AVE 3/2010
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Frage nach dem Menschen, der<br />
auf Gottes heiligem Berg wohnen<br />
darf. Die Antwort gibt Benedikt<br />
mit Psalm 15: «Der seinem<br />
Freund nichts Böses antut und<br />
seinen Nächsten nicht schmäht»<br />
(obprobrium). Schmähungen gegenüber<br />
anderen werden entschieden<br />
verurteilt. Wer das tut, darf<br />
nicht auf Gottes heiligem Berg<br />
wohnen; der gehört nicht Gott<br />
an.<br />
Diese beiden Stellen rücken den<br />
richtig verstandenen Zugang zu<br />
den Widerwärtigkeiten unseres<br />
Alltags ins rechte Licht. Es gibt<br />
demnach ganz klar solche, die<br />
haben mit Gott zu tun und ihnen<br />
dürfen wir nicht ausweichen.<br />
Doch es gibt auch solche,<br />
die tun Menschen sich in ihrer<br />
Bosheit an und das ist unbedingt<br />
zu verurteilen. Hier ist freilich<br />
noch zu sagen, dass Gott auch<br />
über das, was Menschen einander<br />
antun, unser Heil wirken<br />
kann. Doch Benedikt zielt in<br />
eine andere Richtung, die uns<br />
vom hl. Basilius überliefert ist.<br />
Dort heisst es: Ob sie «bereit seien<br />
zu aller Demut und ohne<br />
Scheu die einfachsten und niedrigsten<br />
Arbeiten übernehmen,<br />
wenn die Vernunft es einfordert».<br />
Benedikt und Basilius<br />
wollten also von einem jungen<br />
Mann wissen, der ins Kloster<br />
eintreten wollte, ob er zu Diensten<br />
bereit ist, die «Weltleute»<br />
nicht als passend und standesgemäss<br />
ansahen. Damit ist nichts<br />
anderes als unser Ehrgefühl angesprochen.<br />
So etwas tue ich doch<br />
nicht. In der damaligen Zeit: Dafür<br />
gibt es Sklaven! Und für uns<br />
heute: Schliesslich bin ich Akademiker,<br />
oder: Meine Qualifika-<br />
Glaube<br />
tion lässt das nicht zu! Allein in<br />
dieser Blickrichtung sah und<br />
sieht Benedikt die Aussage, «ob<br />
er bereit ist, Widerwärtiges zu ertragen».<br />
Und diese Blickrichtung<br />
lässt uns unweigerlich auf Jesus<br />
blicken, auf die Fusswaschung<br />
im Abendmahlssaal. Zu den Jüngern<br />
sagt er: «Ein Beispiel habe<br />
ich euch gegeben, damit auch ihr<br />
so handelt, wie ich an euch gehandelt<br />
habe» (Joh 13). Hier führt<br />
uns Benedikt in die Schule von<br />
Jesus Christus. Er allein ist unser<br />
Lehrer und dieser Lehrer ist uns<br />
im Beispiel vorangegangen.<br />
Ist uns in diesem Beispiel nicht<br />
auch die hl. Bernadette vorangegangen?<br />
Ist sie uns nicht auch<br />
eine Schule, die uns Jesus zeigt?<br />
Ist sie uns nicht eine «authentica»,<br />
die uns Jesus geradezu erspü-<br />
8<br />
ren, erahnen lässt. Unweigerlich<br />
werden wir bei dieser Betrachtung<br />
an jene Erniedrigung, an jene<br />
Schmach der neunten Erscheinung,<br />
am Morgen des 25. Februar<br />
1858 erinnert. Während das<br />
versammelte Volk den Rosen-<br />
kranz betet, erscheint die schöne<br />
Dame und fordert Bernadette<br />
auf: «Würde es Ihnen etwas ausmachen,<br />
für die Sünder die Erde<br />
zu küssen, für die Sünder auf den<br />
Knien zu rutschen und von diesem<br />
Gras hier zu essen. Trinken<br />
Sie aus der Quelle und waschen<br />
Sie sich darin.» Bernadette tut all<br />
das, was ihr die schöne Dame<br />
eingibt. Sie will auch zur Gave<br />
gehen, um Wasser zu trinken.<br />
Doch für diese Geste verweist sie<br />
die Muttergottes unter den Felsen.<br />
Dort gräbt Bernadette ein