Was heißt hier arm? (pdf) - Bildung trifft Entwicklung
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<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>hier</strong> <strong>arm</strong>? | Anregungen zur entwicklungspolitischen <strong>Bildung</strong>sarbeit des DED mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern<br />
Nnoko und Tabe<br />
aus Kamerun<br />
Nnoko ist ein Mädchen aus dem Dorf Melongo im westafrikanischen<br />
Kamerun. Sie ist 11 Jahre alt. Ihr Bruder Tabe ist ein Jahr<br />
jünger. Sie besuchen die kleine Schule ihres Dorfes mitten im Regenwald.<br />
Und natürlich helfen sie ihren Eltern auch bei der täglichen<br />
Arbeit.<br />
Nnoko und Tabe keuchen den steilen Buschpfad hoch. Es ist schwül<br />
und heiß. Der Schatten der riesigen Bäume kühlt gar nicht mehr.<br />
Schweiß läuft ihnen über die Stirn, brennt in den Augen und läuft<br />
den Rücken runter. Der Kakaosack auf dem Kopf ist ja so schwer!<br />
Vor ihnen keucht der Vater mit seinem noch schwereren Sack den<br />
Berg hoch. Er träumt davon, dass es mal eine Straße nach Melongo<br />
geben wird, auf der die Lastwagen direkt in ihr Dorf kommen können.<br />
Dann muss er den Kakao nicht mehr selbst zum Händler in die<br />
Stadt schleppen. „Trotzdem bin ich glücklich“, denkt der Vater.<br />
„Dieses Jahr ist die Ernte sehr gut. Deshalb haben wir neue Kakaobäumchen<br />
auf den Feldern angepflanzt, wo früher Mutter das Gemüse<br />
hatte. Selbst die Ölpalmen und die Kochbananenpflanzung haben<br />
wir dafür gerodet.Wenn die jungen Kakaobäumchen erst einmal<br />
groß sind, werden wir die reichste Familie im Dorf sein!“<br />
„Papa“, meint Tabe plötzlich, „können wir uns nicht heute endlich<br />
eine Gaslampe kaufen? Das Licht von unserer Petroleumlampe ist<br />
doch immer so dunkel. Dabei können wir Kinder so schlecht für die<br />
Schule lernen!“ „Ich dachte eigentlich, dass wir für die Arbeit auf<br />
der Kakaopflanzung ein neues Buschmesser brauchen.Auch wollten<br />
wir schon lange ein kleines Radio mit Kassettenrecorder haben“,<br />
meint der Vater. „Auf jeden Fall müssen wir den Reis einkaufen und<br />
neues Palmöl“, meint Nnoko. „Außerdem hat Mutter gesagt, wir sollen<br />
Stockfisch mitbringen, und sie braucht noch Geld, um Kochbananen<br />
zu kaufen, da wir ja keine eigenen mehr anbauen.Wenn noch<br />
etwas Geld übrig ist, sollten wir auch neuen Stoff kaufen, damit Mutter<br />
uns Geschwistern etwas zum Anziehen nähen kann.“<br />
Endlich kommen sie in die kleine Stadt. Der Kakaohändler<br />
wiegt ihren Kakao und wirft die Säcke auf den Lastwagen. Er kramt<br />
in der Kasse und bezahlt Vater das Geld. Entrüstet zählt Vater das<br />
Geld nach. „Sagen Sie mal, Sie haben mir doch viel zu wenig gegeben!<br />
Wir bekommen doch immer 450 Franken fürs Kilo Kakao!“<br />
„Nee, das gibt's nicht mehr“, sagt der Händler. „Die Preise sind runter,<br />
jetzt gibt's nur noch 120 Franken pro Kilo!“ „Wie kommt denn<br />
das?“, fragt der Vater empört. „Die Deutschen und andere Kakaokäufer<br />
zahlen eben nicht mehr so viel wie früher. Deshalb gibt's jetzt<br />
weniger“, antwortet der Händler achselzuckend.<br />
Von Emmanuel Fritzen, Grund- und Hauptschullehrer, Rektor in Bonn, <strong>Entwicklung</strong>shelfer<br />
von 1985 bis 1990 am Cameroon College of Arts and Sciences in Kumba/Kamerun<br />
Übung B 9. Den Lebensalltag bewältigen Seite 56<br />
Fragen zur Texterschließung:<br />
1. Notiere, welche Dinge von Nnokos Familie eingekauft werden<br />
sollen und warum.<br />
2.Warum ist der Vater beim Kakaopreis entrüstet? <strong>Was</strong> gibt der<br />
Händler als Grund für sein Verhalten an?<br />
3.Wie bringt der gesunkene Kakaopreis das Leben von Nnokos<br />
Familie durcheinander?<br />
4.Wenn nun weniger Geld erwirtschaftet werden konnte:Welche<br />
Dinge stehen an erster Stelle auf der Einkaufsliste? Führt ein<br />
Streitgespräch als Vater, Mutter, Nnoko und Tabe über eure Kaufwünsche.<br />
5.Wie würde ein Gespräch verlaufen zwischen Nnokos Familie und<br />
Dir und deiner Familie über<br />
?<br />
den Kakaopreis? Macht ein Rollenspiel!<br />
Zieht ggf. den Händler hinzu.<br />
6. Erkundigt Euch über „fairen Handel“, der den Produzenten höhere<br />
Preise zahlt und <strong>hier</strong> die Waren geringfügig teurer verkauft!<br />
Sucht in eurem Supermarkt oder im Weltladen fair gehandelte Produkte<br />
und diskutiert mit euren Eltern darüber (vgl. C 17).<br />
7. Leihen Sie sich die Kakaokiste aus (Bestelladressen über<br />
www.comenius.de, weiter bei Themen, Liste der Kisten und<br />
Koffer zum globalen Lernen) und entdecken Sie mit den Kindern<br />
spielerisch alles rund um den Kakao.