Mehr als nur Kampfsport Heisskalt rockt Interview ... - PIGmagazin
Mehr als nur Kampfsport Heisskalt rockt Interview ... - PIGmagazin
Mehr als nur Kampfsport Heisskalt rockt Interview ... - PIGmagazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
MAgAZIN | KOLUMNE<br />
Und jetzt Sport!<br />
Jebiga – nicht zu ändern!<br />
Große Teams haben es Dr. L. Eder seit jeher angetan.<br />
Er schwärmt vor allem von den Mannschaften, die nie den Gipfel<br />
erreicht haben. Ganz besonders von einer, die in den<br />
Kriegswirren verloren ging.<br />
Kann ein Fußballspiel traurig stimmen, bevor<br />
es überhaupt angepfiffen wird? Mir<br />
ging es neulich so. WM-Quali stand auf<br />
dem Programm. Das brisante Spiel Kroatien gegen<br />
Serbien. Mein Kopfkino sprang bereits Tage vorher<br />
an. Der Film, der sich vor meinem inneren Auge<br />
abspielte, nahm mich mit auf Zeitreise, zurück in<br />
die frühen 90er. Dam<strong>als</strong> gab es kein Serbien, kein<br />
Kroatien, kein Bosnien und wie sie heute alle heißen.<br />
Zumindest nicht <strong>als</strong> souveräne Staaten. Alles<br />
firmierte noch unter Jugoslawien. Und auch wenn<br />
die Meinungen diesbezüglich weit auseinander gehen:<br />
Ich blicke mit Wehmut zurück. Vor allem aus<br />
fußballerischer Sicht. Denn just in dem Moment<br />
<strong>als</strong> die „Jugos“ reif und bereit waren, die Welt mit<br />
ihrem Spiel zu erobern, brach mitten in Europa<br />
dieser sinnlose Krieg aus.<br />
Ich könnte heulen beim Gedanken an diese Mannschaft.<br />
Brasilien befand sich nach der verkorksten<br />
WM in Italien im Umbruch, Argentinien lag aufgrund<br />
der Sperre von Diego Maradona darnieder<br />
und Deutschland suchte trotz des 90er-Titels die<br />
richtige Mischung. Die Wiedervereinigung hatte<br />
einen Haufen „neuer“ Spieler herbeigespült, die<br />
es unterzubringen galt. Jugoslawien indes war einen<br />
Schritt weiter und hatte zu diesem Zeitpunkt<br />
eine nahezu perfekte Elf beisammen. Das Traurige<br />
daran ist aber, dass die erfahrene Garde um Abwehrchef<br />
Faruk Hadžibegić, Ex-VfB-Staubsauger<br />
Srečko Katanec, Spielmacher Dragan Stojković und<br />
Torjäger Darko Pančev sowie die jüngere Generation<br />
um Zvonimir Boban, Robert Prosinečki und<br />
Davor Šuker, noch bevor sie ihren Zenit erreicht<br />
hatten, auseinandergerissen wurden. Die Politik<br />
hatte obsiegt, der Sport blieb auf der Strecke. Was<br />
daraufhin folgte, ist das bitterste Kapitel der jüngeren<br />
europäischen Geschichte.<br />
Ich liebe große Mannschaften und hege noch viel<br />
mehr Sympathien vor allem für jene, die auf dem<br />
Weg zum Gipfel gescheitert sind. Brasilien 1982<br />
36 | 37<br />
hatte so ein Team. Oder Argentinien 1994. Diego<br />
Maradona und Fernando Redondo gemeinsam<br />
spielen gesehen zu haben war mein größtes<br />
Fußballgeschenk. Für alle Zeiten ist diese Elf in<br />
meinem Herzen verankert.<br />
Die Jugos der frühen 90er hätten auch in dieser<br />
Kategorie Aufnahme gefunden – hätte man sie<br />
<strong>nur</strong> gemeinsam spielen lassen. Aber leider kam es<br />
noch viel schlimmer: Die<br />
muslimischen Bosnier,<br />
PIG-Sportexperte Dr. L.<br />
Eder legt gerne den Finger<br />
in die Wunde. Nicht <strong>nur</strong><br />
sportlich – auch gesellschaftlich<br />
& politisch.<br />
katholischen Kroaten und<br />
orthodoxen Serben – einst<br />
Freunde und in allen möglichenJugend-Auswahlteams<br />
zugange – wurden zu erbitterten Feinden.<br />
Zwei der stursten Köpfe dieser Goldenen Generation<br />
trafen neulich im Maksimir zu Zagreb<br />
aufeinander. Auf der einen Seite Igor Štimac, kroatischer<br />
Nationaltrainer, ihm gegenüber Siniša<br />
Mihajlović, Coach der Serben. Vielleicht war der<br />
Handshake der beiden Hardliner nach der Partie<br />
ein erster Schritt zurück zu einem sportlich-fairen<br />
Verhältnis der ehemaligen Kriegsgegner. Und ein<br />
Fingerzeig für all die Unverbesserlichen, die sich<br />
immer noch am Konflikt aufgeilen. Hass ist Ballast.<br />
Man bedenke <strong>nur</strong>, was die Jugos heute für ein Team<br />
beisammen hätten. Mit dem Bosnier Edin Džeko,<br />
dem Montenegriner Mirko Vučinić, dem Kroaten<br />
Darijo Srna, dem Serben Branislav Ivanović, um<br />
<strong>nur</strong> einige zu nennen, hätten sie auch den Spaniern<br />
das Leben schwer gemacht. Jebiga – nicht zu<br />
ändern! Friede sei mit euch! •