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Was heißt hier arm? (pdf) - Bildung trifft Entwicklung

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<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>hier</strong> <strong>arm</strong>? | Anregungen zur entwicklungspolitischen <strong>Bildung</strong>sarbeit des DED mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern<br />

Mama Mariam lebt im Kitui-Distrikt/Kenia, einer semiariden Region 5<br />

mit fruchtbaren Böden, die aber wegen der Trockenheit nur in Flussnähe<br />

bebaubar sind. Bisher hat Mama Mariam Mais, Maniok, Bohnen,<br />

Bananen und einiges mehr im Mischanbau angepflanzt. Nun ist ein<br />

italienisches Agrarunternehmen aufgetaucht und hat die Bäuerinnen<br />

und Bauern mit den knappen nutzbaren Böden überredet, Gemüse<br />

und Obst für den italienischen Markt zu produzieren. Es liefert Saatgut<br />

und Setzlinge, Düngemittel, Pestizide und Herbizide und holt die<br />

Ernteprodukte an der Haustür von Mama Mariam ab. Die importierten<br />

Sorten sind höchst krankheits-, schädlings- und trockenheitsanfällig.<br />

Mama Mariam ist jetzt in den Weltmarkt integriert. Sie hat<br />

den Anbau für die Selbstversorgung und den lokalen Markt zugunsten<br />

der neuen cash crops 6 aufgegeben. Das Einkommen soll die Ernährungssicherheit<br />

durch Eigenanbau ersetzen. Mama Mariam ist<br />

stolz, dass sie so viel Geld verdient, wie nie zuvor. Das ändert jedoch<br />

nichts daran, dass der Grund und Boden, den sie beackert, nicht ihr<br />

sondern ihrem Mann gehört und dass er auch alle wichtigen Entscheidungen<br />

über die Verwendung des Geldes <strong>trifft</strong>.<br />

Mama Mariam weiß, dass sie extrem abhängig und damit<br />

auch verletzbar ist: von der Nachfrage auf dem italienischen Markt,<br />

Übung B 12. Neue Abhängigkeit durch Globalisierung Seite 67<br />

<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> Globalisierung für Mama Mariam?<br />

5 Semiaride Regionen sind Gebiete mit einer jährlichen Niederschlagsmenge<br />

von 20 - 400 l pro m².<br />

6 Cash crops sind Nahrungsmittel, die direkt für den Weltmarkt,<br />

nicht für lokale Bedürfnisse produziert werden.<br />

internationalen Preisschwankungen, Konkurrenz durch andere Billiganbieter<br />

auf dem Weltmarkt. Durch den enormen Preisverfall<br />

beim Kaffee weiß jede kenianische Bäuerin, welche Risiken die freien<br />

Spielregeln der Weltwirtschaft für individuelle ProduzentInnen<br />

bergen. Liberalisierung bedeutet in Kenia u.a. dass große Mengen<br />

des nationalen Getreidebedarfs importiert werden – besonders bei<br />

Zucker; sein Preis ist durch Subventionen halbiert. Überwiegend<br />

handelt es sich dabei um subventionierte Agrarprodukte aus der EU<br />

und den USA, deren Dumpingpreise die einheimischen Anbieter auskonkurrieren.<br />

Ebenso hat Mama Mariam erfahren, was Deregulierung<br />

und Sozialabbau – in Kenia Strukturanpassung genannt – bedeuten.<br />

Das Schulgeld, bzw. die Kosten für Schulbesuch, inklusive Schuluniform<br />

und Sammelaktion für die Reparatur des Schuldachs, haben<br />

sich seit Ende der 80er Jahre verdreifacht. Das von der Regierung<br />

eingeführte Kostendeckungsprinzip im Gesundheitswesen macht<br />

medizinische Versorgung für viele wieder zum unerschwinglichen<br />

Luxus. Die Preise für importierte Medikamente sind durch die Abwertung<br />

des kenianischen Schillings enorm gestiegen.Auch Transportkosten<br />

haben sich in den letzten Jahren verdreifacht.<br />

Christa Wichterich<br />

?<br />

Fragen zur Texterschließung:<br />

Quelle: Feministische Antworten auf Globalisierung und westliche Dominanz (Auszug).<br />

In: Foitzik,Andre-as/Marvakis,Athanasios (Hg.): Tarzan – was nun? Internationale Solidarität<br />

im Dschungel der Widersprüche. Hamburg 1997, S. 185 - 193<br />

1.Wie macht sich die Expansion der neoliberalen Marktwirtschaft<br />

für die einzelne kenianische Bäuerin bemerkbar? Welche Entscheidungsmöglichkeiten<br />

hat sie?<br />

2. Stellt arbeitsteilig Pro- und Contra-Tabellen zur Beteiligung an der<br />

Exportwirtschaft aus der Sicht der Bäuerin einerseits und der<br />

Staaten Kenia und Italien andererseits auf (vgl. Beispiel Vietnam in<br />

B 11 und Kamerun in B 9).<br />

3. Nehmen Sie Stellung zu den folgenden Thesen, indem Sie sich entlang<br />

einer imaginären Linie im Raum zwischen den Extremen „Zustimmung“<br />

und „Ablehnung“ aufstellen und auf Nachfrage Ihren<br />

Standort begründen:<br />

● Die Ernährungssicherheit wird durch die Exportwirtschaft mit<br />

cash crops erhöht.<br />

● Frauen sind die Verliererinnen zunehmender weltweiter Marktwirtschaft.<br />

● Im Zuge der Globalisierung werden soziale Aufgaben immer<br />

mehr verstaatlicht.

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