AVE 3/2010
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Loch, schöpft Wasser, kann es jedoch<br />
nicht trinken. Erst beim<br />
vierten Versuch vermag sie das<br />
Schlammwasser zu trinken, damit<br />
wir es heute, jetzt in dieser<br />
Stunde trinken können. Abt Benedikt<br />
Müntnich vom Kloster<br />
Maria Laach schreibt im Zusammenhang<br />
mit dem Widerwärtigen<br />
in der Nachfolge des hl. Benedikt:<br />
«Es versteht sich von<br />
selbst, dass solches Dienen mit<br />
Widerwärtigem verbunden ist,<br />
wie die Fusswaschung im Abendmahlssaal<br />
auch keine angenehme<br />
Handlung war. Dienen nach<br />
dem Beispiel Christi hat immer<br />
diese Dimension des Niedrigen,<br />
wie der Bericht des Johannesevangeliums<br />
zeigt: Jesus «stand<br />
vom Mahl auf, legte sein Gewand<br />
ab (von je her ein Symbol<br />
Glaube<br />
der Selbsterniedrigung) und umgürtete<br />
sich mit einem Leinentuch.<br />
Dann goss er Wasser in<br />
eine Schüssel und begann, den<br />
Jüngern die Füsse zu waschen<br />
und sie mit dem Leinentuch abzutrocknen».»<br />
Lässt sich diese Szene nicht in<br />
Lourdes wieder und wieder sehen<br />
– bis heute. Bernadette hat<br />
sich in die Schule von Jesus<br />
Christus rufen lassen. Widerwärtigkeiten<br />
galt es sozusagen am<br />
Laufmeter zu ertragen, doch es<br />
waren Widerwärtigkeiten die<br />
Rosen tragen. Wie heisst es so<br />
treffend: Geduld bringt Rosen –<br />
aber auch diese haben Dornen!<br />
Doch dabei gilt es eines zu beachten.<br />
Wir können Widerwärtiges<br />
niemals von uns selbst heraus<br />
ertragen. Es ist einzig und allein<br />
die Kraft Christi, die uns dazu<br />
verhilft. Auch dafür scheint mir<br />
Bernadette nun wirklich ein<br />
leuchtendes Beispiel zu sein. Des<br />
weiteren erkennen wir klar, dass<br />
wir in diese Fähigkeit hineinwachsen<br />
müssen und es auch<br />
können. Benedikt wie auch Bernadette<br />
lehren uns die Widerwärtigkeiten<br />
als eine Sache des<br />
Alltags. Das Klosterleben wie<br />
auch unseren Dienst an der Wallfahrt<br />
– sei es als Pilger oder als<br />
Helfer – werden oft mit einem<br />
gewissen Enthusiasmus begonnen.<br />
Aber dann wird es auf einmal<br />
alltäglich, normal und wir<br />
erfahren, dass das Zusammenleben,<br />
das gemeinsame Wallfahren,<br />
der Dienst am Nächsten gar<br />
nicht so leicht ist. Wer sich aber<br />
diesem Alltag stellt, der wächst in<br />
der Liebe und dem wird das Herz<br />
weit, wie es an Bernadette und<br />
Benedikt geschehen ist.<br />
9<br />
Es ist sicherlich gut, ja sehr gut,<br />
wenn wir heutzutage gegenüber<br />
gezielten Demütigungen und eigenem<br />
Klein-Sein-Wollen vorsichtig<br />
geworden sind. Doch<br />
sollten wir – und das zeigt gerade<br />
auch Lourdes – nicht vergessen,<br />
dass die biblisch-geistliche<br />
Tradition der Widerwärtigkeit<br />
gewissermassen als «Ort» der<br />
Gottesbegegnung verstanden<br />
werden darf. Bei Benedikt stehen<br />
sie ganz klar im Kontext der<br />
Gottsuche. Er schreibt: «Man<br />
achte genau darauf, ob der Novi-<br />
«Ein Beispiel habe<br />
ich euch gegeben, damit<br />
auch ihr so handelt,<br />
wie ich an euch<br />
gehandelt habe.»<br />
ze wirklich Gott sucht, ob er Eifer<br />
hat für den Gottesdienst, ob<br />
er bereit ist zu gehorchen und<br />
ob er fähig ist, Widerwärtiges zu<br />
ertragen.» Und bei Bernadette<br />
genau so. Dazu sei vielleicht<br />
nochmals an die erste Erscheinung<br />
erinnert. Françoise Vayne<br />
schreibt: «Bei der ersten Begegnung<br />
schien ‹Aquero› Bernadette<br />
das Wenige nehmen zu wollen,<br />
was sie zu kennen glaubte, ihr<br />
Kreuzzeichen! Sie konnte es<br />
nicht einmal mehr machen. Und<br />
dabei musstest du schon auf so<br />
viel verzichten.» Doch dann<br />
schenkte sie dir – durch die Widerwärtigkeit<br />
hindurch – ein<br />
neues Kreuzzeichen. «Es ist so<br />
schön, so gross und eindringlich,<br />
dass es deine erste stille Predigt<br />
war, die das Herz derjenigen veränderte,<br />
die es sahen.»