Die Macht des Eros - Zentrum Seniorenstudium
Die Macht des Eros - Zentrum Seniorenstudium
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<strong>Zentrum</strong> <strong>Seniorenstudium</strong> der LMU: Vortragsreihe KUNST, KULTUR, GESELLSCHAFT<br />
<strong>Die</strong>nstag, 11.5.2010:<br />
Dr.Stefan Merkle<br />
(Abteilung für Griechische<br />
und Lateinische Philologie, LMU)<br />
<strong>Die</strong> <strong>Macht</strong> <strong>des</strong> <strong>Eros</strong> – antike Texte zu einem zeitlosen Phänomen<br />
<strong>Eros</strong> (Lysipp, um 330 v.Chr.)<br />
Text 1: „If You Could See Her Through My Eyes“ aus „Cabaret“<br />
EMCEE (appearing with a gorilla):<br />
I know what you're thinking:<br />
You wonder why I chose her<br />
Out of all the ladies in the world.<br />
That's just a first impression,<br />
What good's a first impression?<br />
If you knew her like I do<br />
It would change your point of view.<br />
If you could see her through my eyes,<br />
You wouldn't wonder at all.<br />
If you could see her through my eyes<br />
I guarantee you would fall (like I did)<br />
When we're in public together<br />
I hear society moan.<br />
But if you could see her through my eyes<br />
Maybe they'd leave us alone.<br />
(There you are my Liebling. Your favorite)<br />
How can I speak of her virtues?<br />
I don't know where to begin.<br />
She's clever, she's smart, she reads music<br />
She doesn't smoke or drink gin(like I do)<br />
Yet, when we're walking together<br />
They sneer if I'm holding her hand,<br />
But if they could see her through my eyes<br />
Maybe they'd all understand.<br />
(they dance)<br />
Why can't they leave us alone?<br />
(spoken)<br />
Meine Damen und Herren, Mesdames et Messieurs,<br />
Ladies and Gentlemen-<br />
Is it a crime to fall in love?<br />
Can we ever tell where the heart truly leads us?<br />
All we are asking is eine bisschen Verstandnis-<br />
A little understanding-<br />
Why can't 'leben und leben lassen'?<br />
'Live and let live'...<br />
I understand your abjection,<br />
I grant you the problem's no small.<br />
But if you could see her through my eyes...<br />
She wouldn't look Jewish at all.
Text 2: Hesiod, Theogonie 116-122:<br />
Wahrlich, am Anfang entstand das Chaos; danach aber Gaia<br />
mit ihrer breiten Brust, stets sicherer Wohnsitz für alle<br />
Ewigen, die im Olymp die schneereichen Gipfel bewohnen<br />
oder den düsteren Tártaros tief in der wegweiten Erde;<br />
und mit ihr <strong>Eros</strong>, der schönste unter den ewigen Göttern,<br />
er, der Gliederlöser, der allen Göttern und Menschen<br />
klaren Verstand und besonnenen Rat bezwingt in der Seele.<br />
Text 3: Homer, Ilias 14,159ff.:<br />
Da überlegte die stieräugig blickende, würdige Hera,<br />
wie sie den Träger der Aigis zu überlisten vermöge.<br />
Schließlich sah sie den besten Weg in folgendem Plane:<br />
Prächtig herausputzen wollte sie sich und den Ida besteigen,<br />
in der Erwartung, Zeus werde, von Liebe gepackt, sie umarmen<br />
wollen, doch sie ihm mit sanftem, erquickendem Schlummer die<br />
Augen<br />
schließen und ihm Verstand und Einsicht völlig umnebeln.<br />
Eilig betrat sie ihr Zimmer. Das hatte Hephaistos, ihr lieber<br />
Sohn, ihr gebaut, an den Türpfosten sichere Flügel befestigt,<br />
mit dem Geheimschloß, das keiner der Götter zu öffnen vermochte.<br />
<strong>Die</strong>ses Zimmer betrat sie und schloß die schimmernden Flügel,<br />
wusch sich zuerst mit Ambrosia von dem lockenden Körper<br />
jeglichen Schmutz und rieb mit ambrosisch duftendem Öle<br />
glänzend sich ein, das sie als Mittel zum Wohlgeruch nutzte;<br />
ward es bewegt nur im Hause <strong>des</strong> Zeus mit der ehernen Schwelle,<br />
strömte sein Duft doch über die Erde und bis an den Himmel.<br />
Damit salbte sie sich den stattlichen Körper; dann kämmte<br />
sie sich die Haare und flocht mit den Händen die glänzenden<br />
Strähnen,<br />
die, ambrosisch und schön, vom göttlichen Haupte ihr wallten,<br />
schlüpfte darauf ins ambrosische Kleid, das Athene ihr kunstvoll<br />
hergestellt hatte, geglättet, mit zahlreichen Mustern durchwoben.<br />
Über der Brust befestigte sie es mit goldenen Spangen,<br />
schlang um die Hüften den Gürtel, den hundert Quasten verzierten.<br />
In die durchbohrten Ohrläppchen steckte sie Ringe, die waren<br />
dreifach mit Perlen verziert und mit Beeren und leuchteten lieblich.<br />
Oben, vom Haupt her, barg sich die herrliche Göttin in einem<br />
prächtigen, schimmernden Kopftuch - es strahlte so hell wie die<br />
Sonne -;<br />
unter die glänzenden Füße band sie die schmucken Sandalen.<br />
DER GÜRTEL DER APHRODITE: 214-217<br />
Damit löste sie sich von der Brust den bunten, gestickten<br />
Gürtel; es hingen an ihm die Kräfte zu holder Verführung,<br />
alle, der Liebreiz, die Sehnsucht, verführerisch locken<strong>des</strong> Kosen,<br />
wie es die Sinne betört sogar von verständigen Menschen.<br />
Ital. 10 Cent-Münze<br />
Sandro Botticelli<br />
<strong>Die</strong> Geburt der Venus (ca. 1486)<br />
HERAS AUFTRITT: 292-296<br />
Hera betrat inzwischen geschwind die Gargaronspitze<br />
hoch auf dem Ida. Es sah sie der wolkenballende Herrscher,<br />
und bei dem Anblick umloderten Flammen ihm sämtliche Sinne,<br />
wie zu der Zeit, da zum ersten Mal sie sich liebend vereinten,<br />
ohne Wissen der lieben Eltern zum Lager sich stehlend.<br />
ZEUS: 313-328<br />
»Dorthin kannst du auch künftig noch aufbrechen, Hera. Für heute<br />
wollen wir beide uns lagern und inniger Liebe uns freuen.<br />
Neigung zu einem göttlichen oder sterblichen Weibe<br />
hat mich noch niemals derart durchdrungen und ganz überwältigt,<br />
auch nicht, als ich Ixions Gemahlin begehrte, die nachher<br />
mir den Peirithoos schenkte, den göttlich klugen Berater,<br />
oder die Danaë mit den schlanken, reizenden Füßen,<br />
die den Perseus gebar, den ausgezeichneten Helden,<br />
oder die Tochter <strong>des</strong> weithin berühmten Phoinix, die später<br />
Minos und Rhadamanthys, den göttlichen König, geboren,<br />
oder Semele oder Alkmene von Theben, die Mutter<br />
wurde <strong>des</strong> Herakles, <strong>des</strong> unerschrockenen Kämpfers -<br />
jene gebar den Dionysos, für die Menschen zur Wonne -,<br />
oder Demeter, die lieblich gelockte Gebieterin, oder<br />
Leto, die hochberühmte, oder auch jemals dich selber,<br />
wie ich dich heut begehre und süßes Verlangen mich hinreißt!«<br />
346-353:<br />
Damit umarmte der Sohn <strong>des</strong> Kronos seine Gemahlin.<br />
Unter ihnen ergrünte von Kräutern die herrliche Erde,<br />
tauübersprühtem Lotos und Krokos und Hyakinthos,<br />
dichtem, weichem; hoch stand er ab vom Boden. Sie ließen<br />
darauf sich nieder und breiteten eine prächtige goldne<br />
Wolke über sich. Schimmernde Tautropfen perlten hernieder.<br />
So schlief ruhig am Gargarongipfel der Vater, von Liebe<br />
und vom Schlafe bezwungen, und hielt in den Armen die Gattin.
Text 4: Sophokles, Antigone 781-800:<br />
CHOR:<br />
<strong>Eros</strong>, im Kampf unbesiegbar,<br />
<strong>Eros</strong>, du stürzt dich auf Beute,<br />
du, der auf den zarten Wangen<br />
<strong>des</strong> Mädchens verborgen nächtigt!<br />
Du schweifst fern über das Meer,<br />
du schlüpfst auch in ländliche Hütten.<br />
Kein Unsterblicher kann dir entrinnen<br />
und keiner der Menschen, der Eintagsgeschöpfe,<br />
der deinem Rausche verfiel.<br />
Text 5: Sappho f.2 (Ä Catull carmen 51)<br />
Glücklich gilt, Unsterblichen gleich, der Mann mir,<br />
der dir dort so dicht gegenüber sitzt und<br />
deine süße Stimme vernimmt, zugleich dein<br />
reizen<strong>des</strong> Lachen<br />
hören darf. Wahrhaftig, das nötigt in der<br />
Brust mein Herz zu flatternden Schlägen. Sehe<br />
ich dich nämlich flüchtig nur an, so stocken<br />
jäh mir die Worte,<br />
mehr noch, meine Zunge zerbricht, ein zartes<br />
Flämmchen rieselt unter der Haut entlang mir,<br />
meine Augen können nicht sehen, dumpf nur<br />
dröhnen die Ohren,<br />
Schweiß rinnt mir in Strömen herab, ein Zittern<br />
packt von Kopf zu Fuß mich, und grüner bin ich<br />
als das Gras: Ich wähne, gestorben sei ich<br />
fast schon, Agallis.<br />
Alles freilich trägt man, sobald es eintritt.<br />
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Text 6: Aristophanes, Lysistrate 952 ff.<br />
KINESIAS<br />
Vernichtet, umgebracht hat mich das Weib! -<br />
O ich Armer, was tu ich, wo find ich ein Weib,<br />
Da die Schönste von allen so schnöd mich gefoppt?<br />
Deutet auf seinen erigierten Phallus<br />
Wer erbarmt sich nun deiner, du Waisenkind?<br />
Komm, Hurenwirt, und schaff<br />
Mir für Geld eine Amme dem Jungen!<br />
Du verlockst den Gerechten sogar<br />
zu Unrecht und Schande,<br />
du hast auch entfacht den Streit hier<br />
unter den nächsten Verwandten.<br />
Es siegt der aus den Augen strahlende Reiz der<br />
schönen Braut, über Gewalt menschlicher Vorschrift<br />
hinaus; unbezwingbar treibt ihr<br />
Spiel Aphrodites Gewalt.<br />
CHOR DER MÄNNER<br />
Sappho (Kalathos; um 470 v.Chr.;<br />
Staatl. Antikensammlg. München)<br />
O wie jammerst du mich, unglücklicher Mann,<br />
So entsetzlich geprellt und im Herzen gebeugt!<br />
Ach! Ach, ich vergehe vor Mitleid!<br />
Wie sollen's ertragen die Nieren im Leib,<br />
Wie ein männliches Herz und ein männlicher Sack,<br />
Wie ertragen's die Lenden, wie trägt es der Schweif,<br />
Der begehrlich sich bäumt<br />
Und am Morgen vergeblich sich umsieht?<br />
7: Platon, Symposion 189c ff. (Aristophanes-Rede); 201 d ff. (Sokrates-Rede)<br />
Text 8: Dioskori<strong>des</strong> (3.Jh.v.Chr.; Anthologia Graeca 5,55)<br />
<strong>Die</strong> Doris mit dem rosigen Hintern legte ich quer über das<br />
Bett,<br />
und in ihrer knospigen Blüte bin ich unsterblich geworden.<br />
Denn mit den herrlichen Schenkeln umspannte sie mir die<br />
Mitte<br />
und durchmaß rastlos die Bahn der Kypris,<br />
mit den Augen starr blickend. <strong>Die</strong> aber – wie Blätter im<br />
Wind –<br />
flackerten flammend, während sie sich heftig auf und<br />
nieder bewegte,<br />
bis verströmt war die weiße Kraft von uns beiden<br />
und Doris hingegossen lag mit ermatteten Gliedern.
9: Lukrez, De rerum natura 4,930 ff.: Über die Liebe<br />
Text 10: Catull c.5<br />
Vivamus, mea Lesbia, atque amemus,<br />
rumoresque senum severiorum<br />
omnes unius aestimemus assis.<br />
soles occidere et redire possunt:<br />
nobis, cum semel occidit brevis lux,<br />
nox est perpetua una dormienda.<br />
da mi basia mille, deinde centum,<br />
dein mille altera, dein secunda centum,<br />
deinde usque altera mille, deinde centum.<br />
dein, cum milia multa fecerimus,<br />
conturbabimus illa, ne sciamus,<br />
aut ne quis malus invidere possit,<br />
cum tantum sciat esse basiorum.<br />
Text 11: Catull c.85<br />
Odi et amo. quare id faciam, fortasse requiris.<br />
nescio, sed fieri sentio et excrucior.<br />
Text 12: Properz 1,1,1-6<br />
Cynthia prima suis miserum me cepit ocellis<br />
contactum nullis ante cupidinibus.<br />
Tum mihi constantis deiecit lumina fastus,<br />
et caput inpositis pressit Amor pedibus,<br />
donec me docuit castas odisse puellas<br />
inprobus et nullo vivere consilio.<br />
Text 13: Ovid, Metamorphosen 1,452-462 (Apoll und Daphne)<br />
Daphne, Peneus‘ Kind, war die erste Liebe Apolls; nicht<br />
blinder Zufall schuf’s. – Nein: wilder Zorn <strong>des</strong> Cupido.<br />
Phoebus, stolz, dass der Drache besiegt, hatte jenen gesehen<br />
Krümmen zur sehne das Horn <strong>des</strong> Bogens und hatte gesprochen:<br />
„Geiler Knabe, was soll bei dir die wackere Waffe?<br />
Meinen Schultern geziemt, die männmliche Bürde zu tragen,<br />
der zu treffen ich weiß das Wild, zu treffen den Gegner,<br />
der ich mit zahllosen Pfeilen nun auch den Python erlegt, der<br />
giftgedunsenen Leibes so vieles Gevierte gedrückt hat.<br />
Dir sei genug, mit der Fackel zu zünden, ich weiß es nicht was für<br />
Liebesflammen, und lass nach meinem Ruhm dich nicht lüsten!“<br />
……<br />
(„Einblicke in die griechisch-römische Antike“,<br />
Mittwoch 11-12, HS 005, Schellingstr.3)<br />
5<br />
5<br />
10<br />
Leben lass uns, Lesbia, und uns lieben,<br />
und das Lästern verkalkter Greise soll uns<br />
keinen lumpigen Pfennig wert sein.<br />
Sonnen können vergehn und wiederkehren:<br />
Wir, wenn einmal das kurze Licht erloschen,<br />
müssen eine ewige Nacht dann schlafen.<br />
Gib mir eintausend Küsse, und dann hundert,<br />
dann nochmal tausend, dann noch einmal hundert,<br />
dann in einem fort weitere tausend, und dann hundert.<br />
Dann, wenn wir es zu vielen tausend brachten,<br />
bringen wir sie durcheinander, damit wir nicht wissen<br />
und kein Böser uns neidisch sein kann,<br />
weil er weiß, dass es soviel Küsse waren.<br />
Ich hasse und ich liebe. Warum ich das tue, fragst du vielleicht.<br />
Ich weiß nicht, doch dass es geschieht, spür ich und quäle mich ab.<br />
Cynthia war es zuerst, die mich Ärmsten mit Blicken gefangen;<br />
hatte mich doch noch nie früher die Liebe berührt.<br />
Da hat mich Amor gezwungen, die Augen in Demut zu senken,<br />
die so verachtend geschaut, setzte den Fuß mir aufs Haupt,<br />
bis er mich schließlich gelehrt, die züchtigen Mädchen zu hassen,<br />
dass ich so ganz ohne Ziel lebe, der grausame Gott.