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Skeide, O.: Nicht kompensierbare Faktoren, in - Maritz Research

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36<br />

<strong>Research</strong><br />

Erfassung nicht <strong>kompensierbare</strong>r <strong>Faktoren</strong> <strong>in</strong> der<br />

Kundenzufriedenheitsforschung<br />

Wie nehmen Kunden e<strong>in</strong> Unternehmen wahr<br />

und welche <strong>Faktoren</strong> s<strong>in</strong>d für ihre Zufriedenheit<br />

besonders wichtig? Oliver <strong>Skeide</strong> stellt am<br />

Beispiel des Mobiltelefonmarktes e<strong>in</strong> Verfahren<br />

vor, das auf dem „Penalty-Reward“-Modell ba-<br />

siert und misst, wie viele „Strafpunkte“ (Penal-<br />

ties) Kunden für <strong>in</strong>akzeptable Leistungen und wie<br />

viele „Bonuspunkte“ (Rewards) sie für herausra-<br />

gende Leistungen vergeben würden.<br />

esearch & esults 3 · 2011<br />

Modelle, die die Kundenzufriedenheit und ihre E<strong>in</strong>flussfaktoren<br />

abbilden, basieren üblicherweise auf l<strong>in</strong>earen kompensatorischen<br />

Ansätzen. Die E<strong>in</strong>flussfaktoren werden nach Bedeutsamkeit<br />

gewichtet und mit der für jeden Faktor erzielten Leistung multipliziert.<br />

Die Summe dieser Produkte ergibt dann die Zufriedenheit.<br />

Das heißt, wenn e<strong>in</strong> Unternehmen bei Attribut X schlecht abschneidet<br />

und bei Attribut Y hervorragende Werte erzielt, wird unter dem<br />

Strich die Gesamtzufriedenheit positiv ausfallen. Die schwache Leistung<br />

auf e<strong>in</strong>er Dimension kann durch die starke Leistung auf e<strong>in</strong>em<br />

anderen Gebiet ausgeglichen, also kompensiert werden. Doch entspricht<br />

diese Annahme der Realität?<br />

In Wirklichkeit erleben wir häufig, dass e<strong>in</strong>e besonders schlechte<br />

Leistung bereits ausreichen kann, um <strong>in</strong>sgesamt unzufrieden zu<br />

se<strong>in</strong>. Wie gut das Unternehmen auch auf anderen Dimensionen abschneidet<br />

– e<strong>in</strong> besonders negatives Ereignis verdirbt das gesamte<br />

wissen,<br />

was zählt<br />

Kundenerlebnis. Hier<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />

„nicht <strong>kompensierbare</strong>n“<br />

Faktor, den<br />

selbst die Addition aller<br />

guten Leistungen nicht wieder<br />

wettmachen kann. Natürlich<br />

ist dies auch im positiven S<strong>in</strong>ne<br />

möglich. Die außergewöhnliche<br />

Leistung auf nur e<strong>in</strong>er Dimension<br />

wiegt sämtliche Unzulänglichkeiten<br />

auf, die ebenfalls festgestellt wurden.<br />

Bessere Prognose als bei<br />

traditionellen Verfahren<br />

In diesem Beitrag stellen wir e<strong>in</strong> Verfahren vor, das auch nicht<br />

<strong>kompensierbare</strong> <strong>Faktoren</strong> berücksichtigt und somit e<strong>in</strong> wesentlich<br />

besseres Verständnis davon liefert, wie Kunden e<strong>in</strong> Unternehmen<br />

Fotos: © Ray, Benjam<strong>in</strong> Thorn – Fotolia.com


wahrnehmen. Von <strong>Maritz</strong> <strong>Research</strong> durchgeführte<br />

Validierungsstudien haben belegt,<br />

dass der Ansatz e<strong>in</strong>e deutlich höhere Prognosegüte<br />

hat als traditionelle Verfahren.<br />

Unternehmen s<strong>in</strong>d dadurch <strong>in</strong> der Lage zu<br />

erkennen, worauf es dem Kunden wirklich<br />

ankommt. Weitere Vorteile unseres Ansatzes<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

• Die Abfrage erfordert kaum zusätzliche<br />

Interviewzeit und ist für den Befragten<br />

e<strong>in</strong>fach und <strong>in</strong>tuitiv zu handhaben.<br />

• Die Modellierung erfolgt zunächst auf<br />

Individualbasis. Da nicht alle Kunden<br />

gleich s<strong>in</strong>d, ist nicht nur die Form der<br />

Analytik überlegen. Die gewonnene<br />

Datenbasis bildet zugleich auch e<strong>in</strong>e<br />

ideale Grundlage für darauf aufbauende<br />

Segmentierungen.<br />

Unser Ansatz beruht auf dem ursprünglich<br />

von Joffre Swait (1998) entwickelten „Penalty-Reward“-Modell.<br />

Zunächst bitten wir<br />

die Befragten um die Angabe ihrer Gesamtzufriedenheit.<br />

Dann fragen wir zufriedene<br />

oder begeisterte Personen, was ihnen besonders<br />

gefallen hat. Die unzufriedenen Kunden<br />

fragen wir, was so ärgerlich war, dass die<br />

Gesamterfahrung als negativ empfunden<br />

wurde. Für beides verwenden wir e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches<br />

Checklisten-Format, bei dem Befragte<br />

lediglich zustimmen müssen. Im Anschluss<br />

erfolgt die skalierte Beurteilung aller weiteren<br />

Leistungsattribute. Dabei werden nur<br />

Aspekte abgefragt, die im vorherigen Abschnitt<br />

nicht ausgewählt wurden. Somit ist<br />

gewährleistet, dass das Interview kompakt<br />

bleibt und e<strong>in</strong>en leicht zu folgenden Ab-<br />

lauf behält. In der Analyse stellen wir fest, welchen E<strong>in</strong>fluss<br />

die e<strong>in</strong>zelnen <strong>Faktoren</strong> auf die Zufriedenheit haben. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ermitteln wir, wie viele „Strafpunkte“ (Penalties)<br />

Kunden für <strong>in</strong>akzeptable Leistungen und wie viele „Bonuspunkte“<br />

(Rewards) sie für herausragende Leistungen vergeben<br />

würden.<br />

Wir erhalten somit:<br />

• Koeffizienten (Gewichtungen) für jedes Attribut,<br />

• e<strong>in</strong>e zusätzliche positive Gewichtung (Reward), wenn Be-<br />

fragte sagen, dass e<strong>in</strong> Attribut hervorragend war und zu e<strong>in</strong>em<br />

großartigen Erlebnis beigetragen hat,<br />

• e<strong>in</strong>e zusätzliche negative Gewichtung (Penalty), wenn Befragte<br />

Attribute anführen, die ihr Kundenerlebnis zerstört haben.<br />

Fallstudie aus dem<br />

Mobiltelefonmarkt<br />

E<strong>in</strong>e kürzlich von <strong>Maritz</strong> <strong>Research</strong> durchgeführte<br />

Studie im Mobiltelefonmarkt untersuchte<br />

die Kundenerfahrungen im E<strong>in</strong>zelhandelsumfeld<br />

der Anbieter. 300 Personen<br />

wurden direkt nach ihrem Besuch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Mobiltelefon-Shop befragt. Sie durchliefen<br />

e<strong>in</strong>en Fragebogen, anhand dessen wir<br />

im Rahmen unseres nicht kompensatorischen<br />

Modells die Gesamtzufriedenheit<br />

und Bewertungen für neun Attribute<br />

ermittelten. Mit e<strong>in</strong>er Kontrollgruppe<br />

von weiteren 300 Teilnehmern<br />

wurde e<strong>in</strong>e traditionelle<br />

Kundenzufriedenheitsuntersuchung<br />

durchgeführt, <strong>in</strong> der dieselben<br />

Attribute abgefragt wurden.<br />

Im Vergleich weisen die durch multiple<br />

Regression gewonnenen <strong>Faktoren</strong><br />

und jene unserer Penalty-Reward-Analyse<br />

<strong>Research</strong><br />

esearch & esults 3 · 2011<br />

Anzeige<br />

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<strong>Research</strong><br />

Attribut<br />

Verkäufer hatte die Infos, die<br />

ich brauchte<br />

deutliche Unterschiede auf. Im Penalty-Reward-Modell können wir<br />

drei E<strong>in</strong>flussfaktoren mit signifikanten Koeffizienten (blaue Zellen)<br />

feststellen (Abb. 1): Es s<strong>in</strong>d die Attribute „Verkäufer hatte die Infos,<br />

die ich brauchte“ (0,18), „Me<strong>in</strong> Telefon war vorrätig“ (0,07) und<br />

„Preis des Telefons“ (0,15). Die für die Kontrollgruppe (rote Zellen)<br />

im Rahmen der Standardmessung durchgeführte Regression ergibt<br />

ebenfalls drei signifikante Prädiktoren. Übere<strong>in</strong>stimmung besteht<br />

lediglich für das Attribut „Preis des Telefons“ (0,13). Die Regression<br />

weist die Attribute „Informationsmaterial“ (0,15) und „Freundlichkeit<br />

des Verkäufers“ (0,38) als signifikant aus, weicht also erheblich<br />

von der Penalty-Reward-Analyse ab.<br />

Doch welchen Ergebnissen ist nun zu vertrauen? E<strong>in</strong> Blick auf<br />

die Vorhersagewahrsche<strong>in</strong>lichkeit verrät es: Das Standardregressionsmodell<br />

der Kontrollgruppe weist bereits e<strong>in</strong> solides r 2 von 0,30<br />

auf, das Penalty-Reward-Modell besitzt jedoch e<strong>in</strong> überzeugendes<br />

r 2 von 0,65.<br />

Das Penalty-Reward-Modell liefert zudem auch Erkenntnisse darüber,<br />

welche Attribute das Erlebnis perfekt machen oder „ru<strong>in</strong>ieren“<br />

können. Wir erkennen, dass vier Aspekte erhebliches Potenzial<br />

besitzen, die Gesamterfahrung positiv zu gestalten, was von jeweils<br />

rund e<strong>in</strong>em Drittel so gesehen wurde. Die entsprechenden Bonuswerte<br />

rangieren im moderaten Bereich von 0,17 für „Professionalität<br />

des Verkäufers“ bis 0,26 für „Me<strong>in</strong> Telefon war vorrätig“.<br />

Auf der anderen Seite lassen sich fünf kritische <strong>Faktoren</strong> feststellen:<br />

„Verkäufer hatte die Infos, die ich brauchte“, „schnelle Bedienung“,<br />

„me<strong>in</strong> Telefon war vorrätig“, „Verb<strong>in</strong>dungstarife“ und „Informationsmaterial“.<br />

Das Attribut „Verkäufer hatte die Infos, die<br />

ich brauchte“ ist besonders relevant. Bei 33 Prozent der Befragten<br />

wurde hier die Kundenerfahrung nachhaltig bee<strong>in</strong>trächtigt, bei moderat<br />

hohen Strafpunkten. Bei den übrigen vier „heiklen“ Attributen<br />

ist der Anteil an Nennungen zwar ger<strong>in</strong>g, der Strafwert jedoch eher<br />

hoch. So wird beispielsweise das Attribut „schnelle Bedienung“ nur<br />

esearch & esults 3 · 2011<br />

Koeffizient<br />

nach<br />

Standard-<br />

regression<br />

Koeffizient<br />

nach nicht kompensatorischer<br />

Analyse<br />

Anteil der Befragten,<br />

denen das Attribut<br />

das Gesamterlebnis<br />

perfektionierte (<strong>in</strong> %)<br />

Reward<br />

(Bonuswert)<br />

Anteil der<br />

Befragten, denen<br />

das Attribut das<br />

Gesamterlebnis<br />

ru<strong>in</strong>erte (<strong>in</strong> %)<br />

von sechs Prozent der Befragten als besonders negativ wahrgenommen.<br />

Der Strafwert aber ist mit 0,96 der mit Abstand höchste der gesamten<br />

Befragung.<br />

Die wahren Treiber erkennen<br />

Das nicht kompensatorische Penalty-Reward-Modell von <strong>Maritz</strong> <strong>Research</strong><br />

bietet wertvolle Erkenntnisse darüber, was e<strong>in</strong> Kunde wahrnimmt<br />

und worauf es ihm wirklich ankommt. Dieses <strong>in</strong>novative<br />

Verfahren ermöglicht es uns, nicht nur die wahren Treiber der Zufriedenheit<br />

zu erkennen, sondern auch die Attribute zu identifizieren,<br />

die das Kundenerlebnis zum Top oder zum Flop werden lassen.<br />

Diese nicht <strong>kompensierbare</strong>n <strong>Faktoren</strong> zukünftig zu ignorieren,<br />

würde bedeuten, weniger zufriedene Kunden <strong>in</strong> Kauf zu nehmen<br />

und schlussendlich auf mögliche Gew<strong>in</strong>ne zu verzichten. ■<br />

Mehr Fachartikel zum Thema<br />

„Kundenzufriedenheit” unter<br />

www.research-results.de/fachartikel<br />

Oliver <strong>Skeide</strong><br />

verantwortet bei <strong>Maritz</strong> <strong>Research</strong> als <strong>Research</strong> Director<br />

branchenübergreifend die Ad-hoc-Forschung für Kunden<br />

des Institutes <strong>in</strong> Deutschland.<br />

www.maritzresearch.de<br />

Penalty<br />

(Strafwert)<br />

0,18 33 -0,40<br />

Me<strong>in</strong> Telefon war vorrätig 0,07 31 0,26 5 -0,68<br />

Preis des Telefons 0,13 0,15<br />

Verb<strong>in</strong>dungstarife 4 -0,48<br />

Informationsmaterial 0,15 30 0,25 1 -0,64<br />

Freundlichkeit des Verkäufers 0,38 39 0,22<br />

Professionalität des Verkäufers 34 0,17<br />

Schnelle Bedienung 6 -0,96<br />

Abb. 1 Quelle: <strong>Maritz</strong> <strong>Research</strong>

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