Soldatengesetz Kommentar, Frank Weniger
Soldatengesetz Kommentar, Frank Weniger
Soldatengesetz Kommentar, Frank Weniger
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Einführung<br />
Systematik des Wehrrechts<br />
Das <strong>Soldatengesetz</strong> ist eines von etlichen Gesetzen, die die wesentlichen<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen für die Soldatinnen und Soldaten<br />
regeln.<br />
Im <strong>Soldatengesetz</strong> sind die Rechte und Pflichten aller Soldaten normiert.<br />
Daneben enthält es die Vorschriften über die Einstellung und<br />
Entlassung sowie weitere statusrechtliche Regeln der Soldaten auf<br />
Zeit und Berufssoldaten.<br />
Das Wehrpflichtgesetz bestimmt die Voraussetzungen über die Einberufung<br />
von Wehrpflichtigen aufgrund der Allgemeinen Wehrpflicht,<br />
die Entlassung sowie die Regeln der Wehrüberwachung und<br />
Zugehörigkeit zur Reserve. Der Wehrpflichtige wird also nach den<br />
Vorschriften des Wehrpflichtgesetzes einberufen und unterliegt ab<br />
dem Beginn des Dienstverhältnisses als Soldat den Rechten und Pflichten<br />
des <strong>Soldatengesetz</strong>es.<br />
Die Wehrbeschwerdeordnung legt die Voraussetzungen und Modalitäten<br />
der Rechtsmittel, mit denen sich die Soldaten gegen belastende<br />
oder ungerechte Maßnahmen wehren können. Die Verbindung zur<br />
VwGO und den dortigen Verfahrensgrundsätzen wird durch § 82 SG<br />
und § 23 WBO hergestellt. Sofern die (Wehr-)Beschwerde erstes<br />
Rechtsmittel des Soldaten ist, der weitere Rechtsweg sich aber nach<br />
der VwGO richtet, tritt das Beschwerdeverfahren an die Stelle des<br />
Vorverfahrens im Sinne von §§ 68 ff. VwGO.<br />
Die Wehrdisziplinarordnung enthält die Bestimmungen zur disziplinaren<br />
Ahndung von Dienstvergehen der Soldaten. Eine Definition des<br />
Dienstvergehens ist in § 23 SG enthalten. § 23 Abs. 3 SG verweist dann<br />
auf die WDO.<br />
Die Beteiligungsrechte durch Vertrauenspersonen richten sich nach<br />
dem Soldatenbeteiligungsgesetz, zum Teil in Verbindung mit dem<br />
Bundespersonalvertretungsgesetz. 1 1<br />
)<br />
Das Wehrstrafgesetz enthält militärische Straftatbestände, die nur<br />
von Soldaten der Bundeswehr erfüllt werden können. Das Wehrstraf-<br />
1 ) Weiterführend Gronimus „Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in<br />
der Bundeswehr“ und Gronimus/Krisam/Wienzeck „Die Beteiligungsrechte der<br />
Personalvertretungen“.<br />
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Einführung<br />
gesetz tritt dabei neben das Strafgesetzbuch und andere Strafgesetze.<br />
Die Dienstbezüge der Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten richten<br />
sich nach dem Bundesbesoldungsgesetz und weiteren Einzelgesetzen,<br />
zum Beispiel dem Bundessonderzahlungsgesetz. Das Wehrsoldgesetz<br />
normiert die Ansprüche der Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht<br />
Dienst leisten, auf Wehrsold.<br />
Das Ruhegehalt der Berufssoldaten im Ruhestand ist durch das Soldatenversorgungsgesetz<br />
festgelegt, ebenso wie die Ansprüche auf<br />
Dienstzeitversorgung und Berufsförderung der Soldaten auf Zeit. Das<br />
Soldatenversorgungsgesetz enthält viele Verweise auf das Beamtenversorgungsgesetz,<br />
mit dessen Vorschriften es oft ohnehin wortgleich<br />
ist.<br />
Viele Gesetze im Wehrrecht enthalten Ermächtigungsgrundlagen, um<br />
per Verordnung die Einzelheiten eines Regelungsgegenstandes zu<br />
bestimmen. Dazu gehören u. a. die Soldatenlaufbahnverordnung<br />
und die Soldatenurlaubsverordnung.<br />
Verfassungsrechtliche Grundlagen<br />
Art. 87a GG ist die Grundlage für den Bestand der Streitkräfte überhaupt.<br />
Die Vorschrift enthält zunächst eine reine Kompetenzzuweisung:<br />
Der Bund ist für die Aufstellung der Streitkräfte zuständig. Das<br />
ergibt sich auch aus Art. 73 Nr. 1 GG, der dem Bund die ausschließliche<br />
Gesetzgebung über die Verteidigung zuweist. Damit ist auch klargestellt,<br />
dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz für das <strong>Soldatengesetz</strong><br />
und die weiteren Wehrgesetze hat.<br />
Art. 87a Abs. 2 GG hat haushaltsrechtliche Bedeutung und ist darüber<br />
hinaus Anknüpfungspunkt für die Kontrolle der Streitkräfte durch<br />
das Parlament. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung<br />
vom 14. 7. 1994 zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr<br />
festlegte, 2 2<br />
) begründet Art. 87a Abs. 1 Satz 2 GG eine Grundsatzverantwortung<br />
des Parlaments, die über die allgemein für das<br />
Haushaltsverfassungsrecht geltenden Anforderungen an die inhaltliche<br />
Gestaltung des Staatshaushaltes für die Streitkräfte hinausgeht.<br />
Aus dieser und anderen Vorschriften des Grundgesetzes folgert das<br />
BVerfG den Parlamentsvorbehalt für bewaffnete Einsätze der Bundeswehr.<br />
2 ) BVerfG NJW 1994, 2210.<br />
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Einführung<br />
Von entscheidender Bedeutung für das soldatische Dienstrecht ist<br />
Art. 33 Abs. 2 GG, der die Einstellung nach Eignung, Befähigung und<br />
Leistung für den gesamten öffentlichen Dienst, also auch für die<br />
Streitkräfte, festschreibt. Die Norm gilt dem Wortlaut nach nur für die<br />
Einstellung, wird aber der gefestigten Rechtsprechung nach auf alle<br />
Auswahlentscheidungen im Dienstverhältnis ausgeweitet. 3 ) Dazu gehören<br />
die Beförderung, die Einweisung in eine höhere Besoldungsgruppe,<br />
die Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten, der<br />
Laufbahnwechsel in eine höhere Laufbahn, die Weiterverpflichtung<br />
von SaZ und die Ernennung zum Berufssoldaten. Die Auswahlkriterien<br />
finden sich in § 3 SG als Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze<br />
wieder.<br />
Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht eins zu eins auf das Dienstrecht der Soldaten<br />
anzuwenden. Laut Bundesverfassungsgericht gelten die Grundsätze<br />
des Berufsbeamtentums wegen der Unterschiede in den zwei<br />
Berufsbildern nicht für Soldaten. 4 ) Dennoch sollen aber z. B. Beamte<br />
und Berufssoldaten im Ruhestand im Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG<br />
nach einheitlichen Grundsätzen behandelt werden. Trotz des Fehlens<br />
von „hergebrachten Grundsätzen des Berufssoldatentums“ strahlt<br />
Art. 33 Abs. 5 GG auf das soldatische Dienstverhältnis aus. Durch ausdrückliche<br />
gesetzliche Normierung oder Anerkennung durch die<br />
Rechtsprechung gelten Alimentationsprinzip, Fürsorgepflicht u. a.<br />
auch für Soldaten.<br />
Darüber hinaus von einem „einheitlichen Staatsdienerrecht“ zu reden,<br />
5 ) ist bedenklich. Damit wird man den rechtlichen und tatsächlichen<br />
Unterschieden zwischen den beiden Arten von Dienstverhältnissen<br />
nicht gerecht 6 ) (siehe im Einzelnen auch „Verhältnis zum Recht<br />
der Beamten und Richter“ Rn. 5).<br />
Europäisches Recht<br />
Die Streitkräfte unterliegen dem europäischen Recht nach den gleichen<br />
Maßgaben wie das übrige nationale Recht. Ein besonderer Punkt<br />
ist die Geltung von EU-Richtlinien, z. B. gegen die Diskriminierung<br />
von Frauen und Männern, für die Streitkräfte. Im Urteil in Sachen<br />
3 ) BVerfG NJW 1990, 501.<br />
4 ) BVerfGE 3, 288 ff.<br />
5 ) BVerwGE 73, 216, zustimmend Becker ZBR 1982, 258.<br />
6 ) A. A.: Scherer/Alff Vorbem. Rn. 3.<br />
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3<br />
4
Einführung<br />
Tanja Kreil 7 ) hat der Europäische Gerichtshof die Richtlinie 76/207/<br />
EWG auch für die Bundeswehr für anwendbar erklärt und festgestellt,<br />
dass der auf Sanitätsdienst und Militärmusikdienst beschränkte Zugang<br />
für Frauen gegen diese Richtlinie verstößt. Trotz der Organisationshoheit<br />
der Mitgliedsstaaten in Bezug auf die Streitkräfte müsse<br />
die Richtlinie beachtet werden.<br />
In einem anderen Urteil hat das Gericht die Organisationshoheit des<br />
Mitgliedsstaates vor die Geltung der Richtlinie gestellt. 8 ) Vom Kläger<br />
war der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gerügt worden,<br />
da die Wehrpflicht in Deutschland jungen Männern den gleichen Zugang<br />
zum Arbeitsmarkt und somit gleiche Chancen wie Frauen verwehre.<br />
Der EuGH legte fest, dass es sich bei der Wehrpflicht um eine<br />
Grundsatzentscheidung zur Organisation der Streitkräfte handele,<br />
durch die kein Verstoß gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie entstehe.<br />
Warum die eine nationale Entscheidung zu Aufbau und Organisation<br />
der Streitkräfte einen Verstoß gegen die Richtlinie darstellt<br />
und die andere nicht, wird vom Gericht nicht näher ausgeführt.<br />
Eine weitere europäische Richtlinie mit Auswirkung auf die Bundeswehr<br />
ist die Arbeitsschutzrichtlinie 93/104/EG in Verbindung mit der<br />
Arbeitszeitrichtlinie 89/331/EG. Mangels einer Umsetzung durch Gesetz<br />
gelten die Richtlinien direkt für die Streitkräfte. Nach Art. 2 der<br />
Richtlinie gilt die Anwendbarkeit für alle Tätigkeitsbereiche; Ausnahmen<br />
gibt es, wenn Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten<br />
zwingend entgegenstehen. Dazu gehören Tätigkeiten bei der<br />
Polizei, im Katastrophenschutzdienst und eben auch in den Streitkräften.<br />
Allerdings bedeutet das nicht die Ausnahme für einen ganzen<br />
Beruf, so dass etwa der gesamte Soldatenberuf ausgenommen wäre.<br />
Die Ausnahmen gelten nur für bestimmte Tätigkeiten in einem Beruf,<br />
in der Bundeswehr beispielsweise während des Auslandseinsatzes.<br />
Die Antidiskriminierungsrichtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und<br />
76/207/EWG wurden durch das Gesetz über die Gleichbehandlung der<br />
Soldatinnen und Soldaten (SoldGG) für die deutschen Streitkräfte<br />
umgesetzt (siehe § 3 Rn. 21 ff.).<br />
Verhältnis zum Recht der Beamten und Richter<br />
5<br />
Die Rechtsverhältnisse der Beamten, Soldaten und Richter sind voneinander<br />
unabhängig. So gibt es z. B. keine „hergebrachten Grund-<br />
7<br />
) EuGH NJW 2000, 497.<br />
8<br />
) EuGH NJW 2003, 1379.<br />
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Einführung<br />
sätze des Berufssoldatentums“, die wegen Art. 33 Abs. 5 eine völlige<br />
Gleichbehandlung der drei Berufsgruppen verlangen würde.<br />
Richtig ist, dass alle drei Berufe aufgrund eines öffentlich-rechtlichen<br />
Dienstverhältnisses existieren und Art. 33 Abs. 2 GG als Ausgangspunkt<br />
für Einstellung, Beförderung und andere Auswahlentscheidungen<br />
haben. Die Kriterien Eignung, Befähigung und Leistung ziehen<br />
sich durch das gesamte berufliche Fortkommen der Beamten, Soldaten<br />
und Richter. Deshalb ist es zwingend, Beförderungen oder andere<br />
förderliche Entscheidungen nach den gleichen Grundsätzen zu<br />
behandeln. Doch schon Details im Verfahren können eine etwas andere<br />
Handhabung eines Problemfalles verlangen. 9 ) Es kommt hinzu,<br />
dass für die Soldaten gemäß § 17 ff. WBO in truppendienstlichen Angelegenheiten<br />
die Wehrdienstgerichte (Bundesverwaltungsgericht<br />
und Truppendienstgerichte) zuständig sind. Auch diese Gerichte entscheiden<br />
zum Teil über Auswahlentscheidungen wie die Versetzung<br />
auf einen höherwertigen Dienstposten oder den Laufbahnwechsel in<br />
eine höhere Laufbahn. Das führt manchmal zu doppelten Rechtsstreiten,<br />
wenn etwa ein Soldat erst die Versetzung auf den höherwertigen<br />
Dienstposten erstreiten muss und dann noch die Beförderung zu dem<br />
Dienstgrad, der der neuen Dotierung entspricht.<br />
Beispiel:<br />
Ein Hauptmann (Besoldungsgruppe A 11) besetzt einen Dienstposten<br />
der Dotierung A 11. Er ist der Meinung, schon längst alle<br />
Voraussetzungen für die Beförderung zum Major zu erfüllen. Insbesondere<br />
sieht er sich vom Leistungsbild mindestens genauso<br />
gut wie andere Soldaten mit dem Dienstgrad Major. Voraussetzung<br />
für die Beförderung ist aber die Besetzung eines Dienstpostens<br />
der Dotierung A 13 (Major). Es muss also zunächst die Versetzung<br />
auf den richtigen Dienstposten erstritten werden. Da die<br />
Versetzung eine truppendienstliche Maßnahme ist, muss der Soldat<br />
zunächst den Weg zum zuständigen Wehrdienstgericht begehen<br />
(§§ 17, 23 WBO). Hat er sich dort durchgesetzt, erfüllt er<br />
aber nur eine Grundvoraussetzung für die Beförderung. Wird er<br />
dennoch nicht befördert, muss er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht<br />
klagen. Diese doppelte Rechtsstreitigkeit macht wenig<br />
Sinn, da beide Auswahlentscheidungen nach den Kriterien<br />
Eignung, Befähigung und Leistung zu treffen sind. Bei Beamten<br />
9 ) Dazu ausführlich: Dolpp/Klewitz/<strong>Weniger</strong> Einführung Rn. 10.<br />
www.WALHALLA.de 17
Einführung<br />
werden beide Entscheidungen auch in einem Verfahren behandelt,<br />
obwohl es sich rechtlich um unterschiedliche Akte handelt.<br />
10 )<br />
Eine Vergleichbarkeit der Ämter und Dienstgrade von Beamten und<br />
Soldaten ergibt sich aus der Zuordnung zu den einzelnen Besoldungsgruppen.<br />
Beide Bediensteten unterliegen dem Bundesbesoldungsgesetz<br />
und den Besoldungsordnungen A und B. In der Anlage I zum<br />
Bundesbesoldungsgesetz sind die Ämter/Dienstgrade den Besoldungsgruppen<br />
zugewiesen. Auch in der Versorgung sind die meisten Ansprüche<br />
des Beamten/Berufssoldaten im Ruhestand parallel geregelt.<br />
Jedoch befinden sich diese Regeln in unterschiedlichen Gesetzen,<br />
nämlich im Beamtenversorgungsgesetz und im Soldatenversorgungsgesetz.<br />
Auch die Rechte und Pflichten sowie die statusrechtlichen Vorschriften<br />
der Dienstverhältnisse kennen viele Gemeinsamkeiten, beruhen<br />
aber immer auf der ausdrücklichen Normierung in den jeweiligen<br />
Gesetzen. Parallel geregelt sind unter anderem: das Nebentätigkeitsrecht,<br />
die Haftung des Bediensteten gegenüber dem Dienstherrn, die<br />
Urlaubsvorschriften sowie einige Grundsätze der Ernennung und Entlassung.<br />
Wesentliche Unterschiede bestehen bei den Rechten und<br />
Pflichten, den Laufbahnvorschriften und bei der Dienstzeitversorgung<br />
der Soldaten auf Zeit.<br />
Verteidigungsfall und Spannungsfall<br />
6<br />
Das <strong>Soldatengesetz</strong> trifft keine Aussagen dazu, wann der Spannungsoder<br />
Verteidigungsfall eintritt. Die Regularien für die Feststellung des<br />
Verteidigungsfalles sind in Art. 115a ff. GG enthalten. Der Spannungsfall<br />
wird nach den Voraussetzungen des Art. 80a GG festgestellt.<br />
Das <strong>Soldatengesetz</strong> kennt besondere Regeln für den Verteidigungsfall<br />
in den §§ 51 Abs. 3 Nr. 2, 51a Abs. 2, 59 ff. Spezielle Rechte und<br />
Pflichten bestehen daher nicht, wenn der Verteidigungsfall eingetreten<br />
ist. Allerdings werden dann die soldatischen Pflichten wegen der<br />
erhöhten Anforderungen an Disziplin und militärische Ordnung besonders<br />
streng einzufordern sein.<br />
Einen besonderen Maßnahmenkatalog für den Spannungs- oder Verteidigungsfall<br />
gibt es nicht. Einige Formen des Einsatzes der Bundes-<br />
10<br />
) Zum einstweiligen Rechtsschutz siehe Dolpp/Klewitz/<strong>Weniger</strong> Einführung<br />
Rn. 10.<br />
18 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
wehr im Innern sind durch Art. 87a Abs. 3 GG bestimmt. Im Gegensatz<br />
zum Polizei- und Ordnungsrecht kennt das Wehrrecht außer dem unbestimmten<br />
Begriff „Verteidigung“ des Art. 87a Abs. 2 GG keine nähere<br />
Differenzierung dessen, was die Streitkräfte im Verteidigungsfall<br />
dürfen und was nicht. Lediglich das UZwGBw enthält Befugnisse<br />
der Soldaten bei der Bewachung militärischer Liegenschaften, die sich<br />
am Maßnahmenkatalog der Polizeigesetze orientieren.<br />
Auslandseinsätze<br />
Die Auslandseinsätze sind seit 1992 zu einer immer weiter wachsenden<br />
Aufgabe der Streitkräfte geworden. Der vom Gesetz benutzte<br />
Begriff (z. B. § 62 SG, § 58a BBesG) lautet besondere Auslandsverwendung.<br />
Der passendere und kürzere Begriff ist jedoch Auslandseinsatz.<br />
Auch die vom Bundesverteidigungsminister erlassenen Verteidigungspolitischen<br />
Richtlinien vom 21. 5. 2003 stellen die Teilnahme an<br />
internationalen Missionen zur Konfliktbewältigung und Krisenverhütung<br />
als gleichberechtigte Aufgabe neben die Landesverteidigung.<br />
Dass die Streitkräfte für diese Missionen eingesetzt werden dürfen,<br />
hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. 11 ) Der Einsatz ist dabei<br />
daran gebunden, im Rahmen eines Bündnisses der gegenseitigen kollektiven<br />
Sicherheit gemäß Art. 24 Abs. 2 GG stattzufinden. Die Vereinten<br />
Nationen, NATO und die Europäische Union sind derartige<br />
Bündnisse. Zweifelsfrei sind daher Missionen mit einem Mandat der<br />
Vereinten Nationen zulässig. Der Einsatz der Bundeswehr im Rahmen<br />
der NATO-Operation über dem Kosovo und anderen Gebieten des<br />
ehemaligen Jugoslawien 1999 war völkerrechtlich umstritten, da er<br />
nicht durch die UN oder die OSZE veranlasst war, sondern auf einzelnen<br />
internationalen Abkommen beruhte. 12 )<br />
Das <strong>Soldatengesetz</strong> gilt uneingeschränkt für Verwendungen im Ausland,<br />
sei es in Form des Auslandseinsatzes oder in Form der dauerhaften<br />
Verwendung, beispielsweise in Dienststellen der NATO. Die<br />
Gehorsamspflicht der Soldaten umfasst auch die Teilnahme an Auslandseinsätzen.<br />
13 7<br />
) Die Frage, ob Grundwehrdienstleistende ohne Einwilligung<br />
zur Teilnahme an Auslandseinsätzen verpflichtet werden<br />
können, ist zu verneinen. Dies folgt nicht aus dem <strong>Soldatengesetz</strong>, da<br />
alle Soldaten – egal ob sie aufgrund der Wehrpflicht oder aufgrund<br />
11<br />
) BVerfG NJW 1994, 2207.<br />
12<br />
) Siehe Kreß NJW 1999, 3077; Brenner/Hahn JuS 2001, 729 m. w. Nachweisen.<br />
13 ) BVerwG NZWehrr 1997, 117.<br />
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8<br />
Einführung<br />
freiwilliger Verpflichtung Wehrdienst leisten – die gleichen Pflichten<br />
haben und eine Beschränkung etwa auf Aufgaben der reinen Landesverteidigung<br />
dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. Aber § 6a Abs. 1<br />
sieht die Teilnahme von Wehrübenden und FWDL an Einsätzen nur<br />
nach einer schriftlichen Einwilligung vor. A maiore ad minus muss dies<br />
auch für Grundwehrdienstleistende gelten.<br />
Das Verhältnis der Bundeswehrangehörigen zum Gastland wird auf<br />
dem Gebiet eines NATO-Mitgliedsstaates unter anderem durch das<br />
NATO-Truppenstatut und das Zusatzabkommen bestimmt. Hierin sind<br />
Sonderregeln für die aus dienstlichem Anlass entsandten Soldaten<br />
und übrigen Angehörigen der Streitkräfte in Bezug auf die Ausweispflicht,<br />
Waffenbesitz, Polizeigewalt und Strafverfolgung, Haftung für<br />
Schäden usw. enthalten. Beim Aufenthalt in Nichtmitgliedsstaaten<br />
der NATO sind bi- oder multilaterale Vereinbarungen zwischen der<br />
Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen Staat maßgebend.<br />
Systematik des <strong>Soldatengesetz</strong>es<br />
9<br />
Das <strong>Soldatengesetz</strong> ist in sechs Abschnitte unterteilt, von denen die<br />
ersten zwei umfangreich ausgefallen sind und die wichtigsten Vorschriften<br />
enthalten.<br />
Der erste Abschnitt beinhaltet zunächst allgemeine Vorschriften wie<br />
Begriffsbestimmungen oder die Ernennungs- und Verwendungsgrundsätze.<br />
Im zweiten Teil des ersten Abschnittes folgen die Rechte<br />
und Pflichten aller Soldaten der Bundeswehr. Hier gilt das <strong>Soldatengesetz</strong><br />
für Berufs- und Zeitsoldaten, GWDL, FWDL, Wehrübende und<br />
alle übrigen Soldaten.<br />
Der zweite Abschnitt behandelt die Rechtsstellung der Soldaten auf<br />
Zeit und der Berufssoldaten. Hier geht es um die Einstellung, Beförderung<br />
und Entlassung der SaZ und BS.<br />
Der dritte Abschnitt besteht lediglich aus § 58 und verweist für die<br />
statusrechtlichen Vorschriften der GWDL und Wehrübenden auf das<br />
Wehrpflichtgesetz. Diese Unterscheidung in Bezug auf das Statusrecht<br />
zwischen SaZ und BS einerseits und GWDL/Wehrübenden andererseits<br />
ist notwendig, da Letztere aufgrund der Wehrpflicht in das Soldatenverhältnis<br />
eintreten. Die besonderen Regeln von Einberufung zum<br />
Grundwehrdienst, Verpflichtung zum freiwilligen zusätzlichen Grundwehrdienst,<br />
Entlassung usw. sind im Wehrpflichtgesetz festgehalten.<br />
Der vierte Abschnitt enthält mit § 59 ff. die Dienstleistungspflicht von<br />
früheren Berufs- und Zeitsoldaten sowie ungedienten Personen. Die<br />
Dienstleistungspflicht folgt bei den BS und SaZ aus der vormaligen<br />
20 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
Verpflichtung für das Dienstverhältnis, bei Ungedienten aus einer<br />
freiwilligen Verpflichtung für die Dienstleistungen (§ 59 Abs. 3). Die<br />
Regelungen des vierten Abschnitts entsprechen weitgehend den jeweiligen<br />
Vorschriften des Wehrpflichtgesetzes. Die Einberufung nach<br />
dem Wehrpflichtgesetz hat Vorrang (§ 80); der vierte Abschnitt hat<br />
daher vor allem Bedeutung für die Heranziehung von Ungedienten,<br />
die nicht der Wehrpflicht unterliegen.<br />
Der fünfte Abschnitt legt in § 82 den Grundsatz für Klagen aus dem<br />
Dienstverhältnis des Soldaten und des Bundes fest. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg<br />
für diese Klagen einschlägig. Für Rechtsstreite der<br />
Soldaten gilt aber in den truppendienstlichen Angelegenheiten gemäß<br />
§ 17 ff. WBO der Weg zu den Wehrdienstgerichten. 14 )<br />
Der sechste Abschnitt enthält neben den üblichen Übergangs- und<br />
Schlussvorschriften die Regeln für die Eignungsübung von Bewerbern,<br />
die mit höherem Dienstgrad eingestellt werden. Die Eignungsübung<br />
ist eine Art Probezeit für ungediente Bewerber, die oft mit Vorgesetzteneigenschaft<br />
als Soldat auf Zeit eingestellt werden sollen. Beide<br />
Seiten – Soldat und Dienstherr – können das Dienstverhältnis während<br />
der Eignungsübung beenden.<br />
Frauen in den Streitkräften<br />
Rückblick<br />
Als 1956 die ersten Männer als Soldaten in die Bundeswehr einrück- 10<br />
ten, waren Frauen nur als zivile Beschäftigte in der Bundeswehrverwaltung<br />
zu finden. Frauen in Uniform waren in den Deutschen Streitkräften<br />
nicht vorgesehen. In den Bundestagsdebatten zu den Vorschriften<br />
der neuen Wehrgesetzgebung wurde deutlich, dass die Abgeordneten<br />
des Deutschen Bundestages diesen Gedanken geradezu<br />
absurd fanden. Man dachte an die „Flakhelferinnen“ und „Blitzmädels“<br />
des ersten Weltkrieges, die ohne rechtlichen Schutz oder Status<br />
in der Endphase des Krieges verheizt wurden. – Das sollte in den neu<br />
aufgestellten Streitkräften nicht wieder vorkommen. Darum schloss<br />
man jeden, auch den freiwilligen Dienst der Frau mit der Waffe durch<br />
Art. 12a Abs. 3 Satz 2 im damaligen Grundgesetz aus. Offen ließ man<br />
die Möglichkeit des freiwilligen Dienstes von Frauen ohne Waffe. In<br />
den siebziger Jahren wurde die personelle Unterbesetzung im Stellenplan<br />
der Bundeswehr insbesondere beim militärärztlichen Dienst<br />
dramatisch. Der Mangel an Sanitätsoffizieren konnte mit keiner der<br />
14 ) Zur Abgrenzung siehe Böttcher/Dau Einführung Rn. 55 ff.<br />
www.WALHALLA.de 21
Einführung<br />
vielen Werbemaßnahmen der Bundeswehr behoben werden. 1975<br />
waren nur 669 Berufs- und 146 Zeitoffiziere Ärzte. Es fehlten rund<br />
1.300 länger dienende Sanitätsoffiziere. Dazu kam, dass bis 1980 insgesamt<br />
214 Berufssanitätsoffiziere in den Ruhestand treten würden<br />
und ein Ausgleich durch Neueinstellung von vollausgebildeten und<br />
erfahrenen Ärzten nicht möglich schien. Angesichts dieser Lage begannen<br />
im Verteidigungsministerium Überlegungen, die Laufbahn<br />
der Sanitätsoffiziere auch für Ärztinnen zu öffnen. Diese Überlegungen<br />
wurden dadurch bestärkt, dass 1975 das „Jahr der Frau“ war, in<br />
dem man ein deutliches Zeichen setzen wollte.<br />
So kam es, dass am 1. Oktober 1975 erstmals weibliche Sanitätsoffiziere<br />
als „Seiteneinsteigerinnen“ in die Bundeswehr eintraten. An<br />
diesem historischen Tag für die Streitkräfte begannen fünf Frauen<br />
ihren Dienst in Uniform. Allerdings wurden diese Frauen lediglich als<br />
Ärztinnen, später auch als Apothekerinnen, verwendet. Verschlossen<br />
blieb ihnen die Möglichkeit, sämtliche möglichen Aufgabenbereiche<br />
eines Sanitätsoffiziers (z. B. die Aufgabe eines Lehroffiziers an der<br />
Sanitätsakademie) auszuüben. Um diesen Schritt rechtlich abzusichern,<br />
stellte sich das Verteidigungsministerium auf den Standpunkt,<br />
dass der Sanitätsdienst nicht als Dienst mit der Waffe anzusehen sei,<br />
da die in diesem Bereich ausgegebenen Waffen lediglich zur Selbst-<br />
und Patientenverteidigung angewendet werden dürften. Dies sei<br />
vom völkerrechtlichen Selbstverteidigungszweck umfasst. Nach wie<br />
vor vertrat man aber die Ansicht, dass in allen anderen Verwendungen<br />
der Bundeswehr Frauen nicht eingesetzt werden dürften. Der<br />
erwartete Ansturm auf die neuen Dienstposten blieb allerdings aus:<br />
Ende 1975 dienten gerade mal 29 Stabsärztinnen in den Streitkräften.<br />
Die nächste Ausweitung des Dienstes von Frauen in der Bundeswehr<br />
kam erst 1988: Die weiblichen Sanitätsoffiziere bekamen die Möglichkeit,<br />
alle Aufgaben eines Sanitätsoffiziers wahrzunehmen. Damit<br />
entfielen einige bis dahin geltende Sonderregelungen. Sie wurden<br />
insbesondere von da an verpflichtet, auch an der Ausbildung mit der<br />
Pistole teilzunehmen und diese im Einsatz oder bei Übungen bei sich<br />
zu tragen. Erst am 1. Januar 1991 wurden auch die Laufbahnen der<br />
Unteroffiziere und Mannschaften im Sanitätsdienst der Bundeswehr<br />
und alle Laufbahngruppen im Militärmusikdienst für Frauen geöffnet.<br />
Ihre Ausbildung war mit der der männlichen Kameraden identisch.<br />
1997 gab es fast 3.500 Soldatinnen in der Sanitätstruppe und im<br />
Militärmusikdienst. Die Erfahrungen mit den Frauen wurden von den<br />
22 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
Inspekteuren der Teilstreitkräfte insgesamt als sehr positiv bewertet.<br />
Bestrebungen von Seiten der Streitkräfte, auch andere Verwendungen<br />
für Frauen zu öffnen, gab es nicht.<br />
Der Weg zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen, die Frauen den<br />
Zugang zu allen Laufbahnen und Laufbahngruppen in den Streitkräften<br />
öffnete, wurde mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes am<br />
11. Januar 2000 geebnet. Vorausgegangen war die Klage einer jungen<br />
Elektronikerin – Tanja Kreil. Man hatte die Bewerbung der jungen<br />
Frau zur Instandsetzungstruppe mit der Begründung abgelehnt,<br />
„Frauen dürften auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe herangezogen<br />
werden“ (Artikel 12a Abs. 4 Satz 2 GG). Das zuständige Verwaltungsgericht<br />
Hannover legte die Sache dem Europäischen Gerichtshof<br />
zur Entscheidung vor. Dieser befand, dass die Tatsache, dass Frauen<br />
grundsätzlich von allen truppendienstlichen Verwendungen in den<br />
Streitkräften ausgeschlossen seien, gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie<br />
76/207/EWG verstoße und somit europarechtswidrig sei. 15 )<br />
Als Konsequenz aus dieser Entscheidung erließ der Bundesminister<br />
der Verteidigung umgehend die Weisung, Frauen ab dem 2. Januar<br />
2001 den Zugang zu allen Laufbahnen und Laufbahngruppen der<br />
Streitkräfte zu ermöglichen. Die für die Öffnung der Streitkräfte für<br />
Frauen erforderlichen Änderungen der Gesetzesgrundlagen wurden<br />
durch das Kabinett am 7. Juni 2000 gebilligt. Artikel 12a des Grundgesetzes<br />
wurde dahingehend geändert, dass er Frauen den freiwilligen<br />
Dienst mit der Waffe eindeutig erlaubt. Gleichzeitig wurden das<br />
<strong>Soldatengesetz</strong> und die Soldatenlaufbahnverordnung angepasst.<br />
Nach umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen traten am 2. Januar<br />
2001 erstmals in der Geschichte der Bundeswehr Frauen ihren Dienst<br />
in allen Laufbahnen und Verwendungen der Streitkräfte an. An<br />
21 Standorten stellten sich 253 Frauen den Herausforderungen der<br />
Allgemeinen Grundausbildung für Unteroffiziere und Mannschaften.<br />
Am 2. Juli 2001 folgten die ersten weiblichen Offizieranwärterinnen<br />
für den Truppendienst.<br />
Um den Soldatinnen einen reibungslosen Zugang zu den truppendienstlichen<br />
Verwendungen zu gewährleisten, wurde bereits vor der<br />
ersten Einstellung eine Steuergruppe „Frauen in den Streitkräften“<br />
im Bundesministerium der Verteidigung eingerichtet. Diese legte eine<br />
Vielzahl von Rahmenbedingungen fest, um die Integration der Frauen<br />
in die Streitkräfte reibungslos zu ermöglichen. Dazu gehörten z. B.<br />
15 ) EuGH NJW 2000, 497.<br />
www.WALHALLA.de 23<br />
11
12<br />
13<br />
Einführung<br />
die Frage, ob es besondere Einstellungskriterien geben solle und in<br />
welchen Bereichen die Infrastruktur angepasst werden musste. Natürlich<br />
war auch die Frage der Bekleidung zu regeln. Parallel zu der Arbeit<br />
der Steuergruppe wurden am Zentrum der Inneren Führung in<br />
Koblenz Lehrgänge für Vorgesetzte durchgeführt, die auf den Umgang<br />
mit den Soldatinnen vorbereiteten.<br />
Trotz des zu Beginn der Öffnung großen Interesses am Soldatenberuf<br />
junger Frauen blieb der „Ansturm“ auf die Dienstposten, insbesondere<br />
bei der so genannten kämpfenden Truppe aus. War das erklärte<br />
Ziel im Jahre 2001 noch, den Anteil der Soldatinnen auf 10 % zu steigern,<br />
liegt diese Zahl drei Jahre nach der Öffnung bei knapp über<br />
5 %. Die meisten Bewerberinnen interessieren sich nach wie vor für<br />
die Verwendung im Sanitätsdienst. Daneben interessieren sie sich im<br />
Schwerpunkt für den Stabsdienst und Logistik. Nur ein geringer Prozentsatz<br />
bewirbt sich tatsächlich für die kämpfende Truppe.<br />
Inzwischen muss die Bundeswehr sich die Frage stellen, wie weit die<br />
Integration der Soldatinnen in die Truppe gediehen ist. Zwar sind die<br />
notwendigen gesetzlichen Änderungen durchgeführt worden, und<br />
eine Soldatin gehört mittlerweile in der Truppe zum alltäglichen Erscheinungsbild.<br />
Damit ist aber die Integration noch lange nicht abgeschlossen.<br />
Überall wird betont, dass die Öffnung aller Verwendungsbereiche<br />
eine Erfolgsgeschichte sei und die Soldatinnen ihren Dienst<br />
mit viel Einsatz, Zielstrebigkeit und Erfolg verrichten. Insbesondere<br />
bei Lehrgängen schneiden häufig die Soldatinnen als Beste ab. Und<br />
auch das Image der Bundeswehr hat gewonnen; zumindest wird der<br />
Umgangston in der Truppe als positiver bewertet. Doch trotz der integrationsfördernden<br />
Maßnahmen, die zu Beginn durchgeführt wurden,<br />
zeigte sich schnell ein hoher Bedarf an Information und Beratung.<br />
Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz – SGleiG<br />
Mit dem Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen<br />
und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz<br />
– SDGleiG), 16 ) das am 1. Januar 2005 in<br />
Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber auf diesen Bedarf reagiert und<br />
die Bestimmungen des Bundesgleichstellungsrechtes auch auf den<br />
Bereich der Streitkräfte übertragen. Das Gesetz dient der tatsächlichen<br />
Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr<br />
16 ) BGBl 2004 I, 3822 ff.<br />
24 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
sowie der Beseitigung bestehender und der Verhinderung künftiger<br />
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Artikel 2 des Gesetzes<br />
sieht auch Änderungen des <strong>Soldatengesetz</strong>es vor. So ist in einem<br />
neuen § 30a und b erstmalig in der Geschichte der Bundeswehr die<br />
Möglichkeit geschaffen worden, den Dienst als Soldatin oder Soldat<br />
in Teilzeit zu leisten. Damit setzt die Bundeswehr den Weg, den sie<br />
mit der vollständigen Öffnung aller Verwendungsbereiche für Frauen<br />
begonnen hat, konsequent fort.<br />
Inzwischen verrichten mehr als 12.000 Frauen ihren Dienst als Soldatinnen<br />
in der Bundeswehr. Die Tendenz ist nach wie vor steigend.<br />
Frauen werden zunehmend einen wichtigen Beitrag zur Auftragserfüllung<br />
der Streitkräfte erbringen und das Bild der Bundeswehr in<br />
der Öffentlichkeit mit prägen. Bei der Auslegung der Vorschriften des<br />
<strong>Soldatengesetz</strong>es wird auch hierauf in Zukunft Rücksicht zu nehmen<br />
sein.<br />
Allgemeines zum SGleiG<br />
Bei dem SDGleiG handelt es sich um ein Artikelgesetz, das in Artikel 1<br />
das Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr<br />
(Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz – SGleiG)<br />
einführt. Artikel 2 bis 7 enthalten die notwendigen Folgeänderungen<br />
des <strong>Soldatengesetz</strong>es, der Soldatenlaufbahnverordnung, des Soldatenbeteiligungsgesetzes,<br />
des Arbeitsplatzschutzgesetzes, des Beamtenversorgungsgesetzes<br />
und des Soldatenversorgungsgesetzes.<br />
In § 1 Abs. 1 SGleiG wird die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten<br />
der Bundeswehr sowie die Beseitigung bestehender und die<br />
Verhinderung künftiger Diskriminierungen wegen des Geschlechts als<br />
Ziel festgelegt. Ein weiteres Gesetzesziel ist, die Vereinbarkeit von<br />
Familie und Dienst in den Streitkräften für Soldatinnen und Soldaten<br />
zu verbessern.<br />
§ 1 Abs. 2 SGleiG betrifft die sprachliche Gleichbehandlung von<br />
Frauen und Männern. Ziel ist es, veraltete Ausdrucksweisen und die<br />
herkömmliche Verwendung generischer Maskulina abzulösen. 17 )<br />
Diese Vorgabe wird allerdings in Abs. 3 relativiert, der die Einführung<br />
weiblicher Dienstgradbezeichnungen lediglich als „Kann-Bestimmung“<br />
vorsieht. Damit wird es dem Bundesministerium der Verteidigung<br />
freigestellt, weibliche Dienstgradbezeichnungen einzuführen.<br />
17 ) <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
www.WALHALLA.de 25<br />
14
Einführung<br />
Derzeit gibt es keine Pläne, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.<br />
Das Gesetz begründet die Verpflichtung, die Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip zu berücksichtigen.<br />
Damit ist das Konzept des „Gender-Mainstreaming“ verpflichtender<br />
Bestandteil der gesamten Aufgabenerfüllung einer Dienststelle,<br />
insbesondere ihrer Personal- und Organisationsverwaltung. § 3<br />
Abs. 4 SGleiG sieht vor, dass das Gesetz für den Spannungs- und Verteidigungsfall<br />
nicht anwendbar ist. Sowohl der Spannungs- als auch<br />
der Verteidigungsfall müssen mit qualifizierter Mehrheit von Zweidritteln<br />
der abgegebenen Stimmen im Deutschen Bundestag festgestellt<br />
werden (Art. 80a, 115a GG). Mit dieser Vorschrift wird die<br />
Zielsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten in ihrer<br />
Bedeutung hinter die Grundsätze der allgemeinen Beteiligungsrechte<br />
gesetzt. Das Soldatenbeteiligungsgesetz kennt keine Vorschrift, die<br />
ihre Anwendbarkeit für den Spannungs- oder Verteidigungsfall ausschließt.<br />
Die unterschiedlichen Regelungen in den Beteiligungsrechten<br />
der Personalvertretung und im SGleiG sind nicht nachvollziehbar.<br />
Im Entstehungsprozess des SGleiG war insbesondere die so genannte<br />
„Quotenregelung“ des Gesetzes sehr umstritten. Der Gesetzestext<br />
selber kennt diesen Begriff nicht, sondern verwendet in § 4 Abs. 5<br />
SGleiG das Wort „Unterrepräsentanz“. 18 ) Wie auch das BGleiG definiert<br />
das SGleiG den Begriff nicht, sondern beschreibt lediglich,<br />
wann Frauen als unterrepräsentiert gelten. Die Feststellung der Unterrepräsentanz<br />
ist Voraussetzung für das Eingreifen bestimmter Fördermaßnahmen,<br />
die im folgenden Gesetz ausführlich dargestellt<br />
werden. Das SGleiG unterscheidet bei der Festlegung der Unterrepräsentanz<br />
zwischen dem Sanitätsdienst – hier soll die Unterrepräsentanz<br />
bei 50 % liegen – und allen anderen Laufbahnen – hier wird die<br />
Unterrepräsentanz auf 15 % festgelegt. Mit dieser Regelung soll den<br />
faktischen Gegebenheiten in den Streitkräften Rechnung getragen<br />
werden. 19 ) Die Unterrepräsentanz wird für jeden Bereich (vgl. § 4,<br />
Abs. 2 SGleiG) festgestellt. Für die Beurteilung der Unterrepräsentanz<br />
kommt es auf den Anteil der Soldatinnen nach Kopfzahl an, nicht<br />
nach Stellen im Haushaltsplan. 20 ) Wichtig ist, dass innerhalb einer<br />
Laufbahn auch dann Unterrepräsentanz vorliegt, wenn in der einzel-<br />
18<br />
) <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
19<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 18.<br />
20<br />
) von Roetteken § 4 BGleiG, Rn. 87.<br />
26 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
nen Besoldungsgruppe bereits ein Frauenanteil von 15 % (oder 50 %<br />
im Sanitätsdienst) erreicht ist, insgesamt dagegen nicht. 21 )<br />
Maßnahmen zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten<br />
Der zweite Abschnitt des SGleiG gibt spezifische Maßnahmen zur Förderung<br />
der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten vor.<br />
So ist es unzulässig, geschlechtsbezogene Differenzierungen bereits<br />
bei der Nachwuchswerbung vorzunehmen. 22 ) Sowohl bei Stellenausschreibungen<br />
als auch im Annahmeverfahren muss die Chancengleichheit<br />
von Frauen sichergestellt werden. 23 ) Auch wenn es um Förderung<br />
und Beförderung geht, muss das Prinzip der Chancengleichheit<br />
beachtet werden. In diesen Bereichen hat die so genannte einzelfallbezogene<br />
Quotenregelung ihren Hauptanwendungsbereich: Der<br />
Dienstgeber wird verpflichtet, eine Frau anstelle eines Mannes anzustellen<br />
bzw. zu fördern und zu befördern, wenn die drei übrigen<br />
Voraussetzungen (gleiche Qualifikation, Unterrepräsentanz im Bezugsbereich,<br />
kein Vorliegen von in der Person des Mitbewerbers liegenden<br />
Gründen) erfüllt sind. 24 )<br />
Die Frage, wann „gleiche Qualifikation“ im Sinne von §§ 7 und 8<br />
SGleiG vorliegt, kann nur zusammen mit § 9 SGleiG beantwortet werden,<br />
der die Definition des Begriffs „Qualifikation“ vorgibt. Danach<br />
bestimmt sich die Feststellung der Qualifikation ausschließlich nach<br />
den Anforderungen der in Betracht kommenden Verwendungen und<br />
nach den Ausbildungsvoraussetzungen, den beruflichen Erfahrungen<br />
und Leistungen. Spezifische, durch Betreuungs- und Pflegeaufgaben<br />
erworbene Erfahrungen und Fähigkeiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2<br />
SGleiG zu berücksichtigen, soweit sie für die Ausübung der jeweiligen<br />
Tätigkeit von Bedeutung sind. Die Vorschrift greift damit die in der<br />
Badeck- und Abrahamson-Entscheidung des EuGH 25 ) getroffene Feststellung<br />
auf, dass Fähigkeiten und Erfahrungen, die durch Familienarbeit<br />
erworben wurden, zu berücksichtigen sind, soweit ihnen für<br />
die Eignung, Leistung und Befähigung Bedeutung zukommt. Dienstalter,<br />
Lebensalter und der Zeitpunkt der letzten Beförderung dürfen<br />
21<br />
) Schiek Rn. 898; Systematische Darstellung: Wankel Rn. 118.<br />
22<br />
) Vgl. hierzu auch Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 909.<br />
23<br />
) Vgl. zu den entsprechenden Regelungen im BGleiG: <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
24<br />
) Zur Vereinbarkeit der einzelfallbezogenen Quotenregelung mit dem Europäischen<br />
Recht: <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
25<br />
) EuGH, NJW 2000, 1549.<br />
www.WALHALLA.de 27<br />
15<br />
16
17<br />
18<br />
Einführung<br />
hingegen nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie für diese drei<br />
Gesichtspunkte maßgeblich sind. Bei der Beurteilung der Qualifikation<br />
kommt allerdings dem Lebensalter der Soldatinnen und Soldaten<br />
mit Blick auf die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte für bestimmte,<br />
einem Grenzalter unterliegende Verwendungen und bei der geburtjahrgangsbezogenen<br />
Übernahme zur Berufssoldatin oder zum Berufssoldaten<br />
eine besondere Bedeutung zu. 26 )<br />
Der Gleichstellungsplan ist eine weitere Maßnahme zur Gleichstellung.<br />
Er ist ein Instrument der Personalplanung, insbesondere der Personalentwicklung,<br />
und zur Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
(§ 11 Abs. 1, Satz 1 SGleiG). Er ist eine Beschreibung der Situation von<br />
Soldatinnen im Vergleich zu den Soldaten und dient der Auswertung<br />
der bisherigen Frauenförderung in den einzelnen Bereichen. 27 ) Zuständig<br />
für die Erstellung sind die Dienststellen, in denen Gleichstellungsbeauftragte<br />
zu wählen sind. Er muss im Benehmen mit den zuständigen<br />
personalbearbeitenden Dienststellen und unter frühzeitiger<br />
Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten für vier Jahre erstellt<br />
werden (§ 11 Abs. 3 SGleiG). Inzwischen liegt eine Ausführungsbestimmung<br />
vor, in der die Einzelheiten zur Erstellung des Gleichstellungsplans<br />
geregelt sind. Hier findet sich auch ein Muster für die Erstellung<br />
eines Gleichstellungsplans.<br />
Vereinbarkeit von Familie und Dienst für Soldatinnen und Soldaten<br />
Einen Schwerpunkt des Gesetzes bilden die Regelungen zur Vereinbarkeit<br />
von Familie und Dienst für Soldatinnen und Soldaten (§ 12 ff.<br />
SGleiG). Begünstigt sind hier beide Geschlechter, wobei insbesondere<br />
Soldaten aufgrund des überkommenen Rollenverständnisses besonderer<br />
Motivierung und Ermutigung durch ihre Vorgesetzten zur Inanspruchnahme<br />
dieser Regelungen bedürfen. 28 )<br />
§ 12 SGleiG verpflichtet die Dienststelle, zur Erleichterung der Vereinbarkeit<br />
von Familie und Dienst Angebote für familiengerechte Arbeitszeiten<br />
und Rahmenbedingungen zu entwickeln, soweit wichtige<br />
dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Damit ist nicht gemeint,<br />
dass die Dienststelle ein individuelles Angebot machen müsste, 29 ) sondern<br />
es geht um die Schaffung genereller Möglichkeiten. Unter fami-<br />
26<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 20.<br />
27<br />
) <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
28<br />
) Vgl. hierzu die Begründung zum BGleiG, BT-Dr. 14/5679, S. 25.<br />
29 ) BT-Dr. 15/3918, S. 21.<br />
28 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
liengerechten Arbeitszeiten und sonstigen Rahmenbedingungen sind<br />
neben einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung auch die in § 13 SGleiG<br />
genannten Möglichkeiten zu verstehen. 30 )<br />
Mit der Einführung der Möglichkeit von Teilzeitbeschäftigung wird<br />
ein bisher als unumstößlich geltender Grundsatz des soldatischen<br />
Dienstrechtes außer Kraft gesetzt. Bisher ging man davon aus, dass<br />
aufgrund der fehlenden gesetzlichen Dienstzeit auch eine Teilung der<br />
Dienstzeit nicht möglich sei. Der Soldat habe abgeleitet aus § 7 SG die<br />
Pflicht, jederzeit Dienst zu leisten. 31 ) Die Einzelheiten der Ausgestaltung<br />
der Teilzeitarbeit für Soldatinnen und Soldaten werden in einem<br />
neu eingefügten § 30a SG geregelt. Die Einzelheiten des Urlaubes zur<br />
Betreuung und Pflege von Kindern unter 18 Jahren oder pflegebedürftigen<br />
sonstigen Angehörigen sind bereits in § 28 Abs. 5 SG zusammengefasst.<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
Anders als im BGleiG, das auf eine konkrete Anzahl von Angehörigen<br />
der Dienststelle abstellt, werden im SGleiG die Gleichstellungsbeauftragten<br />
bestimmten Ebenen zugeordnet. Nach § 16 Abs. 1 SGleiG<br />
wird eine der jeweiligen Dienststelle zuzuordnende Gleichstellungsbeauftragte<br />
für die Divisionsebene und für Dienststellen vergleichbarer<br />
Ebene gewählt. Die Vorschrift beschränkt das passive und aktive<br />
Wahlrecht auf Soldatinnen der jeweils zugehörenden Dienststellen.<br />
Begründet wird der Ausschluss männlicher Soldaten mit der hohen<br />
frauenspezifischen Ausrichtung der Aufgabenstellung und der Erwartung,<br />
dass sich die Soldatinnen mit ihren Anliegen von einer Person<br />
desselben Geschlechts besser vertreten fühlen. 32 ) Diese Regelung hat<br />
die Akzeptanz des Gesetzes in der Truppe erheblich gefährdet. Im<br />
Hinblick auf die Verpflichtung aller Soldatinnen und Soldaten, die<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern, erscheint es fragwürdig,<br />
wenn Soldaten zugleich die Möglichkeit eines gesteigerten<br />
Engagements für die Gleichstellung der Geschlechter verwehrt wird. 33 )<br />
Eine Sonderregelung zur Zuordnung der Gleichstellungsbeauftragten<br />
enthält § 16 Abs. 3 SGleiG. Danach werden für die zentralen personalbearbeitenden<br />
Dienststellen einschließlich des Bundesministeriums<br />
30<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 21.<br />
31<br />
) Scherer/Alff § 7, Rn. 12.<br />
32<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 23.<br />
33<br />
) Vgl. hierzu auch <strong>Frank</strong>e NVwZ 2002, 779.<br />
www.WALHALLA.de 29<br />
19
20<br />
21<br />
Einführung<br />
der Verteidigung ebenfalls Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Hintergrund<br />
dieser Regelung ist die Tatsache, dass für Soldatinnen und<br />
Soldaten – anders als im zivilen Bereich – die meisten Personalentscheidungen<br />
von zentralen personalbearbeitenden Dienststellen geführt<br />
werden, die für die einzelnen Laufbahngruppen zuständig<br />
sind. 34 ) So ist z. B. das Personalamt der Bundeswehr zuständig für alle<br />
Personalentscheidungen, die Offiziere oder Offizieranwärterinnen<br />
und -anwärter betreffen (ausgenommen der Besoldungsgruppen<br />
A 16 und höher). Das entspricht einem Personalkörper von ca. 38.000<br />
Soldatinnen und Soldaten. 35 ) Aktiv und passiv wahlberechtigt sind<br />
alle Soldatinnen in der jeweiligen personalbearbeitenden Dienststelle,<br />
dieser zugehörigen Dienststellen sowie alle von dieser geführten<br />
Soldatinnen (§ 16 Abs. 3 SGleiG).<br />
Nach ihrer Wahl ist die Gleichstellungsbeauftragte von der Dienststelle,<br />
der sie zugeordnet ist, für vier Jahre zu bestellen. Das macht<br />
deutlich, dass sie für die Dienststelle, also im Sinne des Dienstgebers<br />
handelt und keinen „Gegenpol“ zu den Interessen des Dienstgebers<br />
darstellt, sondern dessen Interessen im Sinne der Umsetzung der<br />
Gleichstellung vertritt. Für den Fall, dass keine Kandidatin gewählt<br />
wird, ist die Dienststelle zur amtlichen Bestellung einer Gleichstellungsbeauftragten<br />
aus dem Kreis der wahlberechtigten Soldatinnen<br />
verpflichtet. Damit wird die Erforderlichkeit der Sicherstellung der<br />
angemessenen Vertretung aller Dienststellen deutlich. Daraus folgt,<br />
dass ein Absehen von der Bestellung generell nicht zulässig ist. 36 ) Zur<br />
Bestellung bedarf es in jedem Fall der Zustimmung der zu bestellenden<br />
Soldatin.<br />
In Dienststellen ohne eigene Gleichstellungsbeauftragte ist ab der<br />
nach der Divisionsebene direkt folgenden Regimentsebene von der<br />
jeweiligen Dienststellenleitung nach § 16 Abs. 6 SGleiG eine so genannte<br />
„Gleichstellungsvertrauensfrau“ zu bestellen, wenn dies tatsächlich<br />
möglich ist. Sie hat eine Vermittlungsfunktion zwischen den<br />
Soldatinnen und Soldaten und der zuständigen Gleichstellungsbeauftragten<br />
und berät diese in allen Fragen, die die vertretene Dienststelle<br />
betreffen. Eine Wahl ist nicht erforderlich. Allerdings sollen Vor-<br />
34<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 23.<br />
35<br />
) Taschenbuch „Deutsche Bundeswehr 2003“, S. 449.<br />
36<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 979.<br />
30 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
schläge der Gleichstellungsbeauftragten oder der Soldatinnen berücksichtigt<br />
werden. 37 )<br />
Nach § 16 Abs. 7 SGleiG wird die Stellvertreterin nach dem gleichen<br />
Verfahren wie die Gleichstellungsbeauftragte gewählt und bestellt.<br />
Somit können diese beiden Frauen in einem Wahlverfahren gewählt<br />
werden. Die Amtszeit verläuft parallel.<br />
§ 16 Abs. 8 SGleiG verbietet eine Bestellung von Mitgliedern einer<br />
Personalvertretung oder von Vertrauenspersonen zur Gleichstellungsbeauftragten<br />
oder ihrer Stellvertreterin. Außerdem werden<br />
Soldatinnen von diesen Ämtern ausgeschlossen, die mit Personalangelegenheiten<br />
befasst sind. Beide Ausschlussgründe sollen Interessenkollisionen<br />
vermeiden. 38 ) Allerdings muss der Ausschluss für mit<br />
Personalangelegenheiten befassten Soldatinnen sehr restriktiv erfolgen.<br />
Es reicht für den Ausschluss nicht aus, dass eine Soldatin an einer<br />
Personalentscheidung mitarbeitet, sondern sie muss ursächlich an der<br />
Personalentscheidung beteiligt sein. 39 ) Zudem ist die Frage aufzuwerfen,<br />
ob bei einer vollständig von ihrem Dienst freigestellten Gleichstellungsbeauftragten<br />
überhaupt eine Interessenkollision vorliegt.<br />
Sobald sie freigestellt ist, ist sie nicht mehr mit Personalangelegenheiten<br />
befasst, so dass eine Interessenkollision ausgeschlossen werden<br />
kann. Da jede Gleichstellungsbeauftragte nach § 18 Abs. 2 SGleiG für<br />
die volle regelmäßige Arbeitszeit freigestellt ist, gibt es für diese Position<br />
keinen Ausschlussgrund nach § 16 Abs. 8 Satz 1, 2. Halbsatz<br />
SGleiG. Diese Regelung ist demnach nur für die Stellvertreterin relevant.<br />
Liegt bei dieser im Zeitpunkt der Bewerbung eine Interessenkollision<br />
vor, schließt dies aber weder die Bewerbung noch die Teilnahme<br />
an der Wahl aus. Sollte die Wahl erfolgreich sein, hat die Bewerberin<br />
einen Anspruch auf Entbindung von der Befassung mit Personalangelegenheiten<br />
gegenüber ihrer Dienststelle. 40 )<br />
§ 16 Abs. 9 SGleiG stellt sicher, dass die Ämter der Gleichstellungsbeauftragten,<br />
ihrer Stellvertreterin und der Gleichstellungsvertrauensfrau<br />
kontinuierlich besetzt sind und die Aufgaben wahrgenommen<br />
werden. Eine nicht nur vorübergehende Verhinderung ist anzunehmen,<br />
wenn die Abwesenheit länger als drei Monate dauert und<br />
37<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 23.<br />
38<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 23.<br />
39<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 994.<br />
40<br />
) von Roetteken § 16 BGleiG, Rn. 73.<br />
www.WALHALLA.de 31<br />
22
23<br />
24<br />
25<br />
Einführung<br />
mit einer Rückkehr vor Ablauf von sechs Monaten nicht zu rechnen<br />
ist. 41 )<br />
Die Einzelheiten zum Wahlverfahren hat das Bundesministerium der<br />
Verteidigung durch Rechtsverordnung in einer Gleichstellungsbeauftragten<br />
– Wahlverordnung für Soldatinnen (SGleibWV) geregelt. 42 )<br />
Die ersten Wahlen der Militärischen Gleichstellungsbeauftragten sind<br />
bis zum Ende des Jahres 2005 abgeschlossen gewesen. Derzeit sind 37<br />
militärische Gleichstellungsbeauftragte (GleiBmil) und ihre Stellvertreterinnen<br />
im Dienst.<br />
Da militärische Gleichstellungsbeauftragte erst für die Divisionsebene<br />
vorgesehen sind, sind sie für einen sehr großen Personalkörper verantwortlich.<br />
Für diese Aufgabe sind sie grundsätzlich für die volle regelmäßige<br />
Arbeitszeit unter Belassung der Geld- und Sachbezüge<br />
freizustellen. Die Gleichstellungsbeauftragte erhält also diejenigen<br />
finanziellen Leistungen inklusive Zulagen und Mehrarbeitvergütungen,<br />
die sie ohne die Amtsübernahme bekommen hätte. 43 ) Außerdem<br />
müssen sie die notwendige personelle, räumliche und sachliche Ausstattung<br />
zur Verfügung gestellt bekommen. Ausgehend von § 18<br />
Abs. 3 BGleiG meint diese Formulierung, dass der Gleichstellungsbeauftragten<br />
im Bedarfsfall auch zusätzliche Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter zuzuordnen sind. 44 ) Nach § 18 Abs. 3 BGleiG ist dies bereits<br />
ab einer Beschäftigtenzahl von über 1.000 in der Dienststelle zu<br />
prüfen. Die Einzelheiten zur Ausstattung soll das Bundesministerium<br />
der Verteidigung in Ausführungsbestimmungen regeln.<br />
Die Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten und ihrer Stellvertreterin<br />
umfasst auch ihr Recht auf Fortbildung. Dies ist in § 18 Abs. 3<br />
SGleiG ausdrücklich festgeschrieben. Die Gelegenheit zur Fortbildung<br />
beinhaltet sowohl ein angemessenes inhaltliches Angebot als auch<br />
die für die Teilnahme notwendige Freistellung und gegebenenfalls<br />
Kostenübernahme bzw. -erstattung. 45 ) Die notwendigen Inhalte von<br />
Fortbildungskursen werden in der Vorschrift nur beispielhaft genannt<br />
und sind nicht abschließend. Darüber hinaus können andere Angebote,<br />
z. B. die Gelegenheit zur Fortbildung in Mediationstechniken,<br />
41<br />
) Vgl. BT-Dr. 15/3918, S. 23.<br />
42<br />
) BGBl. I 2006, Nr. 61, S. 2925–3132.<br />
43<br />
) Vgl. BT-Dr. 15/3918, S. 24.<br />
44<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 1007.<br />
45<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 1008.<br />
32 www.WALHALLA.de
Einführung<br />
sinnvoll sein. 46 ) Die Gleichstellungsbeauftragte ist zur Wahrnehmung<br />
der Fortbildungsangebote der Dienststelle verpflichtet.<br />
Der in § 18 Abs. 4 SGleiG geregelte Verfügungsfonds verspricht mehr,<br />
als er hält. Dahinter verbirgt sich die durch Verordnung geregelte<br />
Aufwandsentschädigung für freigestellte Personalvertretungsmitglieder<br />
nach § 46 Abs. 5 des Bundespersonalvertretungsgesetz. 47 ) Sie<br />
beträgt 26 Euro pro Monat. 48 ) Nicht verbrauchte Fondsanteile können<br />
auf den Folgemonat übertragen werden. 49 )<br />
Die Aufgabenbestimmung des § 19 Abs. 1 Satz 1 SGleiG beschränkt<br />
sich nicht nur auf die Förderung und Unterstützung des Vollzuges<br />
dieses Gesetzes, sondern erweitert die der Gleichstellungsbeauftragten<br />
zugewiesene Funktion auch auf das Beschäftigungsschutzgesetz,<br />
das nach seinem § 6 für Soldatinnen und Soldaten anwendbar ist.<br />
Anders als § 19 Abs. 1 BGleiG beschreibt das SGleiG nicht die „Überwachung“<br />
des Vollzuges des Gesetzes als Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten.<br />
Aus dem Sinnzusammenhang des Gesetzes ist trotzdem<br />
ist davon auszugehen, dass auch die Gleichstellungsbeauftragte der<br />
Soldatinnen und Soldaten Überwachungsfunktionen hat.<br />
§ 19 Abs. 1 Satz 2 SGleiG legt die Mitwirkungsrechte der militärischen<br />
Gleichstellungsbeauftragten fest. Danach hat sie mitzuwirken bei allen<br />
personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen ihrer<br />
Dienststelle, welche die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten,<br />
die Vereinbarkeit von Familie und Dienst sowie den Schutz vor sexueller<br />
Belästigung betreffen. Mitwirkung bedeutet, dass sich die<br />
Gleichstellungsbeauftragte aktiv am Entscheidungsfindungsprozess<br />
beteiligt, wozu ihr die entsprechenden Möglichkeiten eröffnet werden<br />
müssen. 50 ) Die Einzelheiten regelt § 20 SGleiG. Die Pflicht aus § 19<br />
Abs. 1 Satz 3 SGleiG, die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig zu beteiligen,<br />
trifft die Dienststellenleitung und bezieht sich auf sämtliche<br />
beteiligungspflichtigen Maßnahmen. 51 ) Die darauf folgende Aufzählung<br />
ist eine Konkretisierung und nicht abschließend gemeint. Bei<br />
46<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 24.<br />
47<br />
) Rechtsverordnung der Bundesregierung vom 18. 7. 1974, BGBl. I, S. 1499.<br />
48<br />
) Vgl. Art. 7 des Gesetzes zur Umstellung von Vorschriften des Dienst-, allgemeinen<br />
Verwaltungs-, Sicherheits-, Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts auf<br />
Euro vom 3. 12. 2001.<br />
49<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 25.<br />
50<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 1021.<br />
51<br />
) Schiek/Dieball/Horstkötter/Seidel/Vieten/Wankel Rn. 1022.<br />
www.WALHALLA.de 33<br />
26
27<br />
Einführung<br />
Entscheidungen über Versetzungen, Kommandierungen und Beförderungen<br />
hat sie nur auf Antrag hin das Recht auf Beteiligung. Zu den<br />
Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten gehören auch die Beratung<br />
und Unterstützung in Einzelfällen bei beruflicher Förderung,<br />
Beseitigung von Benachteiligungen und Fragen der Vereinbarkeit<br />
von Familie und Dienst in den Streitkräften (§ 19 Abs. 1 Satz 5 SGleiG).<br />
Durch Abs. 2 sollen die Vorschriften des Bundesgremiengesetzes gesichert<br />
und die Zielerreichung des Gesetzes verbessert werden. 52 )<br />
Nach § 20 SGleiG erhält die Gleichstellungsbeauftragte eine Reihe<br />
von Rechten, insbesondere auf und zur Information sowie auf Mitwirkung,<br />
damit sie ihre Aufgaben nach § 19 SGleiG erfüllen kann.<br />
Nach § 20 Abs. 1 SGleiG hat die Gleichstellungsbeauftragte das Recht<br />
auf „unverzügliche“ Unterrichtung. Unterlagen sind ihr „frühestmöglich“<br />
vorzulegen und sie soll Gelegenheit zur aktiven Teilnahme<br />
an allen Entscheidungsprozessen in personellen, organisatorischen<br />
oder sozialen Angelegenheiten bekommen. Sie hat sogar ein Einsichtsrecht<br />
in entscheidungsrelevante Teile der Personalakten mit<br />
Ausnahme der Gesundheitsunterlagen.<br />
§ 20 Abs. 2 SGleiG räumt der Gleichstellungsbeauftragten ein unmittelbares<br />
Vortragsrecht und eine Vortragspflicht bei der Dienststellenleitung<br />
ein. Sie hat ein Initiativrecht in allen Fragen, die ihrer Mitwirkung<br />
unterliegen. Die Mitwirkung erfolgt regelmäßig durch schriftliche,<br />
zu den Akten zu nehmende Voten. Folgt die Dienststelle einem<br />
Votum nicht, so hat sie die Gründe auf Verlangen der Gleichstellungsbeauftragten<br />
schriftlich mitzuteilen.<br />
Die Gleichstellungsbeauftragte kann nach § 20 Abs. 3 SGleiG Sprechstunden<br />
und jährlich Soldatinnenversammlungen in den einzelnen<br />
Dienststellen durchführen. Darüber braucht sie mit der jeweiligen<br />
Dienststelle kein Einvernehmen herzustellen, sondern muss dies lediglich<br />
anzeigen. 53 ) Es wird klargestellt, dass die Gleichstellungsbeauftragte<br />
an Personalversammlungen in allen Dienststellen teilnehmen<br />
kann, für die sie zuständig ist, und dort ein Rederecht hat, auch wenn<br />
sie nicht Beschäftigte dieser Dienststelle ist. Diese Klarstellung ist erforderlich,<br />
weil Gleichstellungsbeauftragte nach dem SGleiG in der<br />
Regel auch für Dienststellen zuständig sind, denen sie selbst nicht angehören.<br />
Dagegen steht grundsätzlich § 38 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, der<br />
den Kreis derjenigen, die an Personalversammlungen teilnehmen<br />
52<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 25.<br />
53<br />
) BT-Dr. 15/3918, S. 25 f.<br />
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Einführung<br />
können, abschließend regelt. Danach sind Personalversammlungen<br />
dienststellenfremden Personen nicht zugänglich. Als speziellere Regelung<br />
ergänzt § 20 Abs. 3 S. 2 SGleiG diese Vorschrift. 54 )<br />
§ 20 Abs. 4 SGleiG regelt die Möglichkeit der Gleichstellungsbeauftragten,<br />
sich zur Klärung grundsätzlicher Fragen an die Gleichstellungsbeauftragte<br />
für Soldatinnen und Soldaten im Bundesministerium<br />
der Verteidigung zu wenden.<br />
§§ 21 und 22 SGleiG geben der Gleichstellungsbeauftragten förmliche<br />
Rechtsbehelfe gegenüber der Dienststellenleitung bei Verstößen gegen<br />
dieses Gesetz. Dies unterstreicht die Kontrollfunktion, die die<br />
Gleichstellungsbeauftragte hinsichtlich der Gleichstellung ausübt. Im<br />
Gegensatz zum BGleiG hat der Einspruch der Gleichstellungsbeauftragten<br />
nach § 21 Abs. 1 SGleiG keine aufschiebende Wirkung. Die<br />
Dienststellenleitung kann lediglich die Vollziehung einer entsprechenden<br />
Maßnahme aussetzen. Dies schwächt die soldatische Gleichstellungsbeauftragte<br />
erheblich.<br />
Geltung des Verwaltungsverfahrensgesetzes<br />
Das VwVfG gilt soweit für die Verfahrensfragen zwischen Dienstherr<br />
und Soldat, soweit der Dienstherr per Verwaltungsakt handelt. Dies<br />
ist bei allen förmlichen Akten in statusrechtlichen und besoldungsrechtlichen<br />
Angelegenheiten der Fall. Dabei ist das VwVfG subsidiär<br />
anwendbar (§ 1 Abs. 1 VwVfG), d. h. es greift nur dann, wenn das <strong>Soldatengesetz</strong><br />
keine speziellen Regelungen aufweist. Bei truppendienstlichen<br />
Maßnahmen ist das VwVfG bei Verwaltungsakten (z. B.<br />
Versetzungsverfügung) anzuwenden, nicht aber bei militärischen<br />
Befehlen. 55 ) Zusätzlich gelten die allgemeinen Grundsätze des Verfahrensrechts<br />
für alle Verfahren nach dem <strong>Soldatengesetz</strong>. 56 ) Daher<br />
ist im Zweifel zu prüfen, ob u. a. folgende Vorschriften mittelbar oder<br />
unmittelbar anzuwenden sind:<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
Besorgnis der Befangenheit, § 21 VwVfG<br />
Untersuchungsgrundsatz, § 25 VwVfG<br />
Anhörung Beteiligter, § 28 VwVfG<br />
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 32 VwVfG<br />
Zusicherung, § 38 VwVfG<br />
Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, § 44 VwVfG<br />
54<br />
) Vgl. BT-Dr. 15/3918, S. 25 f.<br />
55<br />
) Scherer/Alff Vorb. Rn. 10.<br />
56<br />
) BVerwG NZWehrr 1985, 154.<br />
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28<br />
29
30<br />
31<br />
Einführung<br />
–<br />
Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten, §§ 48, 49<br />
VwVfG.<br />
Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee<br />
Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde die<br />
Nationale Volksarmee zum 3. 10. 1990 aufgelöst. Viele ältere Berufssoldaten<br />
wurden schon vor dem 3. Oktober 1990 aus der NVA entlassen.<br />
Der Einigungsvertrag sah für die Soldaten der NVA folgende Regelungen<br />
vor:<br />
Mit dem Beitrittsdatum wurden alle Soldaten der NVA Soldaten der<br />
Bundeswehr, wobei sie für ein halbes Jahr in einem Dienstverhältnis<br />
sui generis verblieben. Mit dem Ende dieser Frist galten die Soldaten<br />
als entlassen, es hatte jedoch jeder die Gelegenheit, sich für die Einstellung<br />
als Soldat auf Zeit der Bundeswehr zu bewerben. Die Verpflichtung<br />
als SaZ (Bw) wurde regelmäßig zunächst für zwei Jahre<br />
vorgenommen, während derer Soldat und Bundeswehr sich über eine<br />
Weiterverpflichtung oder Ernennung zum Berufssoldaten klarwerden<br />
konnten. Über die Begründung des jeweiligen Dienstverhältnisses<br />
hatte ein gesonderter Prüfungsausschuss zu entscheiden. Die Soldaten<br />
wurden mit einem Dienstgrad übernommen, der anhand der<br />
bisherigen Verwendung in der NVA und anhand von vergleichbaren<br />
Verwendungen in der Bundeswehr festgelegt wurde.<br />
In rechtlicher Hinsicht galt für die übernommenen Soldaten ab dem<br />
Beitrittsdatum das <strong>Soldatengesetz</strong> und die weiteren wehrrechtlichen<br />
Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland. Das Wehrrecht der<br />
DDR ist seitdem erloschen. 57 ) Die Dienstzeiten in der NVA sind keine<br />
ruhegehaltfähigen Zeiten im Sinne des Soldatenversorgungsgesetzes;<br />
sie wurden durch das Anspruchs-Anwartschaftenüberleitungsgesetz<br />
(AAÜG) 58 ) und Folgeregelungen in die gesetzliche Rentenversicherung<br />
überführt. Für Soldaten, die in der NVA ab einer bestimmten<br />
Verantwortungsebene (sog. E3-Grenze) verwendet wurden, sah das<br />
2. AAÜG-Änderungsgesetz 59 ) die Begrenzung des Rentenanspruchs<br />
auf das Durchschnittsniveau im Beitrittsgebiet vor. Diese Regelung<br />
sollte eine Überversorgung derjenigen verhindern, die sich in der DDR<br />
durch Systemnähe und Selbstprivilegierung Vorteile verschafft hät-<br />
57<br />
) Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II<br />
Nr. 2 § 4 des Einigungsvertrages.<br />
58<br />
) BGBl. I 1991, 1606, 1677.<br />
59 ) BGBl. I 1996, 1674.<br />
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Einführung<br />
ten. Wegen der Pauschalisierung und Fehlerhaftigkeit dieses Mechanismus<br />
hat das Bundesverfassungsgericht diese Vorschriften für verfassungswidrig<br />
erklärt. 60 )<br />
Ehemalige Soldaten der NVA dürfen wegen der Regelung im Einigungsvertrag<br />
ihren Dienstgrad nicht offiziell führen. Ungeklärt ist,<br />
wie mit der Regelung umzugehen ist, wonach die vorgenannten Vorschriften,<br />
die zum Erlöschen der Wehrrechtsregelungen der DDR führen,<br />
mit dem 31. 12. 1996 selber erlöschen. 61 ) Hier ist der Wille der<br />
Vertragspartner des Einigungsvertrages erkennbar, die Rechtsmaterie<br />
um die ehemaligen Soldaten der NVA nach diesem Datum neu zu bestimmen.<br />
Es fehlt aber an jedem Ansatz einer Neuregelung. Weder<br />
amtliche Stellungnahmen noch die Rechtsprechung konnten bislang<br />
eine Lösung anbieten. 62 )<br />
Die Berufssoldaten der Bundeswehr mit Vordienstzeiten in der NVA<br />
haben zwei getrennte Ansprüche auf Alterssicherung. Aus den Zeiten<br />
der NVA oder anderen Berufstätigkeiten in der DDR folgt ein Rentenanspruch<br />
gegen die gesetzliche Rentenversicherung; die Dienstzeiten<br />
in der Bundeswehr gelten als ruhgehaltfähige Zeit im Sinne des SVG.<br />
Da aber die besondere Altersgrenze ab dem 54. Lebensjahr gilt und<br />
der Rentenanspruch regelmäßig erst mit 65 beginnt, erhalten die Betroffenen<br />
für die Zeit dazwischen lediglich das Ruhegehalt nach dem<br />
SVG. Dies reicht wegen der wenigen Dienstjahre in der Bundeswehr in<br />
der Regel nur für wenig mehr als die Mindestversorgung nach § 26<br />
Abs. 7 SVG. Gemäß § 26a SVG können sie das erhöhte Ruhegehalt beantragen<br />
(1 Prozent pro jedes Arbeitsjahr in der DDR bis maximal<br />
70 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge), unterliegen dann<br />
jedoch der strengen Hinzuverdienstgrenze von 325,– Euro.<br />
60<br />
) BVerfG LKV 2005, 351.<br />
61<br />
) Art. 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet B Abschnitt II<br />
Nr. 2 § 9 des Einigungsvertrages.<br />
62<br />
) BVerwG DVBl. 1999, 919.<br />
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