KUB 07.03 Peter Zumthor Bauten und Projekte 1986 – 2007
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<strong>Peter</strong> <strong>Zumthor</strong><br />
Feldkapelle Bruder Klaus,<br />
Wachendorf, Eifel, <strong>2007</strong><br />
Foto © Walter Mair<br />
04 05<br />
aus, nie fühlt seine Architektur dem organisch wild Wachsenden<br />
nach. Und doch haben seine Häuser so gar nichts vom futuristischen<br />
Geist des Neuen Bauens, von der nüchternen Utopie des<br />
White Cube, die noch seine Lehrergeneration beseelte. Schon die<br />
Anfänge markieren den Abstand, das eigene Idiom jenseits des<br />
technizistischen Gebrauchs von Glas <strong>und</strong> Stahl <strong>und</strong> Beton. Architektursprachliche<br />
Mittel, die sich eigenständig bewährten, die<br />
eigenständig blieben, unverführbar durch die Kultur des Zitats.<br />
Für Unterhaltung, leichte oder schwere, ist das Werk nicht zu<br />
haben. Weder für den leichten So<strong>und</strong> noch für den schweren Hall.<br />
Was man erlebt, kommt nicht aus zweiter Hand.<br />
So hätte auch die Gedenkstätte »Topographie des Terrors«<br />
in Berlin werden sollen. Ein Ort, an dem das Erinnern nicht inszeniert<br />
wird, an dem Körper <strong>und</strong> Geist sich ganz überlassen sind.<br />
Dass der Auftrag dann doch nicht zustande kommen sollte, hatte<br />
manche Gründe, war aber nicht zuletzt der Radikalität geschuldet,<br />
mit der <strong>Zumthor</strong>s Architektur die Rituale der Erinnerungspolitik<br />
unterlaufen hätte. Didaktik im Haus, Schrifttafeln an der Wand,<br />
verlässliche museale Führungslinien, das alles ist noch immer<br />
besser zu ertragen als die Verlorenheit in Sälen <strong>und</strong> auf Rampen,<br />
die kein Verstehen anbieten, wo es doch kein Verstehen gibt.<br />
Man ist bei <strong>Peter</strong> <strong>Zumthor</strong> in Räumen, die wirklich Innenräume<br />
sein wollen, unmittelbar Weltabschluss signalisieren, die nicht<br />
mit großen Glasfronten so tun, als sei zwischen Drinnen <strong>und</strong><br />
Draußen nur ein Unterschied in der Temperatur. Diese Wände sind<br />
viel mehr als nur Mauern, sie haben eine eigene Hermetik <strong>–</strong> unvergleichbar<br />
in der zeitgenössischen Architektur. Aber es ist keine<br />
Hermetik, die an Gefangenschaft denken lässt, die den Fluchtinstinkt<br />
weckt. Es ist die Hermetik des Aufgehobenseins, des<br />
Geborgenseins. So kann man es auch in den drei Stockwerken<br />
des Bregenzer Kunsthauses ganz gut ohne Kunst aushalten.<br />
Wo immer man steht, hat man seinen Platz <strong>und</strong> nirgendwo das<br />
Bedürfnis, sich aus der einsamen Mitte an die schützenden<br />
Wände zurückzuziehen. Auch im Zentrum kann man sich gut mit<br />
den monumentalen Proportionen messen. Ist das mit dem verblichenen<br />
Wort »erhaben« gemeint? Wie müsste ein Bild von Mark<br />
Rothko, von Barnett Newman an diesen Wänden aussehen? An<br />
Wänden, die sie halten, aushalten <strong>und</strong> ihr Meister in einem sind?<br />
War es vielleicht nicht doch ein Irrtum, den abstrakten Expressionismus<br />
mit den konstruktiven Zwangshandlungen des Bauhauses<br />
zusammen zu denken?<br />
Das richtige Wort für <strong>Zumthor</strong>s Architektur ist noch nicht<br />
gef<strong>und</strong>en. Sie hat etwas von der Unzerstörbarkeit archaischer<br />
Formenbestände. Sie hat etwas von der Noblesse japanischer<br />
Lackarbeiten. Sie hat etwas von der Richtigkeit des ganz auf sich<br />
konzentrierten Formengebrauchs. Wäre »richtig« das richtige<br />
Wort? <strong>Peter</strong> <strong>Zumthor</strong>s Architektur: der denkbar überzeugendste<br />
Widerspruch gegen die Trostlosigkeit, mit der Adorno kein richtiges<br />
Leben im falschen anerkennen wollte. Wo es den richtigen Ort<br />
gibt, kann auch das Leben nicht so falsch sein. Hans-Joachim Müller<br />
<strong>KUB</strong>-Programm <strong>07.03</strong> <strong>Peter</strong> <strong>Zumthor</strong>