DAS MAGAZIN 07/08 2009 - Kölner Philharmonie
DAS MAGAZIN 07/08 2009 - Kölner Philharmonie
DAS MAGAZIN 07/08 2009 - Kölner Philharmonie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
TITELTHEMA<br />
Tragische Düsternis<br />
dirigiert von einer<br />
romantischen Seele<br />
Valery Gergiev<br />
und das Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg<br />
in einer dreiteiligen Konzertreihe<br />
Zwölf lange Jahre lagen zwischen der Niederschrift<br />
der ersten Noten und der Vollendung<br />
des Viola-Konzerts, und für ihren Schöpfer,<br />
den deutsch-russischen Komponisten Alfred<br />
Schnittke, ist es ein Spiegel seiner Seele, ja, eine<br />
visionäre, düster-tragische Reflexion der letzten<br />
Dinge – aber auch eine Hommage an einen<br />
großen Interpreten. „1977“, schrieb Schnittke,<br />
„lernte ich bei der Schallplattenaufnahme meines<br />
Klavierquintetts mit Gidon Kremer auch<br />
den genialen Yuri Bashmet kennen. Er bat mich<br />
um ein Bratschenkonzert, womit ich auch sofort<br />
einverstanden war, ohne zu ahnen, dass<br />
ich es erst 1985 beenden konnte. Zehn Tage<br />
nach Beendigung der Arbeit kam der ausweglose<br />
Schlaganfall, und ich konnte erst langsam<br />
in einen zweiten Lebenskreis eintreten, den ich<br />
jetzt durchschreite. Wie in einer Vorahnung des<br />
Kommenden entstand eine Musik mit hastigem<br />
Durchs-Leben-Jagen im zweiten Satz und<br />
langsamer und trauriger Lebensüberschau an<br />
der Todesschwelle im dritten Satz. Außer dem<br />
Tonumfang hatte ich an keinerlei technische<br />
Begrenzungen des Soloparts zu denken, denn<br />
Yuri Bashmet spielt alles, und alles schien möglich.<br />
Ich widmete ihm das Stück und freue mich<br />
über dessen Weiterleben auch in Händen anderer.“<br />
Gewiss ist es kein Zufall, dass Schnittkes Konzert<br />
in Köln nicht nur erneut von seinem Widmungsträger,<br />
dem grandiosen Yuri Bashmet,<br />
aufgeführt wird, sondern noch dazu unter<br />
dem Dirigat eines charismatischen Künstlers<br />
steht, für den Expressivität, absolute Hingabe<br />
an den Geist der Musik und das unbedingte<br />
Ausloten deren Tiefendimensionen eins sind.<br />
So untrennbar eins, wie er selbst als Chefdirigent<br />
mit dem Orchester, „seinem“ Ensemble,<br />
verbunden ist. Die Rede ist von Valery Gergiev<br />
und dem Orchester des Mariinsky-Theaters St.<br />
Petersburg. Das ist nicht nur eine fruchtbare<br />
musikalische Geschäftsbeziehung. Das ist eine<br />
künstlerische Symbiose, wie sie feiner, feinsinniger,<br />
tiefschürfender kaum sein könnte.<br />
Die <strong>Kölner</strong> <strong>Philharmonie</strong> widmet Gergiev drei<br />
Konzerte, die exemplarisch die Größe dieser<br />
genialischen Dualität herausstellen. Der tragischen<br />
Düsternis des Viola-Konzerts Schnittkes<br />
wird mit Tschaikowskys sechster Sinfonie („Pathétique“)<br />
die Thematik der Seinsreflexion in<br />
der Sprache des spätromantischen Sinfonikers<br />
gegenüber gestellt und somit die Einheit der<br />
künstlerischen Lebensretrospek-tive gewahrt.<br />
Beim zweiten Konzert, einem reinen Tschaikowsky-Abend,<br />
kann Gergiev mit der Fantasie<br />
„Francesca da Rimini“ und der einaktigen Oper<br />
„Jolanthe“ die Dynamik seines Orchesters, die<br />
Fähigkeit klanglicher Differenzierung vom<br />
zartesten Pianissimo bis hin zum furiosen Ausdruck<br />
und seine Fähigkeit zu sensibler Phrasierung<br />
und lyrischer Raffinesse erneut demonst-<br />
Yuri Bashmet (oben)<br />
Vorhang im Mariinsky-Theater (links)