noch zu erwähnen, dass die<br />
Parzen zwar in vielen Mythen und Dichtungen erwähnt<br />
werden, dass es aber keine Mythen gibt, in denen sie die<br />
Hauptakteurinnen wären. Ihre Rolle ist dennoch nicht<br />
zu unterschätzen, da sie über Leben und Tod herrschen.<br />
Dem Spruch der Moirai sind – jedenfalls in der Frühzeit,<br />
etwa bei Homer – selbst die Götter und sogar Zeus unterworfen.<br />
Da die altitalischen Parcae ursprünglich auch<br />
Geburtsgöttinnen waren, wirkt ihre Macht noch existenzieller,<br />
denn sie umfasst das gesamte menschliche Leben<br />
vom Augenblick der Geburt bis zum Zeitpunkt des Todes.<br />
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Das Spinnen, bis ins späte 18. Jahrhundert überall eine<br />
alltägliche Verrichtung, symbolisierte seit der Antike die<br />
Vergänglichkeit menschlichen Lebens. In allen sozialen<br />
Schichten wurden diese Arbeit verrichtet, doch unter unterschiedlichen<br />
Vorzeichen. Was wohlhabenden Frauen<br />
Zeitvertreib am Abend war, diente armen ganztags als<br />
mühevoll-kärglicher Broterwerb. Dies spiegelt sich beispielsweise<br />
im Sprichwort wider: „Spinnen am Morgen<br />
bringt Kummer und Sorgen. Spinnen am Abend erquickend<br />
und labend.“ Das Spinnen ist untrennbar mit weiblicher<br />
Tugendhaftigkeit verbunden, was vermutlich auch<br />
bei der Beurteilung der Parzen seit dem Mittelalter mitschwingen<br />
dürfte. 6 Da die Wolle bzw. der Flachs auf dem<br />
Spinnrocken chaotisch ungeordnet ist, bringt der Vorgang<br />
des Spinnens Ordnung. Die ungeordneten Fasern werden<br />
in eine geordnete und damit beherrschbare Struktur<br />
überführt sowie im späteren Weben auf ein Neues geordnet<br />
und in ein System eingebracht. Die Parzen ordnen analog<br />
also nicht nur die Wolle, sie ordnen und bestimmen<br />
gleichzeitig auch den Gang der Welt und führen durch<br />
Leben(lassen) und Sterben(lassen) eine Systematik ein.<br />
Mit der Christianisierung Italiens, Griechenlands und dem<br />
übrigen Europa ging der Glaube an die alten Götter verloren,<br />
doch das gesamte Mittelalter hindurch war die antike<br />
Mythologie bekannt und auch Thema der künstlerischen,<br />
literarischen und theologischen Auseinandersetzung.<br />
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Abb. 2: Glasbecher, Böhmen, 1830/ 1840, H 11,8 cm,<br />
Museum für Angewandte Kunst Köln, Inv.-Nr. F 953.<br />
Die Mythologie konnte fortbestehen, weil sie in starkem<br />
Maße uminterpretiert und so dem neuen Glauben nutzbar<br />
gemacht und unterworfen wurde. Christliche Ausdeutungen<br />
der Mythen waren üblich, was verhinderte, dass<br />
sie in Vergessenheit gerieten. In der Renaissance änderte<br />
sich der Zugang zum griechisch-römischen Mythos dadurch,<br />
dass der Kenntnisstand antiker Kunstwerke und<br />
antiker Literatur- und Kulturgeschichte wuchs. 7<br />
So blieben auch die Parzen stets Thema der christlichen<br />
Mythographen, wobei die Vielgestaltigkeit des Berichteten<br />
eher zu-, denn abnimmt. Fulgentius (um 500), Isidor<br />
von Sevilla (gestorben 636) oder die Vaticanischen Mythographen,<br />
drei Autoren des 7. Jahrhunderts, deren Identität<br />
unbekannt ist und deren Texte nach Handschriften im<br />
Vatican benannt werden, erwähnen die Parzen. Dies setzt<br />
sich über Zwischenstufen fort bis hin zum quellenreichen<br />
Werk des Giovanni Boccaccio, den Genealogie Deorum,<br />
die seit 1347 entstanden sind. 8 Auch gehen die Parzen ein<br />
in die großen Dichtungen des Mittelalters wie etwa in den<br />
Rosenroman (Verse 19.763-19.831), wo die betreffenden<br />
Verse um 1290 von Jean de Meun gedichtet wurden.<br />
Meist werden in diesen Werken die Parzen als Göttinnen<br />
aus dem Gefolge von Pluto und Proserpina aufgefasst. Ein<br />
Holzschnitt, der 1484 der ersten, in Brügge gedruckten<br />
Ausgabe des Ovidius moralizatus beigegeben wurde, tradiert<br />
dies bildlich sehr eindrucksvoll (Abb. 4). 9 Ein fürchterliches<br />
Untier reißt seinen (Höllen-)Rachen auf, um für<br />
Pluto und sein Gefolge einen Thronraum zu schaffen. In<br />
der Mitte thront der Gott der Unterwelt, an den sich von<br />
rechts Proserpina, seine Gattin, schmiegt. Der dreiköpfige<br />
Cerberus dient dem Gott als Fußschemel. Rechts im<br />
Bild sind mit Schlangenhaaren die Furien zu erkennen,<br />
und links haben sich die drei Parzen zur Spinnarbeit eingefunden.<br />
Klotho zieht Wolle aus einem Standrocken und<br />
spinnt sie, Lachesis ist mit Haspel und Spindel beschäftigt,<br />
im Vordergrund sitzt Atropos am Boden. Der Faden wird<br />
von ihr durch den Mund geführt, sie ist im Begriff, ihn<br />
mit einer Schere zu durchtrennen. 10 Die Parzen werden<br />
hier als scheinbar harmlose Spinnerinnen und Wollarbeiterinnen<br />
gezeigt, wie sie der spätmittelalterlichen Lebenswirklichkeit<br />
entsprungen sein könnten. Wüsste der<br />
Betrachter nicht um ihr todbringendes Tun, und gäbe es<br />
nicht die enge Beziehung zum Herrn über das Totenreich,<br />
könnte dieses Handarbeiten für eine Genreszene gehalten<br />
werden.<br />
Diese sehr früh entwickelte Ikonographie wird sich bis in<br />
das späte 19. Jahrhundert behaupten können, jedoch unter<br />
stilistischen und zeittypischen Wandlungen. Insofern<br />
ist die reine Bildanalyse der Parzen schnell beendet, denn
Abb. 3: Umkreis David Levy Elkan:<br />
Ehrenurkunde für Dr. Johann Benedikt<br />
Daniel Nückel, 1863, Aquarell und Gouache,<br />
Kölnisches Stadtmuseum,<br />
Graphische Sammlung.<br />
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das Spinnen und Zerschneiden eines Fadens entbehrt<br />
jeglicher spektakulärer Momente. Was sich aber wandelt,<br />
sind die Kontexte, in denen die Schicksalsschwestern dargestellt<br />
werden. 11<br />
Nun ein Sprung in das 16. Jahrhundert. Hendrik Goltzius<br />
(1558-1616) ist der entwerfende Künstler und vielleicht<br />
auch der Stecher eines kreisrunden Stiches (Abb. 5), der<br />
1587 oder kurz davor entstanden ist. 12 In felsiger Landschaft<br />
haben sich die Parzen niedergelassen. Ihre Körper<br />
sind, dem Zeitgeist und -stil gemäß, muskulös gestaltet.<br />
Rechts ist Klotho dabei, den Faden zu ziehen, während<br />
Lachesis, die die Spitze der pyramidalen Komposition<br />
bildet, mit weit ausladender Geste Flachs zum Spinnen<br />
herrichtet. Hier zeigt sich ein Problem, das mit dem<br />
Vorgang des Spinnens und der Dreiheit der Göttinnen<br />
zusammenhängt. Der Vorgang des Spinnens lässt sich<br />
nur schwer auf zwei oder gar drei Agierende verteilen,<br />
insofern ist die Inventionskraft des Künstlers gefragt.<br />
So kommt Goltzius zum Motiv des Flachsteilens, das<br />
im ersten Moment wie das kraftvolle Zerreißen eines<br />
mächtigen Gespinstes wirkt. Die todbringende Atropos<br />
aber sitzt ganz eindeutig unten links. Sie ist es, die mit<br />
der geöffneten Schere nach Klothos Faden zielt, um ihn<br />
zu durchtrennen. Das Füllhorn zu Füßen der Klotho ist,<br />
wie auch andere Bilddetails, eine Übernahme aus einem<br />
wenig älteren Stich der École de Fontainebleau, der auf<br />
Pierre Milan bzw. Rosso Fiorentino zurückgeht und als<br />
Zeichen blühender Kraft gedeutet wird. 13<br />
Die Zeichnung in der Graphischen Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums<br />
& Fondation Corboud (Abb. 1) ist<br />
offenbar stark von Goltzius’ Stich abhängig. Der unbekannte<br />
Künstler, die Signatur „Spranger“ des Blattes<br />
ist nicht authentisch, zeichnete mit der Feder und<br />
lavierte die Zeichnung. Die bei Goltzius stark muskulösen<br />
Frauen haben hier an Körperkraft eingebüßt und<br />
sind zudem mit Tüchern umfangen. Auffällig ist, dass<br />
das große, velumartige Tuch, das sich hinter Lachesis<br />
bläht, die nun längst nicht mehr so energisch-aggressiv<br />
agiert, von Goltzius übernommen wurde. Es erinnert –<br />
hier wie dort – an das Velum, das auf zahlreichen Darstellungen<br />
die Fortuna, das wandelbare Glück, umgibt.<br />
Das Füllhorn aber, das Goltzius übernommen hatte,<br />
lässt dieser Zeichner fort. Die Szene ist ruhiger und arkadischer<br />
gestaltet als Goltzius’ Stich und wirkt daher<br />
genrehaft, was aber durch Atropos’ Schere schnell als<br />
Fehlinterpretation entlarvt wird. Die Zeichnung wird<br />
in den Niederlanden oder auch im Umkreis des Prager<br />
Hofes anzusiedeln und bald nach dem Goltzius-Stich<br />
entstanden sein. 14<br />
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Abb. 4: Pluto und sein Gefolge, Buchholzschnitt aus: Collard<br />
Mansion 1484.<br />
Die Geschichte der Parzendarstellungen ist aufs engste<br />
mit einem euphemistischen Todesbild verbunden. Nicht,<br />
dass die Parzen nicht auch Angst und Schrecken verbreiten<br />
könnten, wenn sie den Faden durchtrennen oder das<br />
Leben kärglich und armselig verlaufen lassen, doch das<br />
Skelett als Darstellung des Todes, wie es in der europäischen<br />
Kunstgeschichte bis zum späten 18. Jahrhundert<br />
üblich war, ist noch viel schauerlicher als spinnende, oftmals<br />
junge und hübsche Frauen.<br />
Seit dem 18. Jahrhundert kommt eine andere Darstellung<br />
der Parzen – man möchte sagen in Mode: Parzen,<br />
die ihr Tun verschlafen oder am Schneiden des Fadens<br />
gehindert werden. Diese neue Kontextualisierung kann<br />
treffend auf die Worte verkürzt werden: Parzen, Gesundheit<br />
und ein langes Leben. Ein Kunstwerk, das dieser<br />
Ikonographie zum Durchbruch verhilft, ist Johann Joachim<br />
Kaendlers (1706-1775) Parzengruppe (Abb. 6) für die rus-
sische Zarin Katharina II. (1729-1796). Die Zarin hatte 1772<br />
bei der Meißner Porzellanmanufaktur 40 allegorische<br />
und mythologische Porzellangruppen bestellt, die ihre eigene<br />
und die Größe Russlands zum Thema haben sollten.<br />
Gefertigt wurde dieses anspruchsvoll-panegyrische Ausstattungsprojekt<br />
für das Schloss Oranienbaum nahe St.<br />
Petersburg. Zwischen 1772 und 1774 kamen die Gruppen<br />
zur Ausführung, wobei die ,Parzengruppe für Katharina<br />
II.‘ als eine der letzten Gruppen von Johann Joachim Kaendler<br />
selbst modelliert wurde. Die große Bedeutung<br />
dieses Auftrages wird durch die Tatsache unterstrichen,<br />
dass die Gruppen nicht als Tafelaufsätze konzipiert waren,<br />
sie dienten vielmehr, auf Konsolen stehend, als Wandschmuck<br />
im Oranienbaumer Arbeitszimmer der Zarin. 15<br />
Auf einem steinernen Sockel haben sich die Parzen eingefunden<br />
und gehen ihren üblichen Beschäftigungen nach.<br />
Doch schon beim ersten Hinsehen wird dem Betrachter<br />
klar, dass die Szene empfindlich gestört wird, es gibt einen<br />
Eindringling, der sich brutal verhält. Mit kraftvollem<br />
Arm reißt Chronos-Saturn, der geflügelte Gott der Zeit,<br />
Atropos an den Haaren unsanft zu Boden, um ihr die unheilvolle<br />
Schere zu entwinden. Es besteht kein Zweifel:<br />
Die Zeit hindert Atropos zu schneiden und verhindert so<br />
den Tod der Monarchin. 16 Aber nicht nur die Zeit sorgt<br />
sich um das Leben der Fürstin. Auch ein Putto ist zu sehen,<br />
der nahe bei Lachesis steht und dieser<br />
neue Wolle oder neuen Flachs bringt.<br />
Das Rohmaterial des Fadens soll<br />
und darf nicht enden, das<br />
Leben Katharinas auch<br />
nicht. Das ist ein neuer<br />
Gedanke, den Kaendler<br />
hier in einer<br />
kleinformatigen<br />
Porzellangruppe,<br />
die auch heute<br />
noch in Schloss<br />
Oranienbaum<br />
aufbewahrt wird,<br />
umsetzt. 17<br />
Eine ähnliche Idee<br />
setzt der württembergische<br />
Hof bildhauer<br />
Johann Heinrich<br />
Dannecker<br />
(1758-1841), rund 20 Jahre<br />
nach Kaendler, im Jahre<br />
1791 um. Im Auftrag der Herzogin<br />
Franziska von Württemberg<br />
(1748-1811) entwirft er ‚Parzen<br />
als Uhrengehäuse‘. Das erste Modell wird von Dannecker<br />
bald nach der Vollendung verändert, und das neu<br />
geschaffene dient dann mindestens noch sechs weiteren<br />
Ausführungen als Vorlage. Alle Exemplare sind –<br />
Württemberg war arm und sparsam – in Ton ausgeführt,<br />
zu einer Ausarbeitung in Marmor, die sich<br />
Dannecker und die Fürstin gewünscht hatten, ist es nie<br />
gekommen. Im folgenden soll das ursprüngliche Modell<br />
(Abb. 7, 8) vorgestellt werden, das aus Danneckers<br />
Nachlass in die Stuttgarter Staatsgalerie gelangt ist;<br />
Herzogin Franziska hat es wohl nie besessen. 18<br />
Auf einem antikisierenden Altar hat sich Klotho zum<br />
Spinnen niedergelassen. Links neben bzw. hinter ihr<br />
steht Lachesis, die der Schwester die Hand auf die<br />
Schulter legt. Wichtiger aber ist Atropos, die auf den<br />
Stufen zum Altar, ihr Haupt auf Klothos Beine bettend,<br />
niedergesunken ist. Sie schlummert. Die Botschaft ist<br />
eindeutig: Solange Atropos schläft, kann sie mit der im<br />
Schoß liegenden Schere (Abb. 8) den Lebensfaden der<br />
Fürstin – oder einer anderen Person – nicht durchtrennen.<br />
Atropos schläft und somit ist der Tod fern, wenn<br />
nicht gar aus der Welt. Die Sockelzone des Uhrengehäuses<br />
zeigt kleine, eingeritzte Zeichnungen, die sich auf<br />
die Lebensalter des Menschen beziehen. Aber noch ein<br />
weiterer Bezug ist wichtig: In der Altarplatte<br />
ist eine kleine Aussparung zu sehen,<br />
in der die Uhrzeit angezeigt<br />
werden sollte. Der Zeiger ist<br />
in Form eines Aesculapstabes<br />
19 gebildet, die<br />
Beziehung zum langen<br />
Leben der Herzogin<br />
ist auch hier<br />
evident: Die Gesundheit<br />
bemisst<br />
das (lange) Leben<br />
der Fürstin.<br />
Das alles müssen<br />
aber letztlich<br />
Wünsche bleiben,<br />
worauf die Inschrift<br />
des Altares<br />
hinweist: „Hoc erit<br />
in votis“ (Das werde<br />
ich mir wünschen). 20<br />
Abb. 5: Hendrik Goltzius: Die drei Parzen,<br />
um 1587, Kupferstich.<br />
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Abb. 6: Johann Joachim Kaendler: Parzen für Katharina II.<br />
aus der russischen Bestellung, 1774, Neuausformung des<br />
19. Jahrhunderts, Porzellan, H. 37, ehemals Kunsthandel.<br />
KaKaendler wie Dannecker schaffen Werke, die in der<br />
langen Tradition der Panegyrik stehen, Objekte also, die<br />
zum Lobpreis des Herrschers oder der herrscherlichen Familie<br />
geschaffen werden. Solch aristokratische Gedanken<br />
und ausgefeilte Programme verbürgerlichen im späten 18.<br />
Jahrhundert. Das zuerst auf Fürsten Bezogene wird vom<br />
Bürgertum übernommen, das sich nun selbst und seinesgleichen<br />
– und nicht mehr an erster Stelle dem Landesherren<br />
– in und mit ähnlichen Bildwerken Glück und ein<br />
langes Leben wünscht.<br />
Der Glasbecher (Abb. 2) in der Sammlung des Museums<br />
für Angewandte Kunst in Köln ist ein schönes Beispiel<br />
für solche Verbürgerlichungen. Ein Becher aus klarem<br />
Glas wurde um 1830/40 mit rubinrotem Glas überfangen,<br />
aus dem der unbekannte Künstler die Darstellung<br />
herausschliff, die nun wie rot gerahmt wirkt. Die biedermeierlich<br />
gewandeten Parzen, die also in der Mode der<br />
Entstehungszeit des Bechers gekleidet sind, sitzen auf<br />
einer Wolke und spinnen. 21 Damit hat sich auch der Aufenthaltsort<br />
der Göttinnen aus Plutos Unterwelt in höhere<br />
Sphären verlagert. Die genrehafte Spinnszene wird durch<br />
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die Unterschrift erklärt: „Spin(n)et noch lange den Faden<br />
des Lebens.“ Solche Becher, und auch Porzellantassen mit<br />
ähnlichen Motiven, waren seit dem späten 18. Jahrhundert<br />
sehr beliebt. Sie wurden zu Fest- und Feiertagen<br />
verschenkt und waren gleichsam Geschenk<br />
und Glückwunschkarte in einem. Auch<br />
daran zeigt sich, wie euphemistisch das Todesbild<br />
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts geworden war,<br />
da nun Todesgöttinnen als Feiertagsgeschenke dienlich<br />
sein konnten. 22<br />
Damit steht der Kölner Glasbecher in Tradition und<br />
Nachfolge zahlloser ‚Parzentassen‘, die vor allem in<br />
den Porzellanmanufakturen zu Berlin (KPM), Meißen<br />
und Fürstenberg seit dem späten 18. Jahrhundert geschaffen<br />
wurden. 23 Auf Tasse oder Spiegel der Untertasse<br />
werden meist zwei oder drei Parzen bei ihren üblichen<br />
Verrichtungen in antikisierender Gewandung oder Empiremode<br />
gezeigt. Dass die Zahl der Parzen oft auf<br />
zwei reduziert wird und Atropos häufig fehlt, ist in<br />
der Zeit nichts Ungewöhnliches, um so die Grausamkeit,<br />
das Unabwendbare, zu mildern. 24 Auch<br />
solche Tassen waren kostbares Geschenkgut. 25<br />
Eine Tasse mit Untertasse in Privatbesitz (Abb. 9)<br />
zeigt die verschleierte Atropos, wie sie gerade Klothos<br />
Spinnarbeit durchschneiden will. Anfang und Ende des<br />
menschlichen Lebens werden so gegenübergestellt, und<br />
beim kleinen Bildfeld können die verbliebenen Parzen<br />
etwas größer und deutlicher dargestellt werden. Klotho<br />
aber wehrt ihre Schwester ab, indem sie deren Arm festhält.<br />
Auch wenn die Szene in der Art ihrer Darstellung eher<br />
betulich, denn aggressiv oder dramatisch wirkt, geht es<br />
doch um ein menschliches Leben. Die Beischrift scheint<br />
Klothos Rede an Atropos zu sein: „O! Laß mich noch lange<br />
diesen theuren Lebensfaden spinnen.“ Auf der zugehörigen<br />
Tasse ist eine Frau zu sehen, die vor einem Räuchergefäß<br />
niederkniet und betet. Die Überschrift lautet dieses<br />
Mal: „Ich bete für Dein Wohl.“<br />
Im Jahre 1863 feierte der Kölner Dr. Johann Benedikt<br />
Nückel, Arzt am Bürger-Hospital der Stadt Köln, das neben<br />
den Kirchen St. Peter und St. Caecilien gelegen war,<br />
sein 50. Doktorjubiläum. 26 Aus diesem Anlass wurde dem<br />
Mediziner eine Ehrenurkunde von den Trägern des Hospitals<br />
verehrt (Abb. 3). Der Text der Urkunde lautet: „Dem<br />
Königl. Geheimen-Sanitätsrath, Herrn Med. Doct. Nückel,<br />
seit// länger als dreißig Jahren Ober-Arzt im Bürger-Hospital<br />
in Köln// am Tage seines fünfzigjährigen Doctor-Jubiläums<br />
zum bleibenden// Andenken hochachtungsvoll<br />
gewidmet.// Köln, den 4ten Juni 1863.“ Unterzeichnet<br />
wird die Widmung mit: „Der Inspector des Hospitals//
Geh.-Regierungs-Rath// Tauweil“ sowie „Die Vorsteherin<br />
d. Kloster-Gemeinde// und Namens derselben// Dominica<br />
Barth Schw.“ Die Urkunde (Abb. 3), die sich heute<br />
im Kölnischen Stadtmuseum befindet, ist in drei Zonen,<br />
einem gotischen Flügelaltar nicht unähnlich, gegliedert. 27<br />
Wird die untere Zone von der zitierten Inschrift und dem<br />
kölnischen Wappen beherrscht, so ist die Mittelzone einer<br />
Ansicht der Wirkungsstätte des Arztes, dem Bürger-Hospital,<br />
vorbehalten. Rechts hinter dem Bau ist der Turm von St.<br />
Peter zu erkennen. Die obere Bildzone, die von einem fantastischen<br />
Maßwerk gerahmt wird, das zugleich merkwürdig<br />
orientalisierend wirkt, zeigt in der Mitte die drei Parzen.<br />
Es ist wohl Klotho, die der leicht erhöht stehenden Lachesis<br />
den Spinnrocken entgegenhält. Aus diesem zieht die Göttin<br />
den Faden, den Atropos zu durchschneiden trachtet. Aber<br />
aus der rechten Bildzone heraus, die architektonischen<br />
Trennglieder missachtend, greift Aesculap ein. Mit seinem<br />
von einer Schlange umwundenen Stab, dem Aesculapstab,<br />
Zeichen der Heilkunst, hindert er die Parze an ihrem todbrin-<br />
Abb. 7: Johann Heinrich Dannecker: Parzen als Uhrengehäuse,<br />
1791, Ton, H 42 cm, Stuttgart Staatsgalerie, Inv.-Nr. P 506.<br />
genden Tun. Wieder wird eine enge Verbindung zwischen<br />
Heilkunst, Medizin und Parzen hergestellt. Auf der linken<br />
Seite steht schließlich Valetudo (griech. Hygieia), Tochter<br />
des Aesculap und Göttin der Gesundheit.<br />
Formal scheint der Künstler bei der Darstellung der beiden<br />
heilenden Götter durch Darstellungen antiker Gewandfiguren<br />
beeinflusst worden zu sein. Offenbar ist es die<br />
Heilkunst des Arztes, die (mit göttlicher Unterstützung)<br />
verhindert, dass die Kranken im Bürger-Hospital sterben.<br />
Er hindert die Parzen, ihr Tun zu vollenden. So rettet und<br />
bewahrt Dr. Nückel mit tatkräftiger Unterstützung von Valetudo<br />
und Aesculap die Menschen vor Parzen und Tod. Ist<br />
auch der Gedanke des Blattes für den Kölner Mediziner nicht<br />
gänzlich neu, so schuf der leider unbekannte Künstler, der<br />
aus dem Umkreis des Kölner Graphikers David Levy Elkan<br />
(1808-1865) stammen könnte, dennoch liebevoll und kunstfertig<br />
ein bemerkenswertes Blatt mit einem hohen Lob auf<br />
die ärztliche Heilkunst.<br />
Abb. 8: Ausschnitt aus Abb. 7. Photo: nach Holst (Anm. 18) 44.<br />
1791, Ton, H 42 cm, Stuttgart Staatsgalerie, Inv.-Nr. P 506.<br />
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Einen ähnlichen Bildgedanken hatte in der Mitte der<br />
1770er Jahre der Berliner Graphiker und Maler Bernhard<br />
Rode (1725-1797). Er schuf eine kleine Radierung,<br />
die durch die Unterschrift „Doctor Moehsen“ gewidmet<br />
ist (Abb. 10). 28 Vor einer Höhle sitzen die drei<br />
Parzen. Sie alle sehen keineswegs furchterregend aus,<br />
selbst Atropos nicht, die mit gewissenhafter Konzentration<br />
den soeben gezogenen Faden durchtrennen<br />
möchte. Ein geflügelter Putto fällt jedoch der Göttin<br />
in den Arm, die sich einstweilen, so scheint es, nicht<br />
vom Tun des Knaben beeinflussen lässt. Dieser scheint<br />
ein Genius der Gesundheit zu sein, denn zwischen<br />
und vor seinen Füßen liegt ein – für ihn viel zu großer<br />
und schwerer – Aesculapstab. Auch bei Rode wird<br />
die irdisch-ärztliche Heilkunst mit höheren Mächten<br />
in Verbindung gebracht, die den Arzt bei seinen Therapien<br />
helfen und unterstützen. Unter „Doctor Moeh-<br />
Abb. 9: Königliche Porzellanmanufaktur Berlin, Parzentasse,<br />
um 1800, Porzellan, H. 6 cm (Tasse), Durchmesser 13 cm<br />
(Untertasse).<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
sen“ ist „zugeeignet von B. Rode“ zu lesen. Vielleicht<br />
war es der Dank des genesenen Künstlers, der dieses<br />
Blatt entstehen ließ? Dr. Johann Carl Wilhelm Moehsen<br />
(1712-1795) war schließlich nicht irgendein Arzt in<br />
Berlin, vielmehr war er der Leibarzt Friedrich II. Damit<br />
bekommt seine Fähigkeit zu Heilen eine staatstragende<br />
und staatspolitische Dimension.<br />
Die besprochenen Kunstwerke zeigen, wie sehr das<br />
Parzenmotiv in der europäischen – und vor allem<br />
deutschen – Kunst- und Kulturgeschichte verwurzelt<br />
ist, und welche Wandlungen sich in der Zeit um 1800<br />
vollziehen. Und gerade die späten Beispiele machen<br />
deutlich, was Johann Gottfried Herder (1744-1803)<br />
bereits am Ende des 18. Jahrhunderts dichtete:<br />
„Heiter sind des Schicksals Schwestern / Keine blassen<br />
Furien.“ 29<br />
the Fates, Good health and the Plea for a<br />
long life – ‘Spin(n)et noch lange den Faden<br />
des lebens’ / (May you) ‘Spin yet long the<br />
thread of life’<br />
the fates of classical antiquity – fate’s three goddesses,<br />
the Moirai (lat.: Parcae or Fata), were<br />
depicted with great frequency in post-classical<br />
art. the fates spin the threads of mortals’ lives.<br />
if a mortal is to die, then the thread obtained by<br />
Clotho and lachesis is severed by Atropos. it is a<br />
more euphemistic image of death than the skeleton<br />
that was the stock emblem until into the<br />
eighteenth century. From the middle of that century,<br />
the image of the fates was also associated<br />
with the wish that they might continue spinning<br />
their thread for as long as possible. to aid and<br />
abet them, there was Medicine, metaphorically<br />
holding Atropos back in order to stop death in its<br />
tracks. three examples, a drawing dating from<br />
about 1587, a glass goblet of the Biedermeier<br />
period and a drawn and painted deed of 1863,<br />
are placed in the context of european representations<br />
of the fates from an art-historical and culture-historical<br />
point of view.
Abb. 10: Bernhard Rode: Parzen für Dr. Moehsen,<br />
um 1775, Radierung, 17,6 x 12 cm (Platte).<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
69
70<br />
Anmerkungen<br />
1 Alter Bestand, Inv.-Nr. Z 4093. Vgl. Th. Blisniewski: „Kinder der<br />
dunkelen Nacht“ – Die Ikonographie der Parzen vom späten<br />
Mittelalter bis zum späten XVIII. Jahrhundert. Diss. Köln 1992 (Köln<br />
1992) 85. – H. Robels: Niederländische Zeichnungen vom 15. bis 19.<br />
Jahrhundert im Wallraf-Richartz-Museum Köln (Köln 1983)<br />
(=Kataloge des Wallraf-Richartz-Museums, Graphische Sammlung Bd.<br />
1), 238, Nr. 521.<br />
2 Inv.-Nr. F 953.<br />
3 Th. Blisniewski: Eine Urkunde für Dr. Nückel, in: M. Frank/F. Moll<br />
(Hrsg.): Kölner Krankenhaus-Geschichten (Köln 2006) 114 ff.<br />
4 Zur seltenen Darstellung der Moirai und Parcae in der antiken<br />
Kunst vgl.: St. De Angeli: Moirai, in: Lexicon Iconographicium<br />
Mythologiae Classicae Bd. VI, 2 Bde. (München/Zürich 1992) Bd. 1:<br />
636 ff. u. Bd. 2: 375 ff.<br />
5 Vgl. Blisniewski (Anm. 1) mit ausführlicher Bibliographie zum<br />
Parzenthema.<br />
6 Th. Blisniewski: „... und schafft mit emsigen Händen“ – Weibliche<br />
Handarbeiten in Werken von R. Schadow, C. J. Begas und J. A.<br />
Ramboux im Wallraf-Richartz-Museum - Fondation-Corboud, in:<br />
Kölner Museums-Bulletin. Berichte und Forschungen aus den Museen<br />
der Stadt Köln, Heft 3, 2001, 4 ff.<br />
7 Vgl. zum Fortleben antiker Mythologie noch immer: J. Seznec: Das<br />
Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im<br />
Humanismus und der Kunst der Renaissance (München 1990). Die<br />
erste Ausgabe erschien 1940. – E. Panofsky/F. Saxl: Classical<br />
Mythology in Mediaeval Art, in: Metropolitan Museum Studies Bd. 4<br />
(2. Teil) 1933, 228 ff. – N. Himmelmann: Antike Götter im Mittelalter<br />
(Mainz 1986) (=7. Trierer Winckelmannsprogramm). – H. Blumenberg:<br />
Arbeit am Mythos (Frankfurt am Main 1979).<br />
8 Zu den einzelnen Mythographen vgl. Blisniewski (Anm. 1) bes. 33 ff.<br />
9 Beim Ovidius moralizatus handelt es sich um eine christliche<br />
Uminterpretation der Metamorphosen des Ovid, die auf Petrus<br />
Berchorius (Pierre Bersuire) zurückgeht und in der Mitte des 14.<br />
Jahrhunderts in Avignon und Paris entstanden ist. Berchorius fügt<br />
seinem Werk eine mythologische Übersicht (Reductorium morale)<br />
bei, die die antiken Götter charakterisiert und ihre wichtigsten Taten<br />
und Aufgabengebiete benennt. P. Berchorius: Reductorium morale.<br />
Liber XV, cap. I: „De formis figurisque deorum“, naar de Parijse druk<br />
van 1509: Metamorphosis Ouidiana Moraliter a Magistro Thoma<br />
Walleys ... (Utrecht 1960) (=Werkmateriaal Bd. 1). – M. D. Henkel: De<br />
houtsneden van Mansion’s ‚Ovide Moralisé Bruges 1484’. Met en<br />
toelichtening door M. D. Henkel (Amsterdam 1922).<br />
10 Blisniewski (Anm. 1) 48 f.<br />
11 Zu diesen Wandlungen durch die Jahrhunderte vgl. Blisniewski<br />
(Anm. 1).<br />
12 Blisniewski (Anm. 1) 83 ff. – W. L. Strauss (Hrsg.): Hendrik<br />
Goltzius 1558-1617. The Complete Engravings and Woodcuts Bd. 2<br />
(New York 1977) 430 f., Nr. 251.<br />
13 Blisniewski (Anm. 1) 78 ff. – E. A. Carroll: Rosso Fiorentino:<br />
Drawings, Prints and Decorative Arts, Ausst.-Kat. National Gallery of<br />
Art Washington 1987 (Washington 1987) 336 ff.<br />
14 Vgl. Anm. 1.<br />
15 Th. Blisniewski: Parzen für die Zarin. Johann Joachim Kaendlers<br />
Parzengruppe für Katharina II. von Russland, in: Weltkunst 1994 (8),<br />
1052 f.<br />
16 Blisniewski (Anm. 15) 1052.<br />
17 Einen Vorläufer für diese Idee kann man in Peter Paul Rubens<br />
(1577–1640) Eingangsbild zum Medici-Zyklus (1622–1625) im<br />
Louvre sehen, bei dem Juno ihren Gatten Jupiter umgarnt, um die<br />
Parzen gnädig zu stimmen. Vgl. Blisniewski (Anm. 1) 130 ff. – R. F.<br />
Millen/R. E. Wolf: Heroic Deeds and Mystic Figures. A New Reading of<br />
Rubens’ Life of Maria de’ Medici (Princeton 1989).<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
18 Blisniewski (Anm. 1) 145 ff. – Ch. v. Holst (Hrsg.): Johann Heinrich<br />
Dannecker. Der Bildhauer, Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart 1987<br />
(Stuttgart 1987) 174 ff., Nrn. 39 a, b.<br />
19 Äskulap hat außerdem einstmals Hippolytos ins Leben zurückgeholt,<br />
was Lachesis aber in heftigen Zorn geraten ließ (Ovid, Fast<br />
VI.746 ff.).<br />
20 Bei dem Zitat handelt es sich um eine abgewandelte Stelle des<br />
römischen Dichters Horaz (Serm. II.6,1).<br />
21 Der Becher ist, bis auf eine Besprechung des Autors im ‚Bild der<br />
Woche‘ (12. bis 19. Februar 2001) auf der Homepage der Museen der<br />
Stadt Köln (www.museenkoeln.de) unpubliziert.<br />
22 Diese Entwicklung beginnt mit Gotthold Ephraim Lessings<br />
(1729-1781) Schrift ‚Wie die Alten den Tod gebildet. Eine Untersuchung‘<br />
(Berlin 1769). Darin versucht Lessing nachzuweisen, dass in<br />
der bildenden Kunst der Antike der Tod nicht als Skelett dargestellt<br />
worden sei. Die Parzen spielen bei Lessing in diesem Kontext keine<br />
Rolle.<br />
23 Eine Popularisierung des Parzenthemas mag auch durch das<br />
‚Grabmal des Grafen von der Mark‘ (1790) von Johann Gottfried<br />
Schadow (1764-1850) in der Dorotheenstädtischen Kirche in Berlin<br />
begünstigt worden sein, das in Nachstichen in zahlreichen<br />
Almanachen der Zeit um 1800 abgebildet wurde und in Berlin eine<br />
Besucherattraktion darstellte. Allerdings werden die Parzen bei<br />
Schadow als unheilvolle, den Lebensfaden eines Knaben zerstörende<br />
Göttinnen gezeigt. Vgl. Blisniewski (Anm. 1) 142 ff. – H. Mackowsky:<br />
Die Bildwerke Johann Gottfried Schwadows (Berlin 1951) 42 ff. mit<br />
Nachweis etlicher druckgraphischer Reproduktionen aus der<br />
Entstehungszeit.<br />
24 Vgl. etwa Friedrich Schillers (1759–1805) Jugendgedicht ‚An die<br />
Parzen‘ von 1782, in dem Schiller auch Atropos übergeht. F. Schiller:<br />
An die Parzen, in: Schillers sämtliche Werke, hrsg. von E. von der<br />
Hellen/R. Weißenfels, Bd. 2 (Stuttgart/ Berlin 1904) 33 f. (=Säkular-<br />
Ausgabe).<br />
25 Vgl. M. Meinz: Die Parzen – Schicksalsgöttinnen und gute<br />
Wünsche, in: H. Wiewelhove (Hrsg.): Biedermeier-Tassen. Widmungen<br />
auf Porzellan. Die Sammlung Homann (Stuttgart 2005) 127.<br />
Leider ist der kurze Aufsatz über Parzentassen nicht sehr instruktiv.<br />
Dazu noch immer: G. Lenz: Die empfindsame Tasse in der Berliner<br />
Königlichen Porzellanmanufaktur, in: Kunst- und Kunsthandwerk 20,<br />
1917, 247. – H. Westhoff-Krummacher (Hrsg.): Berliner Porzellan aus<br />
Privatbesitz (Münster 1991) 68 f. (= Bildhefte des Westfälischen<br />
Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte 31).<br />
26 Vgl. zum Bürger-Hospital die Festschrift zum 100. Gründungsfest:<br />
M. Frank/F. Moll (Hrsg.): Kölner Krankenhaus-Geschichten (Köln<br />
2006).<br />
27 Vgl. Blisniewski (Anm. 3) 114.<br />
28 Blisniewski (Anm. 3) 115 f. – R. Jacobs: Das graphische Werk<br />
Bernhard Rodes (1725-1797). Diss. Kiel 1989 (Münster/Hamburg<br />
1990) 328 ff., Nr. 208. – Die Verbindung von Aesculap, den Parzen<br />
und Kranken findet sich z.B. auch in einem Giebelfeld am Hôtel Dieu<br />
in Paris (erbaut 1800-1804). Vgl. Blisniewski (Anm. 1) 223.<br />
29 B. Suphan (Hrsg.): Herders sämmtliche (sic !) Werke, Bd. 29<br />
(Berlin 1889) 122.<br />
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Dr. Thomas Blisniewski<br />
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72<br />
Angelika Kauffmann:<br />
Bildnis thomas reade<br />
von Thesy Teplitzky<br />
das Wallraf-richartz-Museum & Fondation<br />
Corboud konnte 2007 als Geschenk seines<br />
Fördervereins ein Bildnis von angelika Kauffmann<br />
erwerben, der berühmtesten Malerin<br />
des 18. Jahrhunderts. das um 1775 datierte<br />
halbfigurenportrait zeigt den jungen englischen<br />
aristokraten thomas reade in einem<br />
sogenannten van dyck-Kostüm, das in england<br />
im 18. Jahrhundert für Maskeraden und<br />
Portraits sehr beliebt war. es stand in der<br />
tradition Karls i., dessen hof von der englischen<br />
Gesellschaft des 18. Jahrhunderts als<br />
Vorbild für eleganz und kultivierte lebensart<br />
angesehen wurde, und seines hofmalers<br />
anthonis van dyck, der in seinen Bildnissen<br />
die eleganz der Mode überliefert hatte.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Zur Schenkung der Freunde des Wallraf-richartz-<br />
Museums und des Museums ludwig e.V.<br />
Als sich das heutige Wallraf-Richartz-Museum noch im<br />
Bau befand, entschloss man sich, im Interesse besserer<br />
Lichtverhältnisse auf die ursprünglich vorgesehenen Fensterschlitze<br />
zu verzichten und an ihrer Stelle zur Gliederung<br />
der Außenfassade Schieferplatten mit den Namen<br />
der berühmten im Museum vertretenen Maler einzusetzen.<br />
Der Wunsch, darunter auch die Namen von Malerinnen<br />
aufzuführen, ließ sich allerdings nur begrenzt realisieren:<br />
Außer der französischen Impressionistin Berthe<br />
Morisot (1841-1895) stand nur noch die wenig bekannte<br />
österreichisch-britische Präraffaelitin Marianne Stokes<br />
(1855-1927) zur Verfügung. Inzwischen könnte auch Angelika<br />
Kauffmann genannt werden, die berühmteste Malerin<br />
des 18. Jahrhunderts. Als Geschenk der Freunde des Wallraf-Richartz-Museums<br />
und des Museums Ludwig e.V. und der<br />
privaten Spender Christel Müller-Bertgen und Johannes<br />
Müller erwarb das Museum 2007 ihr Portrait des jungen<br />
englischen Aristokraten Thomas Reade (Abb. 1), das eine<br />
erfreuliche Ergänzung der Bestände des 18. Jahrhunderts<br />
darstellt.<br />
Der junge Mann, der den Blick mit ernstem Ausdruck auf<br />
den Betrachter gerichtet hat, ist in Halbfigur dargestellt.<br />
Für das relativ kleine Format hat die Malerin ein ausgewogenes<br />
Kolorit mit wenigen, sorgfältig aufeinander<br />
abgestimmten Farbtönen gewählt. Das Kastanienbraun<br />
der schulterlangen Locken, die auf den weißen Spitzenkragen<br />
fallen, wird in den Schattenpartien des rötlichen<br />
Gewandes wieder aufgenommen und harmoniert mit<br />
dem changierenden Mittelbraun des Hintergrunds. Der<br />
matte Goldton von Korb und Parierstange des Degens, den<br />
der Jüngling mit lockerem Griff in der Rechten hält und der
Abb. 1: Angelika Kauffmann: Bildnis Thomas Reade, um 1775,<br />
Öl auf Leinwand, 76,2 x 62,7 cm, Wallraf-Richartz-Museum &<br />
Fondation Corboud, Köln.<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
73
74<br />
seinen vornehmen Stand<br />
bezeichnet, fügt sich ebenfalls<br />
harmonisch ein. Hell<br />
und glatt leuchtet das mit<br />
Präzision ausgearbeitete<br />
Gesicht des wohl 13 bis<br />
15 Jahre jungen Mannes<br />
hervor. Trotz der Jugend<br />
lässt das Gesicht schon<br />
bestimmte Wesenszüge<br />
erkennen: Selbstsicherheit,<br />
Standesbewusstsein, vielleicht<br />
sogar eine Spur von<br />
Arroganz; der junge Mann<br />
kennt seine Position, deren<br />
Bedeutung ihm natürlich<br />
durch sein Umfeld<br />
ständig bewusst wird. Im<br />
Gegensatz zur sorgfältigen<br />
Ausarbeitung des Gesichts<br />
ist das Gewand fast flüchtig<br />
gemalt, wodurch die stofflichen Qualitäten aber besonders<br />
intensiv zur Geltung kommen: Die glänzende rötliche Seide<br />
und die kostbaren Spitzen erscheinen greifbar. Thomas<br />
Reade ist nicht im Stil der Zeit um 1775, also in der Mode des<br />
ausgehenden Rokoko, gekleidet, sondern trägt ein Kostüm,<br />
das der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstammt.<br />
Auf die Gründe hierfür wird später einzugehen sein.<br />
Die wichtigsten Lebensdaten von Thomas Reade sind<br />
bekannt. Er war der Sohn des 5. Baronet John Reade und<br />
lebte von 1762-1837. Sein wenige Minuten vor ihm geborener<br />
Zwillingsbruder John erbte Familientitel und Besitzungen.<br />
Thomas Reade heiratete Catherine Hill, aus der<br />
Ehe gingen vier Kinder hervor; der älteste Sohn, John Edmund<br />
Reade, wurde als Dichter bekannt. Die Familie lebte<br />
in Barton Manor in Berkshire in Südengland. 1<br />
Ausgehend vom ungefähren Alter des Portraitierten<br />
wird das Bildnis um 1775 datiert. Die Malerin Angelika<br />
Kauffmann befand sich zu dieser Zeit auf der Höhe ihres<br />
Ruhmes und ließ sich ihre Arbeiten entsprechend honorieren.<br />
Für ein Halbfigurenportrait mit Hand, dem Bildnis<br />
des Thomas Reade entsprechend, nahm sie 40 Guineas,<br />
eine stattliche Summe, die den Preisen ihrer beiden berühmtesten<br />
Portraitisten-Kollegen in England entsprach,<br />
Joshua Reynolds (1723-1792) und Thomas Gainsborough<br />
(1727-1788). 2 Allein dieses Preisniveau zeigt die Bedeutung,<br />
die Angelika Kauffmann zu Lebzeiten hatte, zweifellos<br />
ganz ungewöhnlich für eine Malerin im 18. Jahrhundert.<br />
Welche Herkunft und welcher Werdegang ermöglichten<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
diese zu ihrer Zeit einzigartige<br />
Karriere?<br />
Angelika Kauffmann<br />
wurde 1741 als Tochter<br />
eines Wandermalers<br />
aus Vorarlberg in Chur<br />
in der Schweiz geboren.<br />
Der Vater Joseph Johann<br />
Kauffmann stammte aus<br />
Schwarzenberg im Bregenzer<br />
Wald. Dem Heimatort<br />
ihres Vaters war Angelika<br />
Kauffmann lebenslang<br />
verbunden und ließ auch<br />
ihren Verwandten dort<br />
finanzielle Unterstützung<br />
zukommen. Zwei ihrer<br />
Selbstbildnisse zeigen sie<br />
in Bregenzerwälder Tracht:<br />
Als junges Mädchen portraitierte<br />
sie sich als Malerin mit Pinsel, Palette und Malstock<br />
in dieser Kleidung, 3 später entstand ein Brustbildnis<br />
in der Tracht (Abb. 2), das der Malerin offensichtlich viel<br />
bedeutete, denn es hing bis zu ihrem Lebensende in ihrem<br />
Haus in Rom. 4 Da Frauen zu ihrer Zeit noch keinen Zugang<br />
zu Akademien erhielten, übernahm der Vater selbst die<br />
Ausbildung seiner hochbegabten Tochter. Ihm assistierte<br />
Angelika, die das einzige Kind blieb, bereits als Sechsjährige.<br />
Als Angelika 17 Jahre alt war, starb ihre Mutter, was<br />
Vater und Tochter noch enger aneinander band. 1762<br />
gingen sie zusammen nach Italien; sie erhielten Zugang<br />
zu vielen der berühmten Privatgalerien, und Angelika kopierte<br />
die großen Maler der Renaissance zu Studienzwecken.<br />
Von 1764 bis 1766 lebten Vater und Tochter in Rom;<br />
die polyglotte, gebildete, attraktive und liebenswürdige<br />
Malerin wurde bald zu einem Mittelpunkt der dortigen<br />
Ausländer-Kolonie. Sie schloss Freundschaft mit Johann<br />
Joachim Winckelmann (1717-1768), der sie in die Welt der<br />
Antike einführte und den sie in einem frühen Meisterwerk<br />
von hoher Sensibilität portraitierte.<br />
Abb. 2: Angelika Kauffmann: Selbstbildnis in<br />
Bregenzerwälder Tracht, 1781, Öl auf Leinwand, 61,4 x 49,2 cm,<br />
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck.<br />
Zu Angelika Kauffmanns Freunden in Rom zählten der<br />
amerikanische Maler Benjamin West (1738-1820), der<br />
sich 1763 in London niederließ, und die Engländerin Lady<br />
Wentworth, auf deren Initiative die Malerin 1766 nach<br />
London übersiedelte. Lady Wentworth und Benjamin<br />
West führten sie in die Londoner Gesellschaft und in die<br />
maßgeblichen Künstlerkreise ein; sie wurde bald mit Aufträgen<br />
überhäuft und verdiente schnell ein Vermögen. Zu<br />
ihrem Erfolg trug sicherlich die Anpassung an den eng-
lischen Geschmack bei, die unter dem Einfluss der Bilder<br />
von Reynolds und Gainsborough erfolgte. Der fast 20 Jahre<br />
ältere Malerfürst Reynolds wurde zu ihrem Freund und förderte<br />
ihren Aufstieg. Ein kurze Ehe, die Angelika 1767 einging,<br />
endete unglücklich; ein Betrüger hatte es nur auf das<br />
Vermögen der Malerin abgesehen. Angelika Kauffmanns<br />
berufliche Karriere führte jedoch weiter steil aufwärts. Im<br />
Jahr 1768 gehörte sie zu den 40 Gründungsmitgliedern<br />
der Royal Academy, die außer ihr nur eine zweite Frau aufnahm,<br />
die auf Still-Leben spezialisierte Malerin Mary Moser<br />
(1744-1819). Still-Leben und Portraits waren bis weit in<br />
das 19. Jahrhundert hinein die einzigen Bildgattungen, die<br />
für Frauen als angemessen galten. Angelika Kauffmann<br />
hat sich allerdings nicht auf sie beschränkt, sondern ihr<br />
Talent auch mit der in der Rangfolge der Bildgattungen an<br />
erster Stelle stehenden Historienmalerei unter Beweis gestellt,<br />
die den Malern ein beachtliches Maß an Bildung und<br />
Wissen abverlangten. Um 1780 portraitierte sich Angelika<br />
Kauffmann mit Minerva-Büste (Abb. 3), womit sie sich als<br />
pictor doctus, als umfassend gebildete Malerin auswies.<br />
Angelikas Vater war seiner Tochter bald nach England gefolgt.<br />
Auf seinen Wunsch heiratete sie 1781, im Alter von<br />
40 Jahren, den 15 Jahre älteren venezianischen Maler Antonio<br />
Zucchi (1726-1795);<br />
wenige Monate danach<br />
starb der Vater. Antonio<br />
Zucchi übernahm an seiner<br />
Stelle die Rolle des<br />
Betreuers, er grundierte<br />
Leinwände für seine Frau,<br />
beschaffte Rahmen und<br />
andere Utensilien für ihre<br />
Arbeit und trieb das Geld<br />
ein. 1782 zog das Ehepaar<br />
nach Rom und erwarb ein<br />
Haus in der Via Sistina, das<br />
zuvor im Besitz des deutschen,<br />
damals in ganz Europa<br />
hoch geschätzten Malers<br />
Anton Raphael Mengs<br />
(1728-1779) gewesen war.<br />
Mengs’ Werke hatten entscheidenden<br />
Einfluss auf<br />
Angelika Kauffmann.<br />
Das Ehepaar führte ein<br />
glänzendes großbürgerliches<br />
Leben; in ihrem<br />
Sa l on empfing Angelika<br />
Kauffmann Aristokraten,<br />
Kardinäle, Künstler und<br />
Abb. 3: Angelika Kauffmann: Selbstbildnis mit der Büste<br />
der Minerva, 1780/81, Öl auf Leinwand, 93 x 76,5 cm,<br />
Bündner Kunstmuseum, Chur.<br />
Gelehrte vieler Nationen. Johann Gottfried Herder (1744-<br />
1803) nannte sie „die vielleicht kultivierteste Frau in Europa“.<br />
5 Mit Goethe verband Angelika Kauffmann während<br />
seiner beiden Aufenthalte in Rom in den Jahren 1786 bis<br />
1788 eine enge Freundschaft; der Dichter war regelmäßiger<br />
Gast in ihrem Haus in der Via Sistina. Über einen dieser<br />
Besuche schreibt er am 15. Februar 1787: „Vor meiner<br />
Abreise nach Neapel konnte ich einer nochmaligen Vorlesung<br />
meiner ,Iphigenia‘ nicht entgehen. Madam Angelika<br />
und Hofrat Reiffenstein waren die Zuhörer, und selbst Herr<br />
Zucchi hatte darauf gedrungen, weil es der Wunsch seiner<br />
Gattin war; er arbeitete indes an einer großen architektonischen<br />
Zeichnung, die er in Dekorationsart vortrefflich zu<br />
machen versteht. […] Die zarte Seele Angelika nahm das<br />
Stück mit unglaublicher Innigkeit auf; sie versprach mir,<br />
eine Zeichnung daraus aufzustellen, die ich zum Andenken<br />
besitzen sollte.“ 6 Angelika malte nicht nur eine Szene<br />
der Iphigenia, 7 sondern auch Goethes Portrait, mit dem er<br />
allerdings nicht zufrieden war. Sie portraitierte ihn zur selben<br />
Zeit wie sein Freund Johann Heinrich Wilhelm Tischbein<br />
(1751-1829), und Goethe schrieb darüber am 27. Juni<br />
1787: „Tischbein ist sehr brav […]. Mein Portrait wird glücklich,<br />
es gleicht sehr, und der Gedanke gefällt jedermann;<br />
Angelika malt mich auch, daraus wird aber nichts. Es<br />
verdrießt sie sehr, dass es<br />
nicht gleichen und werden<br />
will. Es ist immer ein hübscher<br />
Bursche, aber keine<br />
Spur von mir.“ 8 Tatsächlich<br />
gilt für Angelikas Goethe-<br />
Bildnis (Abb. 4) jedoch<br />
das gleiche wie für alle<br />
ihre Portraits: Es ist nicht<br />
nur mit perfektem technischen<br />
Können, sondern<br />
auch mit dem ihr eigenen<br />
psychologischen Einfühlungsvermögen<br />
gemalt;<br />
es zeigt ein durchgeistigtes,<br />
sensibles Gesicht,<br />
das der Portraitierenden<br />
mit freundlicher Aufmerksamkeit<br />
zugewandt ist.<br />
Über den Grad der Ähnlichkeit<br />
zu urteilen, ist der<br />
Nachwelt allerdings kaum<br />
möglich. Herder sah das<br />
Portrait 1789 im Atelier<br />
der Malerin und schrieb<br />
darüber: „Goethes Bild<br />
hat sie sehr zart ergriffen,<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
75
76<br />
zarter als er ist, daher die<br />
ganze Welt über Unähnlichkeit<br />
schreiet; die doch<br />
aber wirklich im Bilde existiert.<br />
Die zarte Seele hat<br />
ihn sich so gedacht, wie sie<br />
ihn gemalt.“ 9 Herder hat<br />
wohl richtig erkannt, dass<br />
die Gefühle der Malerin für<br />
den attraktiven, jüngeren<br />
Dichter, mit dem sie Geistesverwandtschaft<br />
und<br />
allem Anschein nach auch<br />
große Zuneigung verbanden,<br />
in das Bildnis eingeflossen<br />
sind, und es mag<br />
sein, dass die von ihrem<br />
Empfinden bestimmte<br />
Sicht mit der Realität nicht<br />
ganz übereinstimmte. Das<br />
schöne, unprätentiöse<br />
Brustbildnis genügte Goethe<br />
jedenfalls nicht. Er bevorzugte die große Inszenierung<br />
als Dichterfürst in theatralischer Pose und Gewandung,<br />
im antikisierenden Umfeld und vor dem Relief mit einer<br />
Iphigenie-Darstellung als Hinweis auf seine in Italien gerade<br />
entstehende Iphigenie, die Tischbein mit dem berühmten<br />
Gemälde ,Goethe in der römischen Campagna‘<br />
ins Bild gebracht hatte. 10 Abgesehen von der Unzufriedenheit<br />
mit seinem Bildnis war Goethe jedoch einer der großen<br />
Bewunderer der Malerin: „Sie hat ein unglaubliches und<br />
als Weib wirklich ungeheures Talent.“ 11 Zu den Auftraggebern<br />
der Malerin gehörten nun auch die Angehörigen<br />
europäischer Herrscherhäuser wie Kaiser Joseph II., Zar<br />
Paul I., Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und<br />
das Königspaar von Neapel und Sizilien. Angelika Kauffmann<br />
blieb bis zu ihrem Lebensende in Rom. Nach ihrem<br />
Tod im Jahr 1807 wurde sie mit großen Ehren in der Kirche<br />
San Andrea delle Fratte beigesetzt; wie bei Raffael trugen<br />
Malerkollegen der Accademia di San Luca den Sarg.<br />
Den jungen Thomas Reade hat Angelika Kauffmann in<br />
einem historischen Kostüm aus dem 17. Jahrhundert portraitiert,<br />
wie es von etwa 1620 bis 1650 in Mode war. Charakteristisch<br />
für die Kleidung dieser Zeit sind die vertikal<br />
gesetzten Schlitze im Obergewand. Unter den Schlitzen<br />
der roten Seidenjacke von Thomas Reade ist das weiße<br />
Hemd zu sehen; Kragen und Manschetten sind reich mit<br />
Spitzen verziert. Der große flach aufliegende Spitzenkragen,<br />
meist Schweden-Kragen genannt, war in der ersten<br />
Hälfte des 17. Jahrhunderts sehr beliebt. Er verdankt sei-<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 4: Angelika Kauffmann: Johann Wolfgang von Goethe,<br />
1787/88, Öl auf Leinwand, 64 x 52 cm,<br />
Goethe-Nationalmuseum, Weimar.<br />
nen Namen König Gustav II.<br />
Adolf von Schweden (1611-<br />
1632), der besonders kostbare<br />
Exemplare dieser Art<br />
zu tragen pflegte. 12 Ebenfalls<br />
charakteristisch für<br />
die Mode der Zeit ist das<br />
wulstartige Achselstück,<br />
das Piccadilly oder Piccadilly-Abschluss<br />
genannt wird,<br />
nach einem Schneider, zu<br />
dessen Spezialitäten diese<br />
Achselstücke gehörten.<br />
Nach ihm sind übrigens<br />
auch die Geschäftsstraße<br />
Piccadilly und der Platz<br />
Piccadilly Circus in London<br />
benannt. 13<br />
Geschlitzte Kleiderpartien<br />
kamen in der Renaissance<br />
in Mode; um 1480<br />
tauchten sie erstmals auf. Im 16. Jahrhundert wurden<br />
hauptsächlich die Ärmel mit Schlitzen versehen, vor allem<br />
die Ärmelpuffen von Damen- und Herrenkleidung. Auch<br />
die kurzen Pluderhosen und die Kniehosen der Herren waren<br />
mit unterlegten Schlitzen verziert. Besonders beliebt<br />
waren die Schlitztrachten bei den deutschen Landsknechten<br />
des 16. Jahrhunderts; da der aufgeschnittene Oberstoff<br />
mit andersfarbigem Stoff unterlegt werden konnte,<br />
ließen sich mit den Schlitztrachten Farbeffekte erzielen. 14<br />
Auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts blieb die<br />
Schlitzmode aktuell, sowohl in der militärischen Kleidung<br />
des Dreißigjährigen Krieges als auch in der Zivilkleidung.<br />
Um 1650, nach dem Ende des Krieges, endete auch die<br />
Mode der Schlitztrachten.<br />
Ein anschauliches Beispiel für die Schlitzmode in einer<br />
späten Form besitzt das Wallraf-Richartz-Museum mit<br />
dem Bildnis des berühmten Kölner Kunstsammlers Everhard<br />
IV. Jabach (1618-1695), das um 1650 datiert und dem<br />
niederländischen Maler Peter Lely (1618-1680) zugeschrieben<br />
wird (Abb. 5). Everhard IV. Jabach, einer Kölner Kaufmannsdynastie<br />
entstammend, ging in jungen Jahren<br />
nach Paris, avancierte zum erfolgreichen Bankier und<br />
Handelsherren und spielte als Kunstsammler und Mäzen<br />
eine bedeutende Rolle. Seine zahlreichen Portraits gab er<br />
nur bei den berühmtesten Malern der Zeit in Auftrag; so<br />
portraitierten ihn Anthonis van Dyck (1599-1641), Hofmaler<br />
Karls I. von England, und Hyacinthe Rigaud (1659-1743),<br />
Hofmaler Ludwigs XIV. von Frankreich. Peter Lely war
Hofmaler Karls II. von England und zu seiner Zeit der renommierteste<br />
Portraitmaler Englands. Everhard Jabach<br />
sitzt frontal zum Betrachter im Sessel vor einer Mauer mit<br />
dem Ausblick auf eine Flusslandschaft links im Bild. Das<br />
von schulterlangen Locken umrahmte Gesicht ist im Dreiviertelprofil<br />
zu sehen. Jabach trägt ein weißes Hemd mit<br />
glattem Kragen und Rüschenmanschetten und darüber<br />
das geschlitzte schwarze Gewand. Im Unterschied zum<br />
Gewand von Thomas Reade sind hier nicht Schlitze in den<br />
Stoff geschnitten, vielmehr bestehen Ärmel und Oberteil<br />
des Gewandes aus schmalen Bändern, die am Mieder, an<br />
den Schulterpartien und an den Manschetten befestigt<br />
sind. Die Schlitzmode erscheint im Gewand von Everhard<br />
Jabach in einer besonders extravaganten Form. 15<br />
Warum wählte Angelika Kauffmann ein historisches Gewand<br />
aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts? Die Darstellung<br />
in einem sogenannten van Dyck-Kostüm war gerade<br />
bei englischen Portraits bis ins späte 18. Jahrhundert<br />
sehr beliebt. Sie steht in der Tradition der Portraitmalerei<br />
Anthonis van Dycks am Hof Karls I. von England. 16 Van<br />
Dyck, 1632 von Karl I. an den englischen Hof berufen und<br />
zum Hofmaler ernannt, war der bedeutendste Portraitmaler<br />
seiner Zeit. Er wurde 1599 in Antwerpen geboren;<br />
seine Begabung zeigte sich<br />
bereits in seinen Lehrjahren<br />
bei Hendrik van Balen<br />
(um 1775-1632) und Rubens<br />
(1577-1640). Im Alter von<br />
19 Jahren wurde er als Meister<br />
in die Antwerpener<br />
Lukasgilde aufgenommen.<br />
Nach mehreren Jahren in<br />
Italien in den 1620er Jahren,<br />
wo er zahlreiche Aufträge<br />
des Adels erhielt, wurde<br />
er 1630 Hofmaler der<br />
Statthalterin Erzherzogin<br />
Isabella am Brüsseler Hof.<br />
Nach seiner Berufung nach<br />
England 1632 erhob ihn<br />
Karl I. noch im selben Jahr<br />
in den Adelsstand.<br />
In den 1630er Jahren entstanden<br />
zahlreiche Portraits<br />
Karls I. (Abb. 6) 17<br />
und Angehöriger des englischen<br />
Hochadels. Van<br />
Dyck verstand es, seine<br />
Auftraggeber als Standes-<br />
Abb. 5: Peter Lely, zugeschrieben: Everhard Jabach, um 1650,<br />
Öl auf Leinwand, 124 x 105 cm, Wallraf-Richartz-Museum &<br />
Fondation Corboud, Köln (WRM 1041).<br />
personen mit ihren Wünschen nach Würde und Eleganz<br />
zu erfassen. Er entwickelte einen neuen Portraitstil, geprägt<br />
von Mode und Stoffen; in dekorativer Kleidung, die<br />
er virtuos zu malen verstand, wurden die Portraitierten<br />
effektvoll und repräsentativ in Szene gesetzt. Da Karl I.<br />
außerordentlich an modischer Eleganz interessiert war,<br />
liegt die Vermutung nahe, dass diese Vorliebe seines Königs<br />
den Maler veranlasste und inspirierte, kostbare Stoffe<br />
und modische Kleidung für wirkungsvolle Portrait-Inszenierungen<br />
einzusetzen.<br />
Van Dycks überaus erfolgreicher Karriere am englischen<br />
Hof war keine lange Dauer beschieden; 1641 erkrankte der<br />
Maler und starb Ende des Jahres im Alter von nur 42 Jahren.<br />
Wenig später brach der englische Bürgerkrieg aus, und<br />
damit endete auch das glanzvolle Leben am Hof Karls I.<br />
Das Jahrzehnt zwischen 1630 und 1640 blieb aber unauslöschlich<br />
mit dem Namen van Dyck verbunden, und sein<br />
Portraitstil aus dieser Zeit beeinflusste die Portraitmalerei<br />
an den europäischen Höfen bis zum Ende des Jahrhunderts.<br />
Viele Maler übernahmen van Dycks Kompositionskonzepte,<br />
das von der venezianischen Malerei beeinflusste<br />
Kolorit und den Stil der Kleidung. In England blieb die<br />
höfische Portraitmalerei noch stärker unter dem Einfluss<br />
van Dycks als im übrigen<br />
Europa. Sein direkter<br />
Nachfolger als führender<br />
Hofmaler Karls II. war Peter<br />
Lely, der dem Stil van<br />
Dycks treu blieb, wie das<br />
vorgestellte Portrait Everhard<br />
Jabachs belegt. Es<br />
war bezeichnenderweise<br />
bis zum Ende des 19. Jahrhunderts<br />
van Dyck zugeschrieben.<br />
18<br />
Im Lauf des 18. Jahrhunderts<br />
kam Kleidung im<br />
Stile van Dycks in den<br />
Gesellschaftsportraits<br />
allmählich aus der Mode.<br />
Sie findet sich noch bei<br />
Portraitmalern wie Godfrey<br />
Kneller (1646-1723),<br />
der den Stil Lelys in England<br />
fortführte, oder bei<br />
Nicolas de Largillière<br />
(1656-1746) und François<br />
de Troy (1645-1730) in<br />
Frankreich, wird jedoch<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
77
zunehmend durch aktuelle Moden oder durch Phantasiekostüme<br />
ersetzt. Im 18. Jahrhundert waren historische<br />
Kostüme ebenso wie Phantasiekostüme vor allem für<br />
Maskeraden sehr beliebt; so gab es Shakespeare-Kleidung,<br />
türkische Gewänder und Hirtenkostüme aus der<br />
imaginierten Zeit einer arkadischen Idylle, wie sie für<br />
die Schäferspiele am Hof Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes<br />
von Frankreich getragen wurden. In solchen<br />
Kostümen ließ man sich auch portraitieren. In England<br />
blieb man dem van Dyck-Stil jedoch länger verbunden; in<br />
der Zeit von etwa 1730 bis 1790 war ein Vandyke dress genanntes<br />
Kostüm besonders populär, wobei das anglisierte<br />
Vandyke nun als Bezeichnung für einen bestimmten<br />
Kostümtypus, der sich an der Mode der Zeit van Dycks<br />
orientierte, verwendet wurde. Vandyke-Kleidung wurde<br />
von Damen und Herren getragen; man ging damit zu Kostümfesten<br />
und wählte diese Ausstattung auch gerne für<br />
Portraits. Häufig passte man die Haartracht ebenfalls der<br />
des 17. Jahrhunderts an. 19 Daher ist anzunehmen, dass<br />
die schulterlangen Locken von Thomas Reade passend<br />
zur van Dyck-Kleidung frisiert worden sind. Lange gelockte<br />
Haare, die zu kräuseln und zu pflegen viel Aufwand<br />
erforderte, galten zudem als Privileg der Oberschicht<br />
und waren damit auch ein Standeszeichen. 20<br />
Die besondere Vorliebe für Kostüme im Stil van Dycks in<br />
Portraits des englischen Adels im 18. Jahrhundert ist aus<br />
einer möglicherweise auch leicht verklärenden Rückschau<br />
auf die Zeit Karls I. und seines berühmten Hofmalers<br />
zu verstehen. Der Hof Karls I., der zu seiner Zeit<br />
zu den führenden kulturellen Zentren Europas gehörte,<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
78 WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
Abb. 6: Anthonis van Dyck: König Karl I. von England und<br />
Königin Henrietta Maria, 1632, Öl auf Leinwand, 113,5 x 163 cm,<br />
Schloss Kromeriz (Kremsier), Tschechische Republik.<br />
repräsentierte in der Vorstellung der englischen Gesellschaft<br />
des 18. Jahrhunderts den Höhepunkt von Eleganz<br />
und kultivierter Lebensart, wobei die Bildnisse van Dycks<br />
die Eleganz der Mode überliefert hatten. Bei einigen Auftraggebern<br />
des Hochadels konnte hinzukommen, dass<br />
ihre Vorfahren einst von van Dyck portraitiert worden<br />
waren, und sie in Anspielung darauf in der Kleidung seiner<br />
Zeit erscheinen wollten. 21<br />
Ein anschauliches Beispiel für van Dyck-Mode im 18. Jahrhundert<br />
gibt auch das vermutlich populärste englische<br />
Bildnis der Zeit: ,The Blue Boy – Jonathan Buttall‘ von<br />
Thomas Gainsborough (Abb. 7). Es entstand um 1770,<br />
also fast zeitgleich mit Angelika Kauffmanns Bildnis von<br />
Thomas Reade. Auch der junge Jonathan Buttall wurde im<br />
van Dyck-Kostüm portraitiert, und wesentliche Details<br />
seiner Kleidung stimmen mit Details der Kleidung von<br />
Thomas Reade überein: Der blaue Anzug ist aus schwerer<br />
glänzender Seide, die Jacke hat Piccadilly-Achselstücke,<br />
und ihre Ärmel weisen die charakteristischen Schlitze<br />
auf, die das weiße Hemd sehen lassen. Spitzenkragen<br />
und Spitzenmanschetten sind bei den Kostümen sehr<br />
ähnlich. Jonathan Buttall wurde allerdings in Ganzfigur<br />
vor dekorativem Landschaftshintergrund portraitiert;<br />
sein Vater hat in das Bildnis offensichtlich etwas mehr investiert<br />
als der 5. Baronet John Reade in das Bildnis seines<br />
Sohnes Thomas. Der Vergleich lässt auch erkennen, dass<br />
Angelika Kauffmann in ihrem malerischen Können Thomas<br />
Gainsborough nicht nachsteht – ein weiterer Beweis<br />
dafür, dass das Museum mit der Neuerwerbung einen<br />
glücklichen Griff getan hat.
Abb. 7: Thomas Gainsborough: The Blue Boy –<br />
Jonathan Buttall, um 1770, Öl auf Leinwand, 178 x 122 cm,<br />
Henry E. Huntington Art Gallery, San Marino, USA.<br />
angelika Kauffmann:<br />
Portrait of thomas reade<br />
in 2007, the Wallraf-richartz-Museum & Fondation<br />
Corboud had the good fortune to acquire<br />
a portrait by Angelika Kauffmann. Dating from<br />
about 1775, the half-length portrait shows the<br />
young english aristocrat, thomas reade, in a<br />
historical costume harking back to the first half<br />
of the seventeenth century and known as a van<br />
Dyck costume. this was highly popular in eighteenth-century<br />
england both for masquerades<br />
and for portaits. it harked back to a tradition begun<br />
by Charles i and his renowned court painter,<br />
Anthony van Dyck, who, working at the english<br />
court in the 1630s, had evolved a new style of<br />
portraiture. english society in the eighteenth<br />
century pictured Charles i’s court as the ultimate<br />
in elegance and sophistication.<br />
Anmerkungen<br />
1 Vgl. Bildakte.<br />
2 Vgl. G. Czymmek: Angelika – Das kauf(f)männische Talent, in:<br />
150 Jahre Freunde. Kunst erleben – Kunst fördern. Festschrift zur<br />
150-Jahrfeier der Freunde des Wallraf-Richartz-Museums und des<br />
Museums Ludwig e.V. (Köln 2007) 45f.<br />
3 Selbstbildnis in der Tracht der Bregenzerwälderin mit Pinsel und<br />
Palette, um 1757-1759, Öl auf Leinwand, 46 x 33 cm, Uffizien, Florenz.<br />
4 Vgl. B. Baumgärtel (Hrsg.): Angelika Kauffmann 1741-1807.<br />
Retrospektive, Ausst.-Kat. Düsseldorf/München/Chur 1998/1999<br />
(Düsseldorf 1998) 232.<br />
5 Brief Herders an seine Frau Karoline vom 28. März 1789. Vgl.<br />
Baumgärtel (Anm. 4) 323.<br />
6 Goethe, Italienische Reise. Hrsg. und kommentiert von H. v.<br />
Einem (München 1981) 169.<br />
7 Goethe schreibt dazu: „Angelika hat aus meiner ,Iphigenie‘ ein<br />
Bild zu malen unternommen; der Gedanke ist sehr glücklich, und sie<br />
wird ihn trefflich ausführen. Den Moment, da sich Orest in der Nähe<br />
der Schwester und des Freundes wiederfindet. Das, was die drei<br />
Personen hintereinander sprechen, hat sie in eine gleichzeitige<br />
Gruppe gebracht und jene Worte in Gebärden verwandelt. Man sieht<br />
auch hieran, wie zart sie fühlt und wie sie sich zuzueignen weiß, was<br />
in ihr Fach gehört. Und es ist wirklich die Achse des Stücks.“ Ebd. 205.<br />
8 Ebd. 353.<br />
9 Vgl. Baumgärtel (Anm. 4) 83.<br />
10 Das große Bild blieb längere Zeit unvollendet; bis heute ist nicht<br />
geklärt, unter welchen Umständen es fertig gestellt worden ist.<br />
Goethe hat das vollendete Bildnis nie gesehen und deshalb wohl<br />
auch nie erfahren, dass er darin mit zwei linken Füßen posiert. Vgl.<br />
Prestel-Museumsführer. Städelsches Kunstinstitut und Städtische<br />
Galerie Frankfurt a. M. (München/Berlin/London/New York o. J.) 89f.<br />
11 Italienische Reise (Anm. 6) 385. So auch der Titel einer Ausstellung<br />
in Bregenz 2007 anlässlich des 200. Todesjahres der Malerin; T. G.<br />
Natter (Hrsg.): Angelika Kauffmann – Ein Weib von ungeheurem Talent,<br />
Ausst.-Kat. Vorarlberger Landesmuseum Bregenz (Ostfildern 2007).<br />
12 Vgl. I. Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon (Stuttgart 1987)<br />
324.<br />
13 Ebd. 379.<br />
14 Im Zusammenhang mit dem schlechten Ruf, den sich die<br />
Landsknechte im 16. Jahrhundert zuzogen, bekam die Schlitztracht<br />
partiell auch eine negative Bedeutung: In manchen Darstellungen<br />
der Zeit wurde der Teufel mit Landsknechtstracht, vor allem mit<br />
den dafür charakteristischen geschlitzten Pluderhosen ausgestattet.<br />
Vgl. dazu A. Blühm: Der Streit der Tugenden um die Menschheit<br />
– Ein Beitrag zur Ikonographie der Reformationszeit, in: Niederdeutsche<br />
Beiträge zur Kunstgeschichte, 28, 1989, 67ff.<br />
15 Das Wallraf-Richartz-Museum besitzt insgesamt drei Portraits von<br />
Everhard IV. Jabach, außer dem aufgeführten ein weiteres, Peter Lely<br />
zugeschriebenes Portrait, ebenfalls aus der Zeit um 1650, sowie ein<br />
Altersportrait von Hyacinthe Rigaud. Vgl. dazu H. Vey: Die Bildnisse<br />
Everhard Jabachs, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch XXIX, 1967, 157ff.<br />
16 Ausführlich zu Mode und Portraitmalerei im Stil van Dycks im<br />
18. Jahrhundert E. E. S. Gordenker: Anthony van Dyck (1599-1641)<br />
and the Representation of Dress in Seventeenth-Century<br />
Portraiture (Turnhout 2001) 77.<br />
17 Das Doppelportrait von Karl I. und Königin Henrietta Maria wurde<br />
aus der Versteigerung der Kunstsammlung Karls I., die nach dessen<br />
Hinrichtung im Januar 1649 vom 15.8.1649 bis zum 1.2.1653 in London<br />
stattfand, von dem Kölner Kunstsammler Franz von Imstenraedt<br />
(1632-1694) erworben, einem Neffen von Everhard IV. Jabach, der<br />
ebenfalls die eigene Sammlung mit Käufen aus der Londoner Versteigerung<br />
bereichert hat. Imstenraedt verkaufte das Doppelportrait<br />
mit seiner Sammlung 1680 an Karl von Liechtenstein, den Bischof<br />
von Olmütz. Es befindet sich heute in der Erzbischöflichen Gemäldesammlung<br />
auf Schloss Kremsier (Kromeriz) in Südmähren, der<br />
ehemaligen Sommerresidenz der Bischöfe und späteren Erzbischöfe<br />
von Olmütz. Ausführlich zur Sammlung Imstenraedt J. Seyfarth: Ein<br />
Schatzhaus des Apelles (Iconophylacium). Beschreibung der Bildersammlung<br />
des Kölner Ratsherrn Franz von Imstenraedt, 1667, Abb. des<br />
Doppelportraits 226, erklärender lateinischer Text – den von Franz von<br />
Imstenraedt, wie die lateinischen Texte zu allen Gemälden seiner zum<br />
Verkauf angebotenen Sammlung, offenbar selbst verfasst hat – mit<br />
deutscher Übersetzung von J. Seyfarth 224ff, in der Reihe W. Schäfke<br />
(Hrsg.): Coellen eyn Croyn. Renaissance und Barock in Köln (Köln 1999).<br />
18 Vgl. G. v. d. Osten/H. Keller (Hrsg.), H. Vey/A. Kesting (Bearb.):<br />
Katalog der niederländischen Gemälde von 1550 bis 1800, Kataloge<br />
des Wallraf-Richartz-Museums III (Köln 1967) 66.<br />
19 Vgl. Gordenker (Anm. 16) 77.<br />
20 Vgl. M. Jedding-Gesterling/G. Brutscher (Hrsg.): Die Frisur. Eine<br />
Kulturgeschichte der Haarmode von der Antike bis zur Gegenwart<br />
(Hamburg 1990) 100ff.<br />
21 Vgl. Gordenker (Anm. 16) 79.<br />
Autorin:<br />
Thesy Teplitzky, Köln<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
WiSSenSChaF tliC he BeriC hte<br />
79
impressum<br />
Kölner MuseumsBulletin<br />
Berichte, Forschungen und Aktuelles aus den<br />
Museen der stadt Köln<br />
Heft 2/2008<br />
issn 0933-257X<br />
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DruCK:<br />
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t itel:<br />
titel: Blick in die Ausstellung „teX. textiles von morgen.<br />
Barbara esser – Wolfgang Horn“ im Museum für<br />
Angewandte Kunst<br />
C OPYriGHtnACHWeis:<br />
Titel, S. 2: © A. Pohlmann, Köln (reinformat); S. 8: © Peter Doig; S. 21-25:<br />
© Man Ray Trust, Paris / VG Bild-Kunst, Bonn 2008; S. 27-31:<br />
© N. Kjieldgaard u. G. Byskov, Dänemark; S. 32: © E. Wirdeier, DGPh;<br />
S. 39-41: © S. Fuis, Köln; S. 74: © Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum,<br />
Innsbruck; S. 75: © Bündner Kunstmuseum, Chur; S. 76: © Klassik-<br />
Stiftung Weimar; S. 67, 69: © Staatsgalerie Stuttgart<br />
Kölner MuseuM s - Bulletin 2|2008<br />
80 a u SStellunG en und aKtuelleS<br />
P HOt O n ACHWeis:<br />
Bièvres, Musée français de la Photographie: S. 31; T. Blisniewski: S. 66;<br />
Chur, Bündner Kunstmuseum: S. 75; M. Fiedler, Berlin/Köln: S. 56 (Abb.<br />
6); S. Fuis, Köln: S. 39-41; nach: M. D. Henkel: De houtsneden van<br />
Mansion’s Ovide Moralisé Bruges 1484. Met en toelichtening door M.<br />
D. Henkel (Amsterdam 1922): S. 64; Innsbruck, Tiroler Landesmuseum<br />
Ferdinandeum: S. 74; Archiv Robert Lebeck, Berlin: S. 30; J. Littkemann,<br />
Berlin (Courtesy: Contemporary Fine Arts, Berlin): S. 8; Los Angeles,<br />
J. Paul Getty Museum: S. 57 (Abb. 5), S. 58 (Abb. 7); Man Ray Trust,<br />
Paris: S. 21-25; nach: M. Rosenthal: The Art of Thomas Gainsborough.<br />
‘A little business for the Eye’ (New Haven und London 1999): S. 79;<br />
P. Otten u. E. M. Spiegel (Römisch-Germanisches Museum der Stadt<br />
Köln): S. 34; Jürgen Schulzki: S. 6-7; nach: W. L. Strauss (Hrsg.): Hendrik<br />
Goltzius 1558-1617. The Complete Engravings and Woodcuts Bd. 2<br />
(New York 1977): S. 65; Stuttgart, Archäologisches Landesmuseum<br />
Baden-Württemberg (Hoffmann): S. 56 (Abb. 3); Staatsgalerie<br />
Stuttgart: S. 67, 69; M. Trier (Römisch-Germanisches Museum der<br />
Stadt Köln): S. 35-37; Klassik-Stiftung Weimar: S. 76; nach H. Westhoff-<br />
Krummacher (Hrsg.): Berliner Porzellan aus Privatbesitz (Münster<br />
1991): S. 68; nach: A. K. Wheelock/S. J. Barnes/J. S. Held et al.: Anthony<br />
van Dyck, Ausst.-Kat. National Gallery of Art Washington (Wetteren<br />
1990): S. 78; E. Wirdeier, DGPh: S. 32.<br />
Alle anderen Abbildungen: Rheinisches Bildarchiv, Köln (M. Albers, H.<br />
Buchen, M. Mennicken, W.F. Meier, B. Schlier, A. Wagner, S. Walz)<br />
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Freunde des Kölnischen stadtmuseums e.V.<br />
Freunde der Kunst- und Museumsbibliothek<br />
der stadt Köln e.V.<br />
Museumspädagogische Gesellschaft e.V.
VAN HAM<br />
Kunstauktionen<br />
Günther Uecker (*1930)<br />
„Struktur“ | 1965<br />
Schätzpreis: € 100.000<br />
Candida Höfer (*1944)<br />
„U-Bahnstation Theaterplatz<br />
Oslo I 2000“<br />
Schätzpreis: € 12.000<br />
Juwelen-Smaragd Ring<br />
Platin | Smaragd | Diamanten<br />
Schätzpreis: € 26.000 - 30.000<br />
Ernst Barlach (1870–1938)<br />
„Frau im Wind“ | 1931 | Gips<br />
rötlich getönt | Eines von zwei<br />
bekannten Exemplaren<br />
Schätzpreis: € 35.000<br />
Andreas Achenbach (1815–1910)<br />
„Der Seesturm“ | 1849<br />
Schätzpreis: € 22.000<br />
Pendule Au Nègre<br />
Bronze vergoldet<br />
Paris spätes 18. Jh.<br />
Schätzpreis: € 8.000 - 12.000<br />
Dekorative Kunst | 10. September 2008 | Vorbesichtigung: 6. – 8. Sep 2008<br />
Schmuck-Sonderauktion in Luxemburg | 12. Oktober 2008<br />
Vorbesichtigung: 10. – 12. Oktober 2008<br />
Teppiche | 31. Oktober 2008 | Vorbesichtigung: 24. – 29. Oktober 2008<br />
Alte Kunst | 21. November 2008 | Vorbesichtigung: 12. – 18. November 2008<br />
Europäisches Kunstgewerbe & Schmuck<br />
20. + 22. November 2008 | Vorbesichtigung: 12. – 18. November 2008<br />
Moderne & Zeitgenössische Kunst | 3. Dezember 2008<br />
Vorbesichtigung: 27. November – 1. Dezember 2008<br />
Photographie | 5. Dezember 2008 | Vorbesichtigung: 27. November – 1. Dez 2008<br />
Unsere Experten informieren Sie gerne über die aktuelle Marktsituation und geben Ihnen kostenlose<br />
Einschätzungen für Ihre Kunstwerke. Wir freuen uns auf Ihren Anruf, Ihre E-Mail bzw. Ihre Post. Einlieferungen<br />
von Sammlungen, Nachlässen und Einzelstücken sind bis zwei Monate vor den Auktionen möglich.<br />
Informationen | Termine | Online-Kataloge: www.van-ham.com | Mo–Fr 10–18 h | Sa 10–16 h | So 11–16 h<br />
Schönhauser Straße 10 – 16 | 50968 Köln | Tel + 49 (0)221 · 92 58 62- 0 | Fax + 49 (0)221 · 92 58 62- 4 | E-Mail info@van-ham.com
WWW.COFAA.DE<br />
Cologne Fine Art & Antiques 2008<br />
Koelnmesse GmbH<br />
Messeplatz 1<br />
50679 Köln<br />
Tel. +49 221 821-3248<br />
Fax +49 221 821-3734<br />
cofaa@koelnmesse.de<br />
www.koelnmesse.de<br />
19. – 23. November 2008<br />
Kunst- und Antiquitätenmesse