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Globalisierung als Ordnungsaufgabe - Die Sicht des ... - Ordo Socialis

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Alfred Schüller<br />

<strong>Globalisierung</strong> <strong>als</strong> <strong>Ordnungsaufgabe</strong> –<br />

<strong>Die</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>des</strong> Ordnungsökomomen<br />

vielfach nicht standhalten. Systemwettbewerb heißt heute weltweite Selektion, Verdrängung<br />

und Ausbreitung von Varianten <strong>des</strong> marktwirtschaftlichen Systems. <strong>Die</strong> nationale<br />

Ordnungspolitik wird hierbei der zentrale Aktionsparameter (siehe Kerber, 1995, S. 335). Der<br />

davon ausgehende Anpassungsdruck erspart es keiner Regierung, ihr Verständnis von einer<br />

zweckmäßigen Gestaltung der Beziehung zwischen Eigenkontrolle aus Selbstinteresse,<br />

Wettbewerbskontrolle und Staatskontrolle zu überprüfen und die Bedeutung <strong>des</strong> Spielraums<br />

für unternehmerische Innovations-, Investitions- und Arbitragefreiheit auf allen Gebieten der<br />

Wissens- und Arbeitsteilung neu zu entdecken. Erst dadurch, dass sich die Träger der<br />

Produktionsfaktoren sowie die Steuerzahler auf Wanderschaft begeben und zwischen den<br />

Staaten <strong>als</strong> den Anbietern von unterschiedlichen Ordnungsbedingungen wählen können,<br />

„unterliegen die Staaten einem Anreiz- und Sanktionsmechanismus, ihr Wissen um möglichst<br />

geeignete institutionelle Regeln zu verbessern und diesbezüglich entweder selbst innovativ<br />

tätig zu werden oder Regeln anderer Staaten, die sich scheinbar bewährt haben, zu<br />

übernehmen“ (Kerber, 1995, S. 346). Das, was sich bewährt hat, entspricht in einer großen<br />

Vielfalt möglicher lan<strong>des</strong>spezifischer Ausprägungen im Kern den (marktwirtschaftlichen)<br />

Regeln einer humanen Rechtsordnung entsprechend dem Kooperationsmodell der<br />

internationalen Wirtschaftsbeziehungen.<br />

In diesem Zusammenhang ist in Anknüpfung und Erweiterung der Ausführungen in Kapitel<br />

II. 3. noch einmal nachdrücklich an die besondere Bedeutung <strong>des</strong> Christentums für die Regeln<br />

einer humanen Rechts- und Wirtschaftsordnung im allgemeinen und für die<br />

<strong>Ordnungsaufgabe</strong>, die sich mit der <strong>Globalisierung</strong> stellt, im besonderen zu erinnern. So haben<br />

die Spätscholastiker mit ihrem ordnungsethischen Denken über Moral schonende<br />

Ordnungsbedingungen an Einflüsse der katholischen Kirche auf die weltlichen Verhältnisse<br />

im späten 11. und im 12. Jahrhundert angeknüpft. So auch im Hinblick auf die Entstehung<br />

neuer Ordnungs- und Gerechtigkeitsvorstellungen, die die „kommerzielle Revolution“ mit<br />

dem Aufblühen <strong>des</strong> westlichen Handelskapitalismus institutionell ermöglichten und sicherten.<br />

Ausdruck hierfür ist die Entstehung neuer Wertpapiere (Handelswechsel), der Gesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung, der Handelsgesetzgebung und Handelsgerichte. Danach war eine<br />

kommerzielle Betätigung ebenso wie die landwirtschaftliche und gewerbliche mit einem<br />

christlichen Leben zu vereinbaren. Sie galt <strong>als</strong>o nicht notwendig <strong>als</strong> eine „Gefahr für das<br />

Seelenheil“. 70 Warum auch? Denn die in dieser Zeit entwickelte Sozial- und Wirtschaftsmoral<br />

sollte ja über die Zähmung menschlicher Leidenschaften „zum Seelenheil der Kaufleute<br />

führen“. Und diese Moral (man würde heute sagen dieses kooperative informale Recht auf der<br />

Grundlage selbstbindender Regeln: siehe die Übersicht im Anhang) fand Ausdruck in einem<br />

(Handels-)Recht, das getragen war von der Bereitschaft, ehrlich, vertrauenswürdig,<br />

diszipliniert, wohltätig, keineswegs unlauter zu sein, d. h. zu täuschen, zu betrügen und<br />

Monopolmacht auszuüben (siehe Berman, ebenda).<br />

Wir haben es mit der Moral-kommt-vor-Markt-These zu tun, der Wilhelm Röpke später<br />

lebhaften Ausdruck verliehen hat: <strong>Die</strong> nüchterne Welt <strong>des</strong> Geschäftslebens schöpft aus<br />

sittlichen Reserven, die von den Bereichen jenseits <strong>des</strong> Marktes bezogen werden. „Auch kein<br />

Lehrbuch der Nationalökonomie kann sie ersetzen. Selbstdisziplin, Gerechtigkeitssinn,<br />

Ehrlichkeit, Fairness, Ritterlichkeit, Maßhalten, Gemeinsinn, Achtung vor der<br />

70 <strong>Die</strong> Auffassung, nach der der westliche Handelskapitalismus erst im 16. und 17. Jahrhundert entstanden und<br />

die christliche Lehre vor der Reformation grundsätzlich gegen das Gewinnstreben gewesen sei („Der Kaufmann<br />

vermag Gott selten oder nie zu gefallen“), weist Berman ebenso <strong>als</strong> f<strong>als</strong>ch zurück wie die These, nach der die<br />

„protestantische Ethik“ Luthers oder Calvins weltlicher, rationalistischer, individualistischer und daher mit dem<br />

kapitalistischen Unternehmenskonzept besser verträglich gewesen sei <strong>als</strong> die römisch-katholische Morallehre.<br />

Siehe Berman (1991).<br />

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