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Was heißt hier arm? (pdf) - Bildung trifft Entwicklung

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<strong>Was</strong> <strong>heißt</strong> <strong>hier</strong> <strong>arm</strong>? | Anregungen zur entwicklungspolitischen <strong>Bildung</strong>sarbeit des DED mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern<br />

Honduras<br />

Interview: <strong>Was</strong> sind für Sie Zeichen der<br />

Armut? <strong>Was</strong> sind Ihre Ängste, Ihre<br />

Wünsche?<br />

(von Claudia Erb)<br />

„Ein Zeichen für Armut ist, dass es keine Arbeit gibt<br />

und die Löhne zu gering sind.Außerdem gibt es für<br />

die <strong>arm</strong>en Stadtteile und Regionen keine Unterstützung<br />

von der Regierung. Politiker interessieren sich<br />

für diese Probleme nur im Wahlkampf.Wenn sie erst<br />

an der Regierung sind, veruntreuen sie das Geld, das<br />

für die Armen bestimmt ist.Auch zerrüttete Familien,<br />

von denen es viele in Honduras gibt, sind ein Zeichen für Armut:<br />

Die Väter verlassen die Familien oder die Eltern arbeiten viel, um die<br />

Familie ernähren zu können, und kümmern sich deshalb nicht ausreichend<br />

um die Kinder, die dann Jugendbanden beitreten, Drogen<br />

nehmen und zu Kriminellen werden. Ich bin beunruhigt. Die wirtschaftliche<br />

Situation ist sehr schlecht. Es gibt unterernährte Kinder,<br />

keine Arbeit, kleine Unternehmen gehen Pleite, die Leute haben<br />

kein Geld etc. Diese hoffnungslose Situation führt zu immer mehr<br />

Kriminalität und das Leben <strong>hier</strong> wird immer unsicherer.<br />

Mein dringendster Wunsch ist, dass Arbeitsplätze geschaffen werden<br />

und die Leute auf dem Land – ich bin auch vom Land – von ihren<br />

angebauten Produkten leben, ihre Kinder ernähren und in die Schule<br />

schicken können.“<br />

(Maria Crescencia Pineda, 53 Jahre alt, Haushaltsangestellte aus La Esperanza, Intibucá)<br />

„Ignoranz ist für mich ein Zeichen von Armut. In Honduras ist das<br />

<strong>Bildung</strong>sniveau eines Großteiles der Bevölkerung absolut mangelhaft.<br />

Konsequenz davon sind die niedrige Arbeitsproduktivität, soziale<br />

Degeneration – Alkoholismus, Korruption, Prostitution –, irrationaler<br />

Umgang mit natürlichen Ressourcen, schlechte Gesundheitsversorgung<br />

etc. Mit der Armut geht ein Anstieg von Gewalt, Kriminalität<br />

und Unsicherheit einher. Jugendbanden, Überfälle, Drogenkriminalität,<br />

organisiertes Verbrechen beeinträchtigen die Lebensqualität<br />

der Menschen sehr, bedrohen die „mentale“ Gesundheit der gesamten<br />

Gesellschaft und führen zu einem Werteverlust. Heutzutage gilt<br />

in Honduras: Rette sich wer kann!<br />

Mein dringendster Wunsch bezieht sich auf ein den Bedürfnissen<br />

der Menschen und der Gesellschaft angepasstes <strong>Bildung</strong>s- und Ausbildungssystem.<br />

Damit ließen sich sicherlich viele<br />

Probleme regeln. <strong>Bildung</strong> auch im Sinne von Bewusstmachung<br />

der Schwierigkeiten, Bereitschaft<br />

Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu übernehmen,<br />

Solidarität zu stärken. Unsere Schwierigkeiten<br />

werden wir nur gemeinsam lösen können…“<br />

(Nelly Belinda Falck, 40 Jahre alt,Architektin aus Tegucigalpa)<br />

Übung B 7. „Armut ist illegal!“ Seite 48<br />

„Armut. Ja,Armut verstehen wir <strong>hier</strong> in unserem<br />

Land immer besser. Und Zeichen von Armut gibt<br />

es immer mehr, vor allem, weil sich die Regierung<br />

nicht um die Schaffung neuer Arbeitsplätze bemüht.Viele<br />

Menschen wollen arbeiten, aber finden<br />

keine oder nur sehr schlecht bezahlte Stellen. Drei<br />

meiner Kinder haben die Schule abgeschlossen und sind seitdem arbeitslos<br />

oder machen Gelegenheitsjobs. Die Leute, die so wie ich,<br />

noch eine Stelle haben, müssen gut aufpassen, dass sie diese nicht<br />

verlieren, wenn sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien sichern<br />

wollen. Ich glaube, dass wir <strong>hier</strong> in Honduras nicht viel mehr<br />

Armut ertragen können.Aber die Reichen wollen nichts hergeben<br />

und die Armen werden immer ärmer.<br />

Ich habe Angst, plötzlich arbeitslos zu werden. Ohne meinen Lohn<br />

bleibt mir und meiner Familie nichts.Wie sollte ich dann das Essen<br />

und die Ausbildung meiner fünf Kinder bezahlen? Eine Zeitlang habe<br />

ich in einem Ministerium als Reinigungskraft gearbeitet.Als dann<br />

die neue Regierung kam, sind wir alle entlassen worden und mir<br />

blieb nichts anderes übrig, als gebrauchte Kleidung in den Dörfern<br />

zu verkaufen. Glücklicherweise habe ich nach ein paar Monaten<br />

wieder eine Stelle gefunden.Aber das wird natürlich mit zunehmendem<br />

Alter immer schwieriger: Hier in Honduras werden Frauen stark<br />

diskriminiert – mit 45 Jahren stellt einen schon niemand mehr ein.<br />

Ich wünsche mir, dass meine drei Söhne bald eine richtige Arbeit finden<br />

und die anderen beiden Kinder gut die Schule beenden und<br />

dann auch arbeiten können. Bei den geringen Löhnen reicht es ja<br />

auch nicht aus, wenn nur eine Person in der Familie arbeiten geht.<br />

Um etwas vorwärts zu kommen, müssten alle arbeiten.Aber bei der<br />

hohen Arbeitslosigkeit ist das natürlich sehr schwierig.“<br />

(Rosminda Baquedano, 43 Jahre alt, Hausfrau und Reinigungskraft aus Tegucigalpa)

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