Geschichte - Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh eG
Geschichte - Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh eG
Geschichte - Wohnungsbaugenossenschaft Wilhelmsruh eG
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<strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.
<strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.
Danksagung<br />
Wir danken allen Mitgliedern und Mitarbeitern der <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. für ihre Unterstützung sowie die zur<br />
Verfügung gestellten Dokumente und Fotos. Besonderer Dank gilt den<br />
zahlreichen Interviewpartnern, die wichtige Informationen zur genossenschaftlichen<br />
Entwicklung gaben und mit ihren Anregungen halfen, diese<br />
Veröffentlichung zu beleben.<br />
©<strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong> <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.<br />
Wackenbergstraße 92<br />
13156 Berlin<br />
Tel.: (0 30) 9 16 58 91<br />
Fax: (0 30) 9 16 52 44<br />
e-mail: info@wbg-wilhelmsruh.de<br />
Internet: www.wbg-wilhelmsruh.de<br />
Gesamtkonzeption und Texte:<br />
Renate Amann und Barbara von Neumann-Cosel<br />
Redaktion: Sabine Zillmann, WBG <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.<br />
Gestaltung: Uwe Rogal, Berlin<br />
Druck: allprintmedia GmbH, Berlin
Inhalt<br />
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
Rückblick auf genossenschaftliche Wurzeln . . . . . . 6<br />
Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB –<br />
Ein Trägerbetrieb mit <strong>Geschichte</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Anfänge in <strong>Wilhelmsruh</strong> –<br />
Gründung der AWG Bergmann-Borsig<br />
und erste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Chronik der <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
Das Wohngebiet <strong>Wilhelmsruh</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Das Wohngebiet Niederschönhausen . . . . . . . . . . . 18<br />
Das Wohngebiet Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Die Zeit nach 1990<br />
Neuanfang und Modernisierung unter marktwirtschaftlichen<br />
Vorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Die <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Das genossenschaftliche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
3
4<br />
Vorwort<br />
50<br />
Jahre <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.!<br />
Dies ist natürlich ein Grund zum<br />
Feiern. Darüber hinaus ist es aber<br />
auch ein Anlass zum Rückblick<br />
auf Vergangenes in unserer Genossenschaftsgeschichte,<br />
die<br />
am 03. 05. 1956 mit der Gründung<br />
der AWG Bergmann-Borsig<br />
begann. Die vorliegende Festschrift<br />
zeigt wesentliche Entwicklungsetappen<br />
auf: von den<br />
Anfängen in der frühen DDR mit<br />
dem Bau der ersten, traditionell<br />
errichteten Wohnhäuser in <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
über die Entstehung<br />
größerer Siedlungszusammenhänge<br />
und Erprobung industrieller<br />
Fertigungsweisen in Niederschönhausen<br />
und Buch bis zur<br />
Wandlung zum eigenständigen<br />
Wohnungsunternehmen nach der<br />
deutschen Wiedervereinigung.<br />
Da <strong>Geschichte</strong> ohne Menschen<br />
nicht denkbar ist, sollten auch<br />
die Mitglieder zu Wort kommen,<br />
die mit tatkräftiger baulicher und<br />
finanzieller Unterstützung zum<br />
Aufbau beigetragen haben und<br />
die <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. bis heute prägen.<br />
Ihnen allen sei Dank für die<br />
aktive Mitarbeit, auch wenn in diesem<br />
Rahmen nur ein kleiner Teil<br />
der Gespräche wiedergegeben<br />
werden konnte.<br />
Mit Stolz kann sich die Genossenschaft<br />
heute als modernes und solides<br />
Unternehmen präsentieren.<br />
Der größte Teil der Bestände hat<br />
die umfassenden Instandsetzungs-<br />
und Modernisierungsarbeiten<br />
erfolgreich hinter sich, die weiteren<br />
Schritte sind bereits fest<br />
eingeplant. Die moderaten Nutzungsgebühren<br />
stellen ebenfalls<br />
eine wichtige Vertrauensgrundlage<br />
in die Sicherheit und Qualität des<br />
genossenschaftlichen Wohnens<br />
dar – eine Leistung, die besonders<br />
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten<br />
wieder zunehmende Wertschätzung<br />
erfährt.<br />
Darüber hinaus zählt die Förderung<br />
des gemeinschaftlichen miteinander<br />
Lebens zu den zentralen<br />
Anliegen der WBG <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
e.G.<br />
In enger Zusammenarbeit zwischen<br />
Aufsichtsrat, Vorstand und<br />
Vertretern werden die Belange der<br />
Genossenschaft besprochen und<br />
ausgewogene Entscheidungen<br />
getroffen.<br />
Zusätzlich engagiert sich der<br />
Seniorenbeirat durch die Organisation<br />
regelmäßiger Treffen und
Besuche bei unseren Jubilaren<br />
dafür, dass keines der älteren<br />
Mitglieder in Vergessenheit gerät.<br />
Gleichzeitig sehen wir in der Unterstützung<br />
der Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen ein sehr wichtiges<br />
Aufgabenfeld – so geschehen<br />
in der jährlichen aktiven<br />
Teilnahme am <strong>Wilhelmsruh</strong>er Kinderfest<br />
sowie in der Förderung von<br />
Jugendsektionen in Sportvereinen.<br />
So kann das wirtschaftlich und<br />
sozial gut aufgestellte Mitgliederunternehmen<br />
mit Zuversicht in die<br />
Zukunft blicken. Der Grundstock<br />
für die Bewahrung und sukzessive<br />
weitere qualitative Aufwertung des<br />
Wohnungsbestandes ist gelegt<br />
und wird entsprechend des historischen<br />
genossenschaftlichen<br />
Grundsatzes „Vereinte Kraft leicht<br />
Großes schafft“ auch künftig Bestand<br />
haben.<br />
Hans Schott Jörg Kleeßen<br />
Kaufmännischer Vorstand Technischer Vorstand<br />
5
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
6<br />
Rückblick<br />
auf genossenschaftliche Wurzeln<br />
D<br />
er Standort Berlin stellt seit über<br />
120 Jahren Ausgangspunkt von<br />
genossenschaftlichen Reformbemühungen<br />
dar. Schon im frühen<br />
20. Jahrhundert hatte sich in<br />
der damaligen Reichshauptstadt<br />
eine breite Vielfalt an unterschiedlichen<br />
Richtungen und<br />
Ausprägungen herausgebildet,<br />
die von Spar- und Bauvereinen<br />
über Beamtengenossenschaften<br />
bis zu oppositionellen Siedlergruppierungen<br />
reichte. Allen<br />
gemeinsam war das Bemühen,<br />
eine Alternative zur berühmt berüchtigten<br />
„Mietskasernenstadt“<br />
zu entwickeln, die für sozial benachteiligte<br />
Bevölkerungskreise<br />
bislang nur Wohnungsnot, Mietwucher,<br />
fehlende Bewohnerrechte,<br />
Substandards und minderwertige<br />
Architektur bedeutet<br />
hatte.<br />
Erst das baugenossenschaftliche<br />
Modell war hier in der Lage, die<br />
demokratische Teilhabe der Mitglieder,<br />
ihre Selbsthilfepotenziale<br />
und den solidarischen Gemeinschaftssinn<br />
dauerhaft zu festigen.<br />
Darüber hinaus beinhaltete<br />
es neben der baulichen und hygienischen<br />
Verbesserung der<br />
Wohnverhältnisse die Förderung<br />
von Bildung und Kultur, von wirtschaftlichem<br />
Engagement bis zu<br />
besonderen Beiträgen im Städtebau,<br />
die die frühen Siedlungen zu<br />
„Reformoasen im steinernen<br />
Meer“ der Großstadtwüste<br />
machten.<br />
In der Ära der Weimarer Republik<br />
wirkten die Genossenschaften an<br />
den bekannten Siedlungen des<br />
„Neuen Bauens“ mit und erhielten<br />
dafür internationale Anerken-<br />
1908 errichtete Wohnanlage des Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin in Niederschönhausen<br />
nung. Diese genossenschaftlichen<br />
Höhepunkte fanden jedoch durch<br />
den Nationalsozialismus ein jähes<br />
Ende, der aus den selbständigen<br />
Unternehmen schon kurz nach<br />
1933 „gleichgeschaltete“ Organe<br />
machte und die Vereinheitlichung<br />
aller selbstverwalteten genossenschaftlichen<br />
Einrichtungen vorantrieb.<br />
Mit Gründung zweier deutscher<br />
Staaten 1949 wurde in Berlin die<br />
bestehende genossenschaftliche<br />
Wohnungswirtschaft auf den<br />
Westteil verwiesen. In der Hauptstadt<br />
der DDR kam es dagegen zu<br />
eigenen genossenschaftlichen Ansätzen,<br />
als 1953 im Zuge der Politik<br />
des „Neuen Kurses“ nach<br />
Wegen zur Produktionssteigerung<br />
von Konsumgütern und Wohnungen<br />
gesucht wurde.<br />
Zeitgenössisches Werbeplakat für das Nationale<br />
Aufbauwerk
Die sozialistische Variante der<br />
Genossenschaftsidee kombinierte<br />
finanzielle und bauliche Eigenleistungen<br />
der Mitglieder mit betrieblicher,<br />
gewerkschaftlicher und<br />
umfangreicher staatlicher Unterstützung,<br />
grenzte sich aber bewusst<br />
von den Alt-Genossenschaften<br />
ab. Im Dezember 1953<br />
wurde die erste „Verordnung über<br />
die Zulassung der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft<br />
(AWG)<br />
als freiwilliger Zusammenschluss<br />
von Arbeitern, Angestellten und<br />
Angehörigen der Intelligenz zum<br />
genossenschaftlichen Bau und der<br />
Erhaltung von Wohnungen“ verabschiedet.<br />
Angesichts von Trümmerlandschaften<br />
im Nachkriegsberlin stellte<br />
sich der Wohnungsbau als enorme<br />
Herausforderung dar. Neben<br />
bautechnischen Neuerungen, die<br />
von der deutschen Bauakademie<br />
in Hinblick auf Typisierung und<br />
Standardisierung betrieben wurden,<br />
rückte die AWG vor allem<br />
die Selbsthilfepotenziale der Bewohner<br />
in den Mittelpunkt.<br />
Das neue, sozialistische Genossenschaftsmodell<br />
trat bald einen<br />
Siegeszug an. Bereits zum Ende<br />
1954 existierten in der gesamten<br />
DDR 270 Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften<br />
mit mehr als<br />
12 000 Mitgliedern. 1958 waren<br />
es schon 740 mit 74 000 Genossenschaftern.<br />
Auch in Berlin setzte eine umfangreiche<br />
Gründungswelle ein.<br />
Zum Vorreiter wurde die am<br />
30. 4. 1954 ins Leben gerufene<br />
AWG „1. Mai“ (heute: <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
„Köpenick<br />
Nachweisheft für abgeleistete Stunden<br />
im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes<br />
Nord“ e. G.). Gerade zu Beginn<br />
war die Bindung an den jeweiligen<br />
Trägerbetrieb prägend.<br />
Dabei dominierten zunächst die<br />
staatlich besonders geförderten<br />
Bereiche des Maschinenbaus,<br />
der Energie und des Bauwesens.<br />
In den nächsten Jahren kamen<br />
in rascher Folge weitere Bereiche<br />
der Dienstleistungen sowie<br />
Forschungseinrichtungen hinzu.<br />
Im nördlichen Bezirk Pankow<br />
hatten sich erste Initiativen ab<br />
Mitte der 50er Jahre gebildet.<br />
Dazu zählten der Verlag „Neues<br />
Deutschland“, der Rat Pankow<br />
und später das Klinikum Buch.<br />
Aber auch bereits bestehende<br />
Genossenschaften wie die AWG<br />
„Neues Leben“, „Junge Garde“,<br />
„Reichsbahn“ oder „DPF“ bauten<br />
hier einzelne Wohnhäuser.<br />
Briefkopf des Trägerbetriebs der AWG Bergmann<br />
Borsig<br />
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
7
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
8<br />
Von Bergmann über Bergmann-Borsig zu ABB –<br />
Ein Trägerbetrieb mit <strong>Geschichte</strong><br />
D<br />
er Geheimrat Siegmund Bergmann<br />
gründete 1891 die „Handelsgesellschaft<br />
Siegmund Bergmann<br />
und Co.“ in der Weddinger<br />
Seestraße. Zwei Jahre später erfolgte<br />
die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft<br />
mit dem Namen<br />
„S. Bergmann & Co. Fabrik für Isolierleitungsrohre<br />
und Spezial-Installations-Artikel<br />
für elektrische<br />
Anlagen in Berlin“. Gleichzeitig<br />
wurden Zweiglager bzw. Vertretungen<br />
in Österreich, Holland, Dänemark,<br />
Schweden, Norwegen,<br />
Russland und Frankreich errichtet.<br />
Turbinenfertigung in der Halle 16 des Bergmann-Borsig-Werkes<br />
Zum Schwerpunkt entwickelte sich<br />
die Ausrüstung von Kriegsschiffen<br />
der Kaiserlichen Marine.<br />
1897 erfolgte die Gründung der<br />
„Bergmann-Elektromotoren- und Dynamowerke,<br />
Aktiengesellschaft“, die<br />
1900 mit dem bestehenden Unternehmen<br />
zur „Bergmann-Elektricitäts-<br />
Werke, AG“ vereinigt wurde. Im Zuge<br />
der Randwanderung der Berliner<br />
Schwerindustrie verlegte man ab<br />
1907 die Produktion schrittweise<br />
nach Rosenthal/Wilhemsruh und<br />
richtete am Ende der damaligen Lindenallee<br />
(heute Hertzstraße) die Geschäftsstelle„Elektricitätsgesellschaft<br />
für Kriegs- und Handelsmarine<br />
m.b.H.“ ein. Nach dem Neubau eines<br />
Metallwerks kamen weitere Werksanlagen<br />
für den Bau und die Ausrüstung<br />
elektrischer Straßen- und Überlandbahnen<br />
sowie elektrischer Lokomotiven<br />
hinzu. 1909 konnte die Eröffnung<br />
der neuen Kabelfabrik gefeiert werden,<br />
so dass nun auch die Fabrikation<br />
von „Dampfturbinen eigener Konstruktion“<br />
am Standort <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
stattfand. Im Ersten Weltkrieg beteiligte<br />
sich die Firma Bergmann an der<br />
„Kriegsmetall AG“, was die Umsätze<br />
weiter steigen ließ.
Während der 20er Jahre sicherten<br />
vor allem sowjetische Aufträge in<br />
der Großmaschinenfertigung die<br />
Arbeitsplätze der Beschäftigten.<br />
Das Schicksal des florierenden Betriebs<br />
schien im Zweiten Weltkrieg<br />
besiegelt, als die Werksgebäude<br />
1959 entstandenes Foto von Arbeitskollegen der Halle 16<br />
Ziel alliierter Luftangriffe wurden<br />
und dabei 75 % an Zerstörungen<br />
zu verzeichnen waren. 1949 kam<br />
es zur Neugründung als VEB<br />
Bergmann-Borsig, da nach Stilllegung<br />
der Borsig-Werke im<br />
Westberliner Stadtteil Tegel zahl-<br />
reiche Mitglieder der dortigen Belegschaft<br />
übernommen wurden und<br />
deshalb nun der traditionsreiche<br />
Name Borsig im Firmensignet weiter<br />
geführt wurde.<br />
Ab 1951 konnte die Produktion des<br />
Turbinenbaus wieder aufgenommen<br />
werden. Der Betrieb spezialisierte<br />
sich zunehmend auf die Ausrüstung<br />
von Kraftwerken und bot eine wachsende<br />
Zahl von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.<br />
Mit dem Ziel der betriebsnahen<br />
Wohnungsversorgung<br />
erhielt die Bildung der AWG Bergmann-Borsig<br />
1956 eine zentrale<br />
Bedeutung.<br />
Durch den Bau der Berliner Mauer<br />
im August 1961 wurde das unmittelbar<br />
im Grenzbereich gelegene Werk<br />
auch von der bisherigen S-Bahn-<br />
Anbindung abgeschnitten. Nach<br />
1990 erfolgten erste Kooperationsvereinbarungen<br />
zur Bildung eines<br />
Konsortiums mit der ABB (Asea<br />
Brown Boveri AG), die 1991 den Betrieb<br />
übernahm. Unter Einsatz eines<br />
umfangreichen Restrukturierungsprogramms<br />
sowie der Einführung<br />
neuer Technologien kam es 1993 zur<br />
Umbenennung in „ABB Kraftwerke<br />
Berlin GmbH“. Angesichts internationaler<br />
Überkapazitäten auf dem<br />
Stromerzeugungsmarkt gab die<br />
ABB zum Ende 2004 die Dampfkraftwerk-Produktion<br />
auf. Dabei<br />
wurde die Zahl der Arbeitsplätze von<br />
ehemals über 4 500 auf derzeit nur<br />
noch 300 reduziert.<br />
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
9
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
10<br />
Anfänge in <strong>Wilhelmsruh</strong> –<br />
Gründung der AWG Bergmann-Borsig<br />
und erste Entwicklungen<br />
Blick auf die <strong>Wilhelmsruh</strong>er Kirche, 1962<br />
D<br />
er kleine Stadtteil <strong>Wilhelmsruh</strong>,<br />
1956 Geburtsort der AWG Bergmann-Borsig,<br />
blickte bereits auf<br />
eine längere Vorgeschichte zurück.<br />
Als südliche Erweiterung des im<br />
13. Jahrhundert gegründeten Dorfes<br />
Rosenthal wurde hier 1893 die<br />
Villenkolonie <strong>Wilhelmsruh</strong> errichtet.<br />
Die ersten Häuser im Gründerzeit-<br />
und Jugendstil entstanden<br />
entlang der heutigen Hauptstraße,<br />
es folgte der Bau der Lutherkirche<br />
1905/06 mit Pfarrhaus und einem<br />
Kindergarten. 1908 wurde die Gemeindeschule<br />
eingeweiht. Zu dieser<br />
Zeit wies <strong>Wilhelmsruh</strong> etwa<br />
600 Einwohner auf, nach Verlegung<br />
der Bergmann AG wuchs die<br />
Zahl bald auf über 3 000 an.<br />
Über die Ortsbezeichnung gibt es<br />
verschiedene Deutungen. So<br />
könnte sie einerseits direkt auf Kaiser<br />
Wilhelm I zurückgehen, der hier<br />
gern ausgeritten sein soll. Aber<br />
auch zwei weitere Namensgeber<br />
werden in Erwägung gezogen: ein<br />
gewisser Wilhelm Burde, der dem<br />
Haus- und Grundbesitzerverein<br />
angehörte oder auch Wilhelm<br />
Grande, Restaurantbesitzer des<br />
„Seebad <strong>Wilhelmsruh</strong>“. Ungeachtet<br />
der genauen Ursprünge lebt der<br />
traditionsreiche Name auch in der<br />
1992 umbenannten <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong><br />
e. G. weiter.<br />
Die Gründung des VEB Bergmann-<br />
Borsig im Jahr 1949 setzte nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang<br />
und ließ die Bedeutung von<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> wieder überregional<br />
zunehmen. Eine wachsende Zahl<br />
von Arbeitssuchenden fand hier<br />
Beschäftigung, sodass auch die<br />
Wohnungsnachfrage dementsprechend<br />
stark anstieg. Vor dem<br />
Hintergrund der dramatischen Situation<br />
im zerstörten Berlin erwies<br />
sich daher das Modell der AWG,<br />
das innerhalb von nur drei Jahren<br />
die Aussicht auf eine Neubauwohnung<br />
in Nähe des Arbeitsplatzes<br />
ermöglichte, als überzeugende Alternative<br />
zur kommunalen Wohnungsversorgung<br />
mit deutlich längeren<br />
Wartezeiten.<br />
„Ich habe bei Bergmann-Borsig ab<br />
1952 Spitzendreher gelernt und mich<br />
später zum Karusselldreher qualifiziert…<br />
Die AWG-Gründung hatte sich<br />
im Betrieb herumgesprochen. Es war<br />
zwar damals nicht üblich, dass man<br />
für eine Wohnung bezahlen und dann<br />
noch selbst dafür arbeiten musste.<br />
Das hat erst einmal eine ganze<br />
Menge Leute abgeschreckt. Doch<br />
dann haben wir gesagt: ‚Machen wir<br />
es doch auch‘.“
Auch wenn bei vielen Interessenten<br />
zunächst noch Skepsis gegenüber<br />
der neuen Idee und dem erforderlichen<br />
Einsatz an Geld und<br />
Arbeitsstunden bestand, gingen<br />
die ersten Mitglieder dennoch<br />
voller Elan an den Aufbau ihrer<br />
Genossenschaft.<br />
Am 3. Mai 1956 kam es schließlich<br />
zur Gründungsversammlung der<br />
AWG Bergmann-Borsig. Viele Mitglieder<br />
der ersten Stunde arbeiteten<br />
als Kollegen in der zentralen<br />
„Halle 16“. Neben dem Hauptträ-<br />
Erweiterungsbau der Geschäftsstelle in der Fontanestraße 48 (Hof)<br />
gerbetrieb gab es eine weitere<br />
Zahl kleinerer Betriebe, die mit ihren<br />
Mitgliedern angeschlossen waren.<br />
Die Geschäftsstelle befand sich zunächst<br />
im Werk und zog erst später<br />
– im Zuge wachsenden Verwaltungsaufwands<br />
– in ein separates<br />
Haus in der Fontanestraße 48<br />
um.<br />
Nachdem die ersten Baumaßnahmen<br />
in der nahegelegenen Lessingstraße<br />
1957–59 noch in Eigenregie<br />
durchgeführt werden konnten,<br />
wurde ab den 60er Jahren die Autonomie<br />
der jungen AWG zunehmend<br />
eingeschränkt. Die Abläufe waren<br />
nun klar arbeitsteilig geregelt: Der<br />
Stadtbezirk Pankow bestimmte die<br />
Anzahl von Mitgliederaufnahmen,<br />
die Betriebsgewerkschaftsleitung<br />
schlug die jeweiligen Wohnungsbewerber<br />
vor. Als Bauherr wirkte der<br />
Magistrat von Berlin, die Realisierung<br />
erfolgte über einen Baubetrieb.<br />
Nach Abschluss der Arbeiten wurden<br />
die jeweiligen Häuser der AWG<br />
zur Verwaltung übergeben.<br />
Schrittweise entstanden so die<br />
drei genossenschaftlichen Wohngebiete:<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> mit 1 091,<br />
Niederschönhausen mit 642 und<br />
Buch mit 790 Wohnungen.<br />
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
11
Genossenschaftliche Entwicklung<br />
12<br />
Chronik<br />
der <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong> <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.<br />
7. 10. 1949 Gründung der DDR<br />
10. 12. 1953 Erste Verordnung über die Zulassung<br />
der AWG<br />
1954 Gründungen von Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften,<br />
deren<br />
Bestände später von der AWG Bergmann-Borsig<br />
übernommen werden<br />
AWG „Friedenshort“,<br />
„Deutsche Reichsbahn“,<br />
„BVG“<br />
3. 5. 1956 Gründung der AWG „Bergmann-Borsig“<br />
in Berlin-<strong>Wilhelmsruh</strong><br />
1956 Weitere AWG-Gründungen:<br />
AWG „Humboldt-Universität“, „Junge<br />
Garde“, „Neues Berlin“, „Einheit“,<br />
„Rat des Stadtbezirks Pankow“,<br />
„Neues Leben“<br />
15. 12. 1957 Bezug von 18 Wohnungen im ersten,<br />
in traditioneller Bauweise erstellten<br />
Block (Typ 57) in der Lessingstraße<br />
50–50 b<br />
1959–1962 Neubau von weiteren rund 441 Wohnungen<br />
des Typs 57 im Wohngebiet<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong><br />
1961 Bau der Berliner Mauer<br />
1962 Es wird eine hauptamtliche<br />
Geschäftsführung eingesetzt<br />
1962–69 408 Neubauwohnungen vom Typ Q3A<br />
und 50 vom Typ P2 werden in den<br />
Wohngebieten <strong>Wilhelmsruh</strong> und<br />
Niederschönhausen errichtet<br />
1966 Das 10-jährige Bestehen der AWG<br />
„Bergmann-Borsig“ wird im Kulturhaus<br />
gefeiert<br />
1971 15-Jahr-Feier
1975–76 160 Wohnungen werden<br />
in vier Objekten vom Typ WBS 70<br />
in <strong>Wilhelmsruh</strong> errichtet<br />
1976 20-Jahr-Feier<br />
1977–86 712 Wohnungen der Serie WBS 70<br />
und 78 im Bautyp QP 71 folgen im<br />
Wohngebiet Buch<br />
1975–90 In den Wohngebieten Niederschönhausen<br />
und <strong>Wilhelmsruh</strong> werden im<br />
Zuge der territorialen Konzentration<br />
400 Wohnungen (Typ Q3A) und 256<br />
(Typ 57) aus anderen AWG-Beständen<br />
übernommen<br />
1981 25-Jahr-Feier der AWG Bergmann-<br />
Borsig<br />
1986 30-Jahr-Feier<br />
1987 750-Jahr-Feier<br />
Berlin<br />
3. 10. 1990 Wiedervereinigung<br />
Deutschlands<br />
23. 3. 1992 Verabschiedung<br />
einer neuen Satzung<br />
sowie Namensänderung<br />
in <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e. G.<br />
11. 6. 1992 Eintragung der Genossenschaft<br />
beim Amtsgericht Charlottenburg<br />
Dez. 93 Aus dem Altschuldenhilfegesetz<br />
wird nur die Zinshilfe in Anspruch<br />
genommen, um keine Privatisierungen<br />
durchführen zu müssen<br />
1994–2003 Umfangreiche Komplexmodernisierungen<br />
2006 Feier zum 50-jährigen Bestehen<br />
der Genossenschaft<br />
Entwicklung der Genossenschaft · Vorgeschichte<br />
13
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
14<br />
Betriebsgel<br />
Betriebsgelände nde<br />
ABB<br />
(ehemals<br />
VEB Berg-<br />
mann-<br />
Borsig)<br />
Das Wohngebiet Wilhelmruh<br />
Kurze Kurze<br />
Stra Straße<br />
Fontanestra<br />
Fontanestraße<br />
Garibalditeich<br />
Lessingstra<br />
Lessingstraße<br />
Schillerstra<br />
Schillerstraße<br />
Goethestra<br />
Goethestraße<br />
Garibaldistra<br />
Garibaldistraße<br />
Hertzstra Hertzstraße<br />
Fontanestra<br />
Fontanestraße<br />
WILHELMSRUH<br />
WILHELMSRUH<br />
Uhlandstra<br />
Uhlandstraße<br />
Garibaldistra<br />
Garibaldistraße<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong><br />
Kopenhagener Kopenhagener Straße Stra<br />
Seegerstraße<br />
Seegerstra<br />
Hielscherstra<br />
Hielscherstraße<br />
Niederstra<br />
Niederstraße<br />
Hauptstra Hauptstraße<br />
Stra Straße e 33 33<br />
Lessingstra<br />
Lessingstraße<br />
Tollerstra Tollerstraße<br />
Schillerstra<br />
Schillerstraße<br />
Hauptstra Hauptstraße Hauptstraße<br />
Hauptstra<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong>er<br />
See<br />
Sch Schönholz nholz<br />
Edelwei Edelweißstra stra<br />
Heeger- Heeger-<br />
Beethovenstra<br />
Beethovenstraße<br />
mühler hler<br />
Mo Mo<br />
Mart Mart
Kastanienallee<br />
Kastanienallee<br />
er er<br />
ße<br />
Kabelitzweg<br />
Kabelitzweg<br />
Weg<br />
WegWeg<br />
Weg<br />
zartstra zartstraße<br />
Strawinskystra<br />
Strawinskystraße<br />
hastraße hastra<br />
Weg Weg<br />
Anton-Webern-Weg<br />
Anton-Webern-Weg<br />
Sch Schönholzer nholzer<br />
V<br />
or allem mit dem Bau der frühen,<br />
im traditionellen Mauerwerksbau erstellten<br />
Häuser verbinden sich noch<br />
für viele ältere Mitglieder anschauliche<br />
Erinnerungen. 1957 im ersten<br />
Haus Lessingstraße 50–50 b, aber<br />
auch in den folgenden Blöcken,<br />
wurde ein großer Anteil an Eigenleistungen<br />
erbracht. Sie bestanden<br />
zum Beispiel aus Fräsarbeiten, um<br />
später Elektroleitungen zu legen.<br />
Ebenso wurden Malerarbeiten<br />
durchgeführt, Fahnenstangen montiert<br />
oder Fundamente isoliert. Viel-<br />
Schlüsselübergabe für die neue AWG-Wohnung<br />
Blick auf das 1960 noch unbebaute Gelände in <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
fach geschah dies nach der Frühschicht,<br />
was eine nicht unerhebliche<br />
Verlängerung des Arbeitstages bedeutete.<br />
Manche Mitglieder kamen<br />
dabei auf über 1 000 Stunden Aufbautätigkeit<br />
und waren froh, endlich<br />
„ihre“ Neubauwohnung zu erhalten.<br />
„Ich bin in eine freigewordene<br />
2-Zimmerwohnung in der Fontanestraße<br />
gezogen. Mein Mann war bei<br />
‚Bergmann‘ beschäftigt und Mitglied<br />
der Genossenschaft. Wir hatten eine<br />
Wartezeit von drei Jahren durchgemacht.“<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
15
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
16<br />
Z<br />
wischen 1959 bis 62 folgten 441<br />
weitere Wohnungen des Typs 57 in<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong>. Nach der Lessingstraße<br />
auch in der Fontane-, Goethe-,<br />
Garibaldi- und Uhlandstraße.<br />
Erst später kamen im Zuge der territorialen<br />
Konzentration zeitgleich<br />
gebaute Hausgruppen der AWG<br />
„Neues Leben“ in der Hertz- und<br />
Fontanestraße sowie der AWG<br />
„Rat Pankow“ in der Schiller-,<br />
Haupt-, und Hielscherstraße an<br />
die Genossenschaft und ergänzten<br />
so den Wohnungsbestand unter<br />
einheitlicher Verwaltung.<br />
AWG „Neues Leben“ in der Hertzstraße, Anfang der 60er Jahre<br />
Baustellenbetrieb am Schönholzer Weg, 1968<br />
Mit dem Einzug entstand unter den<br />
meist kinderreichen Familien bald<br />
ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
das durch die gemeinsamen<br />
Aufbaustunden und oft den<br />
gleichen Arbeitsplatz im Trägerbetrieb<br />
noch verstärkt wurde. Man<br />
half sich gegenseitig und nutzte<br />
auch die Außenräume, um gemeinsame<br />
Feste zu feiern. Das Zusammenleben<br />
der einzelnen Hausgemeinschaften<br />
war grundsätzlich<br />
geregelt. Pro Aufgang gab es einen<br />
Hausvertrauensmann und als<br />
übergeordnete Instanz den Blockvertreter,<br />
der wiederum die Verbindung<br />
zur Geschäftsstelle herstellte.<br />
„Bei uns wohnten vor allem Familien<br />
mit zwei bis drei Kindern. Es war eine<br />
nette Hausgemeinschaft. Für den gesamten<br />
Block haben wir mehrmals ein<br />
Kinderfest organisiert. Dort spielte<br />
dann auch ein Lehrer aus dem Haus<br />
Akkordeon. Bei gemeinsamen Aufgaben<br />
haben wir versucht, dass keiner<br />
nur hinter den Gardinen vorguckt,<br />
sondern dass sich alle irgendwie beteiligten.“
Blick von der Baustelle Fontanestraße auf das Märkische Viertel<br />
Umzug in die neue Wohnung mit „Kind und Kegel“<br />
Im Gegensatz zu den zeitgleich<br />
erstellten, großflächigen und<br />
homogenen Genossenschaftssiedlungen<br />
in anderen Berliner Bezirken<br />
ist der Ortsteil <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
von einer Mischung aus alter Bebauung<br />
mit den typischen Zeilenbauten<br />
der AWG-Epoche geprägt.<br />
Nach den noch traditionell errichteten<br />
Häusern folgten ab Ende der<br />
60er Jahre Blöcke des Typs Q3A in<br />
der Fontane-, Lessing-, Hauptund<br />
Schillerstraße sowie im<br />
Schönholzer Weg und 1975/76 die<br />
Bauserie WBS 70 in der Beethoven-<br />
und Mozartstraße.<br />
Nach dem Bau der Berliner Mauer<br />
im August 1961 wurde der Ortsteil<br />
von der bisherigen S-Bahn-Verbindung<br />
abgeschnitten und zu einer<br />
Art Enklave im Grenzgebiet. Das<br />
ab Mitte der 60er Jahre errichtete<br />
Hochhausgebiet Märkisches Viertel<br />
im Westberliner Bezirk Reinickendorf<br />
weckte durch seine<br />
Dimensionen jedoch eher Kritik als<br />
Bewunderung.<br />
„Das Märkische Viertel haben wir auf<br />
der anderen Seite der Mauer gesehen.<br />
Eigentlich haben wir die Leute<br />
dort bedauert und gesagt: ‚Ist das eng<br />
dort, nur hohe Häuser und kein bisschen<br />
Grün.‘“<br />
Errichtung der WBS 70-Bauten in der Mozartstraße<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
17
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
18<br />
Heinrich-Böll-Straße<br />
Heinrich-B<br />
Heinrich-Böll-Stra ll-Straße<br />
Wackenbergstra<br />
Wackenbergstraße<br />
Dietzgenstra<br />
Dietzgenstraße<br />
Schillerstraße<br />
Brosepark<br />
Brosepark<br />
Wackenbergstraße<br />
Dietzgenstraße<br />
Schillerstra<br />
Schillerstraße<br />
Brosepark<br />
Das Wohngebiet Niederschönhausen<br />
Waldowstra<br />
Waldowstraße<br />
Waldowstraße<br />
Marthastra<br />
Marthastraße<br />
Marthastraße<br />
Buchholzer<br />
Buchholzer<br />
Buchholzer<br />
Stra Straße<br />
Waldemarstraße<br />
Beuthstraße<br />
Herthaplatz<br />
Herthaplatz<br />
Blankenburger Blankenburger Stra Straße<br />
Straße<br />
Waldemarstraße<br />
Beuthstraße<br />
D<br />
Herthaplatz<br />
Blankenburger Straße<br />
Fritz-Reuter-Straße<br />
Körnerstraße<br />
Fritz-Reuter-Straße<br />
Körnerstraße<br />
Charlottenstraße<br />
ie dörfliche Vorgeschichte von<br />
Niederschönhausen reicht bis ins<br />
Mittelalter zurück. Überregionale<br />
Bekanntheit erhielt der Ortsteil<br />
jedoch erst 1704 durch den Bau<br />
des Schlosses unter dem späteren<br />
preußischen König Friedrich I, der<br />
seinen Sommersitz durch eine repräsentative<br />
Parkanlage erweitern<br />
ließ. Ab dem frühen 20. Jahrhundert<br />
bekam Niederschönhausen<br />
städtisches Gepräge, was<br />
auch durch das neu errichtete<br />
Rathaus signifikant unterstrichen<br />
wurde.<br />
Charlottenstraße<br />
Buchholzer Straße<br />
Idastra Idastraße<br />
Buchholzer Straße<br />
Klothildestra<br />
Klothildestraße Klothildestra<br />
Klothildestraße<br />
Wackenbergstraße<br />
Niedersch Niederschönhausen nhausen<br />
Idastraße<br />
Siegfried- Siegfried- straße stra<br />
Klothildestraße Klothildestraße<br />
Niederschönhausen<br />
Siegfried- straße<br />
Rolandstra<br />
Rolandstraße<br />
olandstraße<br />
Wackenbergstraße<br />
Schlo Schloßpark park<br />
Panke Panke<br />
Blankenbu<br />
Blankenbu<br />
Lindenberger Lindenberger Straße Stra<br />
Blankenburg<br />
Lindenberger Straße
Straße 41<br />
Elisabeth-Christinen-Stra<br />
Elisabeth-Christinen-Straße<br />
rger rger Straße Stra<br />
Grumbkowstraße<br />
„Die Lage unserer Häuser war schon<br />
immer sehr gut, vor allem durch den<br />
Park und das Schwimmbad.“<br />
Rolandstra<br />
Rolandstraße<br />
Dechertstra<br />
Dechertstraße<br />
Karower Karower Stra Straße<br />
Schlo Schloßallee allee<br />
Panke Panke<br />
Galenusstra<br />
Galenusstraße<br />
Von 1949-60 war das Schloss<br />
Niederschönhausen Sitz des ersten<br />
Präsidenten der DDR, Wilhelm<br />
Pieck. So galt die Lage des genossenschaftlichen<br />
Baugrundstücks in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft von<br />
Schloss und Parkanlagen aus mehrfachen<br />
Gründen als attraktiv für die<br />
neuen Bewohner.<br />
Hans-<br />
Im Unterschied zu den baulichen<br />
Anfängen in <strong>Wilhelmsruh</strong>, die im<br />
Wesentlichen durch die AWG Bergmann-Borsig<br />
entstanden, war das<br />
Siedlungsgebiet in Niederschön-<br />
Jürgen-<br />
Straße<br />
hausen zunächst verschiedenen<br />
Genossenschaften zugeordnet worden.<br />
Mit Ausnahme von Häusern in<br />
der Rolandstaße, Blankenburger<br />
Straße und Schloßallee, die von Beginn<br />
zur AWG Bergmann-Borsig gehörten,<br />
findet sich im heutigen Be-<br />
Das Baugelände an der Rolandstraße im Mai 1961<br />
stand der WBG <strong>Wilhelmsruh</strong> ein kleiner<br />
Stammbaum der Berliner AWG-<br />
<strong>Geschichte</strong>. Ursprünge reichen hier<br />
zur AWG „BVG“, „Friedenshort“,<br />
„Deutsche Reichsbahn“, „Junge<br />
Garde“, „Einheit“, „Humboldt-Universität“<br />
und „Neues Berlin“ zurück.<br />
„Ich bin in Pankow zur Schule gegangen<br />
und diese Ecke hier war<br />
eigentlich immer mein Wunschgebiet.<br />
Man hätte auch im Baumschulenweg<br />
Wohnungen bekommen<br />
können, aber ich wollte unbedingt<br />
hierhin ziehen.“<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
19
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
20<br />
B<br />
is heute noch finden sich bei den<br />
Bewohnern unterschiedliche Erinnerungen<br />
an die Aufbaujahre im<br />
Neubaugebiet und die Entstehung<br />
der nachbarschaftlichen Gemeinschaften.<br />
Hier lebten Mitarbeiter der<br />
Ministerien, der Reichsbahn, der<br />
Volkspolizei oder der Humboldt-<br />
Universität in nahezu gleichen<br />
Haustypen, darunter vor allem der<br />
Serie Q3A. Besonders die Wohnungsvergabe<br />
und die ersten Zeiten<br />
im unbefestigten Umfeld sind vielen<br />
noch lebendig im Gedächtnis. Verbindend<br />
für die einzelnen Mitglieder<br />
war das gemeinsame Engagement<br />
für ihre AWG.<br />
„Jedes Mitglied musste 100 Aufbaustunden<br />
leisten. Ich habe Wachdienst<br />
auf Baustellen gemacht. In die Baubude<br />
nahm ich meine Lehrhefte mit und<br />
arbeitete so 6 bis 8 Stunden. Meine<br />
Frau kam dann mit unseren Kindern<br />
und brachte Essen.“<br />
Rohbau in der Rolandstraße Die Wohnanlage nach Bezug<br />
„1961 gehörten wir zu den ersten Familien, die in der<br />
AWG ‚Neues Berlin’ eine Wohnung bekamen. Das ging<br />
nach Eintrittsdatum. Zudem wurde der bevorzugt, der<br />
ehrenamtlich oder bei der AWG mitgearbeitet hatte. Ich<br />
war der 7. oder 8. Da wurde mein Name aufgerufen und<br />
ich konnte auf der Karte zeigen, welche Wohnung ich<br />
haben wollte.“
„Wir waren alle Eisenbahner und so kannten sich die<br />
meisten untereinander. Man stand also nicht draußen,<br />
sondern tauschte auch viele Informationen unter den<br />
Kollegen aus. Als wir einzogen, waren wir jung und tatenfreudig.<br />
Man konnte schippen, machen, tun – zum<br />
Beispiel in der Anfangszeit auch bei der Urbarmachung<br />
des Geländes mithelfen.“<br />
Schloßallee 26, 26 a–d<br />
„Wir haben immer Frühjahrs- und<br />
Herbstputz gemacht. Die AWG hat gesagt,<br />
was zu tun ist. Das ging dann<br />
meistens am Sonnabend so gegen<br />
9.00 Uhr los, später gab es Würstchen<br />
und Bier und dann wurde noch miteinander<br />
gesprochen und diskutiert.“<br />
Nach dem Einzug der oft jungen<br />
Familien mit kleinen Kindern und<br />
der Freude über die eigene Neubauwohnung<br />
engagierten sich<br />
viele Hausgemeinschaften im<br />
weiteren Siedlungsleben. Einige<br />
von ihnen wurden für ihr Engagement<br />
bei der Hausreinigung, der<br />
Gestaltung des Wohnumfeldes<br />
und Durchführung von Kleinreparaturen<br />
mit der Verleihung<br />
der „Goldenen Hausnummer“<br />
geehrt.<br />
Im Zuge der territorialen Konzentration<br />
wurden die Wohnungsbestände<br />
der unterschiedlichen<br />
Genossenschaften zwischen<br />
1982 und 1988 sukzessive von<br />
der AWG Bergmann-Borsig<br />
übernommen. Für die Mitglieder<br />
verlief dieser Prozess meist in<br />
voller Übereinstimmung.<br />
„1987 gab es eine große Versammlung, auf der festgelegt<br />
wurde, dass wir Reichsbahner alle Mitglieder der AWG<br />
Bergmann-Borsig werden sollten. Darüber waren wir nicht<br />
unglücklich. Bisher mussten wir immer zum Baumschulenweg,<br />
wenn wir was von der AWG wollten, später nur noch<br />
nach Wilhemsruh. Durch die Übernahme hatten wir uns<br />
nur verbessert.“<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
21
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
22<br />
Panke Panke<br />
Stra Straße<br />
BUCH BUCH<br />
Wolfgang-Heinz-Stra<br />
Wolfgang-Heinz-Straße<br />
Friedrich-Richter-<br />
Friedrich-Richter-<br />
Das Wohngebiet Buch<br />
Walter-<br />
Panke Panke<br />
Walter-Friedrich-Sra<br />
Walter-Friedrich-Sraße<br />
Schlo Schloßpark park<br />
Schloßparkgraben<br />
Schloßparkgraben<br />
Franz-Schmidt-<br />
Franz-Schmidt-<br />
Wolfgang-Heinz-Stra<br />
Wolfgang-Heinz-Straße<br />
Bruno- Bruno-<br />
Friedrich- Friedrich-<br />
Apitz- Apitz-<br />
Stra Straße<br />
Straße Stra<br />
Wiltbergstra<br />
Wiltbergstraße<br />
Groscurth-<br />
Groscurth-<br />
Karower Karower Chaussee Chaussee<br />
Buch<br />
Stra Straße<br />
Groscurthstra<br />
Groscurthstraße<br />
Alt-Buch Alt-Buch<br />
stra straße<br />
Karower Karower Stra Straße<br />
Karower Karower Chaussee Chaussee<br />
Georg-Benjamin-<br />
Georg-Benjamin-Straße<br />
Robert-R Robert-Rössle-Stra ssle-Straße<br />
Ernst-Ludwig-<br />
Ernst-Ludwig-<br />
Lindenb Lindenberger Straße<br />
Theodor-Brug<br />
Theodor-Brugsch-<br />
Heim-Str. Heim-Str.<br />
A<br />
uch das dritte Wohngebiet Buch<br />
liegt in der Nähe alter historischer<br />
Ansiedlungen. 1240 als Straßendorf<br />
mit anschließendem Rittergut<br />
gegründet, erwarb die Stadt Berlin<br />
Ende des 19. Jahrhunderts das<br />
heutige Alt-Buch, um vor allem<br />
städtische Wohlfahrtseinrichtungen<br />
hier anzusiedeln. Von der frühen<br />
Zeit zeugen noch die Schloßkirche<br />
und der an die Panke<br />
anschließende Schloßpark. Zwischen<br />
1899 bis 1929 wurde das<br />
Städtische Klinikum Berlin-Buch<br />
im Pavillonsystem errichtet, das<br />
weiterhin im Berliner Raum eine<br />
wichtige Rolle spielt.<br />
Bei den günstig an die S-Bahn<br />
angebundenen genossenschaftlichen<br />
Wohnungsbeständen handelt<br />
es sich – anders als in den<br />
davor entstandenen gemischten<br />
Bereichen <strong>Wilhelmsruh</strong> und<br />
Niederschönhausen – um eine<br />
nahezu homogene Baustruktur,<br />
die hier kurz nach Einführung der<br />
neuen industriellen Fertigung mit<br />
den Wohnungsbauserien WBS 70<br />
und QP 71 errichtet wurde.<br />
Straße<br />
Die Planungen für das gesamte<br />
Neubauareal mit insgesamt rund<br />
17 000 Einwohnern hatten bereits<br />
in den 60er Jahren begonnen.<br />
Der AWG Bergmann-Borsig wurden<br />
jedoch erst in den späteren<br />
Bauabschnitten (Buch III und IV)<br />
insgesamt 790 Wohnungen zugewiesen,<br />
die zwischen 1977–86<br />
Schwanebecke
durch die Abteilung Wohnungspolitik<br />
des Magistrats von Berlin<br />
errichtet worden waren. Zur Anwendung<br />
kamen 5-, 6-, 10- und<br />
11-geschossige Wohnbauten, die<br />
sich um großzügige Innenhöfe<br />
gruppieren.<br />
WBS 70-Block in Buch 1985<br />
„Buch ist eine wunderschöne Wohnlage,<br />
es liegt im Grünen und die City<br />
ist dennoch gut zu erreichen. Wir<br />
waren damals hundertprozentig<br />
glücklich über unsere Neubauwohnung.<br />
Sie war auch sehr gut geschnitten.“<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
23
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
24<br />
Ausschnitt von einer Seite eines Hausbuches<br />
D<br />
ie begehrten Neubauwohnungen<br />
wurden verlost, wobei die besten<br />
Voraussetzungen Schichtarbeiter<br />
mit Kindern hatten. Am Anfang<br />
mussten jedoch noch einige Unannehmlichkeiten<br />
in Kauf genommen<br />
werden.<br />
„Ich bin Erstbezieher in Buch gewesen<br />
und im Sommer 1976 eingezogen.<br />
Damals gab es noch keine Wege,<br />
wir liefen alle nur in Gummistiefeln.<br />
Die wurden im Hausflur abgestellt und<br />
dann sind wir mit anderen Schuhen<br />
nach oben gegangen.“<br />
Nachdem die ersten Hürden des Einzugs<br />
überwunden waren, entwickelte<br />
sich das genossenschaftliche Leben<br />
in vielfältiger Form. In Häusern, die<br />
keine Heizzentralen im Keller hatten,<br />
baute sich so manche Hausgemeinschaft<br />
Clubräume in Eigenregie aus.<br />
Im Wohngebiet Buch befand sich<br />
auch ein Reparaturstützpunkt der<br />
AWG Bergmann-Borsig, der bis zu<br />
15 Mitarbeiter beschäftigte und<br />
direkt den Bewohnern vor Ort zur<br />
Verfügung stand.<br />
„In den Clubräumen wurden auch<br />
Feten gefeiert. Die HGL veranstaltete<br />
zudem Skatturniere oder man hat sich<br />
zu Weihnachten und Silvester getroffen.<br />
Jeder aus der Hausgemeinschaft<br />
brachte dann etwas mit.“
Bis heute zeichnet sich das Wohngebiet<br />
Buch durch seine grüne<br />
Umgebung aus, die viel Raum für<br />
Spaziergänge, Radtouren und<br />
Ausflüge bietet. Ein neues Einkaufszentrum<br />
am S-Bahnhof Buch<br />
bietet Läden für die tägliche Versorgung<br />
und lädt zum Bummeln<br />
ein. Eine Erweiterung ist für die<br />
Zukunft in Aussicht gestellt worden.<br />
In den letzten Jahren wurde mit<br />
der Modernisierung der genossenschaftlichen<br />
Wohnhäuser begonnen.<br />
Unter der Zielsetzung auch<br />
langfristig attraktive Wohnangebote<br />
zu schaffen, leitete die WBG<br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. eine Reihe von<br />
umfassenden Maßnahmen ein.<br />
So wurden bereits im Jahr 2002<br />
vor den Ein- und Zweiraumwohnungen<br />
in der Wolfgang-Heinz-<br />
Straße 30–36 Loggien angebracht,<br />
um die Nutzungsqualitäten auch in<br />
den kleineren Wohneinheiten zu<br />
erhöhen. Dieses Haus der Genossenschaft<br />
hat noch eine Besonderheit.<br />
Hier wurde das Treppenhaus<br />
entkernt und – zusammen mit einem<br />
barrierefreien Aufzug außen –<br />
neu errichtet. Die dadurch entstandenen<br />
separaten Etagen werden<br />
durch ein Glasdach mit Tageslicht<br />
durchflutet.<br />
Ausgehend von den Arbeiten<br />
am Haus Wolfgang-Heinz-Straße<br />
30–36 sind zurzeit umfangreiche<br />
Bauaktivitäten in der Friedrich-<br />
Richter-Straße 56–62 im Gange.<br />
In der gesamten Wohnanlage<br />
legte man in den letzten Jahren<br />
besonderen Wert auf die Instandsetzung<br />
der Treppenhäuser. Es<br />
ist geplant, diese Arbeiten in den<br />
kommenden Jahren auch in den<br />
Häusern Friedrich-Richter-Straße<br />
48–54 und der Bruno-Apitz-Straße<br />
15–19 zu beginnen, um so zukünftig<br />
einen hohen genossenschaftlichen<br />
Standard in grüner,<br />
ruhiger Wohnlage anbieten zu<br />
können.<br />
Die Wohngebiete und ihre Bewohner<br />
25
Die Zeit nach 1990<br />
26<br />
Neuanfang und Modernisierung<br />
unter marktwirtschaftlichen Vorzeichen<br />
„Nach der Wende ging es darum, die<br />
Genossenschaft zu erhalten. Zunächst<br />
gab es unter den Mitgliedern eine gewisse<br />
Distanz. Aber es hat sich im<br />
Laufe der Jahre gezeigt, dass wir uns<br />
die Idee der Genossenschaft – die Solidarität<br />
– erhalten haben.“<br />
M<br />
it der deutschen Wiedervereinigung<br />
begann auch für die AWG<br />
Bergmann-Borsig eine neue Ära als<br />
eigenständiges Unternehmen, das<br />
nun dem bundesdeutschen Genossenschaftsrecht<br />
unterstellt war. Der<br />
Übergang zur <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e. G. war zunächst<br />
verbunden mit der Annahme<br />
einer Satzung, die die Tätigkeit der<br />
neuen Organe – Vertreterversammlung,<br />
Aufsichtsrat und Vorstand –<br />
regelte. Nach der ersten Vertreterversammlung<br />
Anfang 1992 konnte<br />
im Juni desselben Jahres die Eintragung<br />
ins Genossenschaftsregister<br />
unter der Nr. 488 Nz. erfolgen.<br />
Der auf dieser Vertreterversammlung<br />
gewählte Aufsichtsrat bestellte<br />
im Mai 1993 einen neuen Vorstand,<br />
der sich neben der Modernisierung<br />
der Verwaltung zunächst vor allem<br />
mit der Sicherung der wirtschaftlichen<br />
Grundlagen der Genossenschaft<br />
auseinander zu setzen hatte.<br />
Mit dem Verlust des Trägerbetriebes<br />
fehlte nun auch ein wichtiger wirtschaftlicher<br />
Förderer. So galt es,<br />
die außerordentliche Vertreterversammlung<br />
vom Verzicht auf die<br />
Teilentlastung aus dem Altschuldenhilfegesetz<br />
zu überzeugen.<br />
Dies konnte vor dem Hintergrund<br />
einer relativ hohen Belastung als<br />
durchaus unkonventioneller Schritt<br />
gelten, der die Genossenschaft<br />
aber vor dem Verkauf eines Teils<br />
ihrer Wohnungsbestände bewahrte.<br />
„Ängste hatten wir schon, Hoffnungen<br />
wenig. Ich habe an vielen Versammlungen<br />
teilgenommen. Das<br />
war nicht einfach. Da gab es auch<br />
Befürchtungen, dass die Genossenschaft<br />
das nicht übersteht.“<br />
„Auch für die Mitarbeiter der Genossenschaft<br />
war das eine große Umstellung.<br />
Sie mussten viele Lehrgänge und<br />
Weiterbildungen besuchen. Da haben<br />
uns die Kontakte zu den Genossenschaften<br />
in Westberlin und zum Verband Berlin-BrandenburgischerWohnungsunternehmen<br />
sehr geholfen.“
Nach einer umfassenden Erhebung<br />
des Instandsetzung- und<br />
Modernisierungsbedarfs startete<br />
ab 1994 ein ehrgeiziges Bauprogramm,<br />
das mit den Arbeiten an<br />
den ältesten Wohnhäusern in <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
begann. Vorausgegangen<br />
waren umfangreiche Befragungen<br />
der Bewohner, um deren<br />
Wünsche in die Planungen mit einfließen<br />
zu lassen. Ziel war, einen<br />
Standard zu erreichen, der auch<br />
dauerhaft ein gutes Niveau bietet<br />
und damit die langfristige Vermietbarkeit<br />
der Wohnungen sichert.<br />
„Bei der Komplexmodernisierung<br />
sind wir so vorgegangen, dass wir die<br />
ältesten Gebäude und die Bereiche,<br />
die öffentlich gefördert wurden, zuerst<br />
in Angriff nahmen. Damals galt das<br />
vor allem für die Mauerwerksbauten.<br />
Die Wohnungen hatten noch Ofenheizungen<br />
oder Gasaußenwandheizer.<br />
Jeder Genossenschafter wurde<br />
gefragt, ob er mit den Maßnahmen<br />
einverstanden sei. Der Umfang der<br />
Bauarbeiten erschien anfangs vielen<br />
als ein Wagnis. Wie das so auf dem<br />
Dorf ist, waren wir das tägliche<br />
Gesprächsthema in <strong>Wilhelmsruh</strong>.<br />
Als wir dann im Frühjahr 1995 plangerecht<br />
die nächsten Häuser anpackten,<br />
waren die Kritiker sofort ruhig.“<br />
(Vorstand)<br />
Die Zeit nach 1990<br />
27
Die Zeit nach 1990<br />
28<br />
D<br />
en Mitgliedern wurde in dieser<br />
Zeit sowohl finanziell als auch in<br />
Hinblick auf persönliche Einschränkungen<br />
einiges abverlangt.<br />
So wurden die Genossenschaftsanteile<br />
auf den Betrag<br />
von heute 35 Euro pro qm er-<br />
höht. Gleichzeitig stiegen die Zahlungen<br />
für Mieten, sowie Betriebsund<br />
Heizkosten kontinuierlich an.<br />
Vor allem die Modernisierungsarbeiten<br />
forderten von den Bewohnern<br />
ein hohes Maß an Toleranz<br />
gegenüber Lärm, Baudreck und<br />
Eingriffen in das gewohnte Alltagsleben.<br />
Für die Genossenschaft<br />
stand daher vor Beginn der Bauarbeiten<br />
die Überzeugung der Mitglieder<br />
im Vordergrund. Mit Fragebogenaktionen,<br />
auf zahlreichen<br />
Versammlungen und vor allem in<br />
sich über Wochen hinziehenden<br />
Einzelberatungen wurde vom Vorstand<br />
neben betriebswirtschaftlichen<br />
Fähigkeiten auch viel<br />
psychologisches Geschick gefordert.<br />
Sanierungsbeginn<br />
in der Groscurthstraße<br />
in Buch, im<br />
Jahr 1996<br />
„Wir haben mit einem immensen Zeitaufwand<br />
Einzelgespräche geführt. Das<br />
ging manchmal bis 23.00 Uhr. Meistens<br />
konnten wir zuerst die Frauen gewinnen.<br />
Wenn sie von den neuen Küchen und<br />
Bäder hörten, dann haben sie sich<br />
schnell entschieden.“ (Vorstand)<br />
Im Jahr des 50. Jubiläums kann<br />
die Genossenschaft mit Stolz auf<br />
das Erreichte zurückblicken. Nach<br />
den ersten Arbeiten in <strong>Wilhelmsruh</strong><br />
folgte das Wohngebiet Niederschönhausen<br />
und ab 1996 der<br />
Bereich Buch mit den jüngsten Beständen.<br />
Im Mittelpunkt standen<br />
Maßnahmen zum Einbau von Heizstationen,<br />
die ökologischen Kriterien<br />
Rechnung tragen, ebenso der<br />
Austausch und Umbau von Eingangstüren<br />
und Instandsetzung<br />
der Versorgungsleitungen sowie<br />
die Erneuerung der Treppenhäuser.<br />
In den Wohnungen wurden<br />
nach Wunsch Bäder und Küchen<br />
modernisiert.
Balkonerneuerung im Wohngebiet Niederschönhausen<br />
„Unsere Wohnungen wurden ganz erheblich<br />
aufgewertet. Alle Mieter empfinden<br />
die Modernisierung nun als eine<br />
großartige Sache. Das Vierteljahr<br />
war natürlich schlimm. Küche, Bad<br />
und Flur wurden auseinander genommen.<br />
Heute sind alle Leitungssysteme<br />
herrlich isoliert. Es ist ein Unterschied<br />
wie zwischen Tag und Nacht.“<br />
Heute können 92% des Wohnungsbestandes<br />
als saniert und<br />
mehr als zwei Drittel als komplex<br />
saniert gelten. Auch bei den Bewohnern<br />
wich die anfängliche<br />
Skepsis bald der Freude über die<br />
angenehme und verbesserte<br />
Wohnsituation. Auch weiterhin<br />
steht die Fortführung des Modernisierungsplans<br />
im Vordergrund<br />
der Geschäftsführung.<br />
„Wir haben einen Plan, der bis 2013<br />
geht. Die wesentlichen Schwachstellen<br />
sind beseitigt. So können wir uns<br />
in der nächsten Zeit auf die eigene<br />
Kraft stützen und werden keine Kredite<br />
mehr aufnehmen. Nachdem die<br />
älteren Bauten in <strong>Wilhelmsruh</strong> und<br />
Niederschönhausen komplett modernisiert<br />
wurden, geht es jetzt an die<br />
jüngeren Bestände in Buch. Dabei<br />
werden wir keine Häuser aufgeben.<br />
Abriss steht bei uns nicht zur Disposition.<br />
Auch unser einziges, noch nicht<br />
saniertes Hochhaus wird unter Nutzung<br />
der guten Möglichkeiten, die<br />
diese WBS-Bauten bieten, hochwertig<br />
saniert. Wir wollen intelligente technische<br />
Lösungen finden, um hier<br />
dann 120 barrierefreie Wohnungen zu<br />
haben. Die Linie der nächsten Jahre<br />
wird sein, mit Eigenkapital weiter den<br />
Bestand auf modernstes Niveau zu<br />
bringen.“ (Vorstand)<br />
Die Zeit nach 1990<br />
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Die Zeit nach 1990<br />
30<br />
D<br />
Die <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong> <strong>Wilhelmsruh</strong> e. G. heute<br />
ie <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong><br />
<strong>Wilhelmsruh</strong> e. G. zählt<br />
heute mit ihren 2 520 Wohnungen<br />
zu den wirtschaftlich stabilen<br />
genossenschaftlichen Unternehmen.<br />
Das im Jahr 1999 bezogene<br />
Geschäftshaus unweit des<br />
Wohngebiets Niederschönhausen<br />
bietet nicht nur moderne Verwaltungsbüros,<br />
sondern auch<br />
Anlaufstelle und kleinere Versammlungsräume<br />
für die Vertreter.<br />
Fast 3 000 Mitglieder profitieren<br />
heute von der gesicherten
Miet- und Wohnsituation. Darüber<br />
hinaus sorgen regelmäßige<br />
Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten<br />
für deren Einflussnahme<br />
auf die Entwicklung des<br />
Unternehmens. Traditionell<br />
zählen dazu die halbjährlichen<br />
Wohngebiets-Vertreterversammlungen,<br />
auf denen alle anstehenden<br />
Aufgaben in den einzelnen<br />
Siedlungen angesprochen werden.<br />
Seit einigen Jahren ist zudem ein<br />
ehrenamtlicher Seniorenbeirat<br />
tätig, der sich speziell um die<br />
Belange der älteren Mitglieder<br />
kümmert. Ergänzt wird der genossenschaftliche<br />
Service durch<br />
zwei Gästewohnungen in Buch<br />
sowie Kooperationen mit Sozialund<br />
Sportvereinen vor Ort.<br />
„So wie wir es die letzten Jahre gemacht<br />
haben, werden auch weiterhin<br />
die Mitglieder als Eigner der Genossenschaft<br />
im Mittelpunkt stehen. Auch<br />
in Zukunft bekommen sie ihren geldwerten<br />
Vorteil darüber, dass wir eine<br />
Politik der stabilen Mieten machen.“<br />
(Vorstand)<br />
Die Zeit nach 1990<br />
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32<br />
Das genossenschaftliche Prinzip<br />
Aufsichtsrat<br />
Vertreter<br />
Mitglieder<br />
Vorstand<br />
wählen beschäftigt<br />
wählen<br />
bestellt<br />
Mitarbeiter und<br />
Hausbetreuer<br />
Dr.Klaus Meyer, Vorsitzender des Aufsichtsrates, beginnt die<br />
Vertreterversammlung 2005 mit einer Eröffnungsrede<br />
Literaturauswahl:<br />
Albrecht, G., Haendly, G. (Hrsg.): Ausbildungsinitiativen und Innovationen im PankowPark;<br />
Bonn 2005<br />
Genossenschaftsforum e.V.: Die AWG – Ein Genossenschaftsmodell der DDR, Berliner Entwicklungslinien<br />
seit 1954; Berlin 2004<br />
Institut für Denkmalpflege der DDR: Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR/ Hauptstadt<br />
Berlin II: Berlin 1987<br />
Liefländer, K.H., Beretitsch, S.: (Fast) Einhundert Jahre Industriegeschichte im Pankow<br />
Park in <strong>Wilhelmsruh</strong>, in: Albrecht,G… (s. o.)<br />
Schulz, J., Gräbner. W.: Berlin, Architektur von Pankow bis Köpenick; Berlin 1987<br />
<strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong> <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.: 40 Jahre Festschrift: Berlin 1996<br />
Abbildungen:<br />
Die Fotos und Dokumente stammen aus den Archiven der WBG <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G. und des<br />
Genossenschaftsforums sowie aus Privatbesitz.<br />
Die Vertreter der <strong>Wohnungsbaugenossenschaft</strong> <strong>Wilhelmsruh</strong> e.G.<br />
wählen in der Vertreterversammlung 2005 den Aufsichtsrat